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Abenteuer/Kampagne Spielbericht (Advanced) Dungeons & Dragons Von Feuer und Düsternis – Erzählungen aus Euborea

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Sitzung 91 - Eclavdra vom Hause Eilserv

Sie hatten vorsichtig Höhle um Höhle abgesucht. In einer Sackgasse hatten sie eine weitere Kaverne entdeckt, die innere Wände in Form einer erkalteten Magmablase hatte. Auf dem geröllbedeckten Boden waren die Leichen von dunkelelfischen Kriegern zu sehen gewesen. Zudem hatten sie den toten Körper einer Frau bemerkt, die in silbern glitzernde dunkelelfische Gewänder gehüllt war. Eine Untersuchung der Leichen hatte ergeben, dass die Dunkelelfen durch grausame Wunden oder faule Magie getötet worden waren. Das Gesicht eines Kriegers war ihnen als besonders entstellt aufgefallen. Säure oder Feuer hatten es fast bis zur Unkenntlichkeit zerfressen. Bei einem anderen Dunkelelfen war der Schädel aufgespalten worden. Sie hatten die Leichname und die Höhle durchsucht und wertvolle magische Waffen und Rüstungen dunkelelfischer Machart gefunden. Wie in einer Art Hast schienen die Wertgegenstände der Leichen nicht geplündert worden zu sein. Neben Silber-, Gold- und Platinmünzen, hatten sie in der Höhle ein schwarzes Zauberbuch entdeckt, das mit dem Namen der Besitzerin gekennzeichnet gewesen war: Viconia. Weder Neire noch Triel war dieser Name begannt vorgekommen. Jedoch hatten sie beim Leichnam der Frau ein Symbol eines dunkelelfischen Hauses gefunden, das Neire als das Haus von Despana entschlüsselte. Von diesem Haus hatte Neire bereits in alten Schriften gelesen. Dass es mächtig gewesen war und als eines der ersten Häuser die Spinnengöttin Lolth angebetet hatte. Sie hatten daraufhin die Gegenstände mitgenommen und waren weiter den Spuren gefolgt, die sie durch eine Vielzahl von verlassenen Höhlen und Sackgassen geführt hatten. Schließlich war die Luft immer wärmer geworden und sie hatten ein tieffrequentes Grollen vernommen. Am Ende des großen natürlichen Ganges sahen sie jetzt einen rötlichen Schimmer. Für einen Augenblick verlangsamte der dunkle Krieger Bargh seine schweren Schritte. Er spürte die Hand seines jungen Begleiters an seiner Seite. Als er sich umdrehte und hinabblickte, bemerkte er das verdreckte Gesicht Neires. Leise bewegte der Jüngling den Mund als er zischelnd flüsterte „Lasst mich vorschleichen und sehen, was es mit dem Feuerschein auf sich hat. Falls dort ein Hinterhalt droht, werde ich den notwendigen Beistand unserer Göttin haben.“ Bargh nickte und legte Neire seinen Panzerhandschuh auf die Schultern. „Seid vorsichtig und vergesst nicht: Jiarlirae ist auf unserer Seite, wer kann uns schon aufhalten?“ Neire und Bargh hörten beide die Stimme von Triel. „Ich hoffe nicht, dass Elcavdra noch hier ist. Falls sie sich in diesen Höhlen befindet, hat sie uns sicherlich einen Hinterhalt gestellt. Unterschätzt sie nicht, Bargh.“ Als Neire bereits in der Dunkelheit verschwunden war, drehte sich Bargh zu Triel um. Es war das erste Mal seit er sie getroffen hatte, dass er diese Regung sah. Es war, als würde Triel Angst haben.

Vor ihm lag das rötliche Glühen, das sich in den dunklen Felsen des Tunnels reflektierte. Neire streifte sich vorsichtig den kristallenen Ring über, den sie in der Truhe bei Braunig, Kettra und Grimta gefunden hatten. Er hatte vielleicht zwei Dutzend Schritte zwischen seine Mitstreiter und seine jetzige Position gebracht. Zuvor hatte er einen kleinen Seitengang erforscht, der ihn in eine Höhle geführt hatte. Dort hatte er verlassene Lager der Dunkelelfen gefunden. Danach war er wieder in Richtung des rötlichen Schimmerns geschlichen und hatte ausspioniert, was er dort sehen konnte. Er war zu seinen Kameraden zurückgekehrt und hatte ihnen Anweisungen gegeben. Er wusste nun, dass er nicht lange zögern durfte. Bargh und Zussa hatten bereits begonnen ihre Gebete an Jiarlirae zu wirken. Triel hatte sich kampfbereit gemacht. Sie würden ihm bald folgen und er musste handeln. Neire schlich vorsichtig weiter; seine Hand spielte an dem neuen Ring. Er spürte die Mächte, die in dem Kristall schlummerten. Er wusste, wie er die schwarze Kunst der Dunkelelfen hervorrufen konnte. In alten Schriften von Nebelheim hatte er über die Beschwörungsringe der verhassten Rasse gelesen. Neire sah die Öffnung vor ihm liegen. Die Luft flimmerte in der Hitze. Es roch nach flüssigem Gestein. Neire drehte den Ring und konzentrierte sich. Er begann leichter zu werden. Dann verloren seine Stiefel den Bodenkontakt. Der Jüngling begann sich in die Luft zu heben. Er bemühte seinen Geist. Er spürte ein warmes Gefühl vom Ring ausgehen. Langsam schwebte er nach vorne und gewann an Höhe. Schon bald wurde er schneller und überblickte die glühende Grotte. Ein Fluss aus brodelndem Magma durchquerte die Mitte der Höhle. Der Strom war zwischen den Felsen versunken, als hätte sich das Magma dort tief in den Stein gefressen. Eine metallene Hängebrücke reichte über die Fluten hinweg. Das diesseitige Ende war in einem steinernen Podest befestigt. Auf dem gegenüberliegenden Ufer war das Konstrukt in Felsbrocken verhakt. Neire betrachtete die Kreaturen genau, die dort lauerten. Er schwebte in einigen Schritten Höhe über sie hinweg. Fünf dunkelelfische Krieger sah er auf seiner Seite. Gegenüber drei weitere und eine Frau, in enganliegende silberne Gewänder gekleidet. Sie zog Neires Aufmerksamkeit auf sich. Die Dunkelelfin hatte ein schönes, schlankes Gesicht, feiner elfischer Züge. Lange silberne Haare fielen wellenförmig hinab, bis über ihre weiblichen Hüften. Üppige Brüste wurden von einem Lederkorsett betont, welches in einem schwarzen Gürtel mit kleinen, runenverzierten Taschen endete. Geschmückt wurde ihr Haupt prinzessinnengleich von einem silbernen Diadem, auf dem das Wappen von Eilserv zu sehen war. Sie trug eine Peitsche, aus deren schwarzen Griff sich drei lange Tentakel wanden. Neire verlor sich für einen Augenblick in ihrer Schönheit, dann bemerkte er ihre purpurnen Augen, die voller Hass in Richtung des Tunnels starrten. Er steuerte seinen Schwebeflug über den Magmastrom und ließ sich, getarnt durch den elfischen Mantel, unweit der schönen Elfin zu Boden sinken. Niemand hatte seine Anwesenheit bemerkt. Er betrachtete weiter die Höhle und verharrte mit pochendem Herzen. Nicht lange musste er warten, da hörte er die Rufe der Dunkelelfen vom anderen Ufer. Dort war die Anführerin der Krieger zu sehen, die ein Kettenhemd und ein Schild aus milchig-weißem Stahl trug sowie ein golden glühendes Schwert hob. „Dort, sie kommen. Greift an!“, waren ihre Worte. Neire flüsterte Gebete an seine Göttin und begann zu handeln. Er stand nahe des Magmastromes, doch die Hitze, die einen einfachen Menschen bereits verbrannt hätte, machte ihm nichts aus. Er beschwor die Flamme aus schattenartigem Feuer in seiner linken, verbrannten Hand. Er streckte die Hand unter seinem Tarnmantel hervor, als das Feuer seiner Göttin zu tanzen begann. Die Dunkelelfin hatte gerade begonnen zu zaubern, da bemerkte sie die Flamme. Ungläubig schaute sie in seine Richtung. Neire spürte die Macht der brennenden Düsternis durch seinen Körper fließen. Obwohl die hübsche Frau feindselig in seine Richtung starrte, war alle Aufregung in ein freudiges Gefühl übergegangen. Wie damals im Wolfsfelsen, starrte er in die Flamme seiner linken Hand und ließ sich von ihren chaotischen Bewegungen treiben. Sein scharfer Verstand war das Ventil eines elementaren Meeres aus Chaos, eines älteren, urtümlichen Bösen. Es war ein Urmeer, aus dem er schöpfte, ein unendlich dimensionales Gebilde, das nur durch den ewigen Kampf der Dualität von Flamme und Düsternis aufrechterhalten wurde – ein Gebilde, dem der Gleichgewichtszustand fremd war. Er murmelte die Formeln der schwarzen Kunst, die nicht die seiner Göttin, sondern die seines Geistes waren. Doch er spürte ihre Macht. Dann streckte er beide Hände hervor und zeichnete die finale Rune. Ein Strahl von gleißendem Feuer ergoss sich aus seiner Hand, wurde breiter und höher, je weiter er hinfortbrach. Die hübsche Elfin und die drei Krieger, die sich mittlerweile zu ihrem Schutz um sie versammelt hatten, wurden einhüllt und waren für einen Moment nicht zu sehen. Neire konnte ein Brüllen und ein Kreischen aus dem infernalischen Feuer hören - Todesschreie. Als die Flammen herunterbrannten war der Anblick grauenvoll. Die drei Krieger waren zu rauchenden Überresten verbrannt. Ihre Körper waren von Hitze aufgeplatzt und Muskeln sowie Sehnen hatten sich versteift. Die Dunkelelfin stand dort und schaute ihn hasserfüllt an. Ihr Haar und ihre Haut standen in Flammen. Dann traf sie der Blitzstrahl, den Zussa vom anderen Ufer geschleudert hatte. Sie krümmte sich, sprang zu Seite und schwankte. Neire wollte schon triumphieren, da sah er, dass sie sich wieder aufrichtete. Blut lief von ihrem Gesicht, als sie ihre Peitsche hob. Auf der anderen Seite des Magmastroms bemerkte Neire die Gestalt von Bargh, der mit ausgebreiteten Flügeln auf das Podest sprang. Dort begann das Gemetzel, als sich Triel und Bargh ihren Gegnern entgegenwarfen. Neire wusste, dass er allein gegen die dunkelelfische Hexe kämpfen musste. Er musste seinen Zauber wirken, bevor sie ihn erreichen konnte. Hastig murmelte er das eine Wort und hielt die tanzende Flamme in die Höhe. Fünf faustgroße Kugeln aus Schatten und Magma lösten sich. Sie schlugen in die Kehle der Gestalt. Von seiner Gegnerin war jetzt nur noch in Gurgeln zu hören. Blut strömte aus dem geöffneten Hals, der von der Seite bis zum Kehlkopf zerfetzt war. Die Frau brach zu Boden und hauchte ihr Leben aus.

