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Sci-Fi / Fantasy Die Kuppel

sonic_hedgehog

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Stolperzunges Stamm hat ein schweres Schicksal. In einer postapokalyptischen (?) Welt sind sie umgeben von feindlichen Wesen – und alle haben nur ein Ziel: Essen um zu überleben. Essen getöteter Gegner, aber auch Essen der eigenen Gefallenen oder jener, die zu schwach sind und daher dem Stamm nichts mehr nützen können. Verhandlungen unter den verfeindeten Kreaturen sind nur schwer möglich, da es keinem gelingt, die Sprache der anderen zu erlernen. Einzig legendäre Alte sollen dies geschafft haben, doch deren Wissen ist lange verloren. Stolperzunge selbst lebt stets in der Gefahr zu diesen Nutzlosen gezählt zu werden, einzig aufgrund seines Stotterns. Und so leidet er umso mehr unter dem Verrat seines geliebten Bruders, der ihn erst im Stich lässt und dann seine Leistungen als die eigenen reklamiert. Dieser Kreislauf der Vernichtung könnte noch lange Zeit weitergehen, doch eines Tages stürzt eine der Sphären herab, die unter dem Dach kreisen. In ihr findet sich eine seltsam schöne Frau, die – auch wenn sie sich nicht verständlich machen kann – das Leben im Clan und auch das Verhältnis der Brüder nachhaltig stört. Zeitgleich gerät der Clan immer mehr unter Druck, da sich vollkommen überraschend mehrere der eigentlich verfeindeten Kreaturen verbünden und ihre Angriffe koordinieren – ohne dass die Menschen verstehen könnten, wie diesen die Verständigung gelingt. Die Entdeckungen, die aus diesen beiden Ereignissen folgen und deren Zusammenhänge sind eine der Hauptantriebsfedern der Geschichte, weswegen mehr an Zusammenfassung schädlich wäre. Auch Zusammenfassungen und Kritiken allfälliger Internetbuchhandlungen sind daher mit Vorsicht zu genießen.

Peadar Ó Guilín, ein irischer Autor, der bisher durch in Magazinen und Anthologien veröffentlichte Kurzgeschichten in Erscheinung getreten war, hat mit die Kuppel einen ungewöhnlichen Science Fiction Roman und Erstling verfasst. Ohne Erklärung wirft er die Leser in seine Welt und lässt sie, gemeinsam mit den Protagonisten, Schritt für Schritt deren Regeln und auch deren Vergangenheit erkunden. Ist diese auch nicht übermäßig innovativ und für den erfahrenen Leser zu einem gewissen Maße vorhersehbar, hält der Roman dennoch einige Überraschungen bereit. Für besonderes Aufsehen dürfte beispielsweise seine Schilderung der Welt sorgen, einer Welt, in der – auch in Ermangelung anderer Nahrungsmittel – Kannibalismus und das Essen anderer intelligenter Lebewesen die Grundlage der Gesellschaftsordnung sind. Mag man im ersten Moment auch zweifeln, ob dies in der Realität über lange Zeit möglich wäre, sorgt Ó Guilín durch einige Kniffe der Welt durchaus für diese Möglichkeit. Faszinierend ist aber in jedem Fall, mit welcher Konsequenz er die mit Kannibalismus und dem unbedingten Recht des Stärkeren verbundene Barbarei schildert – insbesondere in einem Buch, das von seiner Sprache eher an All Age Fantasy erinnert und durchaus auch ein jüngeres Publikum ansprechen soll. Auch der merkliche Sexismus einiger Passagen des Buches erstaunt, auch deswegen, weil in einer barbarischen Gesellschaftsform auch ein Matriarchat naheliegend gewesen wäre.

Ó Guilín zieht den Leser in seinen Bann und man merkt, dass ihm seine Protagonisten nicht nur Mittel zum Zweck sind, sondern er sich redlich Mühe gibt, die mit Leben zu füllen. Jeder hat sein eigenes Schicksal, seine eigene Motivation und ist dreidimensional, so dass der Leser in der Lage ist trotz teils abstoßender Gewohnheiten eine Bindung zu ihnen eingehen kann. Auch die Antagonisten sind phantasievoll und überraschend. Dennoch ist der Roman nicht frei von Schwachstellen, sei es dass sich Stolperzunge übertrieben den Wünschen anderer unterordnet, sei es, dass eine kritische Betrachtung von Kannibalismus, aber auch den sonstigen Regeln der Welt eher am Rande stattfindet, sei es die stilistisch einfache Sprache und teilweise Vorhersehbarkeit.

Nichts desto trotz: Ein überraschender und in weiten Teilen fesselnder Vertreter, der sein Publikum finden wird und nicht umsonst nach der schönen gebundenen Form (Leseprobe!) nun auch als günstigeres Taschenbuch herausgebracht wurde. Und der neugierig auf die noch fehlenden weiteren zwei Teile macht. Meine Wertung bezieht sich auf die gebundene Version - da diese sich inhaltlich nicht vom Taschenbuch unterscheidet, wären einzig Preis-Leistungsunterschiede anzumerken. Jedoch macht die hübschere und stabilere Aufmachung der gebundenen Version den Preisunterschied in meinen Augen durchaus wett, weswegen sich für das Taschenbuch nur eine geringfügig höhere Wertung ergeben würde.

Mein Dank gilt Blanvalet, die diese Rezension ermöglichten.
 
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