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Sci-Fi / Fantasy Der Ruf der Schlange

sonic_hedgehog

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Samu A. Rabov ist königlicher Geheimagent und als solcher für die Überwachung Zauberkundiger und der Aufklärung magischer Verbrechen in Phora betraut. Als er von einer Informantin einen Hinweis bezüglich eines Verbrechens in einem Zirkus am Stadtrand erhält, muss er entdecken, dass dieser, getarnt durch einen mächtigen Zauberer in Wirklichkeit der Tempel einer ausländischen Schlangengottheit ist. Es gelingt im im letzten Moment, das menschliche Opfer aus dem Schlund der Tempelschlange zu retten - zumindest für erste, denn natürlich arbeiten die Tempelwachen daran dies rückgängig zu machen.
Als wäre das nicht Problem genug, muss sich Rabov auch noch mit einem neuen Assistenten herumschlagen, der ebenso gegen ihn zu arbeiten wie die normale Polizeitruppe. Als dann auch noch eine magische Mordserie die Stadt durchzieht, deren Opfer in Bäume verwandelt oder mit samt Stammhirn herausgetrennter Wirbelsäule aufgefunden werden, ist es an Rabov eine Verschwörung aufzuklären, die ihn tief in die Vergangenheit Phoras und der angrenzenden Gebiete führt.

Gößling legt mit "Der Ruf der Schlange" eine Art Crossover von Thriller, Krimi und Fantasyroman vor, der eine wirklich neue Geschichte erzählt. Ort der Geschichte ist Phora, die königliche Hauptstadt eines Reiches, das in einer Steampunk-Fantasy Welt angesiedelt ist. Gößling versieht dieses Szenario mit diversen Bruchstellen und Referenzen auf die Realität und erschafft so ein wirklich innovatives Setting. So streiten wie so oft Religion und Technik miteinander, da nach dem Volksglauben der Gott Linglu die alte Welt in einer Flut ertränkte um sie für ihre Verbreitung dampfbetriebener Maschinen zu strafen und dass er auch eine erneute Strafaktion in Betracht zieht. Auch wenn im Untergang viel Wissen verloren gegangen ist, hindert das dennoch niemanden wirklich daran, all diese praktischen Maschinen wie dampfbetriebene Kutschen und Trams zu verwenden. Magie, im Buch Lakori genannt, wiederum ist Geschenk und Fluch zugleich, da Zauberkundige in sich ein Licht-Ich (das gute Bewusstsein) und eine Dunkel-Du (den magischen Funken, der versucht seinen Träger ins Verderben zu reißen) tragen. Nicht nur mich dürfte das an das Freudsche Über-Ich und das Es erinnern. Nur wer in der Lage ist, das Gleichgewicht zu wahren, kann in Frieden leben, doch jede Nutzung magischer Kräfte kann das Dunkel-Du stärken... Dies zu überwachen und labile Zauberkundige vor dem Verlust der Kontrolle aus dem Verkehr zu ziehen ist wiederum Rabovs Hauptaufgabe, der selbst auch ein schwach begabter Zauberer ist.

Gößling legt viel Wert auf die Beschreibung seiner Welt. Natürlich greift auch er zu den in der Fantasyliteratur üblichen Mitteln um Exotik zu erschaffen - exotische Namen, fremde Tiere deren irdische Entsprechung zu finden der Phantasie des Lesers überlassen bleibt. Davon abgesehen jedoch verzichtet er auf die üblichen Klischees, keine noblen Elfen, keine grummeligen Zwerge, keine bösen Orks. Faszinierend auch die Art, in der Gößling beschreibt, wie er zum Beispiel Farbbeschreibungen nutzt um Stimmungen zu präsentieren. Hier scheint nicht einfach die Sonne, sie ist wie eine Wunde am Himmel, deren Farbe an Eiter erinnert und wird von Wolken wie von Verbänden umgeben (S.18.).
So begeisternd diese Bildsprache ist und so sehr sie ihren Zweck erfüllt, mitunter übertreibt Gößling auch. Der Versuch beispielsweise Wiederholungen von Namen und Bezeichnungen zu vermeiden führt dazu, dass man sich als Leser mitunter wünscht, er würde "Er" schreiben anstatt mit Beschreibungen wie dem "Kapuzenburschen" (S.103) zu arbeiten. Dies wirkt an einigen Stellen fast zeilenschinderisch und bricht den Lesefluss des Lesers. Und so dauert es länger als nötig, bis sich die Handlung so spannend und zügig entwickelt, dass das Buch den Leser in seinen Bann zieht. Ungewöhnlich auch die Perspektivwechsel - zwar ist das Buch in der dritten Person aus der Sicht Rabovs geschrieben, die Innensicht Rabovs jedoch wird gerade im späteren Verlauf der Geschichte immer wieder durch eingeklammerte Einwürfe gebrochen, die eine zweite Schicht der Gedanken Rabovs präsentiert. Gebrochen, geteilt, wie Dunkel-Du und Licht-Ich, auch wenn diese Bezüge nicht eindeutig sind. Geteilt wird auch die Meinung zum Schluss des Buches sein, der angesichts des stark angezogenen Tempos etwas unerwartet kommt und so vieles offen lässt, dass man sich unwillkürlich fragt, ob eine Fortsetzung des Romans geplant ist oder hier tatsächlich ein Autor wieder ein offenes Ende gewagt hat. Ich persönlich bin der Meinung, dass dieses Ende das Buch erst abrundet, da es obwohl offen doch mehrere Kreise schließt wie die sich in den Schwanz beißende Schlange.

In der Summe ist Gößling mit "Der Ruf der Schlange" ein innovatives, spannendes Buch gelungen, dessen größte Schwäche ist, dass der Autor sein stilistisches Können etwas überreizt. Trotzdem, vielleicht auch deswegen, sollte man Gößling, der bisher eher durch als historisch exakt recherchiert bezeichnete und dennoch fantastische Romane über die Maya bekannt geworden ist, einen intensiven Blick gönnen. Innovative Fantasyromane kommen nicht im Dutzend und hat man sich erst an die stilistischen Eigenarten gewöhnt, möchte man diesen Roman nicht mehr aus der Hand legen!

Ich danke dem Klett-Cotta Verlag für die Möglichkeit den Roman zu rezensieren, auf den Seiten des Verlags findet sich auch eine Leseprobe, in der man neben ersten Eindrücken auch den gewohnt schönen Satz des Buches bewundern kann.
 
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