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Sci-Fi / Fantasy Answin von Rabenmund II - Verrat

Luzifer

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Answin von Rabenmund ist ein wohlklingender Name. Nicht nur in der adligen Welt des Mittelreiches, sondern auch am kaiserlichen Hofe. Man verbindet den Namen des Reichskanzlers mit Macht, diplomatischem Spürsinn, Ehrgeiz, Selbstdisziplin und vollendeter, politischer Raffinesse. Noch!

Der Roman "Verrat", ist der zweite Teil der Answin von Rabenmund – Biographie und schließt nahtlos an den ersten Teil „Macht“ an.


Answin kann mit Recht zufrieden mit sich sein. Das Reich regiert er mit straffen Zügeln. Nichts entgeht ihm bzw. seinem Netz taktisch gesetzter Verbündeter und Nutznießer. Sogar Kaiser Hal hört grundsätzlich auf seinen Rat, auch wenn man manchmal nachhelfen muss. Sein Oheim und väterlicher Freund, der verstorbene Kaiser Reto, wäre zu Recht stolz auf ihn. Zumal er ihm unter Praios gerechten Auge auch versprochen – sogar geschworen – hat, sich um das Wohl des Reiches zu kümmern und auch um Hal.

Letzteren umgibt ein delikates Geheimnis, von weitreichendem Ausmaß – sollte es jemals den erlauchten Kreis der Eingeweihten verlassen. Der Untergang des Mittelreiches in seiner jetzigen Form wäre die Konsequenz.

Letztlich ist es genau dieses Mysterium, das Answin nach und nach Probleme aufgibt. Daran ist mitunter auch Dexter Nemrod nicht ganz unschuldig. Ursprünglich studierten Dexter und Answin zusammen und waren Verbündete. Dieses Bündnis zerbrach allerdings am Ehrgeiz und dem Stolz der beiden späteren Kontrahenten, welche sich gerade in diesen Eigenschaften gegenseitig in nichts nachstehen. Answin wurde der Kanzler. Diesen Posten beanspruchte Dexter allerdings auch für sich selbst. Zugleich übernahm Dexter die von Answin aufgebaute Kaiserlich-Garethische-Informations-Agentur (KGIA). Gründe genug, um den anderen in Missgunst geraten zu lassen.

Kaiser Hal ist es selbst, der das von Answin mühevoll errichtete, komplizierte Machtgewebe des Kaiserreiches ins Wanken bringt. Eine diplomatische Unüberlegtheit sorgt dafür, dass die „Kornkammer des Reiches“, namentlich Aranien, im Süden des Mittelreiches abtrünnig wird. Gleichzeitig versucht Hal seinem verstorbenen Vater vermeintlich alle Ehre zu erweisen und drängt auf einen Heerzug gegen die Insel Maraskan. Auf Maraskan gibt es aber außer Gift, mörderischen Tieren und gut gerüsteten Rebellen kaum etwas zu holen, während die Kornvorräte des Reiches langsam zur Neige gehen.
Als Kaiser Hal sich schließlich als Gott ausrufen lässt, lodern in Answin bereits die Flammen des Zweifels, ob sein Schwur auf das Wohl des Reiches sich noch mit Hals Handlungen vereinbaren lässt. Ein kühner Plan wird nach und nach geboren, bei dem Answin alles gewinnen kann, oder alles verlieren.

Die Biographie über Answin von Rabenmund ist in etwa wie die Seifenoper „Dallas“, aber auf aventurisch. Answin spielt dabei den genialen, aber dennoch negativ behafteten J.R., dem fast jedes Mittel recht und billig erscheint, wenn dadurch das Wohl des Reiches gestärkt wird. Su Ellen wäre die Kaiserin, Alara Paligan, welche ihr eigenes kleines Intrigenspiel propagiert – mit allen von Rahja geliehenen Möglichkeiten und Winkelzügen. Dem allen wäre Answin allerdings erhaben, wäre da nicht sein Gegenspieler Dexter Nemrod. Er weiß das Spiel genauso gut zu leiten, wie Answin selbst. Und während Dexters große Schwäche sein Ehrgeiz und seine unterdrückte Wut auf den Adel ist, ist es eine andere Frau, die Answins makellosen Ruf in Sachen Selbstdisziplin und Workaholic diskriminiert: seine Affaire zu Praiodane von Falkenstein.


In der „Serie“ über die oberen 10.000 des Reiches geht es um Intrigen, um Mord, Politik und Diplomatie, Hass und Eifersucht, Ehre und Loyalität, den buchstäblichen Verrat und nochmals um Intrigen. Im Gegensatz zu Seifenopern, ist der Roman aber intelligent geschrieben und malt das Bild eines großartigen und genialen Politikers mit einigen für Politiker typischen Schwächen, der in einer moralischen Zwickmühle steckt. Answins Charakter wird von Seite zu Seite eindringlicher dargestellt, seine Handlungen und Entscheidungen sind – so seltsam es klingt – in sich schlüssig und durchaus nachvollziehbar für den Leser.

