Gestern abend war es jetzt so weit. Ich hab die erste Runde gespielt, aber gegen alle Erwartungen doch nicht Solo, weil ich meinen Mitbewohner verpflichten konnte. Das erste was ich sagen muss ist: Das Spiel ist wirklich absolut empfehlenswert, ich spiele ja gern Eurogames und von allen, die ich so kenne, spielt dieses sicher in der obersten Liga mit. Die Regeln sind einfach zu verstehen und man hält sich nicht viel mit Nachschlagen im Regelwerk auf. Die vielen Aktionen, die man machen kann, fühlen sich gut balanciert an, so dass wirklich verschiedene Wege zum Erfolg führen können. (So scheint es mir jedenfalls nach der ersten Partie.) Die Anzahl der Aktionen ist reichlich, aber sobald man sich ein bisschen eingewöhnt hat, nicht unübersichtlich. Selbst das Material ist super: Als ich die Packung öffnete, dachte ich noch, da könne doch eigentlich etwas mehr drin sein für 75€, aber beim Spielen war es dann ziemlich toll, mit den Kupfer-, Silber- und Goldsteinen zu hantieren, kleine transparent-farbige Marker auf die eigenen Plättchen und Karten zu legen und diverse Zählleisten zu kontrollieren. Alles fühlt sich richtig an.
Was aber -- zumindest bei meiner Partie mit zwei Leuten -- etwas unerwartet war, war die Spielzeit. Luzifer zitierte ja im Eingangsbeitrag die 90-120 min. Die haben wir weit überschritten. Wir haben um 21 Uhr angefangen und mussten uns dann um 1:30 Uhr am Morgen einigen, vorzeitig abzubrechen, weil wir beide zu müde wurden. Das war gar nicht so schlimm: Wir spielten die Runde (die "Generation") zuende und werteten wie beim regulären Ende unsere Siegpunkte aus. Dabei fühlten wir uns beide von dem Spiel zufriedengestellt, obwohl wir es nicht geschafft hatten, den Planeten in einen bewohnbaren Zustand zu bringen. Und trotzdem: Ein bisschen kürzer wäre schon in Ordnung gewesen. Ich könnte mir allerdings vorstellen, dass das Spiel im Gegensatz zu allen anderen Spielen mit mehr Spielern nicht länger und vielleicht sogar kürzer dauert, weil viele Aktionen eines Spielers auch die anderen mit voranbringen und man nach einer Runde mit 5 Spielern schon viele Bedingungen zum Ausspielen von Karten erreicht haben wird, die bei 2 Spielern erst nach mehreren Runden gegeben sind. Ich denke, ich probiere das nächstes Wochenende mal mit 5 Spielern und gebe Euch dann nochmal ein Update.
Und hier noch ein paar Vergleiche zu (wie ich finde auch guten) Spielen, die manches ähnlich machen:
The Village: Wie bei the Village hat man viele Wege, seine Ressourcen zu verbessern, die man nicht alle gleichzeitig einschlagen kann, sondern zwischen denen man weise wählen muss. Während aber bei The Village das Zufallselement recht klein ist, und man sich bei jeder Partie mehr oder weniger für denselben Weg entscheiden könnte, wird bei TM durch die Karten ein größeres Zufallselement mit eingebracht, das einen in eine bestimmte Richtung lenkt -- andererseits die Richtung aber auch nicht vollständig bestimmt, weil man den Zufall bei den Karten einschränken kann, indem man nicht einfach zieht, sondern jede Runde aus vier gezogenen entscheidet, welche man behalten will und welche nicht. Was noch anders ist als bei The Village, ist das Gegeneinander: Wenn bei The Village mehrere Spieler den gleichen Weg wählen, wird dieser Weg schwieriger, und Spieler, die als einzige einen anderen Weg gehen, profitieren. Bei Terraforming Mars ist das nicht so krass. Wenn ein anderer sich auf die gleichen Ressourcen spezialisiert wie ich, habe ich dadurch zunächst keine Nachteile. Das erspart den Frust: "Oh Mann, Inge, jetzt investierst Du schon wieder an der gleichen Stelle wie ich. Du willst mir doch nur das Spiel kaputtmachen! Geh doch mal lieber da hin wo Christian ist!"
Kingdom Builder: Auch hier gibt es einige Gemeinsamkeiten: Jedes gelegte Plättchen ergibt am Ende Siegpunkte abhängig von den Plättchen, die um es herumliegen. Städte mit viel Grün drumrum sind wertvoller als Städte in der Einöde. Während das Zählen von Siegpunkten pro Plättchen bei Kingdom Builder ungefähr das einzige Prinzip ist, um das man sich die ganze Zeit kümmern muss (wehe, Du hast in den ersten Zügen drei Plättchen gelegt, die absehbar nur einen Siegpunkt geben werden, da hast Du bei Kingdom Builder schon verloren), ist das hier aber nur ein Weg von vielen, um Siegpunkte zu ergattern. Im Gegenteil kann es auch klug sein, sein Plättchen an eine Stelle zu legen, die einem am Ende gar keine Siegpunkte gibt, weil man an bestimmten Plätzen dafür sofort eine Belohnung in Form von Zusatzressourcen bekommt. Das will gut abgewägt sein und macht mir persönlich noch viel mehr Spaß als Kingdom Builder.
Siedler: Naja, und irgendwie sind ja auch alle Eurogames ein bisschen wie das Urgestein -- Siedler
In diesem Fall ist das aber eine recht abstrakte Gemeinsamkeit: Man besorgt sich über die Zeit immer mehr Ressourcen, baut immer mehr Dinge, die dann weitere Ressourcen und Siegpunkte bringen. Mit Ereigniskarten kann man unerwartete Twists in das Geschehen bringen und es gibt ein kleines Spielelement, das auch ein direktes Gegeneinander erlaubt. Das wars dann aber auch schon. Die Mechanik des Ressourcen-Sammelns ist gänzlich anders. Während bei Siedler gewürfelt wird und man nie weiß, welche seiner Ressourcen man in der nächsten Runde in der Hand haben wird (also nicht sicher, Wahrscheinlichkeitsrechung und das Gesetz der großen Zahl helfen hier natürlich schon..), ist in TM klar sichtbar, wie viel man für die nächste Runde produzieren wird, so dass hier mehr Planungssicherheit gegeben ist. Die Ereigniskarten sind bei TM nicht nur ein Zusatzelement wie bei Siedler, sondern ganz zentral. Grob die Hälfte der Aktionen, die man macht, findet über Karten statt. Und was das direkte Gegeneinander angeht, so ist das zwar bei beiden Spielen eher ein Zusatzelement, das selten zentral ist (in erster Linie baut man sich selber auf und macht nicht den Gegner kaputt), aber während die Räubermechanik bei Siedler immer die gleiche ist, hat man bei TM über Karten die Möglichkeit, auf ganz verschiedene Weise gegen den Gegner vorzugehen. Klaue ich ihm zwei Tierressourcen oder vernichte ich lieber drei seiner Pflanzen? Oder fahre ich seine Stahlproduktion zurück? Auf mich wirkt das Gegeneinander bei TM spannender, und dennoch sehr gut ausgeglichen. Es ist nicht zu viel und führt eher zu kleinen Stichen als zu großen Katastrophen.
Alles in allem ist Terraforming Mars für mich also ein großartiges Spiel, zu dem ich hoffe, auch meine Casual-Brettspiel-Freunde hin und wieder überreden zu können. Bin schon ganz gespannt auf nächstes Wochenende und die Partie mit fünf Leuten!