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Sci-Fi / Fantasy Die Verbrechen von Frankfurt - Galgentochter

E

Efate

Gast
Über das Buch:

Im Schatten des Galgens lauert das Verderben
Als auf dem Frankfurter Galgenberg die Leiche einer Hure gefunden wird, ist für Richter Blettner klar: Es war Selbstmord. Doch seine scharfsinnige, junge Frau Hella sieht das anders. Als man kurz darauf am gleichen Ort einen ermordeten Gewandschneider findet, beschließen Hella und ihre Mutter, die Witwe Gustelies, dass es höchste Zeit für eine ordentliche Ermittlung ist ...
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Eigentlich kommt Richter Blettner nur als eine der Randfiguren vor. Die wirklichen Hauptdarsteller sind seine Frau Hella und das zunächst namenlose Mädchen, Tochter einer Hure. Beides wird in zwei Erzählsträngen geschickt zusammen geführt. Ines Thorn benutzt hierbei auch noch das Element Zeit. Zum besseren Verstehen und Kennenlernen des namenlosen Mädchens spielen die Kapitel anfangs teilweise in der Vergangenheit. Die Handlung wechselt mit jedem Kapitel und der Leser kann das recht sorgenfreie Leben der Richtersfrau Hella und das harten Leben des namenlosen Mädchens, welches das Pech hatte auf dem falschen Ende der sozialen Leiter geboren zu sein, verfolgen. Damit wird auch ein guter Spannungsbogen aufgebaut, da man gerne wissen möchte, wie es denn im Leben der “anderen“ nun weitergegangen ist.

Ausgangspunkt der Geschichte sind verschiede Morde, die von Richter Blettner aufgeklärt werden sollen, und spätestens nach dem zweiten Mord ist klar, dass der vermutete Selbstmord des ersten Falles eben keiner war. Die pfiffige Hella hat dies natürlich zugleich vermutet und macht sich gemeinsam mit Ihrer Mutter Gustelies an die Aufklärung des Falles. Unterstützt werden Sie hierbei noch von der sehr selbstbewussten Geldwechslerin Jutta, einer alten Freundin von Gustelies, welche ein wahrer Quell an brandaktueller Information ist. Dann sind da noch Pater Nau, ein Priester der die Welt für ein Jammertal hält und dessen einziger Lichtblick die gute Küche seiner Haushälterin Gustelies darstellt sowie Hellas Mann, der Richter Heinz Blettner.

Witzig sind die immer wieder eingestreuten Kochlektionen nebst detaillierter Rezeptbeschreibungen die Gustelies in der Küche der Pfarrei Ihrer Tochter Hella zukommen lässt, die sich so gar nicht für Küche und Herd erwärmen kann und sich viel lieber der Aufklärung der Morde widmen würde. Natürlich entspricht dies nicht dem damaligen Bild einer gehorsamen Ehefrau und daher kämpft Hella auch mit dem Gedanken, dass die ungewollte Kinderlosigkeit des Paares vielleicht eine Strafe Gottes für Ihr nicht der Sitte und Anstand entsprechendem Verhalten ist. Interessant ist auch ein Blick auf das Mutter-Kind Verhältnis, als Gustelies den Avancen eines Gauklers erliegt und sich daher nicht mehr ausschließlich auf Ihre Tochter Hella fokussiert, sondern sich als Frau wahrgenommen sehen möchte, die noch nicht zu alt für einen zweiten Frühling ist.

