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Brettspiel Junta

Tufir

Drachling
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17.531
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358
Alter
63
Junta

In der República de las Bananas schenken sich die mächtigen Familien keinen Peso und keine Gnade. Einige Jahre herrschte trügerische Ruhe, doch diese Zeiten sind vorbei: Jetzt wird wieder gnadenlos gegen El Presidente geputscht, wenn der Staatshaushalt nicht passt. Er hätte eben doch auf die Neuauflage des Spieleklassikers Junta von Pegasus vorbereitet sein sollen.


Das Spielziel:

Wie es sich für herausragende staatstragende Persönlichkeiten in einer recht durchschnittlichen, politisch instabilen Bananenrepublik gehört, gibt es für die Spieler bei Junta nur ein Ziel: Möglichst viele aus der internationalen Entwicklungshilfe ehrlich ergaunerte Pesos der relativen Sicherheit des Schweizer Bankkontos der eigenen Familie zu überstellen. Wer bei Spielende – sobald die Entwicklungshilfe-Geldquelle versiegt – am besten ausgesorgt hat, ist daher der nicht immer verdiente Sieger.


Aufmachung:

Die offensichtlichste und größte Änderung gegenüber früheren Auflagen des Spiels ist die komplett überarbeitete Optik. Das einstmals sehr schlichte Spiel präsentiert sich bunter und comichafter, wie schon die Box selbst und das Regelheft deutlich zeigen. Auch der Spielplan macht deutlich mehr her als bei früheren Auflagen. Die 115 Spielkarten sind grafisch durchaus passend zum satirischen Charakter des Spiels gestaltet sind. Positiv ist auch, dass die Neubearbeitung einige Texte auf den Karten diese in ihrer Bedeutung klarer macht. Da es einige Anpassungen an unsere moderne Zeit gab, hätte man allerdings ruhig die „Sowjetische Botschaft“ auf dem Spielplan einer „Russischen“ weichen können.

Die Achillesferse der Ausstattung ist der Druckbogen für die Spielmarken. Dabei ist nicht die durchaus gute Qualität, sondern die Zusammenstellung gemeint. Von einigen Einheiten, die nur durch Karteneffekte und genau im Doppelpack ins Spiel kommen können, sind gleich zehn auf dem Druckbogen. Über den notwendigen Vorrat hinausgehende Exemplare von Standardeinheiten oder Blanko-Marker, um etwaige Verluste von Spielkomponenten abzufedern, gibt es dafür nicht. Durchdacht und kundenorientiert geht definitiv anders und würde das Preis-Leistungs-Verhältnis dieser Auflage deutlich aufwerten.


Spielregeln:

Junta hatte früher einige etwas unklar formulierte Regeln gelitten. Hier besteht kein Zweifel: Die Neuauflage schafft Abhilfe. Dafür sorgen die bessere Verständlichkeit und die klarere Ausformulierung einiger Regelaspekte. Eine gute Strukturierung und eine sinnvolle Inhaltsangabe macht das Nachschlagen im Spiel einfach und auch Junta-Anfängern den Einstieg leicht. Während der politische Aspekt des Spiels auch relativ einfach ist, bietet das Putsch-Spiel doch eine leicht zu unterschätzende Komplexität. Auf jeden Fall rechtfertigen die überraschende Komplexität des Putschspiels und der politsatirische Charakter von Junta die Altersempfehlung.


Spielverlauf:

Vor Spielbeginn müssen lediglich die Spielmarken und Karten entsprechend ihrer Funktionen auseinander sortiert werden, was vor allem bei größeren Spielerzahlen entsprechend schnell geht. Jeder Spieler erhält drei Kontrollmarken und fünf dazu passende Aufenthaltsort-Karten, sowie eine Karte „Schweizer Bankkonto“ Dann zieht jeder Spieler fünf Politikkarten und das Spiel kann beginnen. Die normalen Regeln für 4-7 Spieler sehen folgendermaßen aus:

