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Sci-Fi / Fantasy Dracula, die Wiederkehr

Tufir

Drachling
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Dieses Buch wird die Fangemeinde sicherlich weitaus mehr spalten, als es jede andere Adaption des Original-Romans von Bram Stoker es jemals geschafft hat. Wer eine Fortsetzung erwartet, eine reine Fortsetzung und nichts als die Fortsetzung wird mit Sicherheit enttäuscht werden.

Die beiden Autoren greifen in extremen Maße zum dem Stilmittel, welches man keinen Autoren vorwerfen kann, ist es doch ihr ureigenes Werkzeug: Das Mittel der künstlerischen Freiheit. Wenn man dann noch berücksichtigt, dass gewisse verwandtschaftliche „Erbansprüche“ seitens Dacre Stoker bestehen, kommen wir nicht umhin, den Autoren zumindest das Recht einzugestehen, es so und nicht anders gemacht zu haben.

Langer Rede kurzer Sinn – was ist es denn nun, dass die Gemüter spalten wird? Ist das Buch etwa schlecht? Um diese Fragen zu beantworten bedarf es eines näheren Blickes auf das Werk.

Die äußere Gestaltung ist schlichtweg famos. Ein edel gestaltetes Hardcover mit Lesebändchen, hochwertiges Papier und ein angenehmer Satzspiegel erfreuen das Auge des Lesers. Die Aufmachung des Schutzumschlags ist gediegen und absolut treffend.

Inhaltlich bietet das Buch neben der eigentlichen Geschichte am Ende noch einige Kapitel, die alle diejenigen erfreuen werden, denen es an mehr als nur Fiktionalität gelegen ist. Für Dracula-Fans gibt es als Dreingabe noch einige schöne Boni. Neben einem Nachwort von Elizabeth Miller, eine der bekanntesten Dracula-Forscherinnen, kommen auch die Autoren zu Wort und erklären dabei wo und warum sie Modifikationen des ursprünglichen Stoffes unternommen haben. Zudem gibt es Fotografien von Bram Stoker und seinen Notizen sowie von Vlad Tepes, dem Vorbild des ursprünglichen Dracula.

Dacre Stoker und Ian Holt erzählen die ursprüngliche Geschichte zumindest in Teilen erneut und setzen ihre Forstsetzung darauf auf. Dabei geschieht dies keineswegs sequentiell, sondern in Form von Rückblenden, Erinnerungen der Protagonisten und anderen Mitteln. So taucht Bram Stoker selbst als Drehbuchautor eines Theater aufs und versucht, sein Werk als Fiktion auf die Bühne zu schicken. Die Geschichte wird um 15 Jahre verlegt, um Minna und Jonathan Harker einen erwachsenen Sohn, Quincey, zu verleihen, der nun in die Fortsetzungsereignisse hinein gezogen wird. Gerade die Tatsache, dass die „alten“ Charaktere in diesem Werk ebenfalls zugange sind, verleiht dieser Geschichte einen besonderen Reiz. Auch sind die 15 Jahre Zeitdifferenz gut genug gewählt, um die Taten Draculas in London mit den Morden von Jack, the Ripper, in Verbindung zu bringen und den gealterten Abraham van Helsing auf ein Neues als entsprechend Verdächtigen zu präsentieren und das Londoner Scotland Yard mit einem am damaligen Fall gescheiterten Inspektor ins Spiel mit einzubauen.

Stoker und Holts Geschichte nachzusagen, sie wäre nichts für schwache Nerven, wäre sicherlich eine Übertreibung und Unterstellung, jedoch ist sie mitnichten eine Gute-Nacht-Geschichte für Kinder. Ganz im Stile ihres Vorgängers ist die Erzählung blutrünstig bis brutal, der Horror kommt gut rüber und wird trotz heutiger Präsenz von Kettensägen-Massaker und Ähnlichem in Kino und Fernsehen aufgrund ihrer hintergründigen Mystik für den einen oder anderen Gänsehautschauer sorgen. Sehr positiv muss man auch bemerken, dass hier weder Glitzer- noch liebeshungrige Schmusevampire auftauchen und den Stoff ins Lächerliche ziehen. Allerdings darf es auch angesichts der Tatsache, dass zwischen Bram Stokers Werk und der Fortsetzung mehr als ein Jahrhundert liegen, kaum überraschen, dass einige Szenen blutiger und grauenhafter als im Originaltext ausgefallen sind. Doch Stoker/Holt setzen diese Momente sowohl wirksam als auch sparsam ein, so dass der Leser nie befürchten muss, sich plötzlich in einer Splatterorgie wieder zu finden. Fans des Stoffes dürfen zudem immer wieder über einige teilweise ironische Anspielungen schmunzeln. Etwa wenn Romanfiguren Namen tragen, die an berühmte Schauspieler (Lee) oder Autoren (Deane) verweisen, die mit dem Draculastoff zu tun hatten. Ähnlich augenzwinkernd ist in Bezug auf Stokers "Dracula" dann auch die Feststellung von Quincey Harker zu verstehen, der gerade einen Brief von seinem Vater erhalten hat:

"Verdammt! Dreizehn Seiten! Die Familie Harker war für ihre ellenlangen Briefe berüchtigt."
Als Fazit bleibt nur zu sagen, dass es sich bei „Dracula, die Wiederkehr“ um einen gut und vor allem sehr interessant umgesetzten Stoff nach Originalvorlage handelt. Für Dracula Fans sicherlich ein Muss, für alle anderen Horror Fans ebenfalls empfehlenswert.


