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Sci-Fi / Fantasy Kushiel, Das Zeichen

Sameafnir

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Über die Autorin
Jacqueline Carey wurde 1964 geboren, lebt in Michigan, USA, studierte englische Literatur und Psychologie am Lake Forest College. Kushiel - Das Zeichen ist ihr Debutroman, in der Originalfassung 2001 veröffentlicht. Dieser gewann verschiedene internationale Preise und wurde ausserdem mit dem Locus Award für besten Erstlingsroman ausgezeichnet. Es folgten 2 weitere Bände, die hier ebenfalls noch rezensiert werden.
HP der Autorin hier

Band 1 – Kushiel, das Zeichen (Originalfassung Kushiel's Dart).
Band 2 – Kushiel, der Verrat (Originalfassung Kushiel's Chosen)
Band 3 – Kushiel, die Erlösung (Originalfassung Kushiel's Avatar)

Sprache: Deutsch
ISBN-13: 978-3-52256-5

Im Lande Terre d'Ange (Land der Engel) ist das höchste Gebot: Lebe und Liebe wie es dir gefällt! Die Bewohner dieses herrlichen Landstriches, die „d'Angelines“ sind ebenso schön, geistreich, und hinreissend wie auch der Liebe und aller ihrer Spielarten verfallen und sehen dies als ihre Bestimmung, auf die eine oder andere Art ihr Leben der Liebe, zu weihen, wie es Elua (der Gesegnete), der höchste, Sohn Gottes geboten hat.
Elua's meist genannte Getreue, sind Naamah(Verlangen, Hingabe), Anael (Wachstum, Leben), Camael (Kampf), Cassiel (Treue), Eisheth (Heilung, Erzählung), Azza (Wissen), Shemhazai (Lehren, Lernen) und Kushiel (Rache, Bestrafung). Schon am Anfang beginnt man zu ahnen, dass die Autorin sich ausgiebig und mit liebevoller Akribie mit der Schaffung einer Welt nach ihren Vorstellungen beschäftigt hat. Die Ähnlichkeiten mit einem mittelalterlichen Europa sind durchaus gewollt. Terre d'Ange = Zentral-Frankreich, Alba = England, Caerdicci – Italien, Kusheth - Bretagne ... Die Dramaturgis Personae, die wir auf den ersten Seiten finden, ist absolut notwendig, ob der Charakterdichte und Vielzahl an Protagonisten. Orte, Länder, Herrschergeschlechter und Protagonisten, sind allesamt mit klangvollen Namen ausgestattet und ermöglichen so einen Überblick. Das mag den einen oder anderen Leser abschrecken, ob der Fülle, aber derjenige Leser, welcher genau nach solch einer Lektüre sucht, eine wildromantische, bis ins Detail ausgefeilte Welt mit Helden, die nicht nur zweidimensional sind, wird nicht enttäuscht auf den knapp 900 Seiten dieses ersten Bandes. Terre d'Ange und seine Bewohner erblühen mit jeder Seite vor dem inneren Auge des geneigten Lesers.

Hauptprotagonistin ist, Phedre, Tochter einer Kurtisane aus Jasmin Haus. Eine Besonderheit ist, dass Phèdre aus ihrer Sicht beginnt ihr Leben in einer Rückschau zu schildern, und zwar von klein an. Sie entstammt dem Nachtpalais, man könnte dies als oberstes Gildenhaus der Kurtisanen bezeichnen. In den verschiedenen Häusern, wird Elua s Gebot „Liebe wie es dir gefällt“ gehuldigt. Phedre s Mutter Liliane de Souverain aus Jasmin Haus, dessen Motto „Vergnügen und Empfindsamkeit“ heisst, jedoch wird Phedre aufgrund unglücklicher Geschehnisse als Kleinkind von ihrer Mutter in das Cereus Haus verkauft. Cereus Haus, ist das angesehenste Haus des Nachtpalais, Motto „Schönheit und Grazie“. Dort wird sie als Zögling angenommen und erhält über einige Jahre eine Ausbildung. Die Kinder werden zu Adepten ausgebildet, jedes dem Sinne und Motto der einzelnen Häuser entsprechend. Cereus Haus, die Krone aller 13 Häuser, gelten dessen Adepten als die grazilsten und anmutigsten.
Aber Phèdre hat das, was in Terre d'Ange nur wenige haben: einen offensichtlichen Makel – ihre Körper ist nicht vollkommen! Obwohl sie gut gewachsen ist und ihre pechschwarzen Locken prächtig ihr feingliedriges Gesicht umrahmen, wird sie nur unwillig im Cereus Haus aufgenommen, da sich in ihrem linken Auge ein roter Fleck befindet.

