Äußerst nervig sind Spieler, die die Arbeit eines Spielleiters nicht schätzen und ihn zielstrebig zur Weißglut bringen. Beispiel: Charaktere folgen partout nicht dem roten Faden eines mühselig selbsterarbeiteten Abenteuers und tun stets vorsätzliche Dinge, die höchstes Improvisationsgeschick des SL's erfordern.
Nicht alle Spieler stehen auf "Railroad" Abenteuer, in denen man quasi den vom Spielleiter eingestreuten Questmarkern zu folgen hat und weder links noch rechts des vorgegebenen Pfades etwas zu suchen hat.
Manche Spieler spielen Rollenspiel hauptsächlich deswegen, weil sie sich davon ausnahmsweise mal ein Spielerlebnis erhoffen, das sich eben gerade NICHT wie in einem Computer-RPG anfühlt. Also keine unsichtbaren Wände, gegen die man prallt, wenn man den vorgegebenen Pfad verlässt, sondern wirkliche Freiheit, zu tun was immer man will.
Wenn ein Spielleiter sich nicht die Mühe machen möchte, den Großteil der wahrscheinlichsten Eventualitäten an erwartbaren Spieler-Aktionen einzuplanen, dann muss er sich auf sein Improvisationsgeschick verlassen können. Die bereits vorbereiteten Teile des Abenteuers sind dann ja keine verschwendete Zeit gewesen. Wann immer eine der vorgescripteten Szenen wieder in den Rahmen des eingeschlagenen Pfades der Spieler passen könnte, kann man diese ja wieder hervorholen.
Ich gehe stark davon aus, dass kein Spieler wirklich absichtlich genau das Gegenteil tut von dem, was die Story-Hinweise des Abenteuers ihm suggerieren. Es sei denn natürlich, das Vertrauen zwischen Spieler und SL ist schon lange dahin, und der Spieler, genervt davon, ständig mit seinem Charakter in eine vorgegebene Story gezwungen zu werden, versucht aktiv, daraus auszubrechen und endlich die eigentlich im Rollenspiel einzigartige Freiheit kennenzulernen, die es so sehr vom Videospiel unterscheidet.
Ich selbst hatte für die Fortsetzung eines Abenteuerplots nach dem ersten gemeinsamen Abenteuer meiner D&D Gruppe drei verschiedene Plotstränge zum Weiterverfolgen für die Spielercharaktere ausgedacht. Zwei davon hatte ich bereits fertig ausgearbeitet. Sie haben genau den gewählt, zu dem ich am wenigsten vorbereitet hatte. Aber das war in Ordnung, da sie, um diesem Strang zu folgen, erst einmal mindestens zwei Tagesreisen hinter sich bringen mussten. Eine Kampfbegegnung (Überfall aufs Nachtlager in der Wildnis) und eine Nebenquest (Vermisste Person aus Dorfgemeinde am Wegesrand finden und retten) waren schnell eingestreut, und so schinde ich die Zeit, genug vorzubereiten, um die Verfolgung dieses Handlungsstrangs gebührend ausspielen zu können. Und ganz nebenbei fülle ich damit die Spielwelt mit Leben. Die ursprünglich ungeplante Nebenquest mit den Dorfbewohnern, deren Jägerin verschollen ist, hat jetzt schon einige NSCs hervorgebracht, in die die Spieler ganz und gar vernarrt sind. Und diese NSCs werden in einer späteren Mini-Kampagne noch tragende Rollen spielen, das ist fest mit eingeplant. Die anderen beiden Quests warten in der Heimatbasis-Stadt der Helden auf sie, bis sie zurückkehren.
Deswegen bin ich jedoch meinen Spielern nicht böse. Wieso sollte ich? Sie kommen spielen, weil sie meine Spielwelt auf eigene Welt erkunden und ihre eigenen Charaktere nach eigenen Wünschen spielen wollen. Wenn ich als SL ihnen dann sage "Ihr müsst jetzt aber links gehen, auch wenn eure Charaktere es wichtiger fänden, jetzt nach rechts zu gehen", dann ist das Gängelei, und wer lässt sich schon gern vorschreiben, wie er zu spielen hat?