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Sci-Fi / Fantasy Im Schatten der Dornrose

sonic_hedgehog

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Im Herzen des Yalaiad, im Norden auch bekannt als die Satrapie Yashualay liegt Gwerrat, ein kleines Beyrounat, das kaum die Aufmerksamkeit der großen verfeindeten Nachbarn Aranien und Oron wert wäre, wiese es nicht zwei Besonderheiten auf: Zum einen steht es unter dem Schutz eines mächtigen Dschinn des Wassers, der ihm Wohlergehen und Unabhängigkeit garantiert, zum anderen sind die Söhne der Beyrouni Sorena im heiratsfähigen Alter. Und auch wenn sich nach aranischer Tradition die Herrscherwürde über die männliche Linie vererbt, haben doch die Ehefrauen die macht – und eine ebensolche gedenkt die Beyrouni für ihren Erstgeborenen Rengûn auszusuchen. Aranier wie auch Oronier werben um die Gunst Gwerrats, Aranien vertreten durch eine große, hochkarätig besetzte Gesandtschaft inklusive der potentiellen Braut, Oron nur vertreten durch die verführerisch attraktive Layla al’Azila. Doch aufgrund einiger ungeschickter Äußerungen der aranischen Delegation schafft es diese, ihre offenkundigen Vorteile zu verspielen und das Angebot der oronischen Abgesandten, der verführisch attraktiven, nach Oron zu reisen und dort neben der beworbenen Ayrana Effendi auch die Sitten in Oron kennenzulernen für die Prinzen reizvoll scheinen zu lassen.
Schnell findet sich eine Reisegesellschaft zusammen, angeführt von der oronischen Gesandten wollen Prinz Rengûn, der Borongeweihte Golgaron (der eine ihm selbst peinliche schwäche für Layla empfindet), Zivia sâla Lenora, Adepta der Schule des Seienden Scheins zu Zorgan, Yellebeth, Spionin der Mada Bassari, getarnt als Händlerin und der Kababyloth Feramund nach Oron aufbrechen. Doch auch wenn jeder der Reisenden andere Gründe für seine Teilnahme hat, nichts konnte sie auf die vielfältigen Herausforderungen vorbereiten, die eine Reise in das der Erzdämonin Belkelel verfallene Land mit sich bringt. Und auf die Verführungen, die es bereit hält…

DSA-Romane sind eine Gratwanderung für den Autor – entfernt er sich zu weit von der in den Quellenbüchern beschriebenen Spielrealität trifft er auf die gnadenlose Kritik der Fans, bemüht er sich, möglichst nah an den Beschreibungen zu bleiben, büßt er erzählerische Freiheit ein. Dieser Zwickmühle kann auch Bernard Craw in seinem zweiten DSA-Roman nicht entkommen.
Craw entwirft in seinem Roman ein eindrückliches Bild der Heptarchie Oron. In auktorialer Perspektive erzählt er die Geschichte der Expedition, wobei er seine Figuren abwechselnd in den Mittelpunkt der Geschichte stellt. Harmlos beginnend führt er seine Protagonisten immer weiter in die Untiefen der Belkelelverehrung, die fast für jeden Teilnehmer der Expedition Reizvolles, aber auch Abstoßendes bereithalten. Egal ob profane, arkane oder geweihte Expeditionsteilnehmer, jeder begegnet seiner Verführung und muss eine Entscheidung treffen – inklusive des Prinzen, der auch noch zu bedenken hat, dass seine Entscheidung auch über die Zukunft seiner Untertanen entscheidet.