„Ein so kleines Detail bestimmte über ein ganzes Schicksal. Es war nichts weiter als ein winziges Körnchen, ein kleiner Fleck, ein bloßer Farbpunkt. Hätte er eine andere Färbung gehabt, wäre vielleicht alles anders gekommen. Als meine Augen sich klärten, leuchteten sie in der Farbe, welche die dichter Bister nennen, dunkel und glänzend wie ein waldweiher im Schatten uralter Eichen. Ausserhalb von Terre d'Ange würde man vielleicht braun dazu sagen, doch die Sprache jenseits unsres Landes ist äusserst unzureichend, wenn es um die Beschreibung von Schönheit geht. Bister, also satt und dunkel glänzend – bis auf das linke Auge, in dessen Iris ein farbiger Fleck funkelte. Er leuchtete Rot, und doch ist Rot nur eine sehr unvollkommene Bezeichnung, für seine tatsächliche Farbe. Scharlachrot, könnte man sagen, oder Karmensinrot; röter als der Kehllappen eines Hahns oder der glasierte Apfel im Maul eines Schweins“

Und dennoch beschliesst die Doyenne (Vorsteherin) von Cereus Haus, Miriam Bouscevre, Phèdre aufzunehmen, unter der Bedingung, dass Phèdre s Eltern, die Adeptin Liliane de Souverain und Pierre Cantrel, dritter Sohn eines Handelsherrn, hierüber stillschweigen bewahren, auf das nicht bekannt werde, dass mit Makel behaftete Kinder dort aufgenommen werden.
Adepten eines Hauses leben in ihren jeweiligen Häusern und dienen in Naamah s Namen der Liebe und geben sich ihren Freiern hin. Der Status eines oder einer Adepten / Adeptin eines der 13 Häuser ist in der Gesellschaft Terre d'Anges durchaus wohl angesehen. Die betuchten D'Angelines können sich diese Wonnen leisten, und tun dies ausgiebig. Der Lohn für diese Liebesdienste geht direkt an den Besitzer der Marque, welcher in der Regel das jeweilige Haus ist, und nur mit zusätzlichen Gaben, kann der Adept seine Marque, eine Tätowierung, die den Grossteil des Rückens einnimmt Stück für Stück vollenden lassen. Ist die Marque erstmal fertiggestellt, kann der Adept das Haus verlassen und ein eigenes Gewerbe betreiben, oder auch in seinem Haus verbleiben und den Lohn selbst erhalten. Eine vollendete Marque ist also das Zeichen für einen freien, erfahrenen Adepten/Adeptin seiner Hauses.

Phedre s Erziehung beginnt mit Poesie, Gesang und Musik. Wie man Wein formvollendet eingiesst und ein Schlafgemach vorbereitet. Schon nach kurzer Zeit findet sie noch etwas heraus, was sie von den anderen Kindern unterscheidet: Phèdre empfindet Lust an Schmerz. Hierfür wäre eigentlich Valeriana Haus das richtige. Dort hat man sich ganz dem Motto „Ich unterwerfe mich“ verschrieben und ebenso sieht die Erziehung der Adepten dort aus. Jedoch folgt die Doyenne des Cereus Hauses einer inneren Eingebung und bietet Phedre s Marque Anafiel Delaunay an. Delaunay, ein sehr wohlhabender Edelmann, den ein Geheimnis umgibt, da er gro゚en Einfluss am Hofe geniesst, aber dennoch kein gern gesehener Gast im Königspalast ist, und nur am Rande wie es scheint in die dortigen politischen Intrigen verstrickt ist.

