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Brettspiel 1830 - Schienenleger und Spekulanten

Tufir

Drachling
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1830 (englischer Untertitel: „Railroads & Robber Barons” / deutscher Untertitel: „Schienenleger und Spekulanten“)

1830 ist ein Strategiespiel von Francis G. Tresham, welches 1986 von Avalon Hill verlegt wurde. Es handelt sich nach 1829, welches den Eisenbahnbau in England behandelt, um das zweite einer ganzen Serie von Eisenbahnwirtschaftsspielen aus der 18XX-Reihe. Bei 1830 spielt man die Entwicklung der Eisenbahn im Osten der Vereinigten Staaten nach.

2011 brachte nun Mayfair Games das Spiel in neuer Optik heraus und wird seitdem vom Heidelberger Spiele Verlag in Deutschland verlegt. Das Spielbrett ist doppelseitig bedruckt mit verschiedenen Karten vom Osten der Vereinigten Staaten. Neben den überarbeiteten Grundregeln enthält das Spiel auch einige Varianten mit zugehörigem Material.

Angeblich soll 1830 Pate für die Entwicklung des PC-Spiels Railroad Tycoon von Sid Meier gewesen sein.


Zum Spiel und Ablauf desselben:

1830 ist ein reines Strategiespiel. Das einzige Glücksmoment in dem Spiel ist die Auslosung der Sitzreihenfolge am Anfang des Spiels, wobei gute Spieler ihre Spielstrategie durchaus an der Psychologie ihres Vorder- und ihres Hintermanns versuchen auszurichten.

Das Spiel wird unterteilt in Operationsrunden, in der die Eisenbahngesellschaften handeln, und Aktienrunden, in der die Spieler Aktien unmittelbar an der Börse kaufen und verkaufen. Die Zahl der Operationsrunden nach einer Aktienrunde ist abhängig von der Lokomotivenart, die sich zu diesem Zeitpunkt im Spiel befinden. Am Anfang des Spieles wechselt sich eine Operationsrunden und Aktienrunden jedes Mal ab. Am Ende des Spieles wird nach je drei Operationsrunden eine Aktienrunde gespielt.

In einer Operationsrunde agieren die Aktiengesellschaften in der Reihenfolge ihres Börsenkurses. Der Spieler, der hinter dem in der vorherigen Aktienrunde als letzten handelten Spielers sitzt, darf in der nächsten Aktienrunde als erster Aktien kaufen und verkaufen (so genannter Priority Deal). Die nachfolgende Reihenfolge ergibt sich dann aus der Sitzreihenfolge der Mitspieler. Der Besitz des Priority Deal ist vor allem in einer kritischen Aktienphase nicht zu unterschätzen.

Derjenige Spieler, der als erster eine Aktienmehrheit von einer Aktiengesellschaft besitzt wird ihr Präsident. Er bleibt dies solange, bis ein anderer Spieler mehr Anteile an der Gesellschaft besitzt (entweder durch eigenen Kauf oder durch Anteilsverkauf des bisherigen Präsidenten). Der Präsident steuert die Geschicke einer Gesellschaft alleine. Er kann beliebige Gleise bauen, Lokomotiven kaufen und (selten) verkaufen. Er alleine entscheidet auch darüber, ob die Gesellschaft ihr jeweiliges Fahrergebnis einbehält oder ausschüttet. Die Mitinhaber sind auf Gedeih und Verderb von den Entscheidungen des Präsidenten abhängig.

Vorhandene Lokomotivenarten: Die Züge sind nach ihrer Reichweite benannt. Die 2er-Lok kann z.b. zwei Bahnhöfe weit fahren. Entwicklungshistorisch entsprechend nimmt die Reichweite der Züge mit dem Verlauf des Spieles zu. Sobald alle Züge einer Reichweite verkauft sind, stehen Züge mit dem nächsten Leistungsspektrum zur Verfügung. Mit dem Auftreten einer neuen Lokomotivenart ändern sich die Regeln des Spieles, es tritt quasi in eine neue Phase.

