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Sci-Fi / Fantasy Hexenkessel

Tufir

Drachling
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Hexenkessel – Jack McDevitt

Es ist viele Jahre her, dass die Wissenschafts-Akademie ihre Raumschiffe auf große Erkundungsfahrten in die heimatliche Milchstrasse entsandt hat. Zwar hat man nie die große, technisch weit überlegene Rasse entdeckt oder gar mit Gott gesprochen, doch langweilig wurde es den Wissenschaftlern und Piloten nie. Die Reichen und Schönen der Welt besuchten an Bord luxuriöser Raumschiffe fremde Planetensysteme, Kommerz und Wissenschaft schienen eine friedliche Koexistenz eingegangen zu sein.

Irgendwann aber stellten sowohl Politiker als auch deren Wähler fest, dass Raumfahrt Geld kostet und zwar viel Geld. Man war in der unendlichen Schwärze des Alls nur Resten untergegangener Kulturen begegnet, hatte die ultimative Waffe der Omegas – gigantischer Wolken, die auf rechte Winkel auf den Planeten der Galaxis allergisch reagierten (weil exakte rechte Winkel in der Natur nicht vorkommen und somit künstlich, von Intelligenzen geschaffen sein müssen) und die entsprechenden Planeten und künstlichen Gebilde mit gigantischen Blitzen zerstören – und außerdem einen unterlichtschnellen Sammler außerirdischer Relikte entdeckt. Das war im Prinzip alles. So wurde heimlich, still und leise das Raumfahrtprogramm langsam aber sicher eingestellt.

Lediglich eine Handvoll ewig gestriger Anhänger hat sich in der privat finanzierten „Foundation“ zusammengefunden, um wenigstens noch ein klein wenig interstellare Forschungsarbeit betreiben zu können. Als ihr Aushängeschild und Spendenbeschaffer fungiert die Heldin der Raumschifffahrt (und McDevitts Lieblingscharakter), Priscilla Hutchins.

Als 2255 der Physiker und Forscher Jon Silvetri endlich einen Raumantrieb entwickelt, der es ermöglicht, in Wochen, allenfalls Monaten das Zentrum der Galaxis zu erreichen – was mit dem alten Antrieb Jahrzehnte gekostet hätte – ist die Begeisterung, aber auch die Skepsis der Menschheit groß. Soll man überhaupt nach den Verursachern der Omega Wolken suchen, das Risiko eingehen, dass die vermeintlich feindlichen Aliens auf die Menschen aufmerksam werden? Aller Bedenken zum Trotz begeben sich zwei Schiffe auf eine Expedition. Als Pilotin mit an Bord Priscilla „Hutch“ Hutchins. Zwei Zwischenstops möchte man einlegen – zum einen sucht man die Erbauer des intergalaktischen Probensammlers Chindi, zum anderen will man die Heimat der Fremden, von denen erstmals eine intergalaktische Funkbotschaft vernommen wurde, aufsuchen.

Auf dem Weg ins Zentrum der heimatlichen Milchstraße aber lauern Gefahren und Abenteuer, Enttäuschungen und sehr wenig wirklich neue Erkenntnisse. Damit nicht genug, stoßen unsere Forscher im Zentrum auf die Auslöser der Omega-Wolken – Intelligenzen, die so ganz anders sind, als man erwartet hat.

Mit diesem Roman, der erneut seine Starprotagonistin Priscilla Hutchins ins Spiel bringt, hat der US-Amerikaner Jack McDevitt erneut bewiesen, dass er in die erste Riege der internationalen SF Autoren gehört. Seine exotische Welten und glaubhafte Zukunftsentwürfe und die immer vielschichtigen Protagonisten sorgen auch hier wieder dafür, dass auch dieser Roman bei jung und alt beliebt sein wird. Seine Figuren entwickeln sich im Laufe seiner Romane fort, sie altern – mehr oder weniger in Würde – und auch seine Welten entpuppt sich stets als erstaunlich real.

