Rhizom schaut noch einmal zu Thevita. Ja! Sie soll sich erklären. Er ist Thevita dankbar, dass sie da ist. Und dass ihre Hand auf seiner Schulter weilt. Warum fühlt er sich nur so schwach, verletzlich und hilflos? Derweil streicht die junge Frau über seine Wange. Es fühlt sich beruhigend, versöhnend an. Und dann, als sie das Wort sagt, "Sieh!", dreht sich alles vor seinen Augen und er wird in einen Strudel von Licht hineingerissen, der sich nach einiger Zeit beruhigt, und zu einer sich langsam drehenden Spirale aus Bewegungen von Sternen und Sternenkonstellationen wird. oO So schön! Sie scheinen alle einzigartig. Oo Zwischen all diesen Sternen, springt ganz klein, ganz im Hintergrund eine Wölfin herum, mit ihren zwei Welpen. Sie kommen näher, spielen ein Spiel: Eine jagt die andere, wer gefangen wird, wird die nächste Jägerin. Und ihre Mutter schaut sie an, schaut ihnen zu, und befindet es für gut. So lässt sie sie allein, zu zweit spielen, und geht ihrer Wege. Entspannt und völlig bei sich selbst sieht sie aus, majestätisch, als könne sie nichts erschüttern. Die Welpen währenddessen spielen weiter ihr Spiel. Nichts kann sie erschüttern, denn am Himmel sind nur sie und die Sterne. Sie springen von einem Stern zum anderen. Fangen und werden gefangen. oO Sie wirken so glücklich. Es sind Wölfe. Wie können Wölfe glücklich sein? Oo Die Wolfswelpen spielen mit den Sternen, greifen bisweilen einen mit dem Maul. Und in ihrem Biss wird der Stern ein Diamant. Eines der Welpen schluckt den Diamant, und rennt weiter davon vor dem anderen. Sie spielen. Aber irgendwo, auf der dunklen Seite eines Planeten, lauert eine andere Gestalt. oO Mada! Oo Rhizom weiß nicht, woher er ihren Namen kennt, aber er kennt ihn. Und sie ist eine Bedrohung, führt Böses im Schilde. Sie ist gierig. Die Wölfe kommen dem Planeten näher, hinter dem sie lauert. Rhizom will sie warnen. "Nicht dorthin, Ihr beiden, nicht dort hin!" Doch sie hören ihn nicht, und tollen weiter herum. Unschuldige Kinder der Himmelswölfin, denen nie ein Leid widerfahren war. Und in dem Moment, als die eine an Mada vorbeispringt, zieht Mada ihr Messer, hält die Welpe am Vorderbein und schlitzt ihr dem Bauch auf. Blut spritzt heraus, und sie sticht tiefer, ritzt, bis in den Magen. Der Wolf heult auf. Und ebenso Rhizom. "NEEEEIIIIN!!!" Die Gierige nimmt ihre bloße Hand, steckt sie tief in den Körper des jungen Wolfes, zieht sie wieder heraus und hält zwischen Blut und Fleisch... Diamanten! Rhizom hört sie auflachen, während der Blick des Welpen bricht. Das andere Wolfskind kommt herbei, möchte seinen Zwilling schützen, doch es weiß nicht, wie, denn es hat immer nur gespielt. So springt es die Gierige an. Die aber ist vorbereitet, weicht aus, hält auch das zweite Kind am hinteren Lauf und nutzt das Messer in ihrer anderen Hand noch einmal, um zuzustechen. Wieder. Und wieder. Sie sticht zu, bis das Wolfsjunge ein riesiges blutendes Loch im Bauch hat. Und wieder nimmt sie ihre Hand und greift in den Magen und findet Diamanten und lacht. Sie wirft den kleinen Wolf hinfort. Und sein Blick bricht. Auch dieser Wolf ist tot. "Oh Nein! Bitte! Wie grausam! Das kann nicht passiert sein!", schreit Rhizom. Die Gierige derweil schleicht sich hinfort. Von einer dunklen Seite eines Planeten zu der eines anderen. All das ist bis auf Rhizoms Schreie und das Lachen von Mada recht lautlos vor sich gegangen. Niemand hat etwas gemerkt. Und so wird die Himmelswölfin auch erst viel später aufmerksam. Wundert sich, dass Ihre Kinder nicht zurückkommen. Sie macht sich auf die Suche. Und am Ende... findet sie die ausgeweideten Leichen.
Was jetzt passiert, der Schmerz, der Verlust der Himmelswölfin, das ist nicht mit Worten zu beschreiben. Rhizom beobachtet und fühlt ihre Agonie, und es scheint ihm, dass er das für Äonen spürt. Eine Jagd beginnt auf diejenige, die die Diamanten genommen und dafür das Blut vergossen hatte, und zwei wundervolle Leben ausgelöscht, aber die Jagd bleibt erfolglos. So kommt die Wölfin oO Liska! Oo (das ist ihr Name, Rhizom kennt ihn, aber weiß nicht, warum) ... so kommt die Wölfin zurück und leckt die Körper ihrer Kinder sauber und zieht sie beide zu einer Silberschüssel, in die sie sie legt. Und die Silberschüssel zieht sie in den Himmel, auf dass man sie jede Nacht sehen könne, von dem Planeten aus, bei dem Mada die Welpen getötet hatte...
Und langsam verblassen die Bilder um Rhizom herum. Er ist wieder hier, am Tempel des Mondes. Um ihn herum die Kupferhaarige, die seine Wange hält und die Stadträtin, die ihre Hand auf seine Schulter gelegt hat. Und da ist der Mond. Und für einen Moment sieht Rhizom in dem Mond zwei tote junge Wölfe liegen, und er sieht, dass der Mond eine Frau ist, die die beiden Welpen umarmt, und streichelt, und liebkost. Er sieht Selune! Und sie streichelt die beiden Wölfe.
Und in diesem Moment bricht Rhizom zusammen. Er geht vor Karia in die Knie und Tränen strömen über sein Gesicht. Und er blickt durch die Tränen zu ihr und sagt mit gebrochener Stimme: "Meine Priesterin! Oh wahre Priesterin meiner Göttin, sagt mir, was ich zu tun habe!" Und so verharrt er. Weinend. Demütig, vor der, die er jetzt erkannt hat, als eine völlig fremde, aber doch als diejenige, die er gesucht hat.