• RPG-Foren.com

    DIE Plattform für Fantasy & Sci-Fi Rollenspiele

    Ihr findet bei uns jede Menge Infos, Hintergründe zu diesen Themen! Dazu Forenrollenspiele, Tavernenspiele, eigene Regelwerke, Smalltalk und vieles mehr zu bekannten und weniger bekannten RPG-Systemen.

Brettspiel Winter der Toten

Luzifer

Ältestenrat
Beiträge
5.504
Punkte
133
Titel: Winter der Toten
Autor: John Gillmore & Isaac Vega
Spieleranzahl: 3-5
Altersempfehlung: ab 13 Jahren
Spieldauer: 70 - 180 Minuten
Verlag: Heidelberger Spieleverlag
Erscheinungsdatum: Februar 2015
ASIN: B00TGAFIW0
°O°°O°°O°°O°°O°°O°°O°°O°°O°°O°°O°°O°°O°°O°°O°°O°°O°°O°°O°°O°°O°°O°°O°°O°°O°°O°°O°°O°


„Winter is coming“ lautet der Spruch des Hauses Stark von Game of Thrones. Der (postapolakyptische) Winter hat für die Spieler dieses Brettspieles aus dem Hause mit dem Heidelbär auf dem Banner bereits angefangen. „Winter der Toten“ ist ein kooperatives Spiel der besonderen Art, das nun auf Deutsch erschienen ist und ursprünglich von Plaid Hat Games heraus gegeben wurde.

Stark müssen die drei bis fünf Mitspieler bei „Winter der Toten“ auch sein, denn es warten Zombiehorden außerhalb einer provisorischen Kolonie, die mit allen Mittel versuchen zu der Ansammlung an Überlebenden vorzudringen. Hungrig nach Menschenfleisch. Aber auch die Bewohner dieser letzten Bastion der Menschheit verspüren Hungern und die Nahrungsreserven müssen gut eingeteilt werden. Darüber hinaus erschüttern Krisen wie Benzin- oder Medikamentenknappheit diesen Zufluchtsort und zehren an der Moral der kleinen Bevölkerung. Somit ist es notwendig immer wieder die schützende Kolonie zu verlassen, um im nahegelegenen Supermarkt, oder der Polizeiwache nach Nahrung, Waffen oder anderen nützlichen Dingen zu suchen. Jedes mal ein gefährliches Unterfangen. Aber was tut man nicht alles für die Gemeinschaft! Ja, was tut man wirklich alles für das gemeinsame Ziel Überleben? Ziehen tatsächlich alle an einem Strang, oder verfolgen einzelne Bewohner ihre eigenen Pläne? Gibt es neben den ganzen Gefahren von außerhalb und den Nöten etwa auch Verräter in den eigenen Reihen?

Spielziel

Dieses geschilderte Szenario ist der Ausgangspunkt eines jeden Spiels bei „Winter der Toten“. Darüber hinaus gibt es für jedes Spiel eine eigene Zielkarten, die ergänzende Bedingungen und oft auch Erschwernisse vorgibt. Es wird immer ein „gemeinsames Ziel“ definiert, z.B. dass alle Zombies getötet werden müssen oder die Kolonie verbarrikadiert werden muss und noch viele weitere. Im Grundsatz arbeiten alles Spieler daran dieses gemeinsame Ziel zu erfüllen. Überdies gilt es noch ein persönliches und geheimes Ziel zu erreichen.

Gewonnen hat nur derjenige, der das persönliche Ziel erreicht hat. Dies bedingt nahezu immer, dass das gemeinsame Ziel erfüllt wurde. Das bedeutet auch, dass es mehrere oder auch gar keine Sieger nach Ablauf der Zeit (maximal 10 Runden) geben kann. Und das wäre schon besonders genug für ein kooperatives Brettspiel, jedoch gibt es unter den persönlichen Zielen auch noch die Verratkarten. Hierbei ist ganz klar definiert, dass der Spieler ein Ziel erfüllen muss, das oft entweder nicht im Sinne der Gemeinschaft liegt oder diesem sogar widerspricht. So kann es sein, dass der Verräter dafür sorgen muss, dass die Moral der Truppe sinkt (Startwert von maximal 10). Der Verräter hat auch nur dann gewonnen, wenn all seine Bedingungen auf seiner persönlichen Zielkarte erfüllt sind. Da die Kartentexte jeweils vor den anderen verborgen sein müssen, ist nicht bekannt, ob sich überhaupt ein Verräter in der Kolonie befindet, und falls doch, um wen es sich dabei handelt.

