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Sci-Fi / Fantasy Silenus

sonic_hedgehog

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16 Jahre ist George Carole alt, als er dem strengen Regiment seiner Großmutter entflieht um eine Karriere im Vaudeville-Theater zu beginnen. Dank seiner Begabung wurde er schnell Stammpianist eines kleinen Hauses, doch eigentlich verfolgt er andere Ziele. Insgeheim hofft er, einen Auftritt der berühmten Silenus-Truppe zu sehen und sich dieser anzuschließen. Genährt wird diese Hoffnung auch dadurch, dass er sicher ist, dass der Leiter der Truppe, Heironomo Silenus sein Vater ist.
Die Silenus-Truppe ist berühmt aufgrund ihrer außergewöhnlichen Darbietungen, auch wenn interessanterweise keiner der Besucher in der Lage ist, sich an Details des Programms zu erinnern. Als George erfährt, dass Silenus den Auftritt in seinem Theater abgesagt hat, kündigt er Hals über Kopf seine Anstellung und reist zum aktuellen Auftrittsort der Truppe.
Auf dem Weg dorthin wird er mit weiteren Merkwürdigkeiten konfrontiert, die die Truppe umgeben - Georges begegnet einem geheimnisvollen Mann in Grau, der seinen Vater zu verfolgen scheint und der Truppe anscheinend in deren Hotel auflauert. Auch die Aufführung ist wahrlich einzigartig - eine Mann mit verstörend lebendig scheinenden Marionetten, eine wunderschöne persische Prinzessin mit einer fesselnden Gesangsdarbietung, eine starke Frau, die scheinbar mühelos Eisenstangen verbiegt und mit Tresoren spielt und zu guter Letzt der Auftritt des Silenus, dessen Choral das ganze Publikum, mit Ausnahme von George, in Trance versetzt.
George fasst sich im Anschluss an die Vorstellung ein Herz und geht hinter die Bühne, ein Auftritt der letztlich dazu führt, dass die Truppe ihren Verfolgern entkommen kann und George mit ihnen fliehen muss. Und langsam eröffnet sich das Geheimnis, das die Truppe hütet - der Choral zum Ende der Vorstellung dargeboten wird ist mehr als nur ein Lied, er dient dazu, die Finsternis, die die Schöpfung bedroht, zurückzudrängen. Doch wird die Schutzwirkung scheinbar immer schwächer...

Das Vaudeville-Theater war eine Art Varieté-Theater, das insbesondere um die Jahrhundertwende des 19. Jahrhunderts in den USA beliebt war. Mehrere Ketten von Kleintheatern dienten als Tourstationen für Künstlergruppen, die als Mischung von Magiern, Sängern und Akrobaten das Publikum zu unterhalten suchten. Auch spätere (Stumm-)Filmstars hatten das Vaudeville als Karrierestation.

In die Welt dieses Theaters und das Amerika der Jahrhundertwende entführt Robert Jackson Bennett den Leser mit seinem Urban-Fantasy Roman. Die Theatertruppe, selbst aus großartigen Künstler zusammengesetzt, dient Silenus als perfekter Vorwand das Land zu durchreisen und seinen Choral, die erste Weise, vorzutragen und so die Schöpfung zu bewahren.
Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht.
Und Gott sah, dass das Licht gut war.
Da schied Gott das Licht von der Finsternis
Doch was empfand die Finsternis, in deren Mitte der Schöpfer seine Welt setzte? Nichts Gutes.
Und so versucht die Finsternis, die Schöpfung in Ihrer Mitte zu vernichten, ein Ansinnen, dem die Menschen erst Widerstand leisten konnten, als sie entdeckten, dass Reste der ersten Weise, mit der die Schöpfung gesungen worden war, bis heute in der Welt überdauert haben und ihr Vortrag die Finsternis zurückdrängt.

Doch sind Silenus und seine Truppe alles andere als Helden. Silenus ist eher ein gehetzter Kapitän Ahab als der archetypische Streiter gegen das Böse und auch jedes der anderen Gruppenmitglieder hütet sein Geheimnis. Und George, aus dessen Perspektive der Leser die Geschichte erlebt, ist mit seinen 16 Jahren ein nerviger Teenie. Was das Buch gerade zu Beginn auch etwas schwierig macht: Mehr als einmal wollte ich gerade George anschnauzen, er möge gefälligst den Mund öffnen um das klar zu erkennende Unheil abzuwenden. Doch kann man von diesem Protagonisten einfach keine Vernunft erwarten. Sobald sich der Leser dies klar gemacht hat und sich an sein eigenes Verhalten in diesem Alter erinnert, erkennt man, dass Bennett die Dynamik, die aus diesen eigenwilligen Charakteren erwächst, nutzt um seine Geschichte voranzutreiben. Der Zusammenhalt der Gruppe erwächst eher aus ihrem Verständnis als Schicksalsgemeinschaft als durch echtes Vertrauen. Was wiederum eine nicht zu überschätzende Bedrohung für das Ziel darstellt. Doch kann man, allein mit den kläglichen Resten der Schöpfung wirklich hoffen, das Ende aufzuhalten?

Bennetts Silenus ist ein fesselnder Roman, den ich im letzten Drittel nicht mehr aus der Hand legen wollte. Dabei ist er nicht immer einfach zu lesen, ohne dass ich dies an einem Grund festmachen könnte. Sprachlich ist die Erzählung eigentlich nicht übermäßig fordernd wenn auch mitunter durchaus ausufernd in der Detailfülle von Beschreibungen. Doch liegt unter der Oberfläche des Fantasy-Romans eine Komplexität, die größer wird, je tiefer man schürft. Sei es die faszinierende, wenn auch nicht unbedingt schöne Welt des Vaudeville, seien es Anleihen bei Mythologie (Silenos) oder diverse Referenzen an andere Werke. Und sei es nur, dass die grauen Männer spontan an Momo erinnern. Nichts davon braucht man, um sich vom Roman in Bann schlagen zu lassen - aber wer Spaß daran hat, findet reichlich Recherchemöglichkeiten. Auch die eigentliche Geschichte ist mit ihrem wahrlich weltumfassenden Ansatz durchaus komplex, verschiedene offen Fäden werden erst am Ende wirklich verknüpft. Es ist wohl die Mischung aus all dem, die dem Leser Konzentration abverlangt, diese aber auch belohnt.

Für mich ist dieser (bereits letzten Herbst erschienene) Roman ein guter Start in das Lesejahr 2013 - so kann es weitergehen! Silenus ist Robert Jackson Bennetts dritter Roman, sein Debut Mr. Shivers gewann den Sirley Jackson Award, sein zweiter Roman The Company Man wurde für den Philipp K Dick Award nominiert. Er lebt mit Frau und Kind Austin. Silenus, im Original The Troupe, ist in der Übersetzung von Frauke Meier bei Piper erschienen.

Ich danke dem Piper-Verlag für die Überlassung eines Rezensionsexemplars und wünsche Silenus viele begeisterte Leser - zwei hat er gefunden!
 
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