AW: Plauderecke die Vierzehnte
Ich denke man kann bei jeder Strafe darüber diskutieren, ob sie angemessen ist.
Man sollte nur vielleicht nicht aus den Augen verlieren, was eine Freiheitsstrafe bedeutet: Nicht nur, dass derjenige für die gesamte Zeit eingesperrt ist und nicht selbstbestimmt handeln kann, nach verbüßen seiner Strafe gilt er als vorbestraft, muss diese Vorstrafe also immer angeben, hat eine Lücke in seinem Lebenslauf, die jeden Arbeitgeber interessieren wird und ihm viel verbaut, hat einen ganzen Teil seines Lebens verpasst,... Insofern finde ich, dass eine Freiheitsstrafe an sich schon ziemlich heftig ist. Und ich bin auch der Meinung, dass unser Strafrecht selbst ausreichend ist.
Lebenslänglich ist in Deutschland (wenn ich mich da nicht täusche) erstmal tatsächlich lebenslänglich, jedoch wird der Rest der Strafe zur Bewährung ausgesetzt, wenn 15 Jahre verbüßt sind, nicht eine besondere Schwere der Schuld festgestellt wurde und das Gericht nicht von einer weiteren Gefährlichkeit des Täters ausgeht (§57a StGB). Und da kommt ein Knackpunkt:
Da wir ja, wie Gordovan schon schrieb, kein Rachestrafrecht haben, soll die Strafe der Schuld angemessen sein und dazu genutzt werden, den Täter zu "entschärfen". Wenn Täter freikommen und dann wieder ein Verbrechen begehen, kann das viele Ursachen haben: Es könnte ein Fehler gemacht worden sein (auch Gutachter sind nur Menschen), es könnte Versagen im Vollzug vorliegen (in der Resozialisierung), es könnte wirklich nicht vorhersehbar gewesen sein, ... Ich bezweifle, dass härtere Strafen irgendeinen dieser Gründe verhindern könnten - man könnte nur alle für immer wegsperren - und zig Leute mittreffen, die nicht rückfällig würden.
Es gab da das Beispiel eines Sexualstraftäters (um das Beispiel anzuführen, das am meisten Aufregung mit sich bringt), der im Gefängnis um eine Therapie gebettelt hat, jedoch keine erhielt, nach seiner Strafe freikam, ohne Halt und Anleitung wieder auf die Gesellschaft losgelassen wurde und dann zum Mörder wurde. Klar - Schuld ist trotzdem der Täter, aber es gab viele vorgeschaltete Ereignisse, die die Tat hätten vielleicht verhindern können. (zum nachlesen:
http://www.zeit.de/2006/22/Strafe_xml)
Außerdem haben härtere Strafen ein kleines Problem: Je härter auch geringere Vergehen bestraft werden, desto niedriger ist mitunter die Hemmschwelle, während der Tat weiter zu gehen. Der Täter hat ja für den Fall dass er erwischt wird nicht viel mehr zu befürchten als nach der "harmloseren" Tat.
Interessant ist übrigens, dass ich vor einiger Zeit einen Artikel gelesen habe, in dem über das Verhältnis von opfern zur Strafe ihrer Täter geschrieben wurde und darüber, dass härtere Strafen selten von Opfern sondern meist von nicht direkt Betroffenen gefordert werden:
Tatsächlich geht es in einem Strafprozess nicht um die private Auseinandersetzung zwischen Täter und Opfer. Der Angreifer hat mit seiner Tat nicht nur dem Angegriffenen Schaden zugefügt, sondern auch dem Normengefüge, das eine Gesellschaft zusammenhält. Das Opfer ist hier vor allem Zeuge des Rechtsbruchs. Nicht bestohlen, nicht verprügelt, vergewaltigt oder getötet zu werden ist das Interesse aller Bürger. Das Opfer darf auch nicht zurückschlagen. Es wird durch das Strafrecht daran gehindert, Rache zu nehmen und Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Der Staat mit seinem Gewaltmonopol lege gerade das Opfer »an die Kette der äußerlichen Friedfertigkeit«, so sagt es der Bundesverfassungsrichter Winfried Hassemer. Um ein zivilisiertes Miteinander zu garantieren, verbietet der Staat, dass Täter und Opfer den Konflikt untereinander regeln.
Die meisten Opfer akzeptieren diese Enteignung. Weiner hat nur wenige Mandanten, die Rachegedanken hegen (und kriminologische Opferbefragungen bestätigen diese Erfahrung). Selbst die Höhe der Strafe, stellte Weiner fest, erscheine Nebenklägern oft zweitrangig. Es sind vor allem die indirekt Betroffenen – Angehörige und Hinterbliebene –, die nach Weiners Beobachtung unter dem Hass auf den Täter leiden oder von Vernichtungswünschen getrieben werden. »Die Verletzten selbst«, sagt Weiner, »wollen nicht mehr, als dass ein Gericht feststellt: Dir ist Unrecht geschehen.« Sie wollten ihre angetastete Menschenwürde wieder hergestellt wissen.
Diesem Bedürfnis komme auch die finanzielle Entschädigung von Opfern entgegen. Den wenigsten gehe es ums Geld. Sie strebten vielmehr nach dem Gefühl, der Staat, der sie vor dem Angriff nicht zu schützen vermochte, nehme sich jetzt ihrer an. Und das tut er.
Quelle:
http://www.zeit.de/2006/47/Opfer?page=all
Interessant auch:
http://www.zeit.de/online/2006/46/sexualdelikt_taeter_stephanie
http://www.zeit.de/online/2007/10/sexualstraftaeter-interview-seifert