Erst ein Mal muss ein erster Präsident gewählt werden. Dazu hat jeder Spieler hat eine Stimme, dazu können zusätzliche Stimmen durch dauerhaft im Spiel verbleibende Einfluss-Karten oder einmalig nutzbare Stimm-Karten kommen. Gewählt wird in zwei Abstimmungsrunden, wobei in der ersten Runde abgegebene Stimmen zur Nominierung der Kandidaten dienen. Sollte ein Spieler nicht zur Wahl zur Verfügung stehen, verfallen entsprechende Stimmen vor dem zweiten, entscheidenden Wahlgang. Sollte es im späteren Spiel nötig werden, durch eine reguläre Wahl einen neuen Präsidenten zu finden, geschieht dies nach dem gleichen Verfahren. Ist der erste Präsident im Amt, beginnt die erste eigentliche Spielrunde; alle weiteren Runden verlaufen nach dem gleichen Schema.

Mit dem Präsidenten beginnend ziehen die Spieler reihum je zwei Politikkarten nach und müssen eventuell Karten ablegen, da nur sechs Karten auf der Hand oder im Falle von Einfluss-Karten offen im Spiel behalten werden dürfen. Als nächstes vergibt der Präsident – eventuell nach zähen Verhandlungen, Bestechungen oder Drohungen – die sechs weiteren Ämter im Staat an die anderen Spieler: Drei Generalsposten, Kommandeur der Luftwaffe, Minister für Innere Sicherheit und der Admiral der Marine stehen zur Auswahl. Bei 4-6 Spielern bekommen einige daher zwei Ämter, wobei nie ein Spieler zwei Generalsposten bekleiden darf.

Nach der Ämtervergabe zieht der Präsident acht Geldscheine vom entsprechenden Stapel. Ist das nicht möglich, endet das Spiel. Sind noch genügend Gelder verfügbar, steht der Präsident vor einer weiteren schweren Entscheidung: Der Budgetvergabe. Er sagt an, wie viele Million die anderen Spieler bekommen und hofft, dass sein Vorschlag in einer Abstimmung in zwei Durchgängen angenommen wird. Falls das geschieht, verteilt der Präsident die versprochenen Millionen; verliert er hingegen die Abstimmung, gilt das als guter Grund für einen Putsch. Zwar kann der Minister für Innere Sicherheit die Polizei die Abgeordnetenkammer stürmen lassen, um das Budget gewaltsam durchzusetzen und eine Geldverteilung zu erzwingen, aber dass das nicht unbedingt für Frieden sorgen dürfte, ist klar. Wird das Budget nicht ein Mal unter Druck angenommen, behält El Presidente die gesamte Entwicklungshilfe – nicht unbedingt ein Segen.

Denn nun gilt es für die Spieler, sich für einen von fünf möglichen Aufenthaltsorten zu entscheiden. Dann dürfen beginnend mit dem Minister für Innere Sicherheit Attentate angesagt werden. Der Vorteil des Ministers ist dabei, dass er als einziger einen automatischen Versuch bekommt, für weitere Attentate sind passende Politikkarten erforderlich. In der Regel werden ein Zielspieler und ein vermuteter Aufenthaltsort bestimmt, einzelne Karten haben andere Effekte. Um das Ministeramt nicht zu mächtig zu machen, darf die Geheimpolizei nicht jede Runde die Bank heimsuchen. Stimmt der vermutete Aufenthaltsort bei einem Attentat, ist das bedauernswerte Opfer in der Regel tot, seine Barschaft geht an den Auftraggeber. So ein Politmord gilt dabei als ausgezeichneter Vorwand für einen Putsch.

Erst nach der Attentatsphase kommt das wichtigste am Spiel: Die Chance, Gelder in die Schweiz zu verschieben. Dazu muss sich der Spieler in der Bank aufhalten (weshalb diese häufig von Attentätern heimgesucht wird), und diese muss die Geschäfte auch erlauben. Wurde das Budget in dieser Spielrunde angenommen, ist das jetzt der Fall; wurde es vom Minister durchgeboxt, ist bis nach einem etwaigen Putsch Mittagspause. Ist ein Budget gescheitert, bleibt die Bank gänzlich für Geschäfte gesperrt.