Spielinhalt

Die Spielbox fällt schon mal dadurch auf, dass die angedeuteten Spiltter auf der Oberfläche mal matt und mal glänzend aufgedruckt sind und dadurch der Anblick das Licht spiegelt, aber auch beim darüber fahren ein Effekt mit Wiedererkennung eintritt. Im Inneren erwarten eine Vielzahl dicker Kartonagen den Besitzer. Daraus gemacht sind die verschiedenen Token, aber auch die Standfiguren der „Überlebenden“ und der Zombies. Durchsichtige Plastikstandfüße sorgen dafür, dass die „Standees“ auch stehen bleiben. Eine erste Überlegung wäre gewesen, ob es nicht noch toller gewesen wäre, alle Standfiguren durch Plastikminiaturen zu ersetzen. Soviel vorweg: Das Spiel selbst benötigt keine Miniaturen, welche den Preis nochmals erheblich hätte ansteigen lassen. Das Spielgefühl wird auch durch die Standfiguren sehr gut transportiert.

Etwas dünner ausgefallen sind die sogenannten „Standortkarten“, welche Gebäude außerhalb der Kolonie darstellen. Hier wäre dickerer Karton spieltauglicher gewesen, da schnell Knicke beim Ein- und Ausräumen entstehen. Ansonsten ist die Qualität des Materials wie auch der verschiedensten Spielkarten durchaus gut und belastbar.


Spielablauf

Sobald feststeht, welches Ziel sowohl die Gruppe als auch jeder Einzelne verfolgt, geht es auch schon los. Die allgemeine Zielkarte gibt auch vor, wie viele Zombies von Anfang an vor den Mauern der Stadt stehen, wie hoch die Moral ist und über wie viele Runden gespielt wird. Es gibt drei verschiedene Vorgaben kurz – mittel – lang und das Ganze dann auch noch mal jeweils in „Hardcore“. Maximal können 10 Runden gespielt werden. Das Ende des Spiels tritt ein, wenn

  • das gemeinsame Ziel erreicht wurde,
  • der Moralanzeiger auf 0 gefallen ist,
  • der Rundenanzeiger auf 0 gefallen ist.

Eine Runde gliedert sich in Spielerphase und Koloniephase. Während der Spielerphase muss gemeinsam eine Krise bewältigt werden und jeder Spieler kommt nacheinander einzeln einmal dran. Anschließend werden in der Koloniephase die Mechanismen abgehandelt, die den Spielern das Leben schwer machen. Darunter fällt Nahrung verteilen, Abfall überprüfen, die Krise abhandeln, neue Zombies ins Spiel bringen und zu prüfen, ob das Spiel aus welchen Gründen auch immer beendet ist.

Am gefährlichsten ist es, dass die Moral sinkt, was zum Spielende und meist auch der Niederlage aller Spieler führt (außer es gibt einen Verräter, dem das passt). Dies passiert wenn nicht genug Nahrung für alle Koloniebewohner vorhanden ist, wenn Überlebende sterben (sei es durch Zombies oder auch durch Mord in den eigenen Reihen), zu viel „Müll“ auf dem Kartenablagestapel, nicht bewältigte Krisen oder durch Schicksalskarten.

In ihrer Spielerphase haben die Spieler durch Aktionen die Möglichkeit all den obigen Bedrohungen entgegen zu wirken. Was nicht immer an allen Fronten möglich sein kann. Da ist gutes Teamwork gefragt. Dumm nur, wenn nicht alle an einem Strang ziehen. Aber selbst ohne Verräter will das gemeinsame Ziel erst einmal erfüllt werden. Hierfür stehen jedem Spieler am Anfang zwei Überlebende zur Seite und für die Aktionen drei Würfel. Mit den Würfeln, deren Augenzahl zu Beginn der Phase geworfen wird, können die Spieler folgende Handlungen durchführen:

  • Angreifen (Zombie oder Menschen)
  • Durchsuchen (Standorte, um an Medikamente, Waffen, Nahrung und andere wichtige Karten zu gelangen)
  • Verbarrikadieren (Zögert das Eindringen von Zombies in den aktuellen Standort bzw. die Kolonie heraus)
  • Abfall entsorgen (Wer bringt den Müll heraus?)
  • Zombies anlocken (Strategische Möglichkeit, um andere Standorte zu entlasten)
Um zum Beispiel einen Zombie anzugreifen muss der genutzte Aktionswürfel eine Mindestaugenzahl aufweisen, je nachdem welche Spielfigur den Angriff durchführt. Die Werte für Durchsuchen und Angriff sind von „Überlebendem“ zu „Überlebendem“ unterschiedlich und auf der jeweiligen Spielkarte aufgedruckt.

