Hi,
ich finde heute ist ein guter Tag im dieses alte Thema wieder hervorzuholen
Der Grund, warum ich das mache ist jener, dass ich in der Vergangenheit öfters die Erfahrung gemacht habe, dass sowohl Sexualität als auch Umstände, die nach historisch korrekten Maßstäben absolut realistisch sind aber leider nicht den modernen Vorstellungen von Gleichberechtigung entsprechen offensichtlich zu häufigen Tabuthemen gehören. Umso erfrischender empfinde ich jedes Spiel, in dem sich keiner daran stört, dass ich mir gern bewusst durch meine Charakterwahl „das Leben schwer mache“ und darin einen besonderen Reiz finde.
Ich finde es spannend in einer frauendiskriminierenden Welt eine Frau zu spielen und empfinde den Kampf um Selbstbestimmung und Freiheit als Bereicherung des Rollenspiels. Dass das auch Konsequenzen haben kann wie etwa, dass mein Charakter auch in diesem Vorhaben scheitern kann oder dass der Bonus gutes Aussehen leider auch zu sexuellen Übergriffen führen kann macht für mich einen gewissen Reiz aus und erhöht die Spannung.
Ich bin gerne in Spielwelten unterwegs, in denen es Bordelle, Sklaverei, politische Ehen, Kriege, deren Schattenseiten und starke Kontraste zwischen arm und reich gibt und denke auch irgendwo, dass man, wenn man sich wissentlich in ein Universum mit derlei Aspekten begibt, sollte man dann auch abkönnen, dass es dort eben auch wirklich so schmutzig zugeht.
Auch fühle ich keine allzu große Benachteiligung, weil das Frau-sein in einer entsprechend sexistischen Atmosphäre auch taktische Vorteile mit sich bringen kann: Beispielsweise wird in einer solchen Welt eine Frau schnell unterschätzt und das, obwohl sie mindestens so gefährlich sein kann wie ein Mann. Ich sehe mehr Möglichkeiten als Einschränkungen, es sind bloß andere Möglichkeiten als die, die unter solchen Umständen ein Mann hätte und meines Erachtens nach erhöht das die Vielfalt, ohne, dass Geschlechter wirklich im real life diskriminiert werden, weil eine Frau, der das nicht passt ja z.B. auch einfach einen Mann spielen könnte.
Ich habe schon lesbische Charakterinnen gespielt und gehe auch hier damit konform, dass es in manchen RPG-Welten Sinn macht, dass das Ausleben von Homosexualität unschöne Konsequenzen mit sich bringen kann, sofern man sich erwischen lässt. Auch das empfinde ich als Bereicherung des Spiels, die die Dramatik erhöht - man geht Risiken ein für die tragische Liebe und entweder es geht gut oder eben auch nicht…
Inzwischen sind die meisten meiner Charakterinnen bi, weil das wie ich finde mehr Möglichkeiten bietet. Ich spiele gern sexuell aktive Charaktere, die ihren Körper und ihre Reize als Waffe oder auch Mittel zum Zweck einzusetzen wissen, allerdings deute ich es im Spiel meist nur an, konkrete Details werden weggelassen, damit die Erotik keinen zu großen zu großen Raum einnimmt und man weiß ja auch nicht, ob es anderen Spielern vielleicht unangenehm wäre an dieser Stelle mit zu viel Information bombardiert zu werden^^
Mich persönlich würden genauere Beschreibungen zwar nicht stören, aber gerade weil es für viele so ein Tabuthema ist, bin ich da halt lieber vorsichtig, um niemanden zu bedrängen. Unsicherheiten sind für mich noch immer auf der rollenspielerischen Seite vorhanden, wenn sich zwei Spielercharaktere plötzlich ungeplant näher kommen und einer davon zu mir mir gehört, weil es schwer ist, die Stelle zu finden, an der der Rest ungesagt bleibt und der Phantasie aller Beteiligten überlassen wird. Insbesondere, wenn (noch) unentarnte Monstercharaktere eine Rolle spielen, da möglicherweise ein Wurf auf Wahrnehmung vom Gegenüber nötig wird um zu erkennen, dass irgendetwas hier nicht mit rechten Dingen zugeht und dann natürlich bei Erfolg die Frage was genau an Auffälligkeiten da ist (z.B. dass die Vampirin an jeder Körperstelle Raumtemperatur hat)
Oder auch ein Wurf vom Monstercharakter selbst auf Selbstbeherrschung um zu klären, ob der Charakter es schafft, die Tarnung aufrecht zu erhalten und der Verlockung hier leichte Beute zu machen widerstehen kann. In beiden Fällen erfordert es finde ich viel Fingerspitzengefühl auf der einen Seite nicht zu viel Rollenspiel wegzunehmen und halt auch die Atmosphäre und etwaige Besonderheiten zu beschreiben, ohne in einen Bereich zu rutschen, der mehr was von einem Erotikroman hat.
Und dann kann man ja auch noch einen Succubus im Spiel haben, der Sexualität gezielt einsetzt, um damit Schaden bei einem Gegner zu verursachen, wobei ich mit dieser Konstellation schon Erfahrung habe und auch da ließ sich das Ganze immer gut umschreiben, ohne, dass irgendjemand einen hochroten Kopf bekam. Halt ein Wurf auf Betören und dann für den verursachten Schaden und dazwischen wurde der Gegner halt galant in einen Hinterhalt gelockt, wo beide für die anderen nicht mehr sichtbar waren und somit fiel auch jegliche Beschreibung weg.
Insgesamt finde ich, dass das Thema deutlich weniger kompliziert in Spielen untergebracht werden könnte, wenn es zuvor offen kommuniziert wurde, sich jeder klar dazu geäußert hat, wo für ihn persönlich die Grenzen liegen und man sich danach darauf einigen konnte, dass Erotik eigentlich auch nur ein Teil des alltäglichen Lebens ist und halt eben als ein Aspekt von vielen irgendwie da ist und auch seine Daseinsberechtigung hat, ohne, dass dem dadurch ein übergeordneter Stellenwert beigemessen werden müsste. Der Rest ist dann nur noch eine ebensolche Geschmacksfrage wie die Debatte, ob es ausreicht, dass dem Herrn in den Kopf geschossen wurde oder ob die auf den Asphalt gespritzte Gehirnmasse näherer Ausführungen bedarf.
So viel dazu…
Liebe Grüße,
Anna