• RPG-Foren.com

    DIE Plattform für Fantasy & Sci-Fi Rollenspiele

    Ihr findet bei uns jede Menge Infos, Hintergründe zu diesen Themen! Dazu Forenrollenspiele, Tavernenspiele, eigene Regelwerke, Smalltalk und vieles mehr zu bekannten und weniger bekannten RPG-Systemen.

Sci-Fi / Fantasy Großstadtaugen

sonic_hedgehog

Geweiht
Beiträge
4.467
Punkte
133
Graphic Novels werden seit den letzten großen Buchmessen verlagsübergreifend als The Next Big Thing gehandelt. So auch im Knaur-Verlag, der im vorliegenden Band Kurzgeschichten von 6 relativ jungen Comiczeichnern versammelt, deren gemeinsames Thema der Einbruch des Übernatürlichen in die Großstadt ist.
Erwartungsgemäß variieren Zeichenstil und Originalität der Geschichten:

Den Anfang macht Stella Brandner mit „Irrlicht“, ihrer Geschichte einer übermütigen Esoterikladen-Azubi, die in dem Bemühen ihre Chefin zu beeindrucken, mehr kaputt als richtig macht. Ordentlich, wenn auch nicht grandios gezeichnet, ist die Geschichte eher Mittelmaß, da sie sich an bekannten Versatzstücken entlang hangelt. Ein erfreulicher Moment ist, wenn der Leser nach den ersten farbigen Seiten schließlich in den normalen, schwarz-weißen Druck kommt: Hier hat die Kolorierung dem Gesamteindruck eher weniger gut getan.

Carolin Reichs Geschichte „Eine kleine Nachtmusik“ führt den Leser in eine Welt, deren Grundsatz an Lukianenkos Wächter erinnert – unter den Menschen leben übernatürliche Wesen (hier Nachtmahre), deren Jagd strengen Regeln unterliegt. Als die Protagonistin diese Regeln übertritt, beginnt sie, ihr eigenes Grab zu schaufeln. Mir gefiel dieser Comic insgesamt relativ gut, da der Zeichenstil expressionistischer und die Wendung zum Ende überraschender ist. Dennoch erscheint mir der Zeichenstil etwas viele Wellen zu haben…

Helen Aerni variiert in „Elsterjunge“ das Peter Pan Motiv – und damit die Folgen des unbedachten Wunsches, nicht erwachsen werden zu wollen. An ihrem 18. Geburtstag muss die Protagonistin nun eine Entscheidung darüber treffen, wie ihr Erwachsenwerden ihr Leben beeinflussen wird. Die Zeichnerin legt ihren Fokus hier neben der interessanten Geschichte vor allem auf ihre Personenzeichnungen, weswegen Hintergründe hier fast überhaupt nicht gestaltet wurden. Leider verliert sie damit auch die Chance, durch eine lebendigere Gesamtkomposition über die teils etwas groben und in Gesichtsausdruck relativ wenig variierenden Charakterzeichnungen hinwegzutrösten.

Carla Millers „Die weiße Frau“ spielt mit dem Gedächtnis und den Folgen der Vergangenheit: Alle scheinen den merkwürdigen Freak mit den Tauben zu kennen, einzig die Protagonistin kann sich nicht entsinnen. Wobei das nur ein weiterer Punkt ist, dessen sie sich nicht entsinnt. Doch manchmal sollte man nicht suchen… Für mich eines der Highlights des Bandes: Gestalterisch mitunter an grobe Skizzen erinnernd, erzählt die Autorin eine interessante, etwas traurige Geschichte, die mich aber doch fesselte. Schön.

Petra Popescu erzählt in „aID“ eine Geschichte aus einer dystopischen Zukunft, in der eine Art Privatermittler den verschwunden Sohn eines mächtigen Industriellen finden soll, der in die Wildnis um die Stadt verschwunden ist. Lohn der Arbeit: Eine ID, die ihm endlich ein normales Leben ermöglicht. Die betont cool (noch mehr als in den anderen Comics) agierenden, androgynen Charaktere und eine bedächtige Geschichte konnten mich leider nicht begeistern – hier wäre aber sicher das Potential, die Geschichte länger und damit tiefschürfender zu erzählen.

Den Abschluss bildet der einzige Mann des Sextetts, David Füleki mit „Erstes Date“. Hier ist die Geschichte schnell erzählt: Stell Dir vor du bist jung, verliebt und bei Deinem ersten Date geht die Welt unter… Wenn man Klischees und etwas konstruierte Charaktere ertragen kann, eine in weiten Teilen lustige Geschichte, die zeichnerisch von der Lust des Autors profitiert, alles kurz und klein zu hauen und damit lesenswert ist.

Ich gebe es zu – anhand des Titels „Großstadtaugen“ und des Titelbilds (Nina Nowacki) hatte ich an weniger Fantasy und mehr Ernst, finstere Ecken, etc. gedacht. Insofern hat mich dieses Buch etwas überrascht. Dennoch liegen hier 6 Kurzgeschichten vor, die sicher keine neuen Maßstäbe definieren, aber kurzweilig sind. Man kann 7 Euro deutlich schlechter investieren als hier und wer weiß, vielleicht entdeckt jemand unter den 6 Autoren seinen zukünftigen Star?

Ich danke dem Knaur Verlag, für die Möglichkeit diese Comicsammlung zu rezensieren.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zurück
Oben Unten