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Sci-Fi / Fantasy Gefährten des Zwielichts

Luzifer

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Eines wird beim Lesen von Alexander Lohmanns Roman „Gefährten des Zwielichts“ sehr schnell klar: Dieses Buch hätte es so ohne „Herr der Ringe“ von J.R.R. Tolkien nie gegeben. Und das nicht, weil Tolkien als geistiger Vater von Elfen, Orks und Trollen gilt. Sondern weil die Handlung aus dem „Herrn der Ringe“ hier aufgenommen wurde und wie das Negativ einer Fotographie ins Gegenteil verzerrt wurde. Heraus kam eine teils adaptierte, größtenteils aber sehr eigene Geschichte über das Böse und das Gute. Und die Frage, wer entscheidet eigentlich, wer der Gute und wer der Böse ist?


Tief in den Grauen Landen herrscht der mächtige Leuchmadan, der vor über 1000 Jahren auf die Erde kam um sich alle Finstervölker Untertan zu machen. Und auch die Menschen des Kontinents Bitan sollten sich ihm unterwerfen. Nur die Allianz der lichten Völker, bestehend aus Menschen, Zwergen und Elfen konnte gegen Leuchmadan bestehen und bannte ihn von der Erde mit Hilfe eines unglaublich mächtigen Artefakts – dem steinernen Herzens Leuchmadans selbst. Das Herz verschwand spurlos und die Allianz zerbrach.

Für 1000 Jahre war Leuchmadan gebannt, aber nicht vernichtet - und er kehrte zurück. Zeitgleich tauchte auch das sein Herz wieder in der Elfenstadt Keladis wieder auf. Eine Gruppe der besten Zwerge, Elfen, Menschen und Wichtel, angeführt von dem uralten und mächtigen Zauberer Gulbert machen sich auf, um das Herz Leuchmadans dort zu vernichten, wo es geschaffen wurde, in den Bergen der Grauen Lande, beim Quell des Blutes der Erde.

Zeitgleich machen sich die „Gefährten des Zwielichts“, geschickt von Leuchmadan selbst, auf um das Herz ihres Herren zu finden und zu ihm zurück zu bringen. Über 1000 Jahre hatte es der Erde sämtliche Kraft entzogen und in sich gespeichert. Wer das Herz für sich zu nutzen weiß, wird keinen Gegner mehr fürchten müssen. Eine Waffe, die auch in den Händen der lichten Völker die Gefahr birgt, sie zu missbrauchen.

Angeführt von Baskon, einem der sieben schrecklichen Wardu - einem Wesen, das dem Herz Leuchmadans entsprungen ist – begeben sich Gibrax der Troll, Daugrula die Nachtelbe, Werzaz der Goblinkrieger und die Gnome Wito, Skerna und Darnamur, in die Lande der Elfen und der Menschen. Während die Kundschafter Wito, Skerna und Darnamur das Herz einfach nur für ihr Land zurück haben möchte, um es wieder gedeihen zu sehen, merken die Kleinen schnell, dass andere in ihrer Gruppe viel größere Pläne mit dem Herz haben. Und nur die Zusammengehörigkeit zu den Finstervölkern eint sie. Zumindest so lange, bis der Auftrag erfüllt ist.

Wito, der Anführer der Kundschafter, muss lernen, dass Allianzen nur so lange Bestand haben, solange sich alle etwas davon versprechen – egal ob Finster- oder lichtes Volk. Und selbst solche Zusammenschlüsse, die er für unmöglich gehalten hätte, können eingegangen werden. Insbesondere dann, wenn noch ein weiterer Feind im Dunkel der Berge lauert.


Nahezu aufdringlich ergeben sich beim Lesen des Buches Parallelen und direkte Assoziationen zum „Herrn der Ringe“ und dortige Konstellationen. Allein die „Gefährten des Lichts“, angeführt von einem Magier, der in grau gekleidet ist und sich mit einem Elf, Zwerg, einem Menschenkrieger und drei halbgroßen Wichteln daran macht, das mächtige Artefakt in dem alle Macht des Gegners gebündelt ist, in einem Berg zu vernichten – wo das Artefakt selbst auch hergestellt wurde – schreit geradezu nach einer Kopie. Auch die Redensart der Orks, welche auf dem Klappentext abgedruckt ist: „Gandalf ist ein Arschloch“ – bläst ins gleiche Horn.