Zussa war in eine Rage geraten. Sie fühlte sich unbesiegbar. Die verhasste Dunkelelfin Triel war dicht vor ihr und kämpfte mit verbissener Genauigkeit. Zussa hatte gesehen, dass Triel von zwei Schwerthieben verletzt worden war. Sie hatten den zweiten Krieger niedergestreckt und stürmten auf das Podest aus dunklem Magmagestein. Als Zussa dort Bargh sah, wusste sie, dass der Sieg der ihre war. Eine Aura von Düsternis war um den unheiligen Krieger Jiarliraes. Bargh hatte seine schwarzen, rabenhaften Schwingen ausgebreitet und sein Schwert Glimringshert blutete dunkle Schatten. Der Rubin seines rechten Auges brannte unbarmherzig in der von ihm induzierten Dunkelheit. Zussa stürmte näher. Doch Triel und sie selbst kamen zu spät. Aus zwei Wunden blutend rammte Bargh seine Waffe auf die Anführerin nieder, die noch ihren Schild erhob. Doch Bargh schmetterte den Schild herunter. Sein Schwert drang tief zwischen Hals und Schulter. Röchelnd brach die Anführerin nieder. Zussa sah keine weiteren Gegner und blickte sich schwer atmend um. Auch an ihrem Säbel klebte das Blut der dunkelelfischen Krieger. In der linken Hand trug sie den Stecken, mit dem sie zuvor den Blitzstrahl beschworen hatte. Dann hörte sie die jugendliche Stimme durch das brodelnde Magma. Sie drehte sich ruckhaft um. Dort sah sie Neire über den blubbernden Fluten des Stromes schweben. Die Hitze konnte ihm nichts ausmachen. Sein Gesicht war von Asche verdreckt und seine Augen glühten wie Kohlen. Er hatte seinen Tarnumhang zurückgelegt und aus seiner linken, geöffneten Hand brannte die Chaosflamme Jiarliraes. „Ihr hättet das Spiel spielen sollen Triel. Eine Abmachung ist eine Abmachung. Ihr seid nicht mehr als ein Kind eurer hinterlistigen Rasse und wir mögen sie nicht – eure Art unsere Spiele zu spielen.“ Als Neires Zischeln lauter wurde, wandelte sich Zussas Hass in eine Mordlust. Freudig betrachtete sie Neire und erhob den Säbel. Neire zeichnete eine Rune in die Luft. In seinen Augen war jetzt ein brennendes Feuer. Drei kopfgroße Bälle aus purpurnem Feuer lösten sich aus der Chaosflamme und stürzten auf Triel zu. Die Dunkelelfin konnte gerade noch ihren Arm erheben. Dann hörte Zussa den grausigen Schrei, der die Explosion übertönte. Magmaflammen brannten von Triels linkem Arm. Fleisch und Muskelgewebe hatte sich dort aufgelöst und schwarz-verbrannter Knochen kam zum Vorschein. „Sie hatte es euch versprochen Zussa, doch sie wollte nicht mit euch spielen. Wir können nicht behaupten, ihr hättet sie nicht gewarnt.“ Die Worte Neires klangen wie die Musik von knisternden Flammen in Zussas Ohren. Sie näherte sich Triel und hob ihren Säbel. „Ja Triel, hört, was Neire sagt…“ Sie begann Triel nachzuäffen. „Wir sollten sie nicht unterschätzen. Eclavdra wird uns einen Hinterhalt stellen. Pah… Ihr hättet den Zweikampf nehmen sollen. Jetzt werdet ihr ein schönes, hässliches Opfer werden.“ Zussa begann auf den linken Arm zu hacken. In ihren Grauen war Triel wie erstarrt. Sie starrte Zussa an. Sie bettelte nicht um Gnade. Da war Hass in den roten Augen der Dunkelelfin. Doch das war Zussa egal. Sie schlug zu wie ein Metzger. Wieder und wieder. Doch der Arm wollte sich nicht lösen. Triels Kopf war bereits auf den Boden gesunken und Blut lief aus ihrem Mund. Schwer keuchend ließ Zussa schließlich ab. Schweiß strömte von ihrem Gesicht. Sie nahm den Leichnam von Triel und schleifte ihn hinab an den Rand des Magmastromes. Neire schwebte zu ihr hinüber und half ihr den schlaffen Körper aufzurichten. Ihre Blicke trafen sich kurz und Zussa musste lachen, als Neire zu ihr sprach. „Habe ich es euch nicht versprochen? Dass ihr sie opfern könnt.“ Der Jüngling lächelte sie jetzt an. Sie spürte diese tiefe Verbundenheit zu Neire; sie respektierte ihn als ihren Prophet Jiarliraes. Sie würde vielleicht sterben für ihn. Sie nickte und wurde ernst. Dann begann sie Triels Kiefer zu bewegen. Sie imitierte das Sprechen von Triel, ihre ruhige, kontrollierte Art. „Zussa, ich bin hier um mich Jiarlirae zu opfern. Ich diene der ewigen Flamme und der unteren Düsternis.“ Neire nickte ihr zu und versuchte Triel ebenfalls nachzuahmen. „Ich diene nur der Herrin, nur Jiarlirae.“ Zussa rief jetzt lauter. „Nährt eure Flammen mit einer weiteren Dienerin. Sie übergibt sich euren Schatten.“ Dann warf Zussa den Leib hinab. Das Geräusch war leise als der Körper in das Magma glitt. Triels Fleisch fing an zu brennen und sie wurde von der brennenden Magma hinfortgerissen. Obwohl ein Teil von Zussas Anspannung jetzt abfiel, zitterte sie noch am ganzen Körper. Sie wollte jubeln, doch dann sah sie Neire. Wie hypnotisiert starrte der schwebende Jüngling in rotglühenden Fluten.

Neire schaute hinab in den Glanz des sich wälzenden Stromes. Da waren die Runen. Sie tauchten auf, wurden weitergetragen und verschwanden. Er hatte sie bereits mehrfach gesehen. Er konnte seinen Blick nicht abwenden. Es war die Rune Firhu, die für die Gabe des Feuers und der Schatten stand. Und da war Zir’an’vaar, die Rune von Hingabe und von Opferung. Neire schloss für einen Moment die Augen und sah Bargh und Zussa vor sich. Sie waren beide in einem leeren Raum, sich nicht erkennend. Ein goldener Schimmer war dort zu sehen. Sie wirkten verloren und einsam, nicht wissend von dem Glück ihrer Gemeinsamkeit, ihrer Freundschaft. Da wusste Neire, dass es Bargh und Zussa sein würden, die verlassen auf einsamen Wegen wandeln würden. Ihre Hingabe, ihr Opfer wurde verlangt. Sie mussten die Gabe von Feuer und Schatten an diesen Ort bringen. Neire erwachte wie aus einer Trance und sprach feierlich zu Bargh und zu Zussa: „Ich habe die Zukunft gesehen, Bargh, Zussa. Zusammen müsst ihr hinfort gehen und gemeinsam werdet ihr wandern. Es ist Zir’an’vaar, die Rune von Hingabe und Opferung. Doch alleine werdet ihr euer Opfer erbringen müssen und die Gabe von Feuer und Schatten an jenen Ort tragen.“ Bargh nickte Neire zu, der rote Rubin schimmerte in seinem vernarbten, grimmigen Gesicht. Zussa mochte die Botschaft nicht. Ihr jubelndes Gesicht versteinerte sich. Dann fiel sie Neire um den Hals und fing an zu weinen.​
 

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Sitzung 92 - Schätze für Braugmal, den Großen

Zussa zitterte am ganzen Körper. Das Gefühl der Unbesiegbarkeit, das sie nach dem Kampf und dem Sieg gegen Eclavdra und ihre Anhänger empfunden hatte, war einem anderen Bewusstsein gewichen. Es war das kolossale Portal, das sie an ihre eigene kleine Größe erinnerte. Es waren die Spuren von gewaltigen Klauen im Stein der Türflügel, die ihre Gedanken um die eigene Verletzbarkeit kreisen ließen. Sie hatten das Portal hinter der illusionären Vision der natürlicher Höhlenwand entdeckt. Es war Neires feinen Ohren zu verdanken gewesen, dass sie überhaupt das Trugbild entschlüsselt hatten. Neire hatte das zweite Mal ein tiefes Atmen gehört. Nur jetzt war er sich sicher gewesen, dass das Atmen nicht durch die Fehlleitung ihrer Sinne entstanden war. Zussas ließ ihre Gedanken für einen Moment zurückschweifen. Sie dachte an ihren glorreichen Sieg über Eclavdra. Sie dachte daran, wie sie Triel ermordet und dann ihrer Göttin geopfert hatte. Es war wie damals bei ihrer Flucht aus dem Tempel der Ehre gewesen. Ein Rauschzustand, den sie in der dampfenden Höhle erreicht hatte - nur ohne Wein und Grausud. Sie erinnerte sich gerne an das Bild des Stromes von flüssigem, flimmerndem Stein zurück. Es gab ihr Zuversicht. Sie hatten danach die Leichen der Dunkelelfen und eine temporäre Behausung durchsucht. Neben kostbaren Waffen und Rüstungen, hatte Neire eine wertvolle Karte der Unterreiche und zwei schwarze Bücher gefunden. Bei einem der Bücher hatte es sich um das Zauberbuch Eclavdras gehandelt. Das andere Buch hatte Neire als Buch des Propheten Jiarliraes bezeichnet und in Ortnors altem Labor, hinter dem schwarzen Vorhang, verschwinden lassen. Danach waren sie aufgebrochen und hatten die restlichen Gänge erforscht, die diese Ebene offenbarte. Neire war vorgeschlichen und sie selbst war bei Bargh geblieben. Der junge Priester hatte sie dann in eine große unterirdische Halle geführt. Der schwarze Stein zeigte die längst vergangenen Spuren erkalteten Magmas. Neire hatte sie gewarnt, dass er aus der Höhle ein tiefes Atmen gehört hatte. Sie waren vorsichtig vorangegangen. Sie hatten sich versteckt hinter alten Säulen aus dunklen Felsmassen. Dann hatte auch Zussa das Atmen gehört. Vor ihr, inmitten eines Berges aus Gold-, Silber- und Kupferstücken sowie funkelnden Juwelen, lag ein uralter Drache. Seine Schuppen schimmerten in kupfernem Rot, wie natürlich erhellt durch das glitzernde Gold. Zussa hatte alsbald die zischelnde Stimme von Neire gehört. „Schaut genau hin, Zussa. Durchdringt das Trugbild, Bargh.“ Sie hatte für einen Moment ihre Augen geschlossenen, dann wieder geöffnet und nach Ungereimtheiten gesucht. Und tatsächlich war ihr aufgefallen, dass das Gold sich unter der Atembewegung des Drachen nicht verschob. Dann hatte sich das Trugbild aufgelöst, wie farbiger Nebel. Verblieben war ein riesenhafter Stier, der dort schlief. Das Wesen hatte einen massigen, muskulösen Körper. Zwei spitze Hörner thronten auf seinem schwarzen Haupt und es ging ein Schwefelgeruch von der Kreatur aus. Sie waren auf den Stier zugestürmt, der sich ihnen mit rot brennenden Augen zugewendet hatte. Silberner Nebel war aus dem Maul des Bullen gekommen. Doch Bargh hatte ihn mit mehreren feurigen Hieben Glimmringsherts zu Boden gesteckt. Dann hatte Neire, das Kind der Flamme, darauf hingewiesen, dass er weiterhin ein Atmen hörte. Und so standen sie nun hinter der illusionären Wand, vor dem Portal. Sie hatten ihre Gebete an Jiarlirae gewandt und um Beistand gefleht. Zussa spürte die Macht von Flamme und Düsternis, die ihr ein wenig Mut und Trost spendete. Vor ihr begann Bargh das Portal aufzudrücken. Langsam eröffnete sich ihr Blick in eine weitere große Höhle. Auch hier lag ein Berg von Schätzen. Doch sie erkannte sofort, dass die Anhäufung von Münzen, Truhen und funkelnden Edelsteinen keine Wahnvorstellung war. Eine gewaltige Kreatur hatte sich bereits aufgerichtet und starrte mit rötlich funkelnden Augen auf sie hinab. Der Körper des Wesens war von kupfern schimmernden Schuppen bedeckt. Silberne Metallstacheln bilden einen Kamm, der über das gesamte Rückrat lief. Der fast Heuwagen-große Kopf der Kreatur war von einer Krone rötlicher, spitzer Knochenauswüchse bedeckt. Rauch quoll aus den Nüstern des Drachens. Vor ihr trat der Drachentöter Jiarliraes dem Ungeheuer entgegen. Er trug die Klinge Glimringshert, die auch ihr Mut gab. So folgte Zussa Bargh und verlor Neire aus den Augen. Dann hörte sie die tiefe Stimme des Wesens. Der Drache bewegte sein Maul nicht. Es war ihr, als hörte sie die Worte direkt aus den tiefsten Eingeweiden der Kreatur sprechen. „Da seid ihr und ihr bringt mir Schätze. Zeigt sie mir. Zeigt mir eure Schätze.“ Die Worte donnerten hinab und brachten ihre Knie zum Zittern. Danach herrschte einen Moment Stille, bevor Bargh mit fester Stimme antwortete. „König Isenbuk schickt uns mit Schätzen. Ihr habt nicht umsonst gewartet, mächtiger Braugmal.“ Der Drache machte ein Zischen, als er seinen Kopf ruckhaft ein Stück hinab bewegte. „Was wisst ihr schon Sterbliche. Ich habe nicht gewartet und Isenbuk ist nichts. Zeigt mir meine Schätze und wisset, ihr stehlet meine Zeit.“ Vor ihr sah Zussa Bargh seinen Kopf vor der Kreatur beugen, dann sprach er wieder. „Ich habe dieses Schwert großer Braugmal. Es ist heilig und älter als diese Welt. Sein Name ist Glimringshert, das brennende Herz der Düsternis. Das Schwert und sein Träger dienen Jiarlirae, der größten unter allen Göttern. Sagt mir, großer Braugmal. Dient ihr ihr? Dient ihr Jiarlirae?“ Jetzt zuckte der Kopf hinab und starrte Bargh aus nächster Nähe mit großen Augen an. „Haltet mich nicht für dumm. Ich diene niemandem. Nicht Isenbuk und nicht irgendwelchen Göttern. Ich bin Braugmal, der Große, der seine Schätze haben will. Gebt sie mir oder werdet verschlungen.“ Zussa wollte hinfortlaufen. Sie versteckte sich hinter Bargh. Dann hörte sie wieder die Stimme des Antipaladins. „Glimringshert trägt die Geheimnisse aus dem Jenseits der Sterne. Dient ihr nicht der höchsten Göttin, so wird es den Tod für euch bringen.“ Barghs Worte schwollen zu einem Schreien, als er ausholte. Doch die Kreatur war schneller. Ihr Kopf zuckte zurück und bevor Bargh angreifen konnte, beschwor sie ihren todbringenden Atem. Eine Walze von Feuer brach über sie hinein. Bargh duckte sich hinter das Schild; sie sah nur Umrisse von ihm. Sie selbst sprang zurück und klammerte sich hinter einen der geöffneten Portalflügel. Die Explosion brachte ihre Ohren zum fiepen. Sie vernahm den Geruch von verbranntem Fleisch - ihres Fleisches. Dann sah sie Bargh vorwärtsstürmen. Durch die Flammen hinweg und auf Braugmal zu. Sein Schwert drang tief in Braugmals Körper. Dreimal schlug Bargh auf die Brust des Wesens und dreimal versank sein Schwert. Als sich vier Geschosse von Magmaschatten in die Wunden senkten und Braugmals Fleisch zerfetzen, blickte der Drache in Ungläubigkeit an sich hinab. Jetzt wagte sich Zussa aus ihrer Deckung. Sie riss den Wurzelstecken mit dem Kristall hoch und beschwor den Strahl aus tanzenden bläulichen Flammen. Der Blitzstrahl durchschlug die offene Wunde in Braugmals Brust und sein Herz explodierte. Eine Blutfontaine regnete über sie hinab. Vor ihr brach der Körper der alten, ehrwürdigen Kreatur zusammen. Letzte Zuckungen fuhren durch den Leib, als sein fast unsterblicher Geist sich an sein Fleisch klammerte. Zussa lief nach vorne und frohlockte. Sie achtete nicht auf ihre Brandwunden. „Bargh, ein weiterer… ein weiterer Drache. Ihr habt ihn getötet. Wir haben ihn getötet.“ In einem irren Lachen tanzte Zussa im Regen von Blut. „Er wollte Jiarlirae nicht dienen. Dann sprach Glimringshert mit ihm und zeigte ihm wahre Macht.“ Bargh Antwort klang grimmig und er wollte noch nicht recht mit ihr tanzen und singen. Also nahm Zussa ihn an der Hand und zerrte ihn zum Leichnam. „Kommt Bargh kommt. Wir wollen feiern und tanzen. Kommt Neire. Ich will heute meine Maske vollenden und es sollen die roten Schuppen von Braugmal sein. Ich werde ihn als meine zweite Gesichtshaut tragen.“ Jetzt war auch Neire herangetreten, den sie vor Angst noch etwas zittern sah. Doch schon bald tanzten sie auf dem Leichnam Braugmals. Zussas Traum wurde rot, als sie im Blut badeten. Sie sah Neire wie verrückt einen Zahn nach dem anderen ausreißen. Immer wieder lobte der Jüngling die alten Zauber, die er mit Hilfe eines Zahnes wirken würde. Bargh half ihr den Drachen zu häuten. Schuppe um Schuppe schnitten sie ab. Längst reichte es für Zussas Maske. Doch Bargh war nicht zu aufzuhalten. So ging er, der Tanz auf dem toten Leib. Das Fleisch Braugmals war noch warm, als ob tief in seinem Inneren ein Feuer schwelte. Sie tanzten und tranken Wein. Sie wühlten sich durch goldene Schätze. Sie warfen sich alte schimmernde Pokale, Edelsteine und Figuren zu. Zussa probierte das Blut der Kreatur, doch sie begann augenblicklich zu würgen. Ihre Kleidungen waren nass vom roten Lebenssaft und ihre Gesichter besudelt. Zussa trank und feierte. Dann legte sie sich in das Loch von geöffnetem Fleisch, das sie dort geschlagen hatten. Sie glaubte den Geist von Braugmal zu spüren, als sie einschlief. Er rief nach ihr. Er war gekommen um Glimringshert zu huldigen. Es war das brennende Herz der Düsternis, das der alte Drache neidete.