Hat eine Aktiengesellschaft keine Lokomotiven mehr, muss sie in ihrem nächsten Zug eine Lokomotive kaufen. Sollte das Kapital der Gesellschaft nicht ausreichen, muss der Präsident der Gesellschaft aus seinem Privatvermögen Geld nachschießen. Sollte das Privatvermögen des Spielers trotz Verkäufe von Aktien nicht ausreichen ist der Spieler pleite und das Spiel endet sofort.

Der Aktienmarkt: Der Aktienmarkt ist recht komplex funktioniert aber für ein Spiel bemerkenswert dauerhaft stabil. Am Ende einer Operationsrunde steigt der Kurs um ein Feld nach rechts, soweit die Aktiengesellschaft ausschüttet und fällt um ein Feld nach links soweit die Aktiengesellschaft nicht ausschüttet. In einer Aktienrunde fällt der Kurs einer Aktie pro verkaufter Aktie um ein Feld nach unten. Sollte die Aktie am Ende einer Aktienrunde ausverkauft sein, steigt der Preis der Aktie um ein Feld nach oben.

Das Spielende: Das Spiel endet durch Pleite eines Mitspielers (sofort) oder durch Pleite der Bank (Anfangskapital: 12.000 $) vor der nächsten Aktienrunde.

Die Spielstrategie: 1830 ist eine relativ komplexe und äußerst hart spielbare Wirtschaftssimulation. Es ist für einen Sieg nicht zwingend notwendig bereits am Anfang mit einer Aktiengesellschaft operieren zu können. Gegen Ende des Spiels ist es aber sicherlich sehr dienlich eine Aktiengesellschaft zu beherrschen. Es gibt sicherlich von der geographischen Lage auf dem Spielplan besser spielbare und schlechter spielbare Aktiengesellschaften. Die B&O und die Penn sind einfacher zu spielen als die Canadian und die Erie. Dies kann aber nur als Hinweis gelten. Grundsätzlich kann man mit jeder Gesellschaft gewinnen.

Typische Situation für die Pleite eines Spielers ist, dass ein Vordermann als Noch-Präsident eine Aktiengesellschaft 'plündert' und dann, da er in der Aktienrunde vorher agieren kann, aus der Gesellschaft aussteigt, die Gesellschaft also abdrückt. Der neue Präsident hat dann die Kosten der Sanierung zu übernehmen. Eine spielentscheidende Phase bei 1830 ist üblicherweise der Wechsel von der 4er auf die 5er Lok (die erste Lokomotivenart, die nicht vernichtet wird) und vor allem der Wechsel von der 5er auf die 6er Lok und die Diesel-Lok. Hier werden wesentliche Entscheidungen über die Platzierung der Mitspieler gefällt. Das Spiel wird durch die Hinzunahme der optionalen dritten 6er-Lok hinsichtlich Pleite eines Spielers deutlich entschärft.

Das Spiel macht mit mehr Spielern mehr Spaß, ist aber auch mit zwei Spielern gut spielbar. Die Spieldauer liegt meist bei 4 bis 6 Stunden, kann bei erfahrenen Spielern aber auch wesentlich darunter liegen. Das Zusammenspiel von Aktienmarkt und Eisenbahnbetrieb kann bei diesem Spiel sehr brutale Auswirkungen (Spielerpleite) haben. Es dürfte damit aber der damals vermutlich herrschenden Wirtschaftsphilosophie in den USA relativ nahe kommen.


Fazit und persönlicher Eindruck:

Handlungsfreiheit sollte in einem Brettspiel stets ein Qualitätskriterium sein. In "1830" kann man Kaufen und verkaufen, kreativ Bauen, Engpässe an Ressourcen vermeiden oder diese bewusst herbeiführen, Kooperation oder Gegnerschaft eingehen, Freundschaft, Geschäftspartnerschaft oder Verrat praktizieren; all das als selbstverständliche und erfolgreiche Grundelemente des Spielablaufs.