Schließlich folgt ein Spiel im Spiel, die Putschphase. Mit dem Spieler links vom Präsidenten beginnend dürfen die Spieler reihum entscheiden, ob sie einen Umsturz versuchen wollen. Gibt es einen Putschvorwand, ob nun in Form von Budgetproblemen, Mord oder eventuell dazu frisch ausgespielten Ereigniskarten, genügt es irgendeine aggressive Handlung zu setzen, um Rebellenführer zu werden. Wirkt das Land (ausnahmsweise) stabil und friedlich, kann das nur tun, wer als Aufenthaltsort das eigene Hauptquartier gewählt hat.

Die Putschphase besteht aus insgesamt sieben Runden. Spieler, die in der ersten davon Handlungen setzen, werden offiziell zu Rebellen, ebenso wie jeder, dessen Einheiten im Laufe eines Putsches Einheiten der Palastwache unter Beschuss nehmen. In der Bewegungsphase einer Runde darf ein Spieler einen Stapel selbst kontrollierter Einheiten auf dem Spielplan bewegen, auf Wunsch die Kontrolle über Einheiten einem anderen Spieler übertragen und durch geeignete Politikkarten neue Einheiten ins Spiel bringen. In der folgenden Kampfphase darf die Luftwaffe in drei Runden des Putschspiels einen Luftangriff mit sechs Würfeln fliegen, die Marine jede Runde ein Bombardement aus drei Würfeln durch ihr Kanonenboot ausführen. Außerdem kommt es in durch mehrere Spieler besetzten Stadtgebieten zu Schusswechseln im Bodenkampf, wobei sich die Anzahl der Würfel pro Seite aus der Art der Einheiten ergibt. Die Bodentruppen haben dabei drei Salven pro Schusswechsel. Immer gilt: eine gewürfelte „6“ vernichtet eine Feindeinheit. Am Ende jedes Kampfes dürfen nur der oder die Spieler mit den geringsten Verlusten die Stellung halten, alle anderen müssen sich in angrenzende Stadtgebiete zurückziehen.

Besonders umkämpft sind der Präsidentenpalast, die Abgeordnetenkammer, die Bank, der Hauptbahnhof und der Radiosender, denn sie entscheiden am Ende der letzten Putschspielrunde über den Erfolg des Staatsstreichs. Alle Spieler deklarieren beginnen mit dem Rebellenführer, ob sie nun wirklich Rebellen sind oder doch regierungstreu (nur der Präsident hat dabei keine Wahl). Für jedes der fünf wichtigen Gebäude wird dann bestimmt, welches Lager sie kontrolliert. Dabei sind nur jene Gebäude rebellisch, wo sich ausschließlich Truppen von rebellischen Spielern befinden. Die Seite, welche die Mehrheit der Gebäude besetzt, gewinnt das Putschspiel. Handelt es sich dabei um die Rebellen, bilden die offiziell (aber nicht notwendiger Weise zum Ende des Putsches) eine Junta. Mit einer Stimme pro Spieler bestimmt diese einen neuen Präsidenten; der Rebellenführer entscheidet bei Stimmgleichheit.

Anschließend darf der nun amtierende Präsident die Erschießung eines Spielers anordnen. Ist der alte Präsident noch im Amt, muss er sich für einen Rebellen entscheiden; ist ein Ex-Putschist nun an der Macht, kann er jeden über die Klinge springen lassen. Wie bei einem erfolgreichen Attentat nimmt der Präsident das Bargeld des Unglücklichen an sich. Obwohl auf Erschießung verzichtet werden darf, gehören sie daher praktisch zum guten Ton. Hatte die Bank Mittagspause, dürfen jetzt (endlich) Gelder in die Schweiz verschoben werden, ehe die nächste Spielrunde beginnt.

Nebenbei gibt es noch einige Sonderregeln zu beachten. Ein „toter“ Spieler kehrt zu Beginn einer neuen Runde als anderes Mitglied seiner Familie wieder ins Spiel zurück und behält seine Millionen in der Schweiz. Gibt es auf Grund von Todesfällen freie Ämter, profitiert El Presidente: Er darf zusätzlich bis zum Ende der Runde eines dieser Ämter kontrollieren. Auch ist es im Spielverlauf möglich, ins Exil zu gehen. Dies ist eine in der Spielpraxis äußerst selten gewählte Option, da eine Rückkehr aus dem Exil leicht vor einem Erschießungskommando des Ministers endet. Eher kann es sein, dass ein Präsident sein Amt niederlegt. Dabei fällt zwar sein Bargeld an den Amtsnachfolger, doch wenn die Summe nicht all zu hoch oder die Stimmung zu angespannt ist, kann sich der Rücktritt schon lohnen.

