• RPG-Foren.com

    DIE Plattform für Fantasy & Sci-Fi Rollenspiele

    Ihr findet bei uns jede Menge Infos, Hintergründe zu diesen Themen! Dazu Forenrollenspiele, Tavernenspiele, eigene Regelwerke, Smalltalk und vieles mehr zu bekannten und weniger bekannten RPG-Systemen.

Sci-Fi / Fantasy Die Drachentempelsaga - Auf dunklen Schwingen

yggdrasil

Bürgertum
Beiträge
30
Punkte
1
Bevor die Autorin zum Schreiben kam hat sie schon so einiges erlebt. So ist sie mit 18 Jahren im mittleren Osten wandern gewesen, war in Israel, Asien und Australien und hat dann -zurück in ihrer kanadischen Heimat- begonnen Kurzgeschichten zu veröffentlichen. -Auf dunklen Schwingen- war sowohl ihr Erstlingsroman als auch der Auftakt zu einer Trilogie.

Zarq wird als Leibeigene in Malacar geboren. Das Leben dort ist wahrlich kein Zuckerschlecken: Nicht nur, dass man als Frau dort so gut wie nichts gilt und dort eigentlich nur als -Fortpflanzungsmaschine- angesehen wird, die Bevölkerung hat es durch die Macht und daraus folgenden Repressalien durch den Tempel nicht leicht.
Das junge Mädchen wächst in einer Welt voll Elend und Willkür auf, halbwegs beschützt durch ihre Mutter Kavarria, eine halbe Djimbi. Diese sind die Ureinwohner von Malacar, gefürchtet, beschworen in Legenden und doch existent. Sie leben zurückgezogen im Dschungel und beherrschen eine kraftvolle Magie welche auch von Kavarria ausgeübt wird.
Beim jährlichen Mombe Taro, einer Zeremonie bei der die neuen Lehrlinge des Drachenmeisters durch Schläge mit einer drachengiftgetränkten Peitsche aufgenommen werden, lässt sich Zarq ein Vergehen zu Schulde kommen: Sie gewinnt beim Wettlauf gegen einen Jungen. Ihr Clan versinkt daraufhin in Armut, ihr Vater wird vom Tempel ermordet, ihre Schwester in die Prostitution verkauft und schlussendlich flieht die halbtote Mutter mit ihr.
Nach einer gefahrvollen Reise durch den Dschungel landet Zarq im Drachenkonvent Tieron. Hier werden alte, impotente Drachenbullen bis zu ihrem Tode gepflegt. Beschnittene ("reine") Frauen sorgen sich um die greisen Tiere, deren Glanzzeit schon seit Jahren abgelaufen ist. Wenn das Mädchen bis dahin dachte, es habe in Armut gelebt, so wird es hier eines besseren belehrt: oftmals fehlen selbst die einfachsten Dinge, mehr als einmal sterben andere Frauen dieses Konvents an der Schwindsucht. Und als die Lage dann so dramatisch wird wie nie zuvor, machen sich die Frauen einer Todsünde schuldig: Sie nehmen Drachengift zu sich und essen in ihrer Not das Fleisch eines verendeten Bullen.
Als der Tempel dies erfährt flieht Zarq erneut, im Schlepptau die frisch gebackene Mutter Kiz-dan und ihr kleiner Sohn. Ein Aufbruch ins Ungewisse...