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„Es freut mich, dass ihr meine Sprache sprecht, Neire.“ Die hässliche Königin der Feuerriesen beugte sich zu Neire hinab und lächelte ihn an. Um sie herum war das Flackern der Gasfackeln. Die Halle beherbergte die zusammengepferchten Feuerriesen und ihren Nachwuchs. Heranwachsende waren wie Säuglinge zu sehen. Die Luft war angereichert von Körpergeruch und von Ausdünstungen. Drei Riesinnen sorgten sich um die Zubereitung einer Suppe. Drei weitere kümmerten sich um die Säuglinge. Nachdem sie den Hort von Braugmal geplündert hatten, hatten sie in einem der unterirdischen Seen gebadet und waren danach zu den Feuerriesen zurückgekehrt. Das Wasser der Seen war warm gewesen und hatte nach Schwefel gerochen. Jetzt war Neires jugendliches Gesicht frei von Blut, Asche und Schmutz. Seine Haare schimmerten gold-blond im Fackellicht. Hulda beugte sich zu ihm hinab, als sie sprachen. Die kleinen Augen ihres rattenförmigen Gesichtes blickten verschlagen und intelligent. „Ich habe eure Sprache gelernt. Lange habe ich euren Worten gelauscht. Eure Sprache ist eine schöne Sprache, Königin.“ Hulda lächelte ihn an und zeigte ihre faulen Zähne. Ihre verfilzten rotblonden Haare hingen fast bis auf ihn hinab und die Warzen ihrer aschgrauen Haut warfen Schatten in ihrem Gesicht. „Ja, unsere Sprache ist schön und direkt. So viel leichter als die Sprache der Menschen. Da gibt es so viele unsinnige Wörter.“ Neire nickte und seine Miene wurde ernst. „Königin Hulda, wir haben einige Dinge zu besprechen. Sagt mir, als engste Freundin, was ist euer tiefstes Begehr? Wonach strebet ihr mit all eurem Herzen?“ „Eine schwierige Frage, Neire. Doch einem solch guten Freund will und kann ich nichts verheimlichen. Ich möchte meinem Volk dienen, als Königin. Ich will es führen, doch ich brauche einen König. Er muss stark sein. Stark und schön. Wie Isenbuk. Stark war er, Isenbuk und einst auch schön, bevor er fett wurde. Mein König sollte auch nicht zu schlau sein. Er muss nicht verstehen, wie ich mein Volk führe. Er muss nicht viele Fragen stellen. Er muss kämpfen und Ruhm erringen. So wird mein Volk stark. So werden wir unsere Feinde zertreten und zerquetschen. Sie sollen alle vor uns zittern in Furcht.“ Neire nickte, als er den Worten der Königin lauschte. Dann wählte er die Worte seiner Antwort sorgfältig. „Wir müssen diesen Ort verlassen, meine Königin. Nach dem Tod von König Isenbuk ist dieser Ort verflucht. Wir werden reisen, einen langen und beschwerlichen Weg. Doch ich kann euch eine glorreiche Zukunft versprechen. Wir werden nach einem neuen König suchen.“ Neire zeigte auf den Feldwebel mit der zerstörten Nase, dessen Name Fuldir war. „Was ist ihm, Fuldir? Könnte er nicht euer neuer König sein?“ Königin Hulda schaute zuerst hinüber zu Fuldir, dann kopfschüttelnd wieder zu Neire. „Nein… oh nein. Er ist zu schwach und er ist hässlich. Viel zu hässlich.“ Neire nickte und musste sich ein Lächeln verkneifen. Dann blickte er wieder hinauf zur hageren Gestalt, deren mageren Brüste obszön auf Bauchhöhe baumelten. „Wir werden einen König für euch finden Hulda. Doch ihr müsst mir eines versprechen. Ihr müsst Jiarlirae, der Göttin von Feuer und Düsternis dienen. Mit all eurem Herzen.“ Königin Huldas Miene verzog sich fragend. „Ji…ar…li…rae. Ist die Göttin stark? Nicht so schwach wie Ghaunadaur?“ „Jiarlirae ist stark, Königin Hulda. Sie ist die mächtigste unter allen und sie ist mehr als das.“ „Dann werde ich ihr dienen. Ihr seid der Prophet der Göttin und ihr seid der wertvollste Freund, den ich jemals hatte, Neire.“

~

Sie brauchten fast zwei Tage für die Vorbereitungen. Königin Hulda stellte sich als große und intelligente Führerin ihres Volkes heraus. Sie gab Anweisungen, die ihre Untergebenen in organisierter Weise ausführten. Selbst die Kleinsten unter den Riesen schufteten und rackerten, ohne zu murren. Sie plünderten die alte Behausung von König Isenbuk. Sie bewaffneten die Riesen, auch die Frauen und die Kinder. Sie nahmen die kostbarsten Rüstungen, Waffen und Schilde an sich und trugen, was sie mitnehmen konnten. Dann machten sie sich auf den Weg durch das feurige Gebirge, das man den Höllenkessel nannte. Ein Tross von fünf Schritt großen Kreaturen, die riesige Säcke schleppten. Vier Tage wanderten sie. Vier Tage durchquerten sie eine Landschaft, die von Felsen, Gipfeln und Feuern war. Eine heiße Landschaft, nach der jetzt der Winter griff. Dann erreichten sie im dichten Schneegestöber die einsamen Höhlen. Dort hatte Königin Hulda weitere Frauen und Kinder vor dem Krieg versteckt. Drei Krieger der Feuerriesen wachten über sie. Königin Hulda gab ihnen Anweisungen. Dann packten auch sie ihre Sachen und reihten sich dem Tross ein. Doch ihr Weg führte sie wieder zurück in König Isenbuks unterirdisches Schloss. Nach vier weiteren Tagen durchquerten sie die verlassenen Hallen und stiegen hinab. Sie schritten durch die Höhle des Magmaflusses und da lag er. Der Tunnel, der sie durch das Unterreich führen sollte. Neire fürchtete nicht den Weg, noch die Gefahren. Er war im Unterreich aufgewachsen, hatte die Karte der Dunkelelfen erbeutet und er genoss die Dunkelheit. Er hatte Zussa und Bargh auf seiner Seite. Mit ihm waren mehr als ein Dutzend Feuerkäfer, drei Eier der Feuerechsen und die Feuerriesen: Acht Krieger, sechs Jugendliche, 17 Frauen, 13 Kinder, sechs Säuglinge und eine Königin. Sie alle waren vom Volke Königin Huldas. Stolze Riesen des ewigen Feuers. Doch Neire wusste, dass das nicht genug war, um den Gefahren dieser Welt zu trotzen. Er aber hatte Jiarlirae, seine Göttin und mit ihnen war Flamme und Düsternis.​
 