Natürlich sind es in Hexenkessel die Erbsenzähler, die letztlich über die Fortsetzung finanziell aufwendiger Reisen entscheiden, natürlich lässt sich der Bau einer Schule und sogar eine Gehaltserhöhung für Politiker besser verkaufen als eine Expedition mit fraglichen Zielen und Ergebnissen zu anderen Welten.

Im Verlauf seiner Romane hat der Autor verschiedenste Welten besucht, den fremden, unbekannten Kulturüberresten aber immer ihre Andersartigkeit und ihren Reiz gelassen. Nach einem recht verhaltenen Beginn, der die aufwendigen bürokratischen Hürden, die es zu meistern gilt, einer weiteren Expedition beschreibt, macht sich selbige endlich auf den Weg.

Anschließend arbeitet McDevitt ab, was er an Rätseln in seinen anderen Romanen aufgebaut hat. Die Erbauer von Chindi werden besucht und entzaubert, verlorene Stationen, verlassene Planeten und verschollene Gesellschaften erforscht, des Lesers Herz erfreut sich der gebotenen exotischen Vielfalt, und manch einer mag sich fragen, ob dies hier nicht einfach nur ein Roman ist, der getreu dem Motto entstand: „Lasst mich schnell zu Ende kommen!“. Zumindest kann man zeitweise das Gefühl erhalten, als würden den Leser die Anzahl der Schauplätze und Einfalle erschlagen, rast die Handlung teilweise von einem Highlight zum Nächsten. Trotzdem bleibt der Roman dennoch ein Highlight!

McDevitt verzichtet in seinem Werk erneut auf die Gigantomie der Technik, feuert keine Waffenbreitseiten ab oder surft endlos im Cyberspace. Hier agieren glaubwürdige Gestalten voller subtiler und echter Identifikationsmöglichkeiten.

Attribut: Empfehlenswert!

Viel Spaß beim Schmökern wünscht
Euer Tufir


Jack McDevitt (eigentlich John Charles McDevitt) wurde 1935 in Philadelphia geboren. Er erlangte 1957 einen BA am LaSalle-College. An diesem College hatte er am Freshman Short Story Contest teilgenommen und diesen gewonnen; seine Kurzgeschichte wurde im schuleigenen Literaturmagazin Four Quarters veröffentlicht. Eigentlich war er da bereits auf dem Weg zum Schriftsteller, doch wie McDevitt in einem Interview bekundete, hat er nach der Lektüre von Charles Dickens' Roman David Copperfield erkannt, dass er ein solches Niveau nicht erreichen könne und sich besser mit etwas anderem beschäftigen sollte. Er jobbte als Taxifahrer und als Motivationstrainer. Von 1958 bis 1962 diente er in der US Navy. Danach arbeitete er als Englischlehrer. 1967 heiratete er Maureen McAdams. 1971 wurde ihm Master für Literatur an der Wesleyan University zuerkannt. Von 1975 bis zu seinem Ruhestand im Jahr 1995 war Jack McDevitt für das US-Zollamt tätig.

Nach einem Vierteljahrhundert völliger Abstinenz begann McDevitt 1980 auf Anregung seiner Frau wieder zu schreiben. Seine erste SF-Kurzgeschichte „The Emerson Effect“ wurde ein Jahr später im Twilight Zone Magazine veröffentlicht. Sein Debütroman Erstkontakt handelt vom ersten Zusammentreffen mit einer außerirdischen Zivilisation. Dieses Thema greift McDevitt auch in späteren Werken immer wieder auf.

Seit seinem „Ruhestand“ ist er als Schriftsteller wesentlich aktiver geworden und kann zudem eine Reihe von Erfolgen aufweisen. Beispielsweise ist seit elf Jahren jedes Mal, von einer Ausnahme abgesehen, eine seiner Kurzgeschichten oder einer seiner Romane für den Nebula Award nominiert.

Jack McDevitt hat drei inzwischen erwachsene Kinder und lebt heute mit seiner Frau auf St. Simons Island (Georgia).

Mein Dank geht an die Verlagsgruppe Lübbe, die diese Rezension ermöglichte.
 
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