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Weiße Rosen

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Albero

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Der Mann saß auf der Bank in der Parkanlage. Neben ihm eine Thermoskanne mit Kaffee. In einer Plastikdose daneben zwei Butterbrote.


Es war ein schöner Frühsommertag. Der Himmel strahlend blau. Keine einzige Wolle war weit und breit zu sehen. Er setzte sich gerne auf diese Bank, um in seiner Pause seine Brote zu essen und seinen Kaffee zu trinken. Hier konnte er den anderen Parkbesuchern beim Flanieren zuschauen. Heute spuckten die Reisebusse wieder einmal Heerscharen von Besuchern aus Meistens Rentner, die von kundigem Personal durch den Barockgarten geführt wurden. Er sah eine Gruppe Rentner, die sich langsam ihren Weg bahnten. Aufmerksam hörten sie der Frau zu, die ihnen etwas über die Blumen erzählte, die von den Gärtnern hier jedes Jahr aufs Neue in immer neuen Farben, Formen und Mustern angepflanzt wurden. Und über die Sträucher, Bäume und Hecken, die von ihnen auf ein akkurates Maß zurechtschnitten. Nur ein japanischer Garten würde wohl akribischer gehegt und gepflegt werden. Aber auch ein holländischer Barockgarten aus dem 17. Jahrhundert machte viel Arbeit. „Ein Barockgarten niederländischer Prägung aus dem 17. Jahrhundert, “ wie sein Lieblingstouristenführer immer zu sagen pflegte. Ein Kunsthistoriker, hier nach dem Studium glücklich wurde und hier Tag ein, Tag aus Touristen durch die Parkanlagen führte. Seine Anekdoten und sein Programm könnte er mittlerweile wohl im Schlaf runterbeten. Geändert hat er über die Jahre nur wenig. Allenfalls ein paar Blumennamen hier und dort ausgetauscht. Nun ist dieser Kunsthistoriker in Rente. Und was macht er? Ist noch immer Touristenführer. Er brauche das Gefühl, eine Aufgabe zu haben und gebraucht zu werden. An dem Tag, an dem er keine Aufgabe mehr habe, wolle er lieber sterben.


Jedes Jahr dachten sich die Verantwortlichen Neues aus, um die Besucher in Staunen zu versetzen und dennoch der Tradition gerecht zu werden. Im Winter und in den Übergangsjahreszeiten genoss er die Ruhe im Barockgarten. Dann gab es nur wenige Besucher, trotz des freien Eintritts. Die meisten kamen aus den umliegenden Büros. Verbrachten hier einen Teil ihrer Mittagspause. Nutzten die Gelegenheit zum Durchatmen. Wollten einen klaren Kopf bekommen. Oder, wie er, ihr Pausenbrot auf einer Parkbank genießen.


Er goss sich einen Becher Kaffee ein, trank einen Schluck und beobachtete die Schaumbläschen, die an der Oberfläche trieben. Kleine Inseln hatten sie gebildet. Gab es nun schönes Wetter, wenn sich die Blasen in der Mitte sammelten oder wenn sie sich am Rand befanden? Darüber sinnierend ließ er seinen Blick schweifen. In der Ferne sah er eine Rentnergruppe ihren Reisebus besteigen.


Er stellte den Kaffeebecher zur Seite und nahm eines seiner Butterbrote. Käse auf dem einen. Schinkenwurst auf dem anderen. Jeden Morgen frühstückte er zusammen mit seiner Frau. Seit über zwanzig Jahren schon. Die Kinder waren bereits aus dem Haus und gingen ihre eigenen Wege, hatten ihre Berufsausbildungen abgeschlossen. Waren selbst auf dem Wege, eigene Familien zu gründen. Doch das morgendliche Ritual blieb zwischen seiner Frau und ihm erhalten. Und wie jeden Morgen bereitete sie ihm mit einem Lächeln die Butterbrote zu. Einmal hatte er es selber machen wollen, doch da war sie schwer entrüstet. Sie hatte ihm das Messer aus der Hand genommen und ihm einen Kuss auf die Wange gegeben. „Wenn ich aufhören soll, Dich zu verwöhnen, dann brauchst Du nur bescheid zu sagen.“ Er lächelte und biss genüsslich in sein Käsebrot.


Zwei Frauen mit tobenden Kindern näherten sich seiner Parkbank. Sie unterhielten sich. Eine der Frauen rief ihren Sohn zur Ordnung als er ihr etwas zu wild tobte. Plötzlich lief der Junge los und hielt vor dem Beet mit weißen Rosen gegenüber der Parkbank. Er ging in die Hocke und pflückte eine besonders schön aussehende weiße Rose. Als er sich umdrehte, trafen sich die Blicke des Mannes und es Jungen. Ein Strahlen war in seinen Augen zu sehen. Der Mann zwinkerte ihm zu. Schnell lief der Junge zurück zu seiner Mutter und hielt ihr mit seinen kleinen Händen die Rose entgegen. Aber anstatt sich zu freuen, schimpfte sie mit ihm. Er könne doch nicht einfach hier Blumen pflücken. Sie nahm die Rose und warf sie an den Wegesrand. Dann nahm sie ihren Sohn bei der Hand und hieß ihm, jetzt gefälligst bei ihm zu bleiben.


Als die Frauen vorbeigezogen waren, schaute der Junge mit traurigen Augen zurück zum Mann auf der Parkbank. Dieser legte sein Butterbrot in die Plastikdose und stand auf. Er hob die weiße Rose auf und folgte rasch den Frauen. „Entschuldigen Sie, junge Dame, “ rief er. „Ich glaube, dies gehört Ihnen.“
Überrascht hielt sie an und dreht sich zu dem Mann um, blickte ungläubig auf die weiße Rose, die er ihr entgegenhielt.
„Was glauben Sie, wer Sie sind?“ fuhr sie ihn an. „Ich bin hier der Gärtner
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