Damit ist es erforderlich, dass der Würfelwurf zu Beginn des Spielzuges Werte erzeugt, die den Mindestwerten der eigenen Überlebenden entsprechen. Ansonsten ist man nicht frei in der Wahl der Aktionen. Später können weitere Überlebende zum Team eines jeden Spielers hinzu kommen, was den allgemeinen Würfelpool dieses Spielers immer auch erhöht. Ansonsten bleibt man auch mit den Aktionen eingeschränkt. Um das jedoch aufzufangen gibt es Aktionen, die ohne die Ausgabe von Würfeln getätigt werden können:

  • Karten spielen (alle Arten von Karten, um z.B. neue Überlebende in das Team zu holen, Überlebende zu heilen, sie mit Waffen auszurüsten, uvm)
  • Überlebende bewegen (zwischen den Standorten bzw. der Kolonie, hierbei besteht immer die Gefahr von einem Zombie verwundet oder gar infiziert zu werden)
  • Ausrüstung / Karten tauschen
  • Über eine Verbannung abstimmen (Die Möglichkeit einen enttarnten oder vermeintlichen Verräter aus der Kolonie zu werfen und seine Machenschaften gegen die Gruppe zu erschweren).

Während des eigenen Spielzuges kann jederzeit das Schicksal zuschlagen und zwar in Form von „Schicksalskarten“. Der Nebenspieler deckt eine der Schicksalskarten auf und überwacht, ob sich das Schicksal für einen selbst erfüllt, hält es aber geheim. Das passiert nur zu eigens auf der Karte angegebenen Voraussetzungen (z.B. ein Überlebender des Spielers bewegt sich in die Polizeiwache). Man zuckt unmerklich jedes Mal zusammen, wenn es soweit ist. Die Schicksalskarten können einen positiven oder einen negativen Effekt mit sich bringen, oder sogar beides kombinieren. Meistens hat man als aktiver Spieler auch noch die Wahl zwischen mehreren Optionen.

Im Spiel haben wir immer wieder vergessen diese Karte einzusetzen oder es zu spät gemerkt, da der Nebenspieler schließlich daran denken muss. Und das obwohl auf dem Übersichtsbogen für Spieler dieser Karte ein gesonderter Hinweis gewidmet ist. Darüber hinaus waren viele Voraussetzungen an sehr begrenzte Wahrscheinlichkeiten gebunden. Dass bei der Vielzahl an Überlebenden eine namentlich benannte Figur an einem speziellen Ort aufhält, kommt auch bei der Unzahl an Schicksalskarten extrem selten vor.


Fazit

Kooperative Spiele sind seit Pandemie immer mehr im Kommen. Insbesondere beliebt, da man mit den Mitspielern gemeinsam gewinnt oder verliert, was zu einem harmonischerem Ende eines Spielabendes führen dürfte. Spiele mit Verrätern sind rarer gesät (Pandemie-Variante, Schatten über Camelot, Panic Station) können sich aber jetzt eines weiteren Vertreters erfreuen. Speziell ist bei „Winter der Toten“, dass es ein kooperatives Brettspiel ist, mit der Option eines Verräterspiels. Prickelnd ist es nicht zu wissen, ob einer der anderen ein Gegenspieler ist, oder sich nach anfänglicher Täuschung als solcher offenbart. Und parallel muss man darauf bauen, dass die Mehrzahl der Mitspieler auch am gleichen Ziel arbeitet. Die Atmosphäre, die hierbei unter den Mitspielern entsteht empfand ich als einzigartig. Vertrauen und Misstrauen gleichzeitig. Ein herausragendes Spielgefühl!

Neben diesem Phänomen ist das Spiel rundenbasierend und sehr geradlinig. Die notwendige Strategie basiert auf einer Mangelverwaltung und oft in der Überlegung, welches Übel man einer anderen Not vorzieht. Bekämpfe ich die Nahrungsknappheit und suche nach Lebensmittel, oder bekämpfe ich Zombies um deren Eindringen zu verhindern. Heile ich meinen Überlebenden oder stelle ich mein Medikament der Abwendung einer Krisenkarte zur Verfügung.

Der Faktor Glück taucht an mehreren Stellen im Spiel auf. Zu Beginn zieht man zufällig Überlebende, die sehr unterschiedliche Werte und Fähigkeiten haben. Hier kann man durchaus das Pech haben und nur Looser ziehen, die eher ein Klotz am Bein der Kolonie sind, als ihr dienlich sein zu können. Die Aktionswürfel müssen gerade bei schwachen Überlebenden hoch ausfallen, um mehr Möglichkeiten bei den Aktionen zu haben. Und darüber hinaus ist die Suche nach Objekten in den Standorten zufallsbasierend. Alle Werte sind natürlich mit den richtigen Karten zu Gunsten des Spielers veränderbar. Aber diese Karten muss man auch erst mal ziehen. Alles in allem überwiegt die strategische Komponente dem Faktor Glück.