Die Spieldauer ist sehr vom Spielverlauf abhängig. Die von Pegasus angegebene Untergrenze von zwei Stunden dürfte sich dabei auf ziemlich öde Partien beziehen, realistischer sind drei bis fünf Stunden. Partien in denen es fast jede Runde zu Putschversuchen kommt, können das auch leicht überschreiten.


Spielspaß und Fazit:

Eigentlich hat sich gegenüber der „alten“ Version nichts geändert: Der Glücksfaktor von Junta ist beachtlich! Die richtigen Politikkarten und genügend Sechser beim Würfeln bringen eine Menge. Doch Spieler mit gewissen manipulativen zwischenpersönlichen Fertigkeiten können dies im politischen Teil des Spiels teils überraschend gut kompensieren, während eine gute Taktik beim Putsch viel ausmachen und so erlauben kann, daraus beim nächsten Budget richtig Kapital zu schlagen. Sich um eine gesunde Mischung aus beidem zu bemühen und Mitspieler beim Handel mit Karten, Geld und sonstigem so weit wie möglich zu übervorteilen, ist geradezu Pflicht.

Der Spaßfaktor einer Partie hängt dabei wesentlich von ihrer Dynamik ab. Grundsätzlich gilt: Desto mehr Spieler, desto besser - sechs oder am besten sieben sollten es nach Möglichkeit sein. Ideal sind dabei Leute mit gewissem Hang zu Politik, die zwar klare (Zweck-)Bündnisse eingehen, aber auch irgendwann und möglichst mit einem Paukenschlag platzen lassen. Wahres Gift für den Spielspaß sind hingegen allzu stabile Bündnisse, da das Spiel dann für den Gegen-Block zum Präsidenten schnell zum frustrierenden Nichts-außer-erfolglos-Putschen verkommen kann. Der Wahnsinn sollte aber auch nicht übertrieben werden - wird jede Spielrunde „einfach nur weil“ geputscht, zieht sich das Spiel doch etwas.

Einige Änderungen zur vorigen Spielversion gibt es, die das Spiel beeinflussen. Der Modus der Präsidentenwahlen ist etwas interessanter geworden, da es keine separate Nominierungsrunde mehr gibt. Etwas vorhersagbarer sind dafür die Budgets, da Geldscheine zu ein, zwei oder drei Millionen exakt gleich häufig sind statt wie einst einen leichten Überschuss an niederwertigen Scheinen zu haben. Drei Salven pro Schusswechsel bedeuten zwar verlustreichere Kämpfe und somit mehr wirklich entschiedene Gefechte. Allerdings werden die im Bodenkampf benachteiligten Ämter des Kommandanten der Luftwaffe und Admirals damit weiter geschwächt, was sich negativ auf die Spielbalance auswirkt. Das kann auch die Tatsache, dass Luftangriffe und Kanonenboot jetzt richtig zielgenau eingesetzt werden können, nicht ganz aufwiegen.

Junta ist ein ziemlich geniales Politsatire-Spiel, das sich eine neue Auflage wirklich verdient hat. Die aktuelle Auflage verbessert dabei vor allem die Klarheit der Regeln, wirkt sich aber etwas ungünstig auf die Balance des Spiels aus. Das Spielkonzept mit einer Mischung von Intrigen- und Taktik-Spiel ist jedenfalls sehr gelungen und mit den richtigen Spielern auch abendfüllend richtig unterhaltsam.


Viel Spaß beim Zocken wünscht euch
Euer Tufir

Wir danken dem Pegasus Spiele Verlag für die Unterstützung bei dieser Rezension.
 
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AW: Junta

Hübsch! Mal sehen, ob man die geänderten Regeln auch mit dem Originalmaterial umsetzen kann - die geschilderten Änderungen sind zwar klein, aber scheinen sinnvoll. Junta ist und bleibt ein großartiges Spiel für große Spielrunden mit einigem Humor!
 
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