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Sci-Fi / Fantasy Verschwörungstheorien

feuervogt

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Shadowrun – Verschwörungstheorien

Das neueste Werk aus dem Shadowrun-Universum erweckt den Anschein, als sei es direkt dort entsprungen. Kein anderes Werk greift so tief in die sechste Welt, wie diese 212 Seiten konspirativen Gedankenguts und erschafft damit aus sich selbst heraus eine Atmosphäre, die seinem Titel alle Ehre macht.


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Wer kennt ihn nicht, FastJack, den wohl berühmtesten Decker in der Matrix?

Aus seiner Sicht beschreibt das Buch die tatsächlichen, vielleicht doch nur vermuteten oder gar komplett erdachten Geschehnisse der jüngeren und älteren Vergangenheit. In einer Art Blog diskutieren er und ein paar andere über die Themen, die die erwachte Welt wirklich bewegen. Dabei werden Fakten auf den Tisch gelegt und Thesen geschürt, bei denen der ein oder andere Leser sich ertappt fühlen dürfte. Ist Dunkelzahn wirklich tot? Oder hat er seinen Tod nur vorgetäuscht, weil er größere Ziele vor Augen hatte? Was ist mit den Insektengeistern? Sind wirklich alle großen Nester vernichtet? Aber auch kleinere Verschwörungstheorien, nicht minder interessant und mit dem gewissen etwas und einer Prise „Wahrheit“ gewürzt, finden ihren Weg ins Buch. Wer hat sich nicht schon immer gefragt, ob es Außerirdische waren, die das Erwachen verursachten. Vielleicht gibt es ja auch die Pille der Weisen, mit der man das Erwachen auslösen kann. Wer das und mehr erfahren will, sollte sich schleunigst sein Exemplar der Versicherungstheorien besorgen.

Doch nicht nur FastJack kommt zu Wort. Gleich zu Anfang werden drei weitere Schreiber vorgestellt, die jeweils die Rolle des Befürworters, des Gegners und des Realisten übernehmen. Zwischen den Vieren entsteht so im Laufe des Buches eine teils hitzige Diskussion, die durch Kommentare anderer Blogbesucher nur noch weiter angeheizt wird.

Auf den ersten Seiten ist es etwas schwierig, der Debatte zu folgen, was zeitweise daran liegt, dass sich das Geschrieben stellenweise wie echte Verschwörungstheorien lesen, ohne jedoch reißerisch aufgemacht zu sein. Hierdurch wirken die vermittelten Thesen sehr real. Nach wenigen Seiten hat man sich an den Stil gewöhnt und je tiefer man in die jeweiligen Themen taucht, desto mehr Spaß macht das Lesen.

Dabei ist „Verschwörungstheorien“ schlüssig aufgebaut. Nach einer - für Shadowrun typischen – Einführungsgeschichte, stellen sich die Hauptschreiber vor, damit man weiß, wer in diesem Blog schreibt und um die Glaubwürdigkeit jedes einzelnen zu untermauern. Das erste Drittel beschäftigt sich dann mit den offensichtlich größeren Verschwörungen, wobei ein wenig Geschichtsunterricht zu den großen Konzernen und auch Einzelpersonen der Welt natürlich nicht fehlen darf. Die gestohlenen Protokolle des Konzerngerichtshofs sind ebenso Thema, wie Ares oder die schwarze Loge, die mit ihrer neuen Weltordnung für Unruhen sorgt. Interessanterweise wird der Faden immer wieder zu den Drachen und deren Ränkespiel gezogen. Eventuell wird hier schon der Kern für weitere Publikationen und das nächste wirklich große Ereignis geschaffen. Droht gar ein Krieg unter den großen Drachen? Auffällig intensiv wird direkt im Anschluss Dunkelzahns kurze Amtszeit und sein spektakuläres Verschwinden aus der Welt beleuchtet.

Viele kleine, oft amüsante Wahrheiten peppen das Geschriebene auf. Wer kann schon sagen, ob das Zürich Orbital wirklich fast ausschließlich von Gnomen bewohnt ist? Wenn tatsächlich jeder Gnom gleich nach seiner Geburt heimlich dorthin verfrachtet wird, scheint es jedenfalls sehr wahrscheinlich. Aber auch viele Berühmtheiten, wie die Wuxing-Fünflinge bleiben nicht unerwähnt. Und was es mit den Dracheneiern auf sich hat, kann man ebenfalls lesen.

