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Sci-Fi / Fantasy Weltengänger & Weltenträumer

sonic_hedgehog

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Sergej Lukianenko, geboren 1968 in Karatu, damalige UdSSR und bekannt durch die Wächerromane, beschreitet mit Weltengänger und dessen Nachfolger Weltenträumer neue Pfade:

Als Kirill Maximow eines Tages nach Hause kommt, findet er in seiner Wohnung eine Frau namens Natalja vor, die behauptet, schon seit Jahren dort zu wohnen. Auch seine Nachbarn und sein Hund erkennen ihn teils nicht mehr – und bei denen, die sich seiner entsinnen, schwindet die Erinnerung mit jedem verstreichenden Moment. Als Polizisten ihn etwas später wegen eines Verbrechens verhaften, vergessen sie ihn auf dem Weg zum Auto und lassen ihn daher wieder laufen. Schließlich muss er hilflos mit ansehen, wie sich nicht einmal mehr seine Exfreundin und seine Eltern an ihn erinnern können und seine bürgerliche Existenz mit dem Zerfall seines Ausweises ein Ende findet. Einzig sein Freund Kotja schafft es mit diversen Tricks, Kirill im Gedächtnis zu behalten.

Doch bevor Kirill endgültig verzweifeln kann, erreicht ihn ein Brief, der ihn dazu auffordert, einen alten Wasserturm in Moskau aufzusuchen. Dort angekommen erfährt er, dass er nun kein normaler Mensch mehr ist, sondern ein Funktional – genauer ein Zöllnerfunktional. Während sich der Turm Stockwerk für Stockwerk nach seinen Wünschen verändert, öffnen sich im Erdgeschoss Türen – Türen die in verschiedene Welten führen. Kirill erfährt, dass er aus seinem Leben gerissen wurde, um den Waren- und Personenverkehr zwischen verschiedenen Parallelwelten des Multiversums zu kontrollieren. Zuerst erkundet Kirill begeistert seine neue Existenz und die verschiedenen Welten, lernt verschiedene andere Funktionale kennen und schätzen. Er erfährt, dass Funktionale in ihrer Aufgabe unschlagbar gut sind, da sie auf unerklärliche Weise auf alles notwendige Wissen zurückgreifen können und auf ihrem Grund und Boden quasi unbesiegbar sind. Unvermeidlich jedoch wird er auch mit den Grenzen seines „Jobs“ konfrontiert – so bindet ihn beispielsweise eine unsichtbare Leine an seine Funktion, also seinen Zollturm. Und damit kann sich Kirill aus verschiedenen Gründen, die hier zu enthüllen zu weit führen würde, nicht abfinden und er beginnt Fragen zu stellen – Fragen wie warum er, wie und zu wessen Nutzen er zum Funktional wurde.


Weltengänger ist Teil eins der Kurzserie und wird durch Weltenträumer fortgesetzt und abgeschlossen. Das sei an dieser Stelle insbesondere deswegen ausdrücklich erwähnt, da diese Information dem Klappentext der Bücher nicht zu entnehmen ist. Überhaupt ist eine Unterscheidbarkeit der Bücher anhand des Klappentextes nur schwer vorstellbar. Weltengänger allein schließt die Geschichte nicht ab und Weltenträumer erfordert das Vorwissen des Vorgängers – was auch der Grund ist, warum ich sie hier gemeinsam vorstelle. Die Grundidee der Romane ist noch unverbraucht und recht begeisternd ist – Funktionale als Bindeglieder verschiedener Parallelwelten und als Diener unbekannter Mächte, Welten, deren Geschichte an verschiedenen Punkten der Vergangenheit unterschiedliche Wege gingen – ein wunderbares Spielfeld. Doch kann man dieses angesichts zahlreicher Schwächen nur schwer genießen:

Es beginnt damit, dass die Funktionale nicht nur für ihresgleichen den Zugang zu verschiedenen Welten hüten und als Bäcker-, Friseur-, Hotelierfunktionale (usw.) füreinander sorgen, sondern auch verschiedensten Prominenten und Politikern ihre Dienste zur Verfügung stellen – natürlich ohne dass der Rest der Welt davon eine Ahnung hat. Dies geheim halten zu können ist selbst für mich als Fantasy-Leser etwas unglaubwürdig.