Letzten Endes ist es schwer, nicht auf seiner Seite zu sein. Auch wenn man als Rollenspieler eines der ersten Abenteuer gespielt hat, die in der Welt des „Schwarzen Auges“ veröffentlicht wurden: „Die Verschwörung von Garth“. Damals war Answin von Rabenmund ganz klar als Reichsverräter, als Thronräuber und der Erzbösewicht in adligem Gewand der Gegner eines jeden DSA-Spielers. Und Kaiser Hal und Prinz Brin waren die armen Opfer. Diese Sicht kann so nicht weiter bestehen, und bei manchem hat sie sich vielleicht sogar gedreht. Gut und Böse ist nicht mehr so einfach zu strikt zu bestimmen, wie in Märchen oder auch in früheren, „einfacheren“ Abenteuern in Aventurien.
Die Figuren und ihre Motivationen sind einfach so komplex, dass es das simple „gut“ und „böse“ gar nicht geben kann. Und so verfolgen Answin, Hal oder Nemrod ihre Ziele, die auf Außenstehende – je nach Propaganda – richtig oder falsch wirken mögen.
Michelle Schwefel ist es bei „Verrat“ gelungen diese komplexen Zusammenspiele der Protagonisten logisch und spannend zu verweben. Dabei hat sie besonders darauf geachtet, dass die bestehenden Publikationen eingearbeitet wurden. Die wahre Flut an Informationen über Answin von Rabenmund in den verschiedensten Abenteuern, Romanen, Aventurischen Boten, mussten aufgearbeitet und miteinander verstrickt werden, ohne dass eine dieser Veröffentlichungen im Nachhinein Lüge gestraft werden musste. Blick man z.B. bei dem Abenteuer „Die Verschwörung von Gareth“ auf den Ablauf des Abenteuers, so wurde dieser Ablauf exakt in dem Roman „Verrat“ übernommen. Sogar die „Heldengruppe“ kommt in vage gehaltenen Beschreibungen vor (Einzig und allein die Rolle von Dexter Nemrod bleibt bei dem Abenteuer im Gegensatz zum Roman im Hintergrund – was aber auch aufgeklärt wird). Und damit gelangt man wieder zu dem Punkt, an dem Michelle Schwefels Werk so ein detailliertes Ergebnis vorweist: Für den damaligen Spieler/ Helden/ Leser mussten Answins Handlungen als Erzböse gewertet werden. Aber hinter der Fassades zeichnete sich ein anderes Bild ab.

Die Spannung des Romans, und das ist ein kleines Manko, kommt allerdings erst in der zweiten Hälfte so richtig in Fahrt und zieht dann während des Turniers nochmal an. Die erste Hälfte enthält zwar die notwendigen Bausteine, auf denen die Handlung gründet, aber sie schleicht manchmal einfach nur vor sich hin.

Erzählt ist der Roman in einer klaren Sprache aus der Sicht eines Erzählers. Das hilft den Überblick zu behalten, bei der wechselnden Beobachtung der Figuren.


Fazit
:

Schlicht und einfach ist „Answin von Rabenmund II - Verrat“ eine tolle schöpferische Arbeit von Michelle Schwefel. Noch nie hat ein Roman meine persönliche Sicht auf die Geschichte Aventuriens derart verändert. Und noch nie bekam ich als Rollenspieler eine solch eindringliche Offenbarung gegenseitiger Motivationen. Vielen Dank für diesen Blick hinter die Kulissen, dieses „Making of“ des Kaiserhauses.


„Answin von Rabenmund II – Verrat“ ist als Taschenbuch erschienen. Das Cover trägt, wie schon beim ersten Teil, das Wappen des Hauses Rabenmund. Allerdings sind dem Schild einige Kratzer zugefügt worden – eine Anspielung auf den späteren Ruf von Answin.


Über die Autorin:


Michelle Schwefel (geb. Melchers) wurde 1964 in Wuppertal geboren. Von 1992 bis 1995 war sie Chefredakteurin des AVenturischen Boten und hat an zahlreichen Publikationen als Redakteurin und Autorin mitgewirkt (u.a. Stromaufwärts, Fest der Schatten, Bishdariels Fluch, Die Tage des Namenlosen, Die Helden des Schwarzen Auges, Mit Mantel Schwert und Zauberstab, Wege der Götter, etc.).
Aktuell wirkt sie an der Erstellung des Meisterpersonen-Kompendiums „Von Rang und Namen“ mit. Sie lebt mit ihrem Mann Ragnar in Berlin und arbeitet im Deutschen Bundestag.

Vielen Dank an FanPro, welcher diese Rezension ermöglichte. Viel Spaß beim Lesen!
 
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