Neben all den Seltsamkeiten in der Welt gibt es aber auch handfestes Material im Buch. Zu den vorgestellten Städten gehören London und DeeCee, wobei man alles Wissenswerte über die Region und typische Eigenheiten erfährt. Mit den vorliegenden Informationen ist es durchaus möglich, von der Anreise bis hin zu sehr umfangreichen Abenteuern in der jeweiligen Stadt vor einem detaillierten Hintergrund zu gestalten. Gerade Spielleiter werden das zu schätzen wissen. Geschichte, Geografie, und typische Verschwörungen werden ausführlich dargestellt. Wichtige Personen sind zum Teil derart liebevoll ausgearbeitet, dass sie sofort lebendig wirken. London bekommt umfangreiche 33 Seiten spendiert, DeeCee noch einmal zehn mehr.

Extra für deutsche Runner spendiert Pegasus noch 37 Seiten Verschwörungen in der ADL. Die Hintergründe typisch deutscher Geheimbünde, wie der Dr- Faustus-Gesellschaft, der Freimaurer oder der deutschen katholischen Kirche werden durch eine Beschreibung der Sonderrechtszone Karlsruhe abgerundet.

Zum Schluss gibt es noch einige Abenteuerideen, die natürlich auf den im Buch behandelten Themen aufbauen. Dabei sind alle Ideen auch nur Ideen und bieten Anregungen, die dem Spielleiter alle Freiheiten, auf der anderen Seite aber auch eine Menge Arbeit übrig lassen. Ganz anders dagegen der letzte Abschnitt. Wer wirklich tief in die sechste Welt abtauchen will und sich für die global Player der heimlichen Mächte interessiert, bekommt einen wirklichen Leckerbissen: Die letzte Abenteueridee greift die Artefaktkampagne auf und glänzt mit extrem ausführlichen magischen Ritualen der wichtigsten Orden und Bruderschaften. Mithilfe dieser Rituale bekommen Runner mächtige Fähigkeiten in die Hände, die sie ganz oben mitspielen lassen
Auf insgesamt 212 Seiten werden unzählige neue Anregungen für zahllose Stunden Spielspaß gegeben. Die üblichen Kurzgeschichten sind schön zu lesen und unterstreichen das zuvor gelesene.


Die Aufmachung des Buches ist in typischer Shadowrunmanier. Ein buntes Hardcover beherbergt in Graustufen bedruckte, sehr dicht beschriebene Seiten. Die Zeichnungen sind durchweg gelungen und ebenfalls typisch für Shadowrun. Das Lesezeichen könnte, wie bei allen Büchern aus der Reihe, ein wenig größer ausfallen, erfüllt aber seinen Zweck besser, als beispielweise beim Quellenband. Karten zu den vorgestellten Städten hätten das Paket noch einmal aufgewertet. So fehlt den guten Beschreibungen leider etwas, da man seinen Spielern zeigen kann.

Insgesamt ist das Buch sehr empfehlenswert. Allerdings nicht ohne Einschränkungen, denn man muss sich darüber klar sein, dass es ohne detaillierte Kenntnisse der Spielwelt fast unmöglich wird, die Hintergründe auf Anhieb zu verstehen. Es macht zwar auch dann Spaß, wenn man nicht genau weiß, worum es überhaupt geht und für neue Spieler ist es sicher reizvoll, mit Thesen konfrontiert zu werden, deren tiefere Bedeutung völlig im Dunkeln liegt, weil es die Atmosphäre noch einmal enorm steigern kann, wenn man als Spieler seine Spielfigur einer Verschwörungstheorie erliegen lässt, die man selbst noch nicht versteht oder nachvollziehen kann. Dennoch gibt es für Einsteiger und Gelegenheitsspieler sicher andere Quellenbücher, deren Anschaffung vorerst wichtiger ist.
Für echte Streetsams und selbst Erwachte gehört „Verschwörungstheorien“ eindeutig ebenso zur Pflichtanschaffung, wie für Spielleiter, die Ihre Runde die Paranoia der sechsten Welt einmal hautnah erleben lassen wollen. Doch Vorsicht: Das Weltbild labiler (Meta)menschen könnte ins Wanken geraten, wenn sie mit der schonungslosen Wahrheit konfrontiert werden!

Der Preis ist keine Überraschung und gerechtfertigt. Gemessen am Potential und den Stunden Spielspaß, die eine Gruppe damit geliefert bekommt, sind 29,95 Euro angemessen. Wären Stadtkarten enthalten, wäre der Preis sogar mehr als das. Der vorliegende Band ist insgesamt sehr stabil und gut verabeitet und wird etliche Spielabende überstehen. Für das lieblose und recht schnell zerfledderte Lesezeichen und die fehlenden Karten gibt es allerdings einen leichten Punktabzug, der aber niemanden vom Kauf abhalten sollte.

Wir bedanken und beim Pegasus-Verlag für die freundliche Überlassung des Rezensionsexemplares!
 
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