Auch in der Gestaltung und Entwicklung der Geschichte zeigen sich Ungereimtheiten – am deutlichsten zeigt sich dies im ersten Band an der Person Kirills, der auf über 500 Seiten vollkommen ahnungslos in den Ränken anderer Personen gefangen ist, um dann ansatzlos und ohne dass für den Leser die Gründe seiner plötzlichen Einsicht erkennbar wären binnen weniger Seiten alles durchschaut und aufzulöst. Fast als sei dem Autor das Papier ausgegangen und er habe weder Zeit noch Lust gehabt, die Geschichte weiterzuverfolgen.

Dass Lukianenko auch in diesen Bänden die Hände nicht von übermächtigen Kontrahenten lassen kann wird Kenner der Wächterromane nicht überraschen, dankenswerterweise artet dies aber nicht so aus wie in den vorgenannten.

Am störendsten jedoch ist die unglaubliche Geschwätzigkeit Lukanienkos, die sich insbesondere im zweiten Roman an jeder Ecke zeigt. Beinahe jedes Kapitel beginnt mit seitenlangen, pseudophilosophischen Abhandlungen über Gott und die Welt. So erklärt uns der Erzähler langatmig, dass Kino und Literatur uns daran gewöhnt haben, dass ein Showdown in passender Umgebung stattzufinden habe und belegt dies durch die Beispiele Star Wars, Terminator, Anna Karenina und sogar dem Glöckner von Notre-Dame.
...politisch korrekte Liebesgeschichte zwischen einer hör- und bewegungsherausgeforderten Person mit alternativer Körperhaltung und einer Französin roma-sintischer Herkunft in Notre-Dame in Paris...
Was soll denn sowas bitteschön?
Das alles, um dann klarzustellen, dass dies in der Realität nicht immer der Fall sei, belegt wiederum mit verschiedenen Beispielen. Und das alles nur um den Leser auf die Erkenntnis vorzubereiten, dass der Ort, an dem sich der Protagonist wiederfindet, den Ansprüchen an ein passendes Finale nicht erfüllt. Immer wieder präsentiert uns so der Erzähler seine Sicht auf alles, ohne dass diese auch nur im geringsten für die Handlung notwendig oder die Erkenntnisse derart revolutionär wären, dass sie sich selbst Rechtfertigung wären. Kurz gesagt – nervtötend.

Bezieht man nun noch in die Betrachtung ein, dass das Sprachniveau wie so oft nicht das höchste ist (und mitunter merkwürdige Anspielungen tätigt, s.o.) und dass beide Finale, wenn auch überraschend so doch enttäuschend sind (für mich doppelt hart, da mich nur der Wunsch das Ende zu erfahren bei der Stange hielt), bleibt nur das Fazit, dass Weltengänger und Weltenträumer nur für hartgesottene Fans des Autors interessant sein dürften. Diese finden dann auch Leseproben für beide Romane auf den Seiten des Heyneverlags. Dass sie die Zielgruppe sein dürften, untermauert auch die Auswahl der Titelbilder – zwar repräsentieren der Turm auf Weltengänger und der Kreml (für Moskau – das Licht bleibt aber rätselhaft) auf Weltenträumer durchaus Inhalte der Romane – die Farbblitze und die Vögel sollen aber wohl primär an die Wächterromane erinnern.

Weltengänger: ISBN 3453523490 Umschlagbild: [MI]
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Weltenträumer: ISBN 3453524608 Umschlagbild: [MI]
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