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Sci-Fi / Fantasy Zeitreisende sterben nie

Tufir

Drachling
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Zeitreisende sterben nie

Fassungslos steht Dave Dryden am Grab seines Freundes Adrian Shelbourne, genannt Shel, und fragt sich, wie dies geschehen konnte. Aufgefunden als Toter, bestialisch ermordet in seinem eigenen Haus, das anschließend vom Verbrecher auch noch abgebrannt wurde. Dave wünscht Helen, Shel’s Verlobter, noch sein Beileid und fährt nach Hause, um mit seinem Kummer alleine fertig zu werden. Dort schließlich öffnet sich am späten Abend die Tür zu seinem Büro und sein Freund tritt ein, lächelnd und lebendig wie eh und je.

Denn Dave und Shel haben etwas gemeinsam – sie sind Zeitreisende und Zeitreisende sterben nie. Gemeinsam reisen die beiden an ferne Orte und Geschehnisse, um berühmten Männern und Frauen die Hand zu schütteln, um sich mit ihnen zu unterhalten oder einfach nur, um bei geschichtsträchtigen Ereignissen persönlich zugegen zu sein. Beider Motivation ist anfangs die Suche nach Shels Vater, einem genialen Physiker, der die Zeitreisegeräte erfunden und drei Stück davon gebaut hat. Anschließend verschwand er spurlos und Shel vermutet, dass sein Gerät einen Defekt aufweisen muss. So erfolglos diese Suche auch bleibt, umso mehr fangen Dave und Shel an, diese Reisen zu genießen und auszudehnen, bis es schließlich zu diesem schicksalshaften Tag kommt …

Jack McDevitt ist hier in Deutschland hauptsächlich durch seine Omega-Wolken Romane bekannt geworden, eine Reihe von lose zusammenhängenden SF Geschichten um mysteriöse, offenbar gesteuerte Wolken in unserer Galaxie, die Planeten heimsuchen und zerstören, auf denen Gebilde mit rechten Winkeln zu entdecken sind – etwas, dass in der Natur nicht vorkommt und somit einen Hinweis auf intelligentes Leben darstellt. Diese McDevitt Romane zu mögen, ist nicht leicht, aber genauso wenig schwer. Sie sind gut und für SF-Fans durchaus etwas Besonderes.

Der nun vorliegende Roman dieses Autors passt so gar nicht in sein sonstiges Raumfahrt-Schema, spielt in einer Zeit kaum 10 Jahre in der Zukunft und beschäftigt sich nicht mit Reisen im Weltraum, sondern vor allem mit der ewigen Frage des „Was wäre wenn …?“. Der Inhalt wirkt auf den ersten Blick unscheinbar und wirft die Frage auf, ob man schon wieder eines dieser Werke in der Hand hält, bei dem man merkt, dass sich der Autor selbst einen Knoten ins Gehirn machen musste, um seine temporalen Verstrickungen selbst wieder einigermaßen aufzulösen und letztendlich doch daran scheitert. Um es direkt zu sagen: Jack McDevitt straft alle Vorurteile Lügen. Seine Geschichte ist genial, die Zeitreisen mit all den Dingen wie Zeitreisenkausalität und Großvaterparadoxon geraten nie aus den Fugen und ganz nebenbei lernt der Leser noch ein wenig aus der irdischen Geschichte dazu. Gut strukturiert baut der Autor vor allem die Kapitel aus, der er offensichtlich besonders intensiv recherchiert hat: Italien zu Beginn der Renaissance mit Borgia Papst und Galileo Galilei, das alte Griechenland mit Sophokles und Aristoteles und die letzten 250 Jahre der USA mit ihren bekannten Präsidenten.

Das Buch beginnt am Anfang interessant und neugierig machend und ungefähr ab der Hälfte hat McDevitt seine Leser fest im Griff und lässt sie nicht mehr los. Das Ende mag ein wenig an Hollywood Kitsch erinnern, ist aber zum Inhalt passend und doch gleichzeitig auch leicht überraschend. Ansonsten ist McDevitts Sprache wie immer einfach, technische Raffinessen werden gekonnt umschrieben und beschränken sich ohnehin auf ein Minimum. Im Vordergrund stehen die Protaginsten und die Schwierigkeit, wie sie mit ihren Erkenntnissen und den möglichen Folgen ihres Handelns umgehen sollen. Diese Dinge legt der Autor jedoch gekonnt mit Humor und Esprit dar und schafft es, den Leser damit in den Bann seiner Geschichte zu ziehen.

Die Unscheinbarkeit des Inhalts und auch des Covers (welches keine herausragenden Elemente enthält, das aber durchaus mehr als nur passend zum Inhalt ist, was ja schließlich in diesem Genre doch eine Seltenheit darstellt) machen es schwer, nach diesem Buch zu greifen und es zu lesen. Tut man es dennoch, wird man auf eine seltene Weise mit sehr guter Unterhaltung belohnt!

Dieser McDevitt ist ein absolutes Highlight in der SF-Literatur der letzten Jahre!

Viel Spaß beim Schmökern wünscht
Euer Tufir

Jack McDevitt (eigentlich John Charles McDevitt) wurde 1935 in Philadelphia geboren. Er erlangte 1957 einen BA am LaSalle-College. An diesem College hatte er am Freshman Short Story Contest teilgenommen und diesen gewonnen; seine Kurzgeschichte wurde im schuleigenen Literaturmagazin Four Quarters veröffentlicht. Eigentlich war er da bereits auf dem Weg zum Schriftsteller, doch wie McDevitt in einem Interview bekundete, hat er nach der Lektüre von Charles Dickens' Roman David Copperfield erkannt, dass er ein solches Niveau nicht erreichen könne und sich besser mit etwas anderem beschäftigen sollte. Er jobbte als Taxifahrer und als Motivationstrainer. Von 1958 bis 1962 diente er in der US Navy. Danach arbeitete er als Englischlehrer. 1967 heiratete er Maureen McAdams. 1971 wurde ihm Master für Literatur an der Wesleyan University zuerkannt. Von 1975 bis zu seinem Ruhestand im Jahr 1995 war Jack McDevitt für das US-Zollamt tätig.

Nach einem Vierteljahrhundert völliger Abstinenz begann McDevitt 1980 auf Anregung seiner Frau wieder zu schreiben. Seine erste SF-Kurzgeschichte „The Emerson Effect“ wurde ein Jahr später im Twilight Zone Magazine veröffentlicht. Sein Debütroman Erstkontakt handelt vom ersten Zusammentreffen mit einer außerirdischen Zivilisation. Dieses Thema greift McDevitt auch in späteren Werken immer wieder auf.

Seit seinem „Ruhestand“ ist er als Schriftsteller wesentlich aktiver geworden und kann zudem eine Reihe von Erfolgen aufweisen. Beispielsweise ist seit elf Jahren jedes Mal, von einer Ausnahme abgesehen, eine seiner Kurzgeschichten oder einer seiner Romane für den Nebula Award nominiert.

Jack McDevitt hat drei inzwischen erwachsene Kinder und lebt heute mit seiner Frau auf St. Simons Island (Georgia).

Vielen Dank an die Verlagsgruppe Lübbe, die diese Rezension ermöglichte.
 
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