„Winter der Toten“ handelt von Zombies, dem Ende der Welt und manchmal auch vom Abgrund der menschlichen Seele. Alles Motive, für die man einen gesunden Magen braucht, zumal zusätzlich auch Themen wie Kannibalismus, Mord und Gewalt gegen Hilflose vorkommen können. Kinder haben deshalb am Spieltisch nichts zu suchen. Die Angabe ab 13 Jahren ist meines Erachtens auch noch zu tief angesetzt. Karten, welche diese extremeren Motive beinhalten können im Vorfeld jedoch aussortiert werden.

Die Spieldauer hängt von der gezogenen Zielkarte (kurz – mittel – lang) ab und kann so zwischen 70 und 180 Minuten variieren, zusätzlich noch abhängig von der Spieleranzahl. Natürlich kann man vorher beeinflussen, aus welchem Kartenpool man ziehen will. In den Spielen hat sich gezeigt, dass es umso interessanter zugeht, je mehr Spieler teilnehmen. Runden ab vier Leuten sind also zu bevorzugen.

Bei „Winter der Toten“ kommen Liebhaber von kooperativen Strategiespielen voll auf ihre Kosten, insbesondere dann, wenn sie das Ungewisse mögen. Neben einer einfachen Struktur und einem geradlinigem Ablauf hat man durch die verfügbare Aktionspalette einen breiten Handlungsspielraum um seine meist zu geringen Ressourcen einzusetzen. Teamwork ist ein Muss, noch viel mehr, wenn es einen Verräter gibt. Der Verräter hat die besondere Aufgabe so lange abzuwägen nicht aufzufallen, bis der richtige Zeitpunkt gekommen ist. Eine weitere strategische und sehr spezielle Komponente. Dadurch gewinnt das Spiel einen besonderen Reiz. Der Wiederspielwert ist enorm hoch. Durch die Zielkarte, die unterschiedliche Besetzung, die Schicksalskarten und die Vielzahl an Charakteren sind die Unterschiede zwischen zwei Spielpartien immer deutlich spürbar.

Aufgrund der hochinteressanten Spielmechanik und der gewohnt guten Qualität der Spielelemente ist „Winter der Toten“ nicht nur sein Geld wert, sondern eine echte Empfehlung.


Diese Rezension entstand mit freundlicher Unterstützung des Heidelberger Spieleverlages.

°O°°O°°O°°O°°O°°O°°O°°O°°O°°O°°O°°O°°O°°O°
[45/50] - Spielspaß
[18/20] - Spielthema/-regeln
[17/20] - Ausstattung
[9/10] - Preis/Leistungs-Verhältnis
89 % - gesamt




 

Draelin

Eingesessen
Beiträge
103
Punkte
23
Alter
62
Alle Achtung mit dieser Rezension hast Du Dir aber echt Arbeit gemacht und das auch noch mitten in der Nacht.
Hervorragende Beschreibung des Spielverlaufes mit seinen Nuancen und Feinheiten.
Ich bin auf das Spiel vor einigen Wochen aufmerksam geworden und habe es auch einmal probegespielt, es mir
bis jetzt aber noch nicht zugelegt. Was sich im Laufe der Zeit sicherlich noch ändern wird.
Denn wie Du schon geschrieben hast, das Spiel ist sein Geld wert und mit der richtigen Spielegruppe mit
Sicherheit ein Garant für einen gelungenen Spieleabend.
 

Luzifer

Ältestenrat
Beiträge
5.504
Punkte
133
Danke für die Blumen. Nachts bin ich am Kreativsten.

Hier noch ein paar Bilder zum Spiel.

2015-04-16 17.47.44.jpg 2015-04-16 17.47.14.jpg 2015-04-16 17.47.06.jpg
 

Luzifer

Ältestenrat
Beiträge
5.504
Punkte
133
Ich kann das Spiel auch nach vielen weiteren Spielrunden empfehlen. Wir entdecken es immer wieder und erfreuen uns auch immer wieder daran. Es verliert (mit gewissem zeitlichen Abstand von mehreren Wochen) nicht an seiner Besonderheit.
 

Luzifer

Ältestenrat
Beiträge
5.504
Punkte
133
Da hab ich jetzt nach der Ankündigung von GEN7 auch mal wieder Lust drauf bekommen.
 
Oben Unten