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Sci-Fi / Fantasy AQUA tm

sonic_hedgehog

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Mit „AQUA tm“ liegt auch von Jean Marc Ligny ein Buch vor, der das Thema Klimaveränderung thematisiert – im Gegensatz zu z.B. „Die letzte Flut“ aber anhand eines Szenarios, welches wesentlich näher an unserer Realität liegt und das sich weniger auf die Katastrophe an sich als auf deren Folgen fokussiert.

2030: Die Versuche, die Klimaerwärmung substantiell einzudämmen scheinen gescheitert zu sein. Überall auf der Welt haben extreme Wetterereignisse zugenommen, seien es Tornados oder Sturmfluten. Spanien vertrocknet in einer seit über einem Jahr anhaltende Dürre, die USA haben sich (wieder einmal) selbst isoliert, ihre Wirtschaft liegt am Boden und das Land gebiert Terrorgruppen wie z.B. die Göttliche Legion, deren Anschläge sich insbesondere gegen Europa richten. Und auch Europa leidet. Inmitten all der Krisen wurde auch die Entwicklungshilfe für die dritte Welt aufgegeben. Afrika kann sich damit allein auf China stützen, das es als geopolitisches und wirtschaftliches Spielfeld betrachtet. Und weltweit wird das Süßwasser knapp…
Doch auch auf anderen Ebenen haben sich bestehende Tendenzen verschärft:
Neben alten Drogen haben auch andere Ablenkungen den Menschen in ihren Bann geschlagen, Beispiele seien die Internetdroge ZipZap oder virtueller Sex, der über fortschrittliche Feedbackgeräte auch körperlich genossen werden kann.
Als in der Nordsee erneut eine Sturmflut gegen die Deiche der Niederlande anläuft, sieht Göttlichen Legion ihre Stunde gekommen: Inmitten der höchsten Flut verüben sie einen Selbstmordanschlag gegen die Deiche und Holland versinkt im Meer – hunderttausende Tote sind die Folge und europaweit laufen die Hilfsprojekte an.
Etwa zur selben Zeit bricht Yann, ein französischer Hacker, in einen Satelliten der Firma GeoWatch ein und löst damit eine weitere internationale Krise aus. Er entdeckt dabei Satellitenbilder von Burkina Faso, die deutlich einen bisher unerschlossenen unterirdischen See zeigen, der vermutlich für 50 Jahre Trinkwasser für das gebeutelte Land liefern könnte. Er spielt das Bild der Regierung von Burkina Faso zu – doch an wen soll sich dieses verarmte Land wenden um Hilfe bei der Ausbeutung zu bekommen? An China, das vermutlich alle Rechte an der Quelle für sich beanspruchen würde? Präsidentin Konaté wendet sich an Save OurSelves, eine Hilfsorganisation, die Laurie losschickt um die Vorbereitungen für die Bohrungen zu koordinieren. Als Unterstützung sucht sich Laurie einen Chauffeur, eine Stelle für die sich Rudy bewirbt, ein Niederländer der bei der Flutkatastrophe Frau und Kind verlor und dessen Leben seitdem aus den Fugen geraten ist. Doch auch der amerikanische Mutterkonzern von GeoWatch, Ressourcing, meldet Ansprüche auf die von ihrem Satelliten entdeckte Wasserstelle an. Und der Konzern schreckt bei der Durchsetzung seiner Ansprüche nicht einmal vor einem Staatsstreich zurück. So beginnt eine spannende Jagd, die keinen der Protagonisten unverändert zurücklassen wird.

Jean Marc Lignys Buch ist, obwohl in der Zukunft angesiedelt und mit einigen Low-SciFi-Elementen ausgestattet, hochaktuell. Vieles von dem, was in dem Buch geschildert wird, entspricht dem, was nicht nur pessimistische Beobachter in der nahen Zukunft erwarten. Das Bild, der er entwirft, ist daher schlüssig und spannend, wobei zu letzterem auch die Sprache Lignys ihren Teil beiträgt. Diese ist bildhaft und mitreißend, wen auch teils drastisch. Doch auch diese drastische Sprache ist nicht mehr als ein weiteres Stilmittel, das die Handlung noch eindrücklicher macht. Insbesondere einige der im Buch vorkommenden Sexszenen können den Leser leicht schockieren und die Sprache, in der sie geschildert werden, verstärkt diesen Eindruck eben noch. Trotzdem und auch wenn auch Werke der anerkannten Literatur teils noch drastischer sind muss sich das Buch die Frage gefallen lassen, ob hier für den Autor nicht gelegentlich die reine Lust zu provozieren Vorrang vor der Charakterisierung der Zeit und der Personen hatte. Dies sollte jedoch angesichts der sonstigen Qualitäten des Romans nicht zu schwer bewertet werden: Lignys Personenkonstruktionen sind größtenteils überzeugend und auch wenn in seinem Buch viele Erzählstränge parallel laufen, gelingt es ihm immer, keinen davon aus den Augen zu verlieren und sie in seinen knackig kurzen Kapiteln zu einer eindrucksvollen Gesamtgeschichte zu verweben. Gerade diese kurzen Kapitel tragen auch maßgeblich dazu bei, die Handlung trotz der gut 800 Seiten des Romans straff und fesselnd zu gestalten. Vervollständigt wird der Entwurf dieser nahen Zukunft auch durch die kurzen Texte, die Ligny zwischen die Kapitel schiebt und die wie Werbepausen ein gutes Bild der Gesellschaft vermitteln.

Wie gesagt, Ligny erzählt in „Aqua tm“ eine Geschichte, die brisant und leider hochaktuell ist. Kriege um Wasser drohen schon heute in verschiedenen Regionen der Erde loszubrechen und auch die Probleme der Weltwirtschaft, die thematisiert werden, sind im Angesicht der Klimakatastrophe sehr realistisch. Ligny verwendet diese sich schon andeutenden Entwicklungen als Basis für eine faszinierende Geschichte und schafft so ein Buch, das ich einfach nur verschlungen habe. Kleine Schwächen konnte ich damit ohne Probleme verzeihen. Ein großartiges Werk für SciFi-Fans, die die Zukunft unseres Planeten nicht kalt lässt und von Ulrike Werner-Richter wunderbar übersetzt.

Jean Marc Ligny wurde 1956 in Paris geboren und ist ein in Frankreich erfolgreicher Autor von Science Fiction und gut einem Dutzend Jugendromanen. Für „Aqua tm“ hat er verschiedene französische Literaturpreise erhalten und es ist sein erstes auf deutsch erschienenes Werk. Vielversprechend!
 
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