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Sci-Fi / Fantasy Das Meisterstück

Luzifer

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Hanau am Main hat Historie. Nachzulesen in den Annalen der Geschichtsbücher und Zeitdokumenten der Geschichte in diversen Archiven. Prickelnd ist das allerdings nicht unbedingt. Und vor allem dann nicht, wenn die Alternative ungleich spannender verpackt in Form eines historischen Romans die Möglichkeit bietet einige Hundert Jahre in der Zeit zurück zu springen.

Im Jahren des Herrn 1621 begleitet der Roman „Das Meisterstück“ von der Autorin Christiane Gref den Goldschmiedegesellen Johann Sperling durch eine turbulente Zeit, welche sein Leben für immer verändern wird. Johann lernt bei dem Goldschmiedemeister Rufus Bergen, kam gut mit ihm aus. Er war fleißig und einigermaßen talentiert, liebte seine Frau und seine beiden Kinder Rosalind und Elfriede und hin und wieder liebt er auch ein gutes Bier nach Feierabend im „Ochsen“ in der Schlossgasse.

Diese ruhige Beschaulichkeit hat ein abruptes Ende, als Rufus Bergen seine Goldschmiede dem neuen Zunftmeister Hanns Rappolt übergibt. Wie sehr Johann diese Neuerung bedauert, wird ihm erst im Laufe der Zeit klar, denn Meister Rappolt hält die Zügel sehr viel straffer, als sein alter Ausbilder. Und nicht nur die schärfe Gangart und die seltsamen Methoden, die der neue Meister an den Tag legt, verwirren Johann, sondern auch die seltsame und geheimnisvolle Vergangenheit von Rappolt, der ursprünglich aus Nürnberg kam und dort eine äußerst rapide Karriere machte. Hinzu kommt die Krankheit seiner Tochter Rosalind.

Ein Lichtblick zeigt sich, als Meister Rappolt Johann anbietet einen vielversprechenden Auftrag zu übernehmen: Die Herstellung eines kostbaren und filigranen Silberpokals für die Stadt Hanau. Es soll seine Abschlussarbeit werden. Sein Meisterstück. Die Zeit ist knapp, aber das Angebot verlockend. Denn wenn er es schafft den strengen Zunftmeister und die Auftraggeber zufrieden zu stellen, winkt ein besseres Leben dem genügsamen Gesellen und seiner kleinen Familie.

Aber von Anfang an stellen sich Johann Schwierigkeiten in den Weg. Seien es die Dispute mit dem Meister, der neue Geselle, der ihm keinen Brotkrümel gönnt, der näher kommende Krieg – welcher Hanau bislang aber verschont hat, die schlimmer werdende Krankheit seiner Tochter und die damit einhergehende Zerrüttung mit seiner Ehefrau, oder auch die unbekannten Schritte in politischen Bahnen. Denn der Pokal wird den jeweiligen Willkommenstrunk für hochanerkannte Reisende, die nach Hanau kommen, beinhalten.

Immer mehr fallen Johann seltsame Begebenheiten auf, die alle mit seinem neuen Meister und seinem Meisterstück zu tun haben. Ohne, dass er es wollte befindet er sich auf ein Mal in einem Strudel fremder und bösartiger Mächte, die ganz nebenbei sein ganzes Leben zu zerreißen drohen. Was könnte ein einfacher Goldschmiedegeselle da schon ausrichten?


Auf 268 Seiten malt Christiane Gref ein authentisches Bild von Hanau am Main im 17. Jahrhundert zur Zeit des 30jährigen Krieges.
Neben der Beschreibung der Stadt Hanau, der Erwähnung vieler heute noch bekannter markenter Punkte und Straßennamen, war es der Autorin wichtig, das Kunsthandwerk des Goldschmiedens detailgetreu zu erläutern – soweit man das als Leser und Laie nachvollziehen kann. Über die Gerätschaften, die Temperatur im Ofen und die künstlerische Vorarbeit hinaus erfährt man etwas über die gesellschaftlichen Zwänge aber auch Sicherheiten innerhalb einer Handwerkszunft.

In die Geschichte um Johann Sperling, den eher einfach gestrickten Gesellen, steigt man als Leser direkt ein. Es gibt kein langwieriges (und manchmal auch langweiliges) Vorgeplänkel. Auch die Zahl der wichtigen Personen im Roman ist überschaubar. Das ist im Vergleich zu anderen historischen Romanen, welche in der Einleitung schon über 100 Charaktere einführen, durchaus erfrischend.

Die Kürze des Buches bedingt allerdings auch, dass die beinhaltenden Figuren und deren Entscheidungen nicht den großen und breiten Raum einnehmen können, wie man es wiederum von anderen Romanen gewohnt ist. Die Autorin hält sich da sehr strikt an ihren Hauptprotagonisten Johann und ist damit auch gut beraten. Allerdings forciert sie den Plot an wenigen Stellen zu sehr. Als Leser hat man das Gefühl, dass diese oder jene Entscheidung der Charaktere getroffen wurde, wie sie der Geschichte am dienlichsten war. Für den Leser ist das leider nicht jedes Mal nachvollziehbar. Als Beispiel sei hier die gutmütige Anna, die Frau des Johann, angeführt, die ihren Mann bei seinen Plänen ohne weitere Diskussionen unterstützt – nach seinem „Fehltritt“ (mehr sei hier nicht verraten).

Aber neben einigen Ecken und Kanten liest sich das Buch flüssig und ist spannend aufgebaut. Die Autorin scheut sich auch nicht, bis zum Äußersten zu gehen und bleibt ihrer Linie bis zum Ende treu, auch was das große Finale angeht.


Christiane Gref beschreitet mit „Das Meisterstück“ in der Vielzahl Historischer Romane ihre eigenen Wege und lässt sich nicht vom Mainstream und althergebrachten Entwicklungen leiten. Ihr ist ein Roman gelungen, der authentisch ist und einen Einblick in das 17.Jahrhundert erlaubt. Besonders Einwohner des heutigen Hanaus werden sich dabei ertappen, wie sie freudestrahlend jeder Erwähnung eines bekannten Fleckens der Stadt begegnen. Aber auch für Nicht-Hanauer (dazu zähle ich selbst) werden ihre kurzweilige Freude mit dem Roman haben.


Über die Autorin:

Frau Christiane Gref wurde 1975 geboren und arbeitet und lebte heute in Hanau. Seit 2005 beschäftigt sie sich mit der Schriftstellerei. Ihre Anfänge lagen in Kurzgeschichten und kurzen Texten, welche in Anthologien oder Magazinen veröffentlich wurden. Sie gehört der Autorengruppe „Drachenkinder“ an, ferner ist sie ehrenamtliche Redakteurin für das „Trekzone-Network“ und für das „Phantastik-Journal“. Seit einigen Jahren ist sie Mitglied der Hanauer Schreibwerkstatt. „Das Meisterstück“ ist ihr Debütroman.


Vielen Dank an den Verlag M. Nauman (vmn), welcher sich im Rhein-Main-Gebiet auf „Regionales mit überregionalem Anspruch“ konzentriert und die Autorin persönlich, welche diese Rezension ermöglichte.
 
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