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Sci-Fi / Fantasy Drachenwacht

Tufir

Drachling
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Erinnern wir uns: In Teil 3, Drachenzorn, wurden Temeraire und Laurence während ihrer Rückreise aus China nach England in die preußisch-französischen Auseinandersetzungen der Napoleonischen Kriege verwickelt und mussten bei Apolda im heutigen Thüringen, Königsberg und anderen Stätten die historischen Schlachten mitkämpfen und schließlich die Niederlage der Preußen miterleben. Vergeblich wartete man auf die Unterstützung durch die englischen Drachen. Diese waren erkrankt und siechten dem Tode entgegen. In Band 4, Drachenglanz, wurde das Team aus Drache und Mensch nach Afrika entsandt, um ein Heilmittel zu finden. Erfolgreich kehrten Sie zurück und die Drachen konnten geheilt werden. Als jedoch Regierung und Militär von England beschlossen, die Krankheit als biologische Waffe gegen den französischen Feind einzusetzen, meuterten beide und brachten das Heilmittel zu Napoleon. Zurückgekehrt nach England erwartete sie beide Schimpf und Schande und Laurence wurde vom Kriegsgericht zum Tode verurteilt.

Der vorliegende Band 5 setzt nun nahtlos an diese Geschehnisse an und beschreibt die Fortsetzung der Geschichte. Unfähig das Todesurteil gegen Laurence zu vollstrecken, um Temeraire ruhig zu stellen wird Laurence als Gefangener auf ein Schiff versetzt und von seinem Drachen getrennt, der selbst wiederrum sein weiteres Dasein nun in einem Zuchtgehege für Drachen in Wales fristen muss.

Naomi Novik begibt sich in diesem Band ihrer bislang fantastischen Reihe auf dünnes Eis und entfernt sich erstmalig 100%ig von der geschichtlichen Realität. So lässt sie Napoleon etwas gelingen, was eigentlich seit 1066 niemand mehr schaffte: Die Invasion der britischen Inseln. Der englische Seelord Nelson überlebt Trafalgar und erliegt seinem Schicksal in einer gänzlich anderen Schlacht. Auch General Arthur Wellesley verdient sich seinen Titel des Herzogs von Wellington nicht bei Waterloo sondern in der britischen Heimat. Obwohl dies so aussieht, als setze Novik damit alles auf eine Karte, indem sie den historischen Bezug vollkommen zerstört, tut dies ihrem Roman absolut keinen Abbruch. Sanft und behutsam ändert sie die tatsächlichen Begebenheiten und flechtet diese um den eigentlichen zentralen Punkt ihres Romans herum: Der charakterlichen Entwicklung ihrer Protagonisten William Laurence und dem chinesischen Himmelsdrachen Temeraire.

Während sich Laurence von Scham gebeutelt und Selbstkritik gegeißelt seinem Schicksal zu ergeben scheint, bereitet Temeraire nach einer Phase absoluter Niedergeschlagenheit seine zweite „Karriere“ als Anführer einer eigenen Drachenmiliz vor. Als er irrtümlich von Laurence angeblichen Tod erfährt, ist er nicht mehr zu halten und wirft sich zusammen mit neuen Freunden in den Kampf gegen Napoleon. Selbstverständlich finden die beiden wieder zueinander, durchleben ein Phase schrecklicher Ohnmacht gegenüber dem Feind, ertrinken fast in Selbstvorwürfen und helfen am Ende doch bei der Vertreibung des französischen Usurpators.

Naomi Novik überrascht ihre Leser in diesem Roman damit, indem sie ihre beiden Hauptfiguren fast zu Anti-Helden werden lässt. Anfänglich unfähig den Grund für Laurence andauernde Selbstbeschuldigungen zu erkennen, verliert Temeraire fast den Bezug zu seinem Reiter und die Geschichte entwickelt eine unglaubliche Tiefe bei der Wiederherstellung beider Freundschaft und dem Erkenntnisgewinn von Drache und Mensch, dass es Dinge gibt, die über dem Wohl des Einzelnen stehen. Zu keiner Zeit bereuen beide ihre Tat, die Rettung der kontinentalen Drachen vor dem Genozid, und doch müssen sie erkennen, dass sie selbst es waren, die dadurch Tod und Leid sowohl über die menschliche als auch drachische Bevölkerung Englands gebracht haben.