Alexander Lohmann belässt es aber zum Glück nicht dabei, sondern dreht die Erzählsicht um und schildert die Erlebnisse der „Gefährten des Zwielichts“. Mit großem Geschick stellt er hier eine beinahe gespiegelte Gruppe der Finstervölker zusammen. Die Beschreibung ihrer (durchauchs sehr unterschiedlichen) Beweggründe, die sich trotzdem in einem gemeinsamen Ziel vereinen lassen, ist hierbei der größte Spagat. Den meistert der Autor sehr gekonnt.
Obwohl sich viele Handlungselemente (Gefährten, Zerstörung des mächtigen Artefakts, die Grauen Lande) ähneln, schafft es Alexander Lohmann eine eigene Geschichte aufzubauen, die sich immer weiter vom „Herrn der Ringe“ abgrenzt.

Besonders interessant ist hierbei die Betrachtung der vermeintlich Bösen und vermeintlich Guten. Mit psychologischem Gespür lässt Lohmann beim Leser mehrfach die Frage aufkommen, ob eine Kategorisierung nach hell und dunkel wirklich von Anfang an gemacht werden darf. Oder ob vielmehr die Motivation der Charaktere sie gut bzw. böse macht?
Der Autor spielt hier geschickt mit Stereotypen, welche aus vielen Fantasyromanen all zu bekannt sind. Er dreht ihre bekannten Facetten beliebig um und blickt auch mal hinter die Fassade. Dieser ständige Perspektivenwechsel ist die größte Stärke des Romans.

Interessant ist auch der Vergleich der Wichtel (Lichtvolk) mit den Gnomen (Finstervolk), beide nur halb so groß wie Menschen/ Elben, dafür aber sehr gewandte Kundschafter und Diebe. Hier beantwortet der Autor für sich die psychologische Frage nach Determination, also nach Vorbestimmung des Charakters, oder nach äußeren Einflüssen.
Im Laufe der Geschichte stellt sich nämlich heraus, dass sie eben gar nicht so verschieden sind, sondern das eine Volk in den Grauen Landen, das andere auf einem anderen Teil des Kontinents aufgewachsen sind.
Viele weitere amüsante Feststellungen werden dem Leser bei „Gefährten des Zwielichts“ offenbar, so dass es ein Genuss ist das Buch zu lesen.

Schwächen weist es lediglich in der Vorhersehbarkeit des Endes auf. Obwohl Alexander Lohmann für den gesamten Mittelteil eine Abzweigung von Bekanntem macht, ist dem geneigten Leser klar, welches Ziel das Herz nimmt und wo der Showdown stattfindet. Wie der Weg zum Finale allerdings genommen wird, und wie das Ende genau vollzogen wird, wurde vom Autor mit einem straffen Spannungsbogen versehen.

Das Cover des Buches weist einen dunklen Turm mit geöffnetem Portal auf. Auf der Innenseite sind die Silhouetten der „Gefährten des Zwielichts“ abgebildet. Abgeschlossen wird der Roman mit einer, relativ kurzen, Dramatis Personae.


Schon durch die visuellen, aber auch sämtliche anderen Analogien wurde bei „Gefährten des Zwielichts“ sehr auf die Fans vom „Herrn der Ringe“ gesetzt. Man könnte meinen, dass diese Leser sich eine Kopie ihres heiligen Grals nicht gefallen lassen. Aber der Autor beschränkt sich ja auch nicht auf eine Kopie dieses Werks, sondern schafft auf Grundlage von bekannten Elementen einen eigenen, überraschenden Roman, der jederzeit ein ironisches Augenzwinkern aufblitzen lässt. Zugleich ist es eine Ehrverbeugung vor Tolkien und doch wieder der Hinweis, dass eine Einteilung in Gut und Böse, wie der Meister der Fantasy sie erdachte, eben doch nicht ohne weiteres möglich ist.

Dieser intelligente und sehr unterhaltende Roman erhält 9,5 von 10 Punkten.


Über den Autor:

Alexander Lohmann wurde 1968 in München geboren. E ist als Lektor und Übersetzer, u.a. beim Bastei-Lübbe-Verlag tätig. In Köln studierte er Germanistik und Geschichte. Basierend auf dem Rollenspiel „Das Schwarze Auge“ veröffentlichte er bereits die Romane „Thronräuber“ und „Die Mühlen der Träne“. Im August 2009 erscheint sein nächster Roman „Der Tag des Messers“ , bei dem thematisch wieder die Gnome aus „Gefährten des Lichts“ aufgenommen werden.
Alexander Lohmann wohnt heute in Leichlingen, zusammen mit seiner Partnerin Linda Budinger (alias Marion Frost), welche ebenfalls Schriftstellerin ist.


Vielen Dank an den Bastei-Lübbe-Verlag, der diese Rezension ermöglichte.
 
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