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Sci-Fi / Fantasy Die dunkle Unermesslichkeit des Todes

sonic_hedgehog

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Massimo Carlottos „Die dunkle Unermesslichkeit des Todes“ beginnt mit einem bösartigen Verbrechen und, soviel sei vorweg genommen, es endet mit einem mindest genauso gearteten Verbrechen. Dies und die Tatsache dass Verbrecher und deren Umfeld sowie Polizisten und Anwälte die Hauptrollen spielen, legt die Definition nahe, dass es sich bei dem Buch um einen Krimi handelt. Das Buch ist jedoch mehr. Aber beginnen wir von vorne:

Silvano Contin war Weinhändler für Weine der gehobenen Klasse und führte mit Frau und Kind ein angenehmes Leben. Dies alles stürzte ein wie ein Kartenhaus, als Silvanos Frau Clara und sein Sohn von flüchtenden Dieben als Geiseln genommen wurden und auf deren Flucht erschossen wurden. Einer der Täter entkommt, der andere wird gefasst und wird aufgrund der Schwere des Verbrechens zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Trotzdem liegt Silvanos Welt natürlich in Scherben.
15 Jahre später lebt Silvano immer noch im Schmerz gefangen, als ihn die Nachricht erreicht, dass der einsitzende Täter an Krebs erkrankt ist und ein Gnadengesuch gestellt hat, um in Freiheit zu sterben. Zunächst ist er empört, dann jedoch sieht er eine Chance, die Chance Rache zu nehmen und vielleicht auch den noch nicht gefassten Mittäter zu finden. Und er entwickelt einen Plan…

Auf dieser Basis entwickelt Carlotto einen abgründigen Roman, der in psychologischer Tiefe die Gedanken und Handlungen eines todkranken Verbrechers und seines Gegenspielers, der das Verbrechen noch nicht verwunden hat – und der einen packt. Der einen packt, obwohl die Sprache im ersten Moment gewöhnungsbedürftig ist. Raffaelo Beggiatos Teil des Romans ist einer einfachen, teils obszönen und brutalen Sprache gehalten, die das Milieu des Gefängnisses und des Umgangston unter Schwerverbrechern wiedergibt. Teile dieser Sprache finden sich aber auch in Silvano Contin Teil des Buches wieder und weisen darauf hin, dass auch dieser ein Gefangener ist, ein Gefangener seines zerstörten Lebens. Schonungslos entfaltet Carlotto die Abgründe, die sich durch Contins Rachepläne auftun und auch wenn im Buch die Frage nach der Rechtfertigung für diese Pläne nur durch eine Nebenfigur gestellt wird, so ist doch dies die Frage, die den Leser unweigerlich umtreibt. Wie weit darf ein Opfer gehen, bis ihm Gerechtigkeit widerfahren ist und kann der Tod eines Menschen überhaupt gesühnt werden? Einerseits macht Carlotto es sich und dem Leser einfach, da der Verbrecher kaum wirkliche Reue zeigt. Andererseits wirft sich dem Leser auch die Frage auf, ob dieses Einfache nicht zu einfach gedacht ist.

Insgesamt ein bewegender Roman. Laut Umschlag hat Il Manifesto den Autor als den „besten Krimiautor Italiens“ bezeichnet. Das mag zutreffen, jedoch weigere ich mich, diesen Roman wirklich als Krimi zu sehen. Veit Heinichen, Erfinder des Commissario Laurenti, hat laut selber Quelle Carlotto als „gnadenlosen Erzähler“ bezeichnet, der „seine Feder tief ins Herz des Lesers versenkt“. Dies trifft es eher – der Roman geht nahe und bohrt sich in Gedächtnis, er verstört und regt zum Nachdenken an – ohne je belehrend zu sein. Und er überrascht, erst durch seine Abgründigkeit, dann durch das weitere Geschehen und sein Ende.

Ein Highlight!

Noch ein paar Worte zum Autor:
Massimo Carlotto wurde 1956 in Padua geboren. Er war der Mittelpunkt eines der kontroversesten Kriminalfälle Italiens. Im Prozess um die Ermordung einer Studentin konnte er 1976 seine Unschuld nicht beweisen, wurde aber zunächst aus Mangel an Beweisen freigesprochen, vom Berufungsgericht jedoch zu 18 Jahren Haft verurteilt. Carlotto floh und wurde schließlich in Mexiko festgenommen und an Italien ausgeliefert. 1989 wurde der Prozess wieder aufgenommen und endete nach widersprüchlichen Urteilen schließlich in einer durch den Druck der Öffentlichkeit bewirkten Begnadigung Carlottos und Erklärung seiner Unschuld. Insgesamt war Massimo damit selbst sechs Jahre in Haft. Seine Karriere als Autor ist somit sein „zweites Leben“.


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