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Sci-Fi / Fantasy Pulsarnacht

sonic_hedgehog

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Der Aufstand gegen die Politik der Präsidentin der Vereinten Linien ist lange niedergeschlagen. Während die drei Anführer des Aufstands in, wenn auch komfortabler, Verbannung leben – sind auch die ehemaligen Waffenbrüder nicht allesamt zufrieden. Einige haben sich buchstäblich im Universum verteilt, um die Gesetzgebung zu umgehen.
Doch nun ist die zeit gekommen, dass den Aufständischen eine Hand gereicht werden soll, weswegen auch die verstreute Admiralin zurückgeholt werden soll.

Die Suche nach ihr ist der erste Teil des Romans Pulsarnacht von Dietmar Dath. Dath, ehemals Chefredakteur der Spex und aktuell Redakteur der FAZ hat einen beeindruckenden Output an Romanen, Essays und anderen Schriftwerken vorzuweisen. Mit dem 2008 erschienenen Die Abschaffung der Arten hatte er es auch auf die Shortlist des Deutschen Buchpreis geschafft.

Pulsarnacht ist nun eine Art Space Opera. Kern der Erzählung ist das namensgebende Ereignis – die Pulsarnacht. Eine uralte Sage der Dims (des menschenähnlichen Hilfsvolk der Custai), nach der es einen Zeitpunkt geben werde, an dem alle Pulsare des Universums zur selben Zeit stillstehen – und dieses Stillstehen entgegen jeder Physik an allen orten gleichzeitig angemessen werden kann.
Und auch wenn diese Sage äußerst unwahrscheinlich erscheint, scheinen ihr auch die anderen außerirdischen Völker merkwürdige Bedeutung zuzumessen – als eine Nacht, in der sich alle bekannten Parameter ändern könnten. Könnte dieses Ereignis, so es denn stattfände, auch die Vereinten Linien bedrohen?

Dath hat in seinem Roman ein komplexes Universum geschaffen – von der Besiedlung kristalliner, planetengroßer Lebewesen über Ahtotüren und Tlalok, den außerirdischen Rassen bis zur komplex-wahnsinnigen, jeder Geometrie widersprechenden Architektur des Hauptplaneten der VL – hier entspricht wenig den gewohnten Kategorien. Passend dazu ist auch die Handlung extrem vielschichtig – sie reicht von der sich zart entfaltenden Beziehung zweier völlig unterschiedlicher (und doch ähnlicher Wesen) bis zum jedes Risiko missachtenden Kampfeinsatz, von den Intrigen der großen Politik bis zu viel weiter reichenden kosmischen Zusammenhängen. All das vermengt Dath zu einem faszinierenden, aber auch sehr fordernden Gesamtkunstwerk.

Der Spiegel schrieb 2009: „Nichts ist simpler, als Dietmar Dath doof zu finden.“ Ich würde diese Aussage gerne aufgreifen, auch wenn ich es anders formuliert hätte: Dath macht es dem Leser schwer, ihn zu mögen. Der Grund dafür ist in Pulsarnacht hauptsächlich seine Erzählweise. Denn seine Sprache steht der Komplexität der Handlung in nichts nach:

„Lorentztransformationen waren ausgehoben worden wie früher alte Erden, sodass man auf Möbiusstraßen flanieren konnte und zur Sicherheit gegen Unwetter in Klein'schen Flaschen Schutz suchte, weil der ordnende Geist es Gesamtplans sich wie bei den äußerlich kleinen, innerlich riesigen Schiffen des präsidialen Militärs auch bei der Stadt, in der das Präsidialamt als fantastischster aller unmöglichen Bauten stand, der Dienstbarkeit zusätzlicher Dimensionen versichert hatte, in die hinein die Aufhebung des Unterschieds nicht nur von Stadt und Land, sondern auch von Innen und Außen, Hoch und Tief, Sichtbar und Unsichtbar, Nah und Fern gesetzt war, wie eine Anordnung der Herrschaft ins soziale Leben.“

Man kann hier die Kunstfertigkeit bewundern, in der Dath dieses Satz letztlich korrekt auflöst, man mag die unfassbare Phantasie bewundern, mit der das Bild der Stadt entworfen wird – oder sich über das Wissenschafts-Blabla ereifern und sich einen Punkt wünschen. Mir stellt sich nur eine Frage: Ist das Kunst oder, wie meine früheren Deutschlehrer angesichts meiner Schachtelsätze steif und fest behaupteten, nur schlechter Stil?