Der Autor führt eine Vielzahl von Protagonisten durch seine Geschichte und scheitert leider an dem Versuch allen dieselbe Tiefe zu verleihen. Es gelingt ihm, jedem der Expeditionsteilnehmer eine eigene Motivation zu geben, sei es die magiertypische überbordende Neugier der Zivia, die Ambitionen der Mada Bassari Spionin, aber auch die Wünsche der Antagonisten, nicht jedoch, den Leser an die Figuren zu binden. Auch schienen mir beispielweise die Beweggründe des Borongeweihten bis zum Schluss etwas wenig überzeugend – aber Zweifel und Gefühle dürfen wohl auch unlogisch sein. Insgesamt kann man konstatieren, dass die Personenzeichnungen im Schnitt recht gut gelungen sind, diese aber trotzdem etwas blass bleiben. Verluste unter den Protagonisten lassen den Leser daher leider etwas kalt. Es ist aber nicht nur die Masse der Figuren unter der die Identifikation leidet, es ist auch offensichtlich, dass der Schwerpunkt Craws weniger auf den Figuren als vielmehr auf den Gräueln der Dämonen liegt.
Und er weiß damit zu fesseln. Craw zeichnet ein eindrückliches Bild des Lebens in der Heptarchie, von kleineren Sünden bis hin zu großen Freveln, von echten „Wundern“ bis hin zu kleinen und großen Betrügereien, von Grenzüberschreitungen und wahrem Ekel. Aus den Beschreibungen der Schrecken können sowohl Spielleiter als auch Spieler gute Eindrücke davon erhalten, wie sich ein eventueller Aufenthalt eigener Charaktere in Oron gestalten würde, kann man wunderbare NSCs ableiten und auch nach dem Fall Orons Rückschlüsse auf erlittene Traumata ziehen. Und die beschriebenen Rituale wie der Gegenentwurf zum rahjanischen Fest der Freuden oder die Weihen einer Belkelelpriesterin sind rufen ein gewisses Schaudern beim Leser hervor, während Sklaverei und die Lamijanim das Gesamtbild abrunden. Und doch ist genau dies die Stelle, an der Craw in die zweite Falle der Rollenspielromane tappt – vieles das er schildert, kommt dem langjährigen DSA-Fan schmerzlich bekannt vor und ist aus Publikationen wie „Blutrosen und Marasken“ entliehen. Aber, auch das sei hier klar gesagt, bei weitem nicht alles! Das gemischte Bild jedoch ließe sich an vielen Beispielen aus dem Roman immer wieder beschreiben, bis hin zum Ende, das einerseits wunderbar realistisch innerhalb der Logik der DSA-Welt funktioniert, andererseits durch das Auftreten des letzten Antagonisten sehr klischeebehaftet ist.

Auch sollte klar sein, dass „Im Schatten der Dornrose“ sicherlich nicht jedermanns Geschmack sein kann. So wie das eher subtile Grauen eines Norman Bates heute dem Grauen eines Jigsaw weichen muss, ist auch heutige Horrorliteratur oft eher plakativ. Insbesondere bei der sexuellen Gewalt, die Teil des Szenarios ist, wird sich mancher Leser vielleicht fragen, ob wirklich jede Schilderung für die Erzählung von Nöten ist oder anderen Zwecken dient. Dies sind aber Fragen, die sich auch andere Werke wie American Psycho gefallen lassen mussten (ohne die beiden in eine Reihe stellen zu wollen).

Bernard Craw alias Bernd Robker, der 1972 in Bramsche geboren wurde und in dessen Kurzbeschreibung im Buch neben der Tatsache, dass er als Projektleiter in einem internationalen Konzern tätig ist (also noch nicht hauptberuflich vom Schreiben leben kann), auch seine katholische Religionszugehörigkeit Eingang gefunden hat, ist mit „Im Schatten der Dornrose“ ein interessanter aber durchwachsener Roman gelungen. Man mag darüber streiten ob zu große Systemtreue und zu freies Phantasieren nicht Scylla und Charybdis der RPG-Romane und daher aus der Wertung auszunehmen sind, unbestreitbar hätte eine stärkere Fokussierung auf wenigere, dem Leser ans Herz wachsende Figuren und auch etwas mehr Subtilität dem Roman gut getan. Aber trotzdem: In meinen Augen einer der besseren DSA-Romane und ein Autor, den man im Auge haben sollte.

Mein Dank gilt Fanpro, der Fantasy Productions Verlags- und Medienvertriebsgesellschaft mbH, die uns diese Rezension ermöglichte.

Zum Schluss sei mir eine Frage erlaubt, deren Bedeutung Lesern des Buches klar sein dürfte: Gilt in einer Gesellschaft ausschließlich das Recht des Stärkeren – welche Auswirkungen hat dies auf das Gastrecht?
 
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