Komplexität: Weniger Komplexität ist stets ein mehr an Qualität. Etliche verschiedene Einzeleigenschaften auswendig lernen zu müssen, um ein Spiel zu beherrschen, ist kontraproduktiv. In "1830" gibt es Aktien, die man kaufen und verkaufen kann, es gibt Schienenteile, die man legen oder auswechseln kann und es gibt Züge, die man fahren lassen kann. Das ist alles. Einfachheit pur!

Überschaubarkeit und Planbarkeit: Um ein Strategiepiel „richtig“ spielen zu können, muss man es in seiner Gesamtheit überblicken können, um entsprechende Pläne zu machen. „1830“ folgt stets einem Prinzip: Eisenbahn-Gesellschaften werden sich entwickeln, einige Linien und Zentren werden dominieren, man muss danach streben, an den Brennpunkten beteiligt zu sein und ein paar wichtige Fäden selbst in die Hand zu bekommen. Ob man dabei im Spiel konstruktiv oder destruktiv arbeitet, liegt ganz in jedermanns eigener Hand – bzw. natürlich in der Hand der Konkurrenten. Aber nirgendwo sonst, wie zum Beispiel im Würfelglück!

Stimmigkeit: "1830" scheint in punkto Stimmigkeit ohne Fehl und Tadel zu sein. Zufälle gibt es überhaupt nicht und Ungereimtheiten eigentlich so gut wie keine. Alles baut auf dem Plan auf, den ein jeder für sich verfolgt. Enttäuschungen, ein Strich durch die Rechnung sind immer selbst verursacht, entweder durch Denkfehler und durch das Übersehen von scharf-kalkulierten Aktionen der Gegner.

Offene Entscheidung bis zum Schluss: Ein Spiel, bei dem es im letzten Drittel nicht mehr um den Sieger, sondern nur noch um die Höhe des Sieges geht, wird für alle Beteiligten außer dem designierten Sieger abrupt langweilig. Bei "1830" ändern die Besitzstände ständig ihre Wertigkeit. Was gerade noch hoch lukrativ war, kann im nächsten Augenblick schon auf den Konkurs zusteuern. Pro Runde steigen progressiv die Umsätze. Wer am Anfang in Rückstand gerät, hat allein schon deswegen durch gutes Mittelspiel noch Chancen auf den Sieg. Der Führende ist ständig gefordert, die gegebene Spielsituation mit Umsicht zu meistern, wenn er die Spitzenposition behaupten will. Andererseits wird ein guter Spielstand auch nicht durch irgendwelche Ereigniskarten, Schicksalsschläge oder sonstige unberechenbare Widrigkeiten ins Gegenteil verkehrt. Nur wer im gesamten Verlauf des Spieles am besten spielt, darf seine Führung auch sicher bis ins Ziel tragen. Wer nicht aufpasst, ist schneller draußen als sein Zug von A nach B fahren kann.

Schadenfreude: Konstruktive Schadenfreude kann ein sehr positives Spielelement sein. Wenn ein Spitzenspieler einen entscheidenden Winkelzug seiner Gegner übersehen kann und als Folge davon gravierende Einbrüche in Kauf nehmen muss, hält dies die Spannung nervenkitzelnd aufrecht und fördert Spaß und Lust aller Beteiligten, sofern sie charaktertypisch gleichwertige Spieler sind.

In diesem Sinne sei 1830 auch – oder gerade deswegen - in der Neuauflage allen Spielenthusiasten dringend empfohlen!

Viel Spaß beim Zocken wünscht euch
Euer Tufir

Wir danken dem Heidelberger Spieleverlag für die Unterstützung bei dieser Rezension.
 
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