In jedem Fall gilt: Pulsarnacht ist ein Buch, bei dessen Lektüre man tunlichst nicht die Konzentration verlieren sollte. Und selbst dann gibt es mehr als einen Satz, den man mehrfach lesen wird, um ihn zu verstehen. Ein Buch, das man sich erarbeiten muss, wenn man es nicht entsetzt zur Seite legen will.

Folgt man der Erzählung, lässt man sich von ihr in Bann schlagen, erfährt man, dass der Sieg in den Linienkriegen keineswegs endgültig war. Man lernt, dass die Geschichte des Universums Geheimnisse bereit hält, die das Schicksal der Menschheit von Grunde auf ändern können. Man erfährt welche dieser Geheimnisse den anderen Rassen noch bekannt sind und weswegen sie geheim gehalten werden. Und all dies ist verpackt in eine spannende Geschichte, in der mehr als einer der Charaktere um sein Leben kämpfen muss, in der das Volk der Dims um seine Freiheit und die Menschheit um ihr Schicksal kämpfen müssen. Und der am Ende gleich mehrere Überraschungen (und weiteres schwer verständliches) bereit hält.

Pulsarnacht ist nicht nur schwer zu erfassen, sondern noch schwerer zusammenzufassen und letztlich zu werten. Die Handlung umkreist letztlich ein Gedankenspiel – wie Darth im Anhang auch selbst bekennt und verarbeitet verschiedenste Einflüsse. Daher wäre eine Zusammenfassung der verschiedenen Handlungsstränge (wie oben angerissen) für den Roman eher irrelevant. Wie viel der verwenden Physik real, Theorie und frei erfunden ist, das herauszufinden könnte mich wochenlang beschäftigen. Ebenso die Ergründung, welchen philosophischen Vordenkern Dath hier Referenz erweist. So gesehen ist auch der verschwurbelte Satzbau Teil des Gesamtkunstwerks.

Für mich war der Roman ehrlich gesagt streckenweise eine Qual. Immer wenn er mich gepackt hatten, musste ich den Lesefluss unterbrechen um einen zu schnell gelesenen Satz zu erfassen. Dennoch fühlte ich mich durch die Handlung und die Ideen des Autors für meine Mühe belohnt und konnte das Buch irgendwann nicht mehr beiseite legen. Daher möchte ich am Ende eine Art Empfehlung für den Roman aussprechen: Nehmt Euch die Zeit und besucht die Seite des Heyne Verlags. Mit der dortigen Leseprobe könnt Ihr Euch einen Eindruck der Sprache verschaffen. Wen sie nicht abschreckt, dem könnten fesselnde Stunden bevorstehen. Und wen sie abschreckt sei gesagt: Nach Aussagen bekennender Fans des Autors ist Pulsarnacht wesentlich zugänglicher als das oben erwähnte, für den Deutschen Buchpreis nominierte Die Abschaffung der Arten. Das, diese Bemerkung erlaube ich mir nun einfach mal, von der Literaturkritik ebenfalls ambivalent beurteilt wird. Vieles was FAZ, FR, Zeit, Süddeutsche und Co. über diesen Roman schrieben, würde ich auch für Pulsarnacht unterschreiben.

Ich danke dem Heyne Verlag an dieser Stelle für die Möglichkeit zur Rezension und für den verlegerischen Mut!
 
Auch eine Herangehensweise an diesen Roman: Die Rezension der Zeit. Schon allein deswegen erwähnenswert, weil SF von Zeitungen Häufung nur mit der Kneifzange angefasst wird.
 
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