Hellas Beziehung zu ihrem Mann wirkt jedoch an manchen Stellen etwas unglaubwürdig. Mit Engelsgeduld beobachtet er die Bemühungen seiner Frau diesen Fall zu lösen. Der sich langsam bildende Respekt und die Liebe, welche die Beiden verbindet - obwohl es sich hierbei um eine arrangierte Heirat handelte - kann man gut nachvollziehen. Solange also die weisen und guten Ratschläge Hellas hinter verschlossen Türen an Ihrem Mann abgegeben werden, scheint Ihre, für damalige Zeiten manchmal sehr vorwitzige Art noch glaubhaft. Allerdings schreckt Sie auch nicht davor zurück dies in der Öffentlichkeit umzusetzen, was u.a. bereits am Anfang des Buches darin gipfelte, dass der Torwächter offiziell eine Anweisung des Rats der Stadt bekommen hat, Ihr keinerlei Auskünfte mehr zu erteilen, wenn dieser Nachrichten an Ihren Mann zu überbringen hat. Dies wird u.a. später noch getoppt durch eine Szene in der Hella ihrem Mann auf dem Galgenberg vor dem Leichenbeschauer und dem Medicus vorträgt, was sie zu dem Fall denkt und wo die anderen falsch liegen, zusätzlich zu Ihrem sehr seltsamen Benehmen, auf allen Vieren auf dem Galgenberg herumzukriechen um Spuren zu sichern, die außer Ihr keiner wahrgenommen hat. Das erscheint mir doch etwas zu emanzipiert für die damalige Zeit. Schwer sich vorzustellen, das Ihr Mann, der sich als Richter in einer hohen, respektheischenden Position befindet, damit nicht zum Pantoffelheld gestempelt und entsprechend dem Spott freigegeben wird.

Dem Leidensweg des zunächst namenlosen Mädchens, welches dem Leser erst nach einigen Kapiteln unter dem Namen Agnes vorgestellt wird, folgt man mit, aus heutiger Sicht nur fassungslosem Kopfschütteln ob der Recht- und Chancenlosigkeit der damaligen Unterschicht, speziell der, der Frauen. Die, dem damals harten Überlebungskampf zuzuschreibende, Hartherzigkeit Ihrer Mitmenschen, insbesondere Ihrer Mutter, möchte man etwas entgegensetzen und freut sich daher, das diesem Mädchen zumindest eine mitfühlende Seele begegnet, die Ihr etwas Respekt und Liebe entgegenbringt. Wohin Ihr Weg dennoch führt, ahnt man spätestens nach dem ersten Viertel des Buches.

Die Geschichte wird eingerammt von Beschreibungen der historischen Stadt Frankfurt, deren politischen Stand in Hinsicht auf Selbständigkeit und Selbstverwaltung sowie Einblicke in die kirchliche und rechtliche Gerichtsbarkeit mit detaillieren Beschreibungen der teilweise sehr drakonischen Strafen der damaligen Zeit.

Alles im allen ein netter Krimi einbettet in einen historischen Rahmen. Leicht und flott zu lesen, gut geschrieben mit den Wechseln zwischen dem hellen, relativ leichten Leben Hellas und dem dunkel, schweren Leben von Agnes. Einziges Manko, die etwas zu emanzipiert geratenen Frauengestalten Hellas, Gustelies und Juttas. Wenn man schon andere historische Romane gelesen hat und sich etwas für dieses Thema interessiert, sprich, eine Idee über die strengen städtischen Regeln für Sitte und Anstand bekommen hat, inklusive der Argusaugen mit denen Kirche und Nachbarn hierüber wachten, kann man sich nicht vorstellen, das Frauen damals auf Dauer dieses relativ unabhängige, unkonventionelle Leben führen konnten.

Über die Autorin:

Ines Thorn wurde 1964 geboren und verbrachte ihre Kindheit und Jugend in Leipzig. Nach dem Abitur arbeitete sie in verschiedenen Berufen, u.a. als Buchhändlerin, Werbetexterin und Journalistin. 1992 übersiedelte sie nach Frankfurt/Main und studierte dort Germanistik und Slawistik. Seit ihrem zwölften Lebensjahr schreibt Ines Thorn und hat bisher mehrere Kurzgeschichten und Kurzromane in Anthologien und Zeitschriften veröffentlicht. Sie lebt und arbeitet in Offenbach.

Viel Spaß beim Schmökern
Eure Efaté

Diese Rezension entstand in freundlicher Zusammenarbeit der RPG-Foren.com und DSA-Fantasy. Vielen Dank auch an den Rowohlt-Verlag.
 
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