Janine Cross, die mit ihren zwei Kindern in Kanada lebt, zeichnet eine düstere Welt voller Gefahren, Schmutz, animalischem Sex und Tod. Eine schwülwarme Dschungelwelt in der sich Männer über Frauen aufschwingen und diesen die Existenzberechtigung außerhalb der Fortpflanzung absprechen. Aber auch eine Welt, in der Männer sich über Männer aufschwingen, diese ungerecht und brutal behandeln, ein Menschenleben zählt kaum etwas, alles muss zum Wohle der Drachenbullen aufgegeben werden. Die Autorin bleibt stereotypen Charakteren wie dem ewig Guten oder dem menschlichen Monster glücklicherweise fern und beschreibt die Personen ausführlich genug, so das auch Nebenfiguren durchaus Tiefe bekommen. Malacar erinnert kulturell an eine Mischung von Indien, den südamerikanischen Ureinwohnern (Maya, Azteken, etc.) und Arabien. Mal eine erfrischend andere Welt als die übliche 08/15 Fantasywelt voller Elfen, Orks und Heldentum. Hier geht es nicht vorrangig darum unsterblich zu werden, hier geht es darum zu überleben.
Was dem männlichen Leser vielleicht negativ aufstoßen könnte, ist die größtenteils beschriebene Opferrolle der Frauen und die Täterrolle der Männer. Jedoch wird an einigen Stellen auch aufgezeigt, dass Männer auch sehr unter der Herrschaft des Tempels zu leiden haben, so dass Stereotypen á la "alle Männer sind Schweine" glücklicherweise ausbleiben.

Sprachlich ist das Buch gut, flüssig und einfach zu lesen ohne den Eindruck eines Kinder- oder Jugendbuches zu erwecken. Die Kapitel tragen keine Namen, nur Ziffern, sind jedoch sinnvoll gegliedert. Es wird eine angemessen simple Sprache verwendet, die trotz der animalischen Seite des Menschen, die hier gezeigt wird jedoch nicht vulgär wirkt. Vom Titelbild her hätte ich niemals mit solchen menschlichen Abgründen gerechnet, auch wenn Cross hier ein Dark-Fantasy-Werk abgeliefert hat. Es zeigt eine sinnliche Frau in einem tief dekoltiertem Kleid, um die sich ein Drache windet. Dargestellt wird im Buch jedoch ein ganz anderes Bild von Zarq, der Hauptperson: Sie ist ein Mädchen mit kurz geschorenen Haaren, das bis es 14 Jahre zählt auch mit freiem Oberkörper als Junge durchgeht, ein Mädchen, das vor Schmutz starrt, mit Narben übersäht ist und niemals Luxus erlebt hat. Keine sich laziv räkelnde Schönheit. Von daher empfinde ich dieses Bild als schlecht gewählt. Dem Inhalt tut das aber natürlich kein Abbruch.

Der Roman "Auf dunklen Schwingen" ist bereits 2005 auf Englisch erschienen (Titel: "Touched by Venom"). Die deutsche Ausgabe war dann erst dieses Jahr zu haben. Übersetzt wurde es von Wolfgang Thon, einem "alten Hasen" in dem Bereich. Er hat bereits etliche Fantasy-Romane übersetzt, aber auch Vampirromane (z. B. "Ein Anfang mit Biss" von Michelle Rowen) oder "Frauenromane" sind in seiner Vitae zu finden.

Mein Fazit: Ein Roman, abseits des üblichen Fantasy-Geplänkel, voller Abgründe und Schmutz. Ein Buch, das Spannung erzeugt und sie über weite Strecken auch hält. Das Thema ist im Fantasybereich zwar eigentlich Standard (Unterdrückter lehnt sich gegen die Obrigkeit auf), aber hier ist es sehr gut aufbereitet. Ich habe das Buch kaum aus den Händen legen können und hatte es innerhalb von wenigen Tagen durchgelesen. Die Charaktere sind gut ausgearbeitet, die Einführung neuer Personen erfolgt nicht plötzlich sondern wohl durchdacht und ihre Anzahl ist auch alles andere als verwirrend und unübersichtlich. Jedoch ist es auf jeden Fall ein Buch das sowohl sprachlich als auch thematisch in die Hände Erwachsener oder älterer Jugendlicher gehört.

Diese Rezension entstand in freundschaftlicher Zusammenarbeit der RPG-Foren.com und DSA-Fantasy.de - Vielen Dank auch an den Wilhelm Heyne Verlag.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Zurück
Oben Unten