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Sitzung 93 - Herrschermord

Höhlen, Höhlen, nichts als Höhlen und Dunkelheit, spukte es in Halbohrs Geist. Der Berg selbst schien auf seinen Verstand zu drücken. Doch er musste seine Planungen und Vorbereitungen durchführen. Hier, nahe dem Herz aus Ne’ilurum, das mit dem dunklen Auge die Pforte zur Ebene des Wahnsinns behütete. Er war seit einiger Zeit nicht mehr allein. Die Herrin des Feuers und der Schatten hatte ihm ihre Dienerschaft geschickt. Von den Tiefen des Abgrundes über die Höhlen des heulenden Wahnsinns waren sie dem Ruf ihrer Herrin gefolgt und hatten den beschwerlichen und gefährlichen Weg durch die Ebenen gemeistert. Dort war Daera Düsterung. Die wunderschöne Dienerin Jiarliraes war in schwarze Seidengewänder gekleidet, die sich in starkem Kontrast von ihrer weißen Haut abzeichnete. Auf den freizügig gezeigten Stellen ihres Bauches und ihrer Arme waren okkulte Runen tätowiert. Sie hielt sich zwar etwas zurück, doch wenn sie in ihrem Singsang sprach, schien es, als ob die Zeit nur für ihre Stimme stehen bleiben würde. Dann war dort Mordin von Noresfyring. Ein großer Mann dem man seine adelige Abstammung ansehen konnte. Auch er hatte eine schneeweiße Haut, übersät mit Tätowierungen, die seine Lobpreisung Jiarliraes ausdrückten. Ein weißlicher Rauch und Hitze stiegen von ihm auf. Der dritte im Bunde war Lyrismar Schwefelschimmer. Dieser war noch größer als Mordin, doch fast seine gesamte Haut war bis zur Kohlenschwärze verbrannt. Nur wenige unverbrannte Stellen seines Körpers zeigten die einstige Blässe. Sein roter Umhang war gezeichnet von Runen des Chaos und gesäumt mit etwas, das wie silbernes, krauses Haar aussah. Stolz trug er an der Seite seine beiden Kurzschwerter, eines mit einem roten glühenden Rubin am Knauf und das andere mit knöchernem Griff. Der vierte der Dienerschaft war der schrecklichste. Sein riesenhafter Körper war umhüllt mit einer gleißenden Säule aus rötlichem Magmafeuer. Nur schwach konnte man die athletischen Konturen eines menschlichen Körpers ausmachen und wenn, dann schien es als ob aus seinem Gesicht eine grinsende Fratze eines Totenschädels blickte. Die Anhänger Jiarliraes stellten ihn als Elmenshyr vor; Seelenfeuer, in der gemeinen Zunge. Die anderen warnten Halbohr, er solle sich von ihm fernhalten. Sein Feuer brenne so heiß, dass es den Geist selbst verzehre und die Werdung zu einem willenlosen Feuersklaven einleite. So brütete Halbohr über Karten, Plänen und Zeichnungen im alten Tempel des Jensehers. Seine grünlichen Augen waren untermalt von schweren Ringen der Müdigkeit. Doch war auch sein gesamtes Gesicht gezeichnet von dem Pfad, den er eingeschlagen hatte. Bisher hatte seine linke Gesichtshälfte nur die Narben offenbart, die durch den Neid seiner alten Kameraden aus einem früheren Leben gezeugt wurden. Doch inzwischen war dort nur noch eine wilde Wucherung von Haut zu erkennen. Wie als wenn eine stetige Hitze sein Gesicht zu versengen schien. Der Brand wuchs langsam, aber beharrlich. Die Spitze seines Mundwinkels war schon etwas schief und auch sein milchiges, fast weißes Haar wuchs an der linken Seite nur noch sehr langsam. Er versuchte die Zeit gut zu nutzen, denn viel war passiert und weitere Dinge musste passieren. Die Zerstörung des Tempels des Gottes Laduguer blieb nicht ohne Folgen. Ohne Führung brach ein Völkerkampf in der Stadt Unterirrling aus und brachte einen neuen Anführer hervor, Runin‘ore‘Waere. Halbohr nutzte die Schwäche der Stadt aus, um die Macht des Tempels des Jensehers auszubauen. Und Runin‘ore‘Waere war nicht dumm. Vielleicht wusste er nicht genau welche Macht Halbohr um sich sammelte, doch zumindest ahnte er es. Er wollte Zeit gewinnen, die Wunden des Konfliktes der Stadt heilen lassen. Um sich mit Halbohr gut zu stellen, versprach er ihm zwei seiner Gefangenen, die dabei helfen sollten den Tempel wieder aufzubauen. So fanden Heergren Nuregrum und Granrig Hellengrub ihren Weg in das Herz des Berges. Heergren war ein stolzer Minenarbeiter, der einst vor seiner Familie davonlief, um ein berühmter Schmied zu werden. Granrig hingegen war Soldat und einst für eine kriegerische Karriere im Orden von Laduguer in Urrungfaust vorgesehen gewesen war. Er wäre es vermutlich immer noch, hätte es nicht einen Zwischenfall gegeben, der ihn seine Ehre gekostet hatte. Er hasste Runin und alles was mit Laduguer in Verbindung stand und behauptete, dass der einstige Zwischenfall fingiert gewesen wäre. Zusammen halfen die beiden Nachtzwerge die Überreste des fremdartigen Gewächses und den Unrat zu beseitigen, die sich angesammelt hatten. Aus den Teppichen der Düsterheitpilze ließe sich Gewinn schlagen, sagten sie, wenn man nur den Abbau kontrollieren würde. Auf diese Art könne Halbohr die Arbeiten am Tempel und den Ausbau für einen Tunnel nach draußen bezahlen. Schließlich sollten Feuer und Schatten sich nicht von Gestein aufhalten lassen, wenn sie sich über Euborea ergössen. Nach zehn Tagen kamen seine Gefährten Neire, Bargh und Zussa das erste Mal zurück, nachdem sie die Hallen des Nomrus überfallen hatten. Halbohr machte sich daraufhin auf den Weg die drei einohrigen Riesen und deren Diener abzuholen. Die erste Musterung einer Streitmacht, vor der die Reiche Euboreas noch erzittern würden und entweder ihr Haupt vor Jiarlirae beugen oder qualvoll untergehen würden. Die Reise dauerte einige Tage, doch bald schon kehrten er mit ihnen in die Irrlingsspitze ein. Die drei jungen Hügelriesen Kulde, Gulgra und Gruschuk, zusammen mit einer Vielzahl von orkischen Kriegern sowie einigen Frauen und Kindern, sollten eine gute Verstärkung und Schutz für den Tempel bilden können. Ihre persönlichen Befindlichkeiten scherten Halbohr wenig, auch die anrüchigen Anbahnungen zwischen Gulgra und Gruschuk interessierten ihn nicht. Sollten sie sich doch vermehren. Es würde weitere Truppen für Jiarlirae bedeuten. Wichtig war ihm nur, dass sie wieder zu Kräften kamen, hatten doch die Orks - als sie mit den Hügelriesen alleine in der Festung des Nomrus waren - ihre Rache für die Sklaverei an ihnen ausgelassen. Heergren und Granrig waren gute Diener. Sie hatten begonnen in einer Felsspalte die Anfänge eines Tunnels zu bauen. Sie stellten mit den Orks unter Halbohrs Anleitung Wachen und Patrouillen zusammen. Auch der Handel mit den Pilzen begann. Ein guter Außenposten sollte es werden. Mehr noch, der erste Schritt, um der Herrin von Feuer und Düsternis einen Teppich auszubreiten, der ihrer erneuten Ankunft in diese Welt würdig war. Und alle würden es erfahren: Er sollte nun Halbohr sein, der General. Jeder sollte seinen Namen kennen, ihn heimlich flüstern und ihn seinen Kindern erzählen, um sie zu erschrecken. Sein einstiger Wunsch aus der Ebene des kreischenden Wahnsinns würde in Erfüllung gehen.

~

Ich fühle mich immer noch unwohl. Zwar war es nicht das erste Mal, dass mich Mächte über andere Welten zu einem anderen Ort bringen, aber ich traue diesen Mächten immer noch nicht. Wer weiß schon, was sie mit einem machen, irgendwo zwischen den Welten. Aber hier waren wir nun: Bargh, der alte, junge Streiter Jiarliraes mit seiner neuen schimmernden Rüstung, grimmig und stolz. Neire, ihr Prophet, mit seinen strahlenden blonden Locken und einem Lächeln, das schon manche in ihren Bann gezogen hatte. Und ich, Zussa, als Kind von ihren Feuern geküsst und ihre Dienerin, schon bevor ich es selbst wusste. Wir hatten eine lange Reise hinter uns, seit wir die Hallen König Isenbuks verließen. Doch wir hatten neue Diener Jiarliraes für den Tempel des Jensehers mitgebracht. Als Neire in die Halle mit dem dunklen Portal schritt, lief er lachend und strahlend auf Halbohr zu. Ich dachte schon er wollte ihn umarmen. Ich verstehe immer noch nicht, was er an Halbohr findet. Trotz seiner Beteuerungen: Halbohr war nie ein treuer Anhänger. Früher oder später würde man ihn entsorgen müssen, wie ein Spielzeug, das kaputtgegangen ist. Doch plötzlich erstarb das Lächeln in Neires Gesicht, als sein Blick auf die vier Diener Jiarliraes fiel. Auch ich starrte sie an, vor allem Elmenshyr. Neire verbeugte sich vor ihnen mit einer höfischen Geste. Mordin stellte seine Dienerschaft vor, doch Lyrismar hielt offenbar nichts von Höflichkeit und Respekt. Er fuhr uns an und bezeichnete uns als Kinder. Doch auch Bargh ließ dies nicht auf sich sitzen. Der ohnehin schon große Krieger schien noch etwas mehr zu wachsen und gebieterisch hallte seine Stimme durch die Halle: „Das ist Neire von Nebelheim, er ist ihr Prophet!“ Daera mischte sich ein und versuchte wohl die etwas aufgeheizte Stimmung zu beruhigen. Als ich ihre engelsgleiche Stimme hörte, klang sie wohltuend in meinem Kopf, fast wie ein Lied, dem man einfach nur lauschen möchte. Die Worte, die sie sprach, gerieten fast in den Hintergrund. Sie sagte, dass er sich zurückhalten und keine Spiele spielen sollte. Als Lyrismar brüllend mit seiner verkohlten Hand auf Daera zeigte, war es, als wenn ich aus einem kleinen Schlummer plötzlich aufgeschreckt wäre: „Ihr! Hütet eure Zunge, ihr seid hier nicht …!“ Das letzte Wort konnte ich nicht richtig verstehen, schien aber nichts Freundliches gewesen zu sein. Doch endlich beruhigten sich alle wieder und Halbohr konnte, so wie es seine Art ist, Langeweile verbreiten: Er betete stolz seine Liste von Planungen und Vorhaben herunter. Anscheinend hatte er mit Hilfe seiner beiden Lakaien die Leichen der Kreaturen, die schon lange hier in den Höhlen verrotteten, zerlegt, um damit diese merkwürdigen Pilze zu nähren und sie dann zu verkaufen. Als er auch noch von dem Wasserröhren erzählte, die er zum Wässern der Pilze aufbauen wollte, musste ich mich abwenden, bevor mir die Augen zufielen. Funkenträger war viel interessanter. Der Feuerkäfer, bestimmt der größte derer, die wir bei den Feuerriesen gefunden hatten, konnte inzwischen große und kleine Kreise fliegen. Ich hatte ihn während unserer Reise durch die Unterreiche trainiert. Ich habe gesehen, dass Neire und Bargh etwas mitleidig gelächelt haben, als ich ihnen Funkenträger einige Kunststücke vorführen ließ, aber das war mir egal. Er konnte schon die kleineren Käfer jagen. Bald, wenn ich ihn richtig füttere, wird er noch größer werden. Auch Neire wird sich bestimmt freuen, wenn ich es schaffe, Funkenträger beizubringen die Kleineren zu fangen und sie mit seinen Zangen in Stücke zu reißen. Ich lief Funkenträger durch die Höhlen hinterher. Er musste unbedingt noch schneller werden, sonst würden ihm einige der anderen nachher noch entwischen. So kam ich in die Höhle, die den großen Spalt in die Tiefe beinhaltete. Ich erinnerte mich an den Kampf mit der Spinnenkreatur, den wir einst hier gefochten hatten. Auch erinnerte ich mit Abscheu an Meeredite, die sich aus dieser Spalte gezogen hatte. Oder hatte sie es damals uns nur vorgespielt? Ich verwarf die Gedanken, denn ich hörte plötzlich aufgeregte Stimmen aus einer weiteren Höhle schallen. Einer von Halbohrs Nachtzwergen-Lakaien stürmte heran und war völlig außer Atem. Er stammelte, dass etwas in Unterirrling passiert sei. „Meister Halbohr“ nannte er den Elfen dabei. Pah, wenn er wüsste, welch feige und schwache Teufelswesen ihm bei seiner Meister-Werdung behilflich waren. Zusammen suchten wir Halbohr auf, dem der Nachtzwerg gehorsam berichtete. Runin’ore’Waere war wohl umgebracht worden und die Ältesten der Minenstadt Unterirrling versammelten sich gerade, um einen neuen Nachfolger zu bestimmen. Etwas blitzte ihn Halbohrs Augen auf. War es eine Möglichkeit, die er sah? Sicher, wir sollten Unterirrling an unserer Seite haben. Denn wenn einmal die Scharen unserer Herrin durch das dunkle Portal strömen, sollten sie sich nicht an den Nachtzwergen aufhalten, sondern sich laben an den Ländern des Lichtes. Wir brachen zügig auf, auch Lyrismar begleitete uns. Bargh versprach sich, dass es vielleicht Mord und Totschlag geben würde. Auch bei mir stellte sich ein schönes Gefühl von Aufregung ein. Keiner behelligte uns, als wir wieder in die Hallen Unterirrlings eintraten. Offenbar war Halbohr schon bekannt. Als wir schließlich in dem Tempel eintrafen, musste ich etwas grinsen, denn ich sah die Reste des zerstörten Steines. Ich konnte die Schreie der Seelen in mir hören, wie sie nach ihrer Freiheit schrien. Nein, ihr habt euch eure Freiheit noch nicht verdient und noch keine Vorstellung, welche Opfer ihr dafür noch bringen müsst. Ein Kreis von Duergar stand dort und wir hörten zwei alleinstehenden Nachtzwergen zu, die ihre Reden schwangen. Als wir eintraten ging ein Raunen durch die Runde. Gesichter drehten sich in unsere Richtung und einige erkannten Halbohr. Einer der Redner, ein jüngerer Duergar dem aber schon die Haare anfingen auszufallen, hielt inne als er Halbohr sah: „Was ist das?! Ein Elf, hier in den heiligen Hallen Laduguers? Was ist mit unseren alten Riten, dem Willen unserer Vorväter? Wie können wir es so einer Kreatur erlauben sich in unserer Mitte zu bewegen?“ Der andere, wesentlich größer und muskulöser, mit einer gewaltigen