Delaunay ist es, der sofort erkennt, dass der rote Fleck in Phedre s Auge etwas ganz besonderes darstellt: Kushiels Pfeil! Dies bedeutet, dass Kushiel Phedre als sein eigen gezeichnet hat. Kushiel, der Engel der Rache und Strafe, dies passiert nur etwa alle 1000 Jahre, dass eine „Anguissette“ geboren wird. Anguisette, so nennt man die Menschen, die mit Kushiel s Zeichen, dem roten Fleck im Auge geboren werden. Anafiel Delaunay ist sofort fasziniert und kauft Phedre s Marque, sodass sie nach ihrer Ausbildung in Cereus Haus in sein Haus gehören wird und erst nach Vollendung ihrer Marque frei sein wird. All dies wird vertraglich festgehalten.
Das Erwerben einer Marque ist eine Art Leibeigenschaft auf Zeit, denn sobald die Marque vollendet ist, gilt der Vertrag als erfüllt. So liegt es zum Großteil an den Freiern und deren Geschenke, wann und wie schnell ein Adept diesen Zustand erreicht. In Delaunay s Haushalt lebt neben Phedre auch noch Alcuin, ein aussergewöhnlich hübscher Jüngling, schlank und wohlgestaltet mit weissblondem Haar, sehr hellem Teint aber dunklen Augen. Auch er ist ein Schüler Delaunay s, der wie Phedre in den Wissenschaften, verschiedenen Sprachen, Schriften, Geschichte und Lyrik, aber auch in Körperbeherrschung und Akrobatik ausgebildet wird.
Beide sollen lernen während ihrer Rendezvous mit Freiern für Delaunay Augen und vor allen Dingen Ohren offenzuhalten. Delaunay s Ziel ist es die beiden als heimliche Spione in den Schlafgemächern der Freier einzusetzen, um die so erlangtem Informationen für das Erreichen seiner Ziele einzusetzen. In Delaunay s Haus begegnet ihr auch das erste Mal Melisande Shahrizai, eine Edeldame, die Phedre s Werdegang erheblich beeinflussen wird.

Melisande Shahrizai zu beschreiben kommt dem Versuch gleich, um mit den Worten der Dichter zu sprechen, den Gesang der Nachtigall zu malen; es ist schlichtweg unmöglich. Sie war damals dreiundzwanzig Jahre alt, obgleich es so schien, als könne ihr die Zeit nichts anhaben, ganz gleich, in welche Richtung sie floss. Wenn ich sage, dass ihre Haut Alabaster glich, ihr Haar von so tiefem Schwarz war, dass es bläulich schimmerte, wenn Licht darauf fie, und ihre Augen so tiefblau waren, dass jeder Saphir dagegen vor Neid erblasst wäre, spreche ich nur die Wahrheit; aber sie war eine D'Angeline, und meine Worte können lediglich andeuten, wie schön sie war.
....
Ich, die ich diese Dinge studiert hattte, brauchte keine historischen Kenntnisse, um sagen zu können, von wem das Haus der Shahrizai abstammte. Als ich höflich aufsah, um in die blauen Augen Melisande Shahrizais zu schauen, durchbohrte mich ihr Blick wie ein Speer , meine Knie wurden weich, und ich wusste, sie war eine Nachfahrin Kushiels“
„Wie reizend“ Sie durchquerte die Halle mit sorgloser Anmut und warf die Schleppe ihres Kleids schwungvoll über einen Arm. Kühle Finger streichelten über meine Wange, lackierte Nägel fuhren über meine Haut. Ich erbebte. Mit einem leichten Lächeln hielt sie mein Kinn hoch und zwang mich, ihr ins Gesicht zu sehen. „Anafiel“, sagte sie gelassen und amüsiert zugleich, während sie sich zu ihm umwandte. „Ihr habt eine wahre Anguisette gefunden.“

Aber das ist der Anfang von Phedres Leben, welches ungeahnte Wege nehmen wird.

Carey spinnt nach und nach eine Geschichte voller Intrigen, Irrungen und Wirrungen, über Macht und Liebe, Strategie, Manipulation, Hingabe, Verrat und hinterlistige Machenschaften, die wohl durchdacht und erfreulicherweise Weise für den Leser nicht vorhersehbar sind. Sie führt durch die Welt von Terre d'Ange im weltlichen, geographischen, mythologischen Sinne, aber vor allem im erotisch Sinnlichen und schafft so ein tolles Gesamtbild, welches komplettiert wird durch die sehr gut und tief ausgearbeiteten Protagonisten. Die sado-masochichstischen Szenen aufgrund Phedre s Natur als "Anguisette" sind ebenso getreu und bildhaft beschrieben, wie das ganze Buch, wer also hiermit ein Problem hat, sollte dieses Buch nicht lesen. Allen anderen kann es nur wärmstens anempfohlen werden, vor allem die wunderschöne Sprache und der sichere Stil, mit dem die Autorin durch das Gewirr von Phedre s intensiven Gefühlswelten und die Geschehnisse um sie herum führt, seien hier nochmals erwähnt.
Ein absoluter Pageturner, sehr empfehlenswert! Viel Spass bei der Lektüre!

Zum Cover:
Eine junge Frau, die dem Betrachter den Rücken zuwendet, in ein eng anliegendes Miederkleid gehüllt, den Kopf leicht geneigt. Das Mieder gestattet einen Blick auf eine Tätowierung, die „Marque“, eine stilisierte Rose. Sehr gelungen.

Wir danken dem Heyne Verlag, der diese Rezension ermöglichte.
 
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