Doch die Autorin weiß auch, was sie ihren treuen Fans der ersten vier Bände schuldig ist. Und so kommt trotz aller Traurigkeit und Niedergeschlagenheit der Witz und Humor nicht zu kurz. Die kindliche Naivität, mit der die Drachen ihre menschlichen Begleiter und Mitstreiter mehr als einmal verblüffen, erscheint oft wie ein Spiegel menschlicher Eitelkeit und Unvernunft. Was soll man entgegnen, wenn man vorgehalten bekommt, dass der Verrat weniger schlimm gewesen wäre, hätte man einen Schatz von Napoleon als Belohnung für das Überbringen des Heilmittels angenommen? Das hätte schließlich doch den Feind wieder geschädigt und wäre doch ein Art von Ausgleich gewesen. Köstlich ist auch immer wieder Temeraires Verlegenheit, wenn Drachendamen ihm anbieten, ihnen ein Ei zu machen oder wenn die in den Augen der Menschen tierischen Drachen mit strategischen Meisterleistungen und Heldentaten aufwarten.

Naomi Novik schafft mit Band 5 der Reihe den erstaunlichen Spagat von einer historisch, fantastischen Serie reiner Abenteuer zu einer Geschichte einer ungewöhnlichen Freundschaft mit reichlich psychologischem Tiefgang, die mehr als einmal auf eine harte Probe gestellt wird und es tut ihrer Erzählung absolut keinen Abbruch. Im Gegenteil – die neuen Aspekte dieser Fiktion entfachen erneut die Lust nach mehr. Und soviel Vorschau sei gestattet: Laurence Todesurteil wird auch am Ende dieses Bandes nicht vollstreckt und der treue Fan darf gespannt sein auf neue Abenteuer in fernen Landen.

Und doch muss am Ende auch ein wenig Kritik geübt werden, allerdings weniger am Inhalt als am Layout. Die Übergabe der Serie von blanvalet an Penhaligon als neuem Verlag hat leider dem Format des Buches geschadet. Obwohl das Cover dem der Vorgänger nachempfunden wurde, vermiest die neue Größe des Buches dem Fan die Freude, es neben den anderen Bänden im Regal stehen zu haben. Schade darum! Ebenso scheint der Preis zu hoch und nicht mehr angemessen zu sein.

Unterm Strich bleibt somit folgendes Fazit: Inhaltlich ein absolut empfehlenswerter Fantasy-Roman, wie er von Naomi Novik nicht anderes erwartet werden durfte. Die Änderung des Formats durch einen neuen Verleger dagegen ist ein anderes, vor allem für die Besitzer der Vorgängerromane ein trauriges Kapitel!


Viel Spaß beim Schmökern!
Euer Tufir


Über die Autorin:
Naomi Novik wurde 1973 in New York geboren und ist eine US-amerikanische Schriftstellerin. Sie studierte Englische Literatur an der Brown University und erwarb einen Master in Informatik an der Columbia University. Sie war an Design und Entwicklung des Computerspiels Neverwinter Nights: Schatten von Undernzit beteiligt, bis sie das Schreiben dem Spieledesign vorzog.
Ihr erster Roman, His Majesty's Dragon, der die Reihe Temeraire (dt. Die Feuerreiter Seiner Majestät) beginnt, ist eine alternative Geschichte der Napoleonischen Kriege in einer Welt, in der Drachen im Luftkampf eingesetzt werden.
Im September 2006 wurde berichtet, dass Peter Jackson (Regisseur von „Herr der Ringe“) die Rechte zur Verfilmung der Temeraire Reihe erworben hat.


Diese Rezension entstand in freundschaftlicher Zusammenarbeit der RPG-Foren.com und DSA-Fantasy.de - Vielen Dank auch an den Penhaligon-Verlag.
 
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