Schlachtenaxt an seiner Seite, widersprach: „Firin, in Unterirrling herrschen andere Sitten. Das ist Halbohr, aus dem Tempel des Jensehers. Ihr wisst, dass wir schon lange mit ihm Handel treiben. Außerdem… erinnert euch an das, was passiert ist, als damals der Tempel und seine Priester vernichtet wurden.“ Der andere, Firin’ore’Waere, offenbar der Sohn des ermordeten Runin, murmelte zwar etwas, doch sein Gesicht zeigte, dass er sich sehr wohl erinnerte. Halbohr trat vor. „Ihr kennt mich! Ihr wisst was damals passierte, was immer noch passieren kann. Ihr wisst aber auch, was Gutes passieren kann. Sorge ich nicht dafür, dass die Düsterheitpilze zu euch kommen? Sorge ich nicht dafür, dass ihr in den Höhlen Schutz erfahrt? Ihr verdient gutes Geld mit dem Verkauf von Nahrung, dem Handel mit dem Tempel des Jensehers. Doch erinnert euch an Waergo und daran, wer diesen schwachen Bewohner aus dem Oberreich aus eurer Stadt vertrieben hat!“ Ich war kurz davor aufzulachen. Halbohr hatte Waergo getötet? Halbohr hatte den Tempel zerstört? Halbohr läge schon längst in seinem Blut, wenn es nicht Bargh und mich geben würde. Aber ich ließ ihn reden, sollte er doch seine Ränke schmieden. Der Rivale von Firin, Germin Dunkeldorn wandte sich an die versammelte Runde. Er versprach ihnen Unabhängigkeit von Urrungfaust, von weniger Steuern und von irgendwelchen weiteren langweiligen Sachen. Bargh trat hervor und unterbreitete seinen Vorschlag: Sie sollten sich, so wie es in Fürstenbad Sitte war, ihr Recht um die Führerschaft in einen Zweikampf verdienen. Germin hob seine Axt, offenbar gefiel ihm der Vorschlag. Als er seine Herausforderung ausrief, erntete er die laute Zustimmung der anderen Duergar. Offenbar gab es auch bei den Nachtzwergen die alte Sitte eines ehrenvollen Zweikampfes auf Leben und Tod. Germin war sich seiner Sache sicher, Firin dagegen nicht. Offensichtlich der behütete Schössling des alten Herrschers, schritt er zu seiner Frau und gab ihr Anweisungen, falls es nicht zu seinen Gunsten ausfallen würde. Seine nachtzwergische Ehre gewährte ihm keinen anderen Ausweg. Die beiden traten sich gegenüber. Bargh hatte Germin, während Firin mit seiner Frau redete, eine mächtige Kriegsaxt gegeben, die er jetzt seinem Kontrahenten entgegenstreckte. Firin wiederum hob seine Kriegspicke und der Kampf begann. Mehrmals rammte die Axt Germins auf Firin, doch dieser war geschickter als man es denken würde und duckte sich unter mehreren Schlägen hinweg. Seine Picke rammte auf Germin. Die Waffe traf jedoch nur den Schild Germins. Ein weiterer Schlag Germins, doch diesmal war Firin nicht schnell genug. Die feine Schneide der Axt fand ihr Ziel und drang tief in den Hals ein. Blut strömte heraus und Firin sackte auf die Knie. Es sah aus, als ob er schon mit seinem Leben abgeschlossen hätte. Ein letzter Blick galt seiner Frau und den beiden Kindern, dann brachte die Axt Germins ihn auf die Reise in das ewige Feuer nach dem Leben. Germin hob seine blutige Axt über seinen Kopf und badete in den Heilsrufen der Anwesenden. Er versprach den Ältesten der Stadt, dass sie nicht mehr unter der Knechtschaft Urrungfausts stehen sollten und dass sowohl Runin als auch Firin’ore’Waere ein ehrenvolles Begräbnis bekommen würden. Zudem nahm er Runin’Ore’Waeres Familie unter seinen Schutz. Ebenso versprach Germin, dass der Mord an Runin aufgeklärt werde, wer es auch immer gewesen sein mochte. Nach einiger Zeit kehrte Ruhe ein und Germin führte uns zu dem Ort wo Runin den Tod fand. Es war die gleiche Kammer, wo wir Waergo gefunden hatten. Es war sein schwarz angemaltes Gemach mit dem weißen Bärenfell auf dem Boden. Von dem Körper Waergos war nichts mehr zu sehen, dafür hing in einem Sessel der leblose Körper eines älteren Duergars, auf dessen grauem Wams deutlich getrocknetes Blut zu sehen war. Germin sagte, der Raum sei bereits durchsucht worden, doch er bat Meister Halbohr um seine Unterstützung. Zum Glück für Meister Halbohr war ich und auch Lyrismar anwesend. Lyrismar war zwar mürrisch, doch er hatte offensichtlich Fähigkeiten die denen Halbohrs nicht nachstanden. Zusammen fanden sie an der Leiche Runins eine schmale Wunde, die durch seine ganze Brust drang. Eine schwärzliche Substanz war noch an den Rändern zu erkennen, Gift der Duergar, wie Lyrismar feststellte. Auch fanden wir an der Wand eine Stelle, wo eine eiserne Klappe einer in die Wand vermauerten Kiste verborgen war. Davor waren viele Spuren zu finden, jedoch ein besonderes Paar. Die Abdrückte waren größer als die von Nachtzwergen und es sah so aus wie eine Person, die versucht hatte besonders vorsichtig zu gehen. Das Schließfach in der Wand wurde wohl erst vor einigen Wochen dort eingesetzt. In der Klappe steckte die abgebrochene Spitze eines Schlüssels. Sie war jedoch nicht mit irgendwelchen Fallen gesichert, wenn man Halbohr Glauben schenken durfte. Lyrismar und Halbohr zogen den Schlüssel vorsichtig heraus. Dieser enthielt merkwürdige Einkerbungen, wie eine Art Signatur von demjenigen, der ihn angefertigt hatte. Nichts, was uns wirklich weiterhelfen würde. Auch der Inhalt der Kiste selber half nicht. Dort waren mehrere Säckchen mit Münzen und ein Brief, der sehr deutlich vermittelte, dass Runin sofort nach Urrungfaust aufbrechen sollte, unterzeichnet von einem Grauwegur Nebelritter. Nebelritter, das klang für mich, als ob irgendjemand sich mit den Rängen dieses lächerlichen Kultes um Laduguer schmücken würde, vermutlich um sich noch wichtiger zu machen. Ich verstand noch nicht warum wir diesen Kreaturen überhaupt dabei helfen sollten. Wen interessierte es, wer hier wen umgebracht hatte und warum. Sie werden ohnehin bald schon alle entweder dem Feuer und dem Schatten dienen oder durch die Hand Vocorax'ut'Lavia, dem Henker der letzten Einöde, zugrunde gehen. Germin tauchte wieder auf, an seiner Seite einen verschlafen aussehenden Duergar, Yrker Brallt. Es war die Wache, die es zuließ, dass der Führer von Unterirrling getötet werden konnte. Man konnte ihm die Schwäche ansehen als er stammelte, dass er nichts gesehen hatte und irgendetwas von Kopfschmerzen, wie nach dem gierigen Trinken von eiskaltem Wasser. Er log, das war offensichtlich und Bargh rief es ihm ins Gesicht, woraufhin er sich noch mehr wand. Kopfschmerzen sollten eine Wache doch nicht von ihrer Pflicht abhalten. Warum haben sie ihn nicht schon längst mit dem Tode bestraft? Halbohr untersuchte seinen Körper auf irgendwelche Spuren von Gift. Der Narr glaubte ihm anscheinend. Doch wie ich es erwartet hatte, fand er nichts. So blieben wir zurück mit mehr Fragen als Antworten, doch keiner von uns verlor unser eigentliches Ziel aus den Augen. Euborea würde vor uns erzittern. Entweder beugt es sich vor uns oder es wird verbrennen.​
 

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Sitzung 94 - Urrungfaust (Teil I)

Ich konnte es deutlich riechen. Das getrocknete Blut Runin’ore’Waere begann langsam zu stinken und vermischte sich mit dem öligen Geruch der Farbe dieser schwarzen Kammer. Zudem war da noch der Schweiß, der so alt roch, als ob der Stein selbst den Gestank von Generationen dieser Wichte in sich aufgenommen hätte. Ich kam mir vor, als hätten wir mit den Riesen die Plätze getauscht. Wir, das waren die fast zwei Schritt große verbrannte Gestalt von Lyrismar, der noch größere und gewaltigere Krieger Bargh, Halbohr mit seiner geschwollenen linken Gesichtshälfte - wo er den Kuss Jiarliraes empfangen durfte - und ich selbst. Immer wieder stieß sich Bargh an Türrahmen, an Stürzen oder an Schränken. Die Tiefenzwerge hatten ihre Tunnel und Hallen zwar in ausladender Geräumigkeit gebaut, für den übermenschlich-großen Antipaladin war es aber nicht genug.

Halbohr untersuchte gerade die nackte Gestalt der Wache. Ich verstand zwar nicht, was er sich dabei versprach, aber ich musste mich schütteln als ich den blassen und dicken Körper mit den blauen Venen sah, die sich wie ein Wurzelgeflechte unter der bleichen Haut entlangzogen. Germin Dunkeldorn, dank unserer Hilfe der neue Herrscher von Unterirrling, war wenigstens etwas größer und auch muskulöser. Aber, der Göttin sei Dank, war er zumindest bekleidet. Er interessierte sich für den Inhalt der von Halbohr geöffneten Klappe. Den Beutel mit den Münzen steckte er mit einer gewissen Genugtuung ein, aber auch der Brief weckte ein Interesse, vor allem der Name Grauwegur Nebelritter. Dieser war offenbar ein Ritter der persönlichen Garde des Königs von Urrungfaust und es gab insgesamt fünf von ihnen: Grauwegur Nebelritter, Grauwegur Grauzahnritter, Grauwegur Axtritter, Grauwegur Ascheritter und Grauwegur Felsritter. Germin erzählte eine kleine Geschichte, in der die Ritter von Urrungfaust als Helden verehrt wurden, nachdem sie in einem der Kriege mehrere Sippschaften der Dunkelelfen getötet hatten. Ich verstand nicht ganz und fragte Germin, was daran so besonders sei. Schließlich hatte ich auch die Sippe von Eclavdra ausgerottet - mit Neire und Bargh zusammen. Und Triel hatte bestimmt auch zu einer Sippe gehört. Aber wer weiß, wenn man mit seinem Kopf so nahe am Boden ist, muss man sich vielleicht auch mit kleineren Sachen zufriedengeben.

Lyrismar wollte wissen was der Brief zu bedeuten habe und Germin erklärte, dass Unterirrling Urrungfaust zu Abgaben verpflichtet sei. Runin war also dem König von Urrungfaust Tribut und Rechenschaft schuldig. Doch laut Germin zahlte Runin auch Steuern an den Tempel des Laduguer, da er damit wohl diesem armseligen Gotte huldigen wollte. Wir fragten Germin, welche Absichten er hätte. Er schien begriffen zu haben, wie schwach Laduguer war; der zerstörte Altar hätte eigentlich allen Nachzwergen in Unterirrling diese Erkenntnis bringen sollen. Aber Germin war auch feige. Er sagte, dass er die Priester nicht brauchen würde. Erst dann fiel ihm auf, dass der nackte Yrker Brallt uns noch zuhörte. Wie als ob er bei einem bösen Wort erwischt worden wäre, fuhr er die Wache an, dass sie bloß schnell vergessen solle, was er gerade gesagt habe. Die Priester von Laduguer waren vielleicht doch zahlreicher und einflussreicher als Germin es gerne hätte. Es klang, als ob Priester und König um die Macht in Urrungfaust stritten, wenn auch nicht öffentlich. Die Priester sahen sich wohl als Träger der Fackel der Ehre. Das Feuer dieser Fackel konnte jedoch nicht mehr sein als ein leichtes Glimmen, das kurz vor dem Erlöschen stand. Deswegen mussten sie ihre gelobten Tugenden wohl doch außer Acht lassen und feige Assassine beschäftigen. Zumindest berichtete uns Germin über die Priester von Glammringsfaust, dem Tempel des Laduguer in Urrungfaust.

Ich verstand noch nicht, warum Germin diese unfähige Wache nicht bestrafte. Als ich ihn fragte, ignorierte der kleine Wicht mich einfach. Ich weiß noch, wie ich bebte. Ich wollte diese Kreatur brennen sehen. Doch dann spürte ich die Hand von Lyrismar auf meiner Schulter. Ich zuckte kurz zusammen bei der Berührung des Anhängers Jiarliraes. Seine schwarz-verbrannte Haut fühlte sich merkwürdig an auf meiner Schulter. Wer weiß schon, welche Prüfungen er schon erfolgreich hinter sich gebracht hatte und welche Geheimnisse er in den Flammen erkennen konnte. Ich wollte ihm nicht widersprechen. Ich konnte es auch gar nicht, denn er sagte, dass ich vorsichtiger sein müsse. Er versprach mir auch die Geschichte zu erzählen, die hinter diesem Strang von silbern-krausen Haaren steckte, die seinen Umhang zierten. Sie fühlten sich so seltsam weich an in meinen Fingern; die Geschichte dahinter muss bestimmt interessant sein. Wenn ich ihm zuhöre… vielleicht schaffe ich es dann auch die Zeichen zu erkennen und zu deuten. Vielleicht kann ich dann auch IHRE Stimme besser hören, so wie Neire. Lyrismar warnte mich auch vor Daera. Man könne ihr nicht trauen und sie würde schon seit Jahrtausenden Männern und Frauen den Geist aussaugen. Ich glaubte ihm, war es mir doch schon aufgefallen, dass ihre Stimme einem den Verstand zu vernebeln vermag.