Viel Spaß beim Schmökern wünscht euch
Euer Tufir


Dacre Stoker, geboren am 23. August 1958 in Montreal, Kanada, ist der Urgroßneffe von Bram Stoker, dem Autor des Romans „Dracula“ (1897). Der ehemalige Olympia-Trainer der kanadischen Fünfkampf-Mannschaft lebt heute in South Dakota und arbeitet als Geschäftsführer eines Naturreservats. Bereits seit einiger Zeit trug sich Stoker mit dem Gedanken, eine Fortsetzung von „Dracula“, einem Klassiker der Horrorliteratur, zu schreiben. In dem Drehbuchautor und Stoker-Forscher Ian Holt fand er schließlich den idealen Co-Autor. Auf der Grundlage von Originalmaterial aus dem Nachlass Bram Stokers entstand „Dracula – Die Wiederkehr“ als Fortführung der Geschichte, die im ursprünglichen Roman erzählt wird.


Ian Holt ist Drehbuchautor und selbsternannter Stoker-Forscher, der nach eigenen Angaben bereits von Kindheit an, von Dracula fasziniert war. Mehr ist über diese Person im Internet nur schwierig ausfindig zu machen.


Der Übersetzer Hannes Riffel wurde 1966 in Freiburg geboren. Er ist gelernter Verlagsbuchhändler und studierte mehrere Semester Germanistik, Anglistik, Geschichte und Psychologie. Er arbeitete als freier Redakteur und DJ für Radio Dreyeckland und ist Mitgründer der U.F.O. Buchhandlung in Freiburg. 1998 wurde er zum Wahlberliner, als er die UFO Phantastische Buchhandlung in Berlin-Kreuzberg eröffnete. Für den Festa Verlag betreut er in Zusammenarbeit mit Kai Meyer die Serie Mythenwelt. Er ist Herausgeber des Phantastik-Magazins PANDORA.


Vielen Dank an den Egmont-Lyx Verlag, der uns diese Rezension ermöglichte.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
AW: Dracula, die Wiederkehr

Tja, wie schon Tufir sagte: Das Buch dürfte viele Fans spalten (nicht wörtlich verstehen :) ).

Und tatsächlich, ich bin zwiegespalten. Einerseits ist das Werk sehr gut geschrieben, bietet z.T. hohe Spannung und erfreut den Leser mit einigen gelungenen Anspielungen.
Auch ist es schön, "alte" Bekannte wie Jonathan Harker usw. wieder zu treffen.

Aber was ist aus unserem DRACULA geworden? Achtung Spoiler: [MI]Die Geschehnisse vom ersten Band, die immerhin Generationen von Horrorfreunden inspiriert haben, werden sozusagen als "Lüge" von Van Helsing dargestellt. In Wahrheit ist Dracula ein "herzensguter" Mensch/Vampir, der niemals grundlos jemanden töten würde. Das damals das Schiff aus Transylvanien mit Dracula an Bord menschenleer am Strand Englands ankam, lag nicht etwa daran, dass Dracula während seiner Reise hunger hatte (was eigentlich logisch gewäsen wäre, insbesondere da er in seinem Schloss als alter Mann beschrieben wurde und in England plötzlich jünger war (wohl wegen des Blutes der Matrosen). Nein, er ernährte sich von den Ratten und die Matrosen gingen wegen der Pest flöten. Was für ein Zufall. Auch das Lucy direk danach von Dracula gebissen wurde, war ein Ausrutscher. Dracula war halt durstig nach der langen Reise und kurz vor dem Ende. Er biss sie zwar, doch wäre sie nicht durch die verunglückte Bluttransfusion von Van Helsing gestorben, wäre sie niemals zu einem Vampir geworden. [/MI]

Kurz: Dracula werden in diesem Roman die Zähne gezogen. Stattdessen werden andere Protagonisten als die wahren Bösen dargestellt. Und Dracula als Opfer...

Mir gefällt diese Sichtweise nicht. Ich finde sie einem Dracula nicht würdig. Aus diesem Grund kann ich dem Roman nur eine Wertung von 73% geben. Dass die Wertung trotzdem so hoch ausfällt, liegt am sehr guten Schreibstil, der extrem hochwertigen Aufmachung des Buches und auch an den sehr aufschlussreichen Ausführungen zum Originalroman am Ende des Werkes.

Gruß
Voltan
 
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