Unser weiterer Weg war jetzt klar. Wir würden einem der Händlerzüge nach Urrungfaust folgen. So verließen wir Unterirrling und betraten wieder die Höhlen, die weit unter die Irrlingspitze liefen. Anfangs folgten wir noch den Spuren der Mörder, die aus der Kammer von Runin und bis in die Tunnel der Handelsroute nach Urrungfaust führten. Schon bald fanden wir aber auch die deutlichen Spuren der Karren, die die Waren von und nach Urrungfaust transportierten. Wieder einmal durchquerten wir Tunnel und Höhlen in der Dunkelheit und wieder einmal war es, als ob die gigantischen Massen der Berge selbst auf meinen Kopf drückten. Schon als wir aus den Hallen der Feuerriesen hier entlangkamen, hatte ich dieses Gefühl. Ich frage mich, wie diese Nachtzwerge hier ihr Dasein fristen konnten. Vielleicht durfte man einfach nicht größer sein, dass man den Berg über sich nicht bemerkte. Ich lenkte mich ab indem ich mir vorstellte, wie diese Höhlen und Tunnel geflutet würden. Ich stellte mir flüssiges und brennendes Gestein vor, wie ich es bei den Feuerriesen gesehen hatte. Das half etwas und es fing sogar an ein bisschen an Spaß zu machen. Bargh ging neben mir, doch als ich ihm beschrieb wie schön es sein könnte, merkte ich, dass er eben doch ein Krieger ist. Er sagte, dass er sich eine Armee vorstellen würde, die Euborea verwüsten würde. Das war etwas langweilig. Auch die Standarte aus der Haut von Halbohr konnte er sich nicht richtig vorstellen. Dabei wäre es ein prächtiges Bild, wie Bargh, der Krieger des Feuers und der Schatten, der Drachentöter, die Haut Halbohrs als Banner hoch über seinem Kopf trägt und damit die Armee befehligt. So sollte der grimmige Elf doch seinen Ruhm haben. Halbohr bekam zum Glück nichts davon mit, da er sich lieber damit beschäftigte, die Spuren der Karawanen zu untersuchen.

Als wir eine Rast einlegten, beobachtete ich Lyrismar. Seine Art unserer Herrin zu huldigen war gleichzeitig schrecklich und wunderschön. Er rieb einen Stab aus schwarzem Metall mit einer Art Öl ein und setzte diesen dann in Flammen. Grünliches Feuer züngelte über dem Stahl und die Luft darum flimmerte leicht vor Hitze. Unter fremden Gebeten drückte er sich dann den brennenden Stab auf seine Brust – auf eine bleiche Hautstelle, die noch nicht zu schwarzer Kohle verbrannt war. Es zischte, als das heiße Metall sich in das Fleisch hinein brannte. Doch er hatte keine Schmerzen. Im Gegenteil, er schien es zu genießen, als sich der Stab durch seine Haut fraß. Glücklich lächelnd lehnte er sich zurück. Ich wollte ihn nicht stören, also fragte ich leise Bargh, ob er wissen würde was es damit auf sich hätte. Doch auch für Bargh war dies neu. Es war ein Ritual, doch war es für Lyrismar auch wie ein Rausch, der vielleicht von diesem Öl herrührte. Es war faszinierend. Ich fragte mich wie es sich anfühlen würde, ob es beim ersten Mal weh tut und man danach die Freuden genießen konnte. Oder sogar schon direkt beim ersten Mal? Vielleicht erklärt Lyrismar mir es ja.

Wir durchschritten die seltsamsten Höhlenlandschaften. Wir sahen glitzernde Tropfsteinzapfen, kleine Flüsse und schimmernde Riesenpilzwälder. Glühende Augen betrachteten uns aus der Dunkelheit. Nach einer weiteren Zeit, es müssen wohl einige Tage gewesen sein, holten wir einen der Händlerzüge ein. Sie passierten gerade eine größere Tropfsteinhöhle, wo bleiche Flechten ein schwaches Licht von sich gaben. Ein Wagen wurde von Kriegern geschützt, von denen einer auf einer dieser haarigen Riesentaranteln ritt. Die Krieger und auch ein weiterer Nachtzwerg, der einen Karren mit einigen Stangen aus Ne’Ilurum schob, trugen das Wappen der Stadtwache von Urrungfaust: Eine goldene Krone über einem ebenfalls goldenen Kreuz aus Hämmern. Als sie Halbohr sahen, ging wieder das Getuschel los. Selbst in Urrungfaust kannte man diesen Namen also schon. Hoffentlich steigt es Halbohr nicht zu Kopfe und er vergisst nicht wo sein Platz ist. Halbohr gab vor in Urrungfaust weitere Handelsmöglichkeiten zu suchen. Ob sie ihm glaubten konnte ich nicht sagen, auf jeden Fall waren sie vorsichtiger als jene in Unterirrling. Jedoch waren sie auch nicht besonders feindselig. Ich könnte mir vorstellen, dass Bargh und bestimmt auch Lyrismar einem Kampf nicht abgeneigt wären, nach den langen Tagen des Wartens und des Marschierens. Doch beide waren auch keine Dummköpfe. Hätten wir die Nachtzwerge hier erschlagen, wäre unser Weg nach Urrungfaust bestimmt nicht einfacher. Der Anführer der Karawane empfahl uns den Klingenmarkt, doch sie schienen auch kein großes Interesse an weiteren Unterhaltungen zu haben. So ließen wir sie hinter uns und folgten weiter den deutlichen Spuren, die uns immer tiefer unter die Erde führten.​
 

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Sitzung 94 - Urrungfaust (Teil II)

Nach einem weiteren Reisetag änderten sich die Höhlen etwas. Mehrere Tunnel stießen aus den verschiedensten Richtungen zusammen und vereinigten sich zu einer richtigen Straße. Wir rochen auch etwas Anderes. War es vorher der Geruch von nassem Stein, so mischte sich jetzt der Gestank von Unrat, Fäkalien und auch Verwesung darunter. Diese Höhlen wurden anscheinend von Händlern und Sklaven stärker genutzt, die hier ihre Hinterlassenschaften verteilt hatten. Aus den verschiedenen Tunneln sahen wir Händler mit ihren Waren kommen. Ein schwer beladener Lastenkarren wurde von humanoiden Sklavenkreaturen gezogen, die mit den Peitschenhieben des Händlers weitergetrieben wurden. Der Geruch würde noch übler, er biss mich richtig in der Nase. Vor uns konnten wir einen Lichtschimmer erkennen. Ich hatte erwartet hinter der nächsten Öffnung eine weitere kleinere Höhle zu sehen, vielleicht mit einem Lager. Doch als der Tunnel sich öffnete, war ich atemlos. Atemlos wegen dem, was ich dort sah, aber auch atemlos wegen des Gestanks, der mir die Luft aus den Lungen trieb.

Vor uns lag eine wahrhaftig gigantische Höhle. Aus dem dunklen Wasser eines ruhigen Sees erhob sich inmitten der Höhle ein kleiner Berg an dessen Hängen unzählige Gebäude standen. Die Spitze des Berges zierte eine riesige Festung. Überall aus den Gebäuden und auch aus dem Stein selbst quollen schwere fettige Schwaden hervor und legten einen Schleier aus giftiger Luft über die Stadt und über den See. Über den Dächern der Gebäude brannten orange-rote Dunkelfeuer und gewaltige Purpurne über der Festung in der Mitte. Der Dunst trug das Licht weiter und verteilte es, auf dass schließlich die gesamte Höhle gespenstisch leuchtete. Ich konnte ein Husten nicht unterdrücken, doch sah ich auch, dass die Duergar, von denen immer mehr in diese Höhle traten, blutigen Schleim aus ihren Lungen husteten. Etliche trugen widerliche Geschwüre. Sie alle strömten zu einer breiten Brücke, die von unserem Ufer über den See in die Stadt hineinführte. Die Kanten der Brücke waren gespickt mit den grimmigen Bildnissen der Duergar, vielleicht alte Könige oder bekannte Krieger. Dort, wo die Brücke in die Stadt traf, führte sie unter einem großen Torbogen hindurch, schwer bewacht mit Türmen und Kriegern, die das Wappen der Stadt trugen. Der widerliche Rauch hüllte uns ein, als wir uns im Strom der Händler über die Brücke bewegten. Das Beißen in meinem Hals und meiner Lunge wurde schlimmer. Es war, als ob die schwarzen Fluten des Sees ihren ätzenden Hauch ausspien. Hier und dort konnte ich Blasen auf dem dunklen Wasser sehen, mit denen giftiger Rauch aufstieg. Lyrismar schien wie berauscht zu sein, von der Stadt und ihren Lichtern. Vielleicht wirkte sein brennendes Öl noch in seinem Körper. Er starrte die Lichter und die Duergar an. Als wir kurz vor dem Bogen waren trat aus den Türmen ein kleiner Trupp Soldaten heraus. Der Anführer der Gruppe, der eine große silberne Kette mit einem eingefassten Rubin trug, starrte Halbohr an, als ob er sich nur mühsam zurück halten könne ihm nicht direkt hier und jetzt den Schädel einzuschlagen. „Meister Halbohr! Ihr seid weit weg von eurem Zuhause. Ihr seht aus, als ob ihr wieder zurückkehren wolltet, in euren Tempel des Jensehers. Dort gehört ihr hin“. Der Soldat neben ihm, der ihn mit Geisteswerker Horund ansprach, wurde mit einem harschen Zischen zum Schweigen gebracht. Auch hier erzählte Halbohr seine Mär, dass er handeln wolle und auch hier glaubte man ihm. Wobei der Geisteswerker Horund ihm noch die drohenden Worte zum Abschied sagte: „Gehet und wisset, die grauen Augen Laduguers sind überall. Die Steine betrachten euch.“ Ich konnte sehen wie es in Bargh arbeitete. Es fehlte nicht viel und der Krieger würde die Schattenklinge Jiarliraes ziehen und Laduguer selbst die Augen ausstechen. Doch auch hier konnte er sich zurückhalten.

So tauchten wir ein in den nebelhaften Gestank Urrungfausts. Der Qualm der Essen, Werkstätten und Öfen biss in unsere Augen und Lungen. Überall begegneten uns hustende Duergar. Selbst die Kinder, die mit ihren Holzschwertern alte Schlachten nachspielten, spuckten Blut zwischen ihren Rufen. Ihre Spiele sahen für mich sehr interessant aus - nicht so einfältig, wie die der Sprösslinge der Riesen. Der Ort wirkte trist und trostlos. Überall der schwere Qualm. Alle Häuser waren grau in grau. Bollwerke aus gerader Steinarchitektur. Keine Bäume, keine Statuen, keine Brunnen, einfach nur Haus an Haus und dazwischen die Werkstätten. Etliche der Werkstätten produzierten ölige und ätzende Abwässer, die ihren Weg durch die Gossen in den großen See fanden. Lyrismar trennte sich von uns und wollte nach einer Bleibe schauen, während Halbohr und Bargh einen kleineren Markt ansteuerten. Wir blieben also auf der breiten Straße, die sich in Serpentinen in Richtung der Zitadelle hinaufschlängelte. Zielstrebig fand Bargh einen Stand, an dem ein dicker Nachtzwerg mit einer knolligen roten Nase irgendein Gebräu namens Dunkelbraan anpries. Halbohr bestellte sich direkt einen Humpen, doch der Tölpel hatte nicht mal an Bargh und mich gedacht. Bargh musste ihn erst noch daran erinnern und auch dann meinte Halbohr es wäre lustig, wenn er mich als Kind darstellte und mir nur einen halben Humpen geben würde. Halbohr redete zwar in der hässlichen Sprache dieser Kreaturen, doch wie so oft zeigte es sich, dass Halbohr einfach nur dumm war. Er dachte, ich könnte nichts davon verstehen. Ich konnte mir aber sehr wohl die ersten Brocken der Sprache bereits im Tempel des Jensehers aneignen und diese über die Zeit verfeinern. Halbohr würde es schon früh genug erfahren, dass er mich nicht unterschätzen sollte. Jetzt lachte auch der Bierhändler, rief mich einen kleinen Jungen. Ich stellte mir vor wie ich ihn lebend über den Feuern einer dieser Essen röstete, wie ich es mit den Kindern der Hügelriesen gemacht hatte. Die Schreie von ihm klangen wunderbar in meinem Kopf, doch plötzlich wurde ich aus meiner Träumerei gerissen. Ein Fischhändler, einige Schritte von uns entfernt, rief wie von Sinnen: „Haltet den Dieb!“. Ein kleineres und dürres Etwas lief mit einem stinkenden halben Fisch in der Hand davon. Ein hässlicher Kopf ragte aus einem ausgemergelten Körper empor, am Hals und an den Händen die Wunden von zu engen Ketten. Wenn ich mich richtig erinnere, wurden diese Kreaturen in alten Sagen als Goblins bezeichnet – auch wenn dieses Exemplar noch sehr jung war. Das Etwas war flink und schaffte es fast davon zu kommen, doch einer dieser Duergar stellte ihr ein Bein und das Etwas fiel der Länge nach zu Boden. Eine Duergar Frau platzierte ihren massigen Fuß auf den Körper. Das Etwas versuchte sich zwar zu winden, kam aber nicht davon. Die Gesetze hier waren offenbar sehr einfach: Stiehlt ein Sklave etwas, dann ist es das Recht der Bestohlenen den Sklaven zu töten. Das gefiel mir, keine Reden, keine Ausflüchte. Der Fischhändler zögerte noch, doch die Menge an Schaulustigen feuerte ihn an. Schließlich fällte er sein Urteil und nahm die ihm von einem Krieger bereitgestellte Axt. Mehre Hiebe brauchte der Fischhändler; er schwang die Kriegsaxt, als würde er Holz spalten. Das Etwas, dem Todesschrei nach vielleicht ein Goblin-Mädchen, zuckte noch einmal auf und blieb dann aber auf dem schmutzigen Boden liegen. Ich nahm noch einen Schluck des Dunkelbraan, das ziemlich kräftig war und warm die Kehle herabrann. Ich muss sagen, zu einem Teil bewunderte ich die Sitten dieser schmutzigen, missratenen Rasse. Die Menge verteilte sich wieder, offenbar nur eine kurze Ablenkung in dem sonst so tristen Alltag. Ich musste schmunzeln, als zwei Wachen den Fischhändler in seine Schranken wiesen. Die Worte „Ihr hattet euer Urteil und euren Spass, also beseitigt diesen Müll“, verstand ich sogar, als die beiden auf den toten Leib des Goblin-Mädchens zeigten.

Halbohr nutzte die Gelegenheit und schnippte ein Goldstück auf den Tresen des Bierstandes. Bier für jeden rief er und die Menge ließ sich das nicht zweimal sagen. Vorher waren die Blicke uns nicht wirklich freundlich gesonnen, doch der Gedanke an freiem Bier half offenbar. Während der Wirt seine Humpen an dem Fass füllte versuchte Halbohr ihm einige Informationen zu entlocken. Die Stadt Urrungfaust ragt aus dem See Arbolbaar auf und wird auch die „Stadt der Ehre und der harten Arbeit“ genannt. Nicht die Stadt der Spiele oder des Spaßes. Ich hoffte, dass wir diesen stinkenden Ort schnell wieder verlassen können. Die Festung, die imposant auf der Spitze des Berges thront, ist die Feste Blutsteinzitadelle. Sie ist der Sitz des Königs von Urrungfaust, Glanryk von Werunstein. Hinter der Festung erstreckt sich der Klingenmarkt wo man angeblich alles bekommen könne was man wolle; alles bis auf Duergarsklaven. Versuchte man diese zu handeln, würde man einen Kopf kürzer gemacht. Der Tempel von Laduguer, Glammringsfaust, ragt auf der gegenüberliegenden Seite der Stadt aus den Fluten des Arbolbaar auf. Dieser Tempel habe seine eigenen Regeln - so sei es schon immer gewesen und so würde es auch immer sein - so die Worte des Bierhändlers. Ob diese Worte auch noch gesagt würden, wenn die Fluten Jiarliraes über Urrungfaust hinwegfegen?

Das ganze Gerede fing an mich zu ermüden, also nahm ich noch einige tiefe Schlücke des Dunkelbraan. Das wohlige warme Gefühl breitete sich nicht nur im Magen aus, sondern begann auch in meinen Kopf zu steigen. Die Lichter wirkten faszinierend, wie sie sich über den Dächern bewegten. Bewegten sie sich überhaupt? Als wir ankamen standen sie noch still. Ich hielt mich am Rande des Standes fest, um zu überprüfen ob sie tatsächlich angefangen hatten sich zu bewegen. Doch auch der Stand bewegte sich plötzlich von mir weg und mein Griff ging ins Leere. Ich glaubte Halbohr lachen zu hören, dennoch waren die Lichter für mich interessanter. Sie fingen an sich zu drehen, oder drehte ich mich? Vielleicht war das Dunkelbraan doch stärker als ich dachte.

Lyrismar fand schon bald wieder seinen Weg zu uns. Er hatte in einem Stadtteil namens Zehnminenstadt eines der wenigen Gasthäuser mit dem Namen Orunbrunn gefunden. In diesem Stadtteil gab es viele Schächte von Minen, die tief unter den Berg und unter die Stadt führten. Hier standen kaum Häuser, nur dunkle Stollen aus denen ätzender Dampf strömte. Giftig schimmernde, vielfarbige Rinnsale flossen aus den Minen und vereinigten sich zu einem richtigen Bach aus Säure und Unrat. Der Bach floss direkt unter dem Gasthaus entlang, wo zwei Gebäude durch eine Art Wohnbrücke miteinander verbunden waren. Kleine Tische und Stühle waren an den schwarzen, schlammigen Ufern aufgebaut. Der Nebel der Minen sickerte hier hinab und alles war von diesem dunklen öligen Schlamm überzogen. Selbst die Lichter der Dunkelfeuer drangen nur gedämpft durch den ätzenden Qualm. Vor dem Gasthaus saßen schon die Minenarbeiter mit rußgeschwärzten Gesichtern und tranken ihr Bier, während sie Eiter, Schleim und Blut in ihre Geschwüre husteten. Zwischen den Arbeitern huschten einige weibliche Gestalten, die mich direkt an das Volk von Ortnor erinnerten, jedoch machten sie eher einen bedrückten Eindruck.

Es sah so aus, als ob wir noch einige Tage oder Nächte in diesem Gestank ausharren müssten. Hoffentlich lohnt es sich. Ich muss dem Gespür von Neire und Bargh vertrauen, dass wir nicht nur irgendeinen totem Duergar hinterherrennen, sondern dass es auch für mich ein weiterer Schritt auf dem Pfad des Verstehens ist.​
 

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Sitzung 95 - Feste Blutsteinzitadelle (Teil I)

Das Dunkelbraan, das ich an den Ständen der Händler getrunken hatte, war mir in den Kopf gestiegen, was den Weg bergab nicht leichter machte. Wir rutschten durch den giftigen Schlamm herab. Wenn wir in einer der leicht ätzenden Pfützen Halt fanden, spritzte der Dreck in alle Richtungen. Die Luft brannte auf der Haut. Es fühlte sich an, als wenn der Nebel und der Rauch einem die Haut vom Schädel abfressen würden. Und allgegenwärtig das Glühen der Dunkelfeuer über den Zinnen dieser Stadt und das immerwährende Hämmern irgendwelcher Schmieden, Essen und Gießereien. Diese Kreaturen kannten nichts als Arbeit. Sie lebten für ihre Arbeit und sie würden einst sterben für ihre Arbeit.

Unter der bebauten Brücke, welche die beiden Gebäudeteile verband, standen einige Tische, getrennt von dem giftigen Bach der aus den Minenschächten floss. Dreckige und grimmige Duergar saßen an den Tischen und erzählten lachend ihre Geschichten - was sie alles im Innern des Berges erlebt hatten. Ihre Gesichter waren schwarz gefärbt von Kohle und Schlamm. Dazwischen huschten die abgemagerten Gestalten der Svirfneblin Sklavenmädchen. Ihre bernsteinfarbenen Augen blickten unterwürfig gesenkt, während sie mit geschickten Händen Humpen und Schalen auf die Tische stellten. Als wir uns näherten flauten die Gespräche ab. Was kein Wunder war, schließlich boten alleine Bargh und Lyrismar eine eindrucksvolle Erscheinung. Beide riesengroß im Vergleich zu diesen Kreaturen. Barghs Rüstung aus Stahl und Mithril schimmerte in dem unwirklichen Licht der Dunkelfeuer. Und Lyrismar, mit seiner schwarz verbrannten Haut, machte nicht weniger Eindruck. Sein merkwürdig nach hinten gezogener Schädel gab ihm etwas Unmenschliches, wie von einer anderen Welt.

Während wir uns an einen freien Tisch setzten konnte ich die Blicke der Duergar in meinem Rücken spüren. Als sie Halbohr sahen, ging von der anderen Seite des Baches ein Gelächter aus. Einer zeigte auf das eine Ohr von Halbohr, was noch nicht von dem Brand Jiarliraes berührt wurde. Ich konnte nicht alles verstehen, aber einige Worte waren eindeutig: „… sie furzen Blätter …“, „… einer von denen, die es mit Bäumen treiben …“, „… diese Sonnenblüter …“. Ich fing an zu kichern und Bargh grinste Halbohr offen an. Er fand es wohl nicht ganz so lustig. Seine Miene blickte finster drein und seine Hand ging wie von selbst zum Griff seines Einhorndolches. Ich meinte sogar so etwas wie Blutdurst in seinem Blick zu sehen. Halbohr hatte einfach keinen Sinn für Spaß.

Nach kurzer Zeit hatten wir auch endlich die Aufmerksamkeit des Wirtes, Ryandor Snurgel, gewonnen. Dieser bewegte seinen dicken Bauch in unsere Richtung. Sein weißes Haar war schon etwas schütter geworden. Auf der rechten Seite seines Kiefers fehlten fast alle Zähne, was ihm ein schiefes Lächeln einbrachte. Ein Lächeln, das so falsch war, wie es wohl jedem Händler zu eigen, der seine Überzeugung gegen bare Münze tauschte. „Willkommen Reichsfremde in meinem schönem Lokal Orunbrunn. Ihr wollt bestimmt mein Bier trinken, das beste Bier von ganz Urrungfaust. Kostet nur acht Silberstücke!“ Vom Tisch nebenan murmelte ein Duergar erstaunt, ob er denn seine Preise erhöht hätte. Doch der Nachtzwerg neben ihm verstand es etwas schneller. Ein kurzer Stoß mit dem Ellbogen und er konnte das Thema ändern. Bargh konnte es auch hören und verschluckte sich an seinem Bier als er auflachen musste. Auch Halbohr hatte es gehört, grinste den Wirt aber nur an. Als er seine Preise für ein Zimmer nannte, wurde sein Grinsen zu einem erstaunten Blick. Fünf Goldstücke wollte er haben für nur eine Nacht. Offenbar war neben harter Arbeit auch der Wucher eine Tugend von ihnen. Halb im Scherz, halb aufgebracht, fragte Halbohr ihn ob das sicher für eine Nacht wäre oder für einen Monat. Doch wir konnten froh sein, überhaupt eine Unterkunft zu finden. Fremde werden in Urrungfaust ganz offensichtlich nicht gerne gesehen, geschweige denn Fremde mit spitzen Ohren. Ryandor erzählte uns, wie er in irgendeiner von ihren Schlachten gekämpft hatte und, so wie er sagte, unzählige von Elfen getötet hatte. Ganz offenbar Dunkelelfen, aber für Ryandor waren sie wohl alle ein und das gleiche. Dabei verstand ich immer noch nicht, was daran so besonders war. Auch ich habe schon Dunkelelfen in Kämpfen getötet. Sie schienen mir aber nicht so besonders, wie die Duergar immer taten. Aber gut, sie sind auch alle ziemlich klein. Dem Wirt versuchte ich das zu erklären, und auch, dass ich kein Junge und auch kein Mädchen bin. Ich bin eine Dienerin des Feuers, kein kleines Kind. Bargh legte eine funkelnde Platin Münze auf den Tisch, für unsere Zimmer und noch ein Bier für uns beide. Als es kam stießen wir unsere Humpen gegeneinander. Das Bier war nicht so stark wie das Dunkelbraan, aber es schmeckte dennoch sehr gut. Einem Duergar zwei Tische weiter gefiel es jedoch offenbar gar nicht, dass Fremde hier auch Spaß haben konnten. Er schlug mit seinem Humpen auf den Tisch und sprang auf. In seinen matt-blauen Augen funkelten Hass und die Lust auf einen Kampf. Ich freute mich schon darauf zu erfahren, was Bargh wohl mit so einem Herausforderer alles machen würde, doch leider kam es nicht so weit. Ein anderer Duergar zog ihn wieder runter und beruhigte ihn. Aber Halbohr konnte er damit offenbar beeindrucken, denn der Feigling wollte jetzt nur noch schnell auf die Zimmer. Er sagte zu Lyrismar, dass die Vernunft ihm das ein oder andere Mal schon das Leben gerettet hatte. Als Bargh das hörte, musste er laut auflachen. Neire hatte ihm etwas anderes erzählt und ja, es stimmte auch, dass entweder Neire, Bargh oder ich selbst es waren, die ihm das Leben gerettet haben. Wir waren es, nicht seine Vernunft. Man konnte sehen, dass es in Halbohr brodelte, doch auch jetzt wollte er lieber still und heimlich bleiben. Ryandor führte uns auf unsere Zimmer. Der Weg durch das Gebäude, die Treppen hoch und auf den Brückenbau kam mir ewig vor. In meinem Kopf drehte sich alles, ich musste mich dringend hinlegen. Das Bier war wohl doch stärker gewesen, als es den Anschein gehabt hatte. Vielleicht hatte dieser gemeine Wicht auch etwas Anderes hineingetan. Von solch niederen Kreaturen kann man alles erwarten.

Als wir am nächsten Morgen - falls man das überhaupt Morgen nennen kann in dieser Stadt - unser fettiges Frühstück vorgesetzt bekamen, machte sich mein Magen bemerkbar. Dieses bohnenartige Gewächs, was in einer dicken braunen Tunke schwamm, würde ich bestimmt nicht hinunterwürgen. Noch in der Nacht hatten wir beschlossen zum Klingenmarkt aufzubrechen. Das war als Ziel genauso gut wie jedes andere und man könnte dort Sklaven bekommen. Diese Rasse von Ortnor war gut darin, Tunnel und ganze Städte unterhalb der Erde zu bauen, die auch geheim bleiben konnten. Genau das richtige, um unserer Herrin den Weg in unsere Welt zu bereiten. Plötzlich polterte ein Duergarjunge in den Raum hinein. Verlegen, vielleicht auch etwas ängstlich hielt er ein versiegeltes Schriftstück in den Händen. Zumindest in einer Hand, die andere Hand streckte er fordernd nach vorne. Erstmal nachdem er gierig einige Münzen von Halbohr eingesteckt hatte, gab er ihm das Dokument und ging wieder. Jedoch nicht ohne sich noch feige an der Türe umzudrehen und zu rufen: „Meine Mutter sagt, alle Elfen sind Bastarde und sollen verrecken.“ Doch bevor irgendjemand reagieren konnte, drehte er sich um und lief durch den schwarzen Schlamm hinfort.

Auf dem Siegel war das Wappen einer großen Spinne zu erkennen. Halbohr brach es und öffnete das Dokument: „Meister Halbohr, Ihr befindet euch in großer Gefahr. Aus diesem Grund bitte ich euch sofort aufzubrechen und euch in der Feste Blutsteinzitadelle zu melden. Dort werdet ihr alles Weitere erfahren. Gezeichnet: Grauwegur Nebelritter.“ Also gut, dann eben zum Palast. Diesen fand ich ohnehin interessanter als den Klingenmarkt. Allein schon die großen violetten Flammen, die auf den vier Türmen brannten, waren imposant. Auf dem Markt würde Halbohr nur reden und planen und handeln, während wir uns die Füße in den Bauch stehen müssten. Vielleicht war es im Schloss auch sauberer als hier.​
 

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Sitzung 95 - Feste Blutsteinzitadelle (Teil II)

So verließen wir das Gasthaus und die Zehnminenstadt, um wieder dem Strom der Passanten hinauf auf die Spitze dieser Insel zu folgen. War es in Zehnminenstadt noch verhältnismäßig ruhig, so stießen wir hier auf Mengen von Passanten. Händler fuhren mit ihren Wägen und peitschten ihre Sklaven, wenn diese nicht schneller spurten. Kinder spielten irgendein kompliziertes Fangspiel, während einige von ihnen Blut husteten. Die Straße führte immer höher und bescherte uns einen besseren Blick über die Stadt. Die tiefen Gebiete lagen unter einem schweren Dunst, doch konnte man die gedrungenen und bedrückenden Bauten durch ihre Dunkelfeuer deutlich erkennen. Irgendwo links, fast an der Küste konnte man ein großes rundes Gebäude sehen, vielleicht irgendeine Art von Arena. Und vor uns ragten schließlich die schwarzen Basaltmauern der Feste Blutsteinzitadelle auf. Der Hauptweg der Straße führte zwar um die Feste herum, doch weiter geradeaus ging es durch einen kolossalen Bogen in das Innere des Palastes. Zwei große geöffnete Tore aus schwarzem Eisen säumten den Bogen und überall waren Wachen. Sie waren auf dem Weg durch das Tor, auf den Mauern zwischen den Türmen und auch auf den Türmen selbst. Die Wachen trugen zwar unterschiedliche Wappen doch waren sie alle gut gerüstet. In den senkrechten Mauern konnten wir auch viele Ritter sehen, die auf ihren riesigen haarigen Spinnen ihre Wache abgingen. Einige trugen das Wappen der Stadtwache, das Kreuz auf Hämmern und darüber die Krone der Stadt. Andere trugen ein Wappen, auf dem drei silberne Picken abgebildet waren, die sternförmig vom Mittelpunkt weg zeigten. Lyrismar erkannte es als das Wappen der Armee von Urrungfaust. Auch ich erkannte es und hatte auch schon von der Armee gehört. Sie galt bei den Duergar als unbesiegbare Streitmacht, die aber auch nicht davon absah, gegen die eigene Rasse und die eigene Stadt Krieg zu führen. Ich erinnerte mich einmal davon gehört zu haben, dass es früher, neben diesem Witz eines Gottes mit dem Namen Laduguer auch andere gegeben hatte, die sich „Gott“ schimpften. Es gab Tiefenduerra und Diirinka. Erstere war wohl eine Tochter von Laduguer, zweiterer wurde von der Rasse der Derro angebetet. Die Derro waren den Duergar zwar ziemlich ähnlich, jedoch vermieden sie die harte Arbeit und zogen eher Verrat und Heimtücke vor. Der Legende nach schuf Diirinka die Derro nachdem er von anderen Göttern Magie gestohlen hatte. Seine Rasse, die Derro, wurde daraufhin mit Wahnsinn gestraft. Auch in Urrungfaust hatte es wohl einmal Derro unter den Einwohnern gegeben, doch vor einigen Jahrzehnten wurden sie aus der Stadt vertrieben oder sogar ausgerottet. Ich hatte gehört von einem gewaltigen Blutvergießen, einem heiligen Krieg, den die Dienerschaft der Laduguer Gläubigen gegen die Derro geführt hatte. Derro gab es jetzt keine mehr in Urrungfaust.

Als wir uns dem Portal näherten schritten uns schon zwei Wachen in glänzenden Feldharnischen entgegen. Keiner der Duergar erkannte Halbohr - zum Glück. Ich glaube nämlich langsam, dass ihm dieser Ruhm zu Kopfe steigt. Erst als er ihnen das Schriftstück mit dem Siegel zeigte, durften wir passieren. Hinter dem Tor öffnete sich uns eine andere Welt. Zwar waren die Mauern immer noch trist und grau, aber der ganze Hof war sauber und ordentlich. Kein giftiger Schlick, kein Müll. Selbst die Luft schien hier etwas besser zu sein. Als eine der Riesentaranteln ihr Geschäft erledigte, huschte direkt ein Sklave heran und fegte es weg. Selbst Rüstung und Waffen der Wachen waren sauberer und sahen viel wertvoller aus. Wir wurden zu einem großen Gebäude in der Mitte des Hofes geführt. Auch aus dem dunklen Basaltstein erbaut, besaß es ein spitz zulaufendes Dach aus Holz. Wobei es eigentlich kein Holz sein konnte. Ich habe hier noch nicht einen Baum gesehen. Es musste wohl aus dem Stamm eines Riesenpilzes sein, der hier unten wächst. Große Runenbänder schmückten den Eingang zu dem Gebäude. Wir wurden noch bis zum Anfang eines Säulenganges geführt, dann mussten wir warten. Die Wache die uns bis hierher begleitet hatte, entfernte sich mit den Worten, den Grauwegur Rittern Bescheid zu geben. Auch hier gab es einige Wachen, jedoch hatten sie keine Wappen auf ihren Rüstungen oder Schilden.

Schon nach kurzer Zeit kam unsere Eskorte in der Begleitung einer weiteren Gestalt zurück. Der Nachtzwerg war komplett eingehüllt in eine der feinsten Rüstungen, die ich je gesehen habe. Der Harnisch war aus dem besten Ne’ilurum gefertigt und die einzelnen Teile der Platten geschickt miteinander verbunden. Ein konischer Helm bedeckte den Kopf, nur ein Augenschlitz blieb offen und auf der Stirnpartie prangerte das Wappen einer schwarzen Tarantelspinne. Die Gestalt wies uns militärisch zackig an ihr zu folgen, was wohl Halbohr, aber auch Bargh, sehr vertraut zu sein schien. Er stellte sich als Nebelritter vor, also der Grauwegur Ritter, der uns den Brief geschickt hatte. Während er uns weiterführte, begann er verschiedene Regeln aufzuzählen, wo Halbohr bestimmt begierig zuhörte. Ich selbst fand die ausgestellten Rüstungen wesentlich interessanter, an denen er uns gerade vorbeiführte. Ich sah keinen Duergar oder sonstige Wesen in den Rüstungen, aber dennoch war es, als ob sie mich hinter den leeren Augenöffnungen anstarren würden. Mehr im Hintergrund hörte ich, wie Nebelritter die Regeln für ein Treffen mit dem König erklärte. Wir durften den Ring von Grauwegur Rittern nicht betreten, sonst würden sie uns töten. Aber wir mussten unsere Waffen nicht abgeben und noch nicht einmal uns vor dem König verbeugen, wenn wir es nicht wollten. Ein merkwürdiges Volk, aber der Versuch diese Sitten zu verstehen würde sich vermutlich nicht lohnen. Sie würden sich vor Jiarlirae verbeugen, allesamt, und damit auch vor mir. Dann spielt es keine Rolle mehr, was sie wollen und was nicht.

Nebelritter führte uns zu einer großen Türe, die von Innen aufgezogen wurde. Dahinter eröffnete sich uns ein pompöses Gemach, ein großer Saal mit Säulen aus wertvollem Basalt. Fresken aus Alabaster zierten die Wölbungen und überall waren Vertiefungen mit gewaltigen funkelnden Edelsteinen. Doch trotz allen Prunkes: Die Formen die gezeigt wurden, die Fresken, die Säulen, alles war irgendwie gradlinig und nüchtern. Die Architekten und Künstler kamen nicht auf die Idee wirklich kreativ zu werden oder verspielte Ideen mit einfließen zu lassen.

Am Ende des Saals stand ein unverzierter Thron aus Basalt, der umringt wurde von vier weiteren Rittern, die ähnliche Rüstungen trugen wie Nebelritter. Es mussten dann also die anderen Grauwegur Ritter sein. Sie beschützten ihren König, Granryk von Werunstein. Der König sah müde aus, denn dunkle Augenringe lagen auf seiner fahlen Haut. Von den blauen Venen im Gesicht waren einige schon aufgeplatzt und unter seiner Rüstung drückten die Ansätze eines dicken Bauches. Das schüttere Haar wurde geschmückt von einer Krone, die aus wertvollen Feueropalen gefertigt war. Ich erinnerte mich an alte Legenden, dass er die Krone selbst aus einem Schatz der Dunkelelfen mitgenommen hatte. Zuvor sollte er ihre vorherigen Besitzer getötet haben. Es musste vor einer langen Zeit gewesen sein; vor vielen Jahren, als Granryk noch jung war. Auch die Kriegspicke, die er gerade verzückt streichelte, erkannte ich wieder. Die Waffe aus Mithril hatte sich in einer der vielen Gefechte den Namen Dunkelelfenschlächter verdient. Angeblich sei diese Waffe in der Lage, jeden Dunkelelfen mit einem Schlag niederzustrecken. Seit tausenden von Jahren tauchen immer wieder Geschichten von dieser Waffe auf und irgendwie hatte dieser König es geschafft, sie in seine Finger zu bekommen.

Halbohr begrüßte den König knapp und auch wir anderen neigten unsere Köpfe zum Gruß. Auf das Knie ließ sich keiner fallen. Dieser König war gut informiert. Er wusste über den Tempel des Jensehers und über die Machtübernahme von Germin Dunkeldorn durch das Recht des Zweikampfes. Auch war er nicht dumm. Ihm war sehr wohl bewusst, dass auch Urrungfaust das Ne’ilurum braucht was in Unterirrling abgebaut wird. Doch war er sich der Zukunft nicht so sicher wie Halbohr. Germin würde sich nicht lange halten können, wenn nichts unternommen werden würde. „Wir sind voneinander abhängig“, sprach der König. „Wir benötigen das Ne’ilurum aus Unterirrling und wir benötigen den Extrakt der Düsterheitpilze, den wir hier verkaufen. Aber es gibt Fanatiker, wie die Priester des Laduguer, die sich für schlechten militärischen Rat bezahlen lassen. Sie stellen sich als die einzigen Behüter der Duergar dar. Ich habe nach Runin’ore’Waere geschickt, um mir von ihm berichten zu lassen. Daraufhin wurde er ermordet. Der Tempel ist mächtig. Mächtig genug, um die Macht in Urrungfaust an sich zu reißen. Doch es würde in einem Gemetzel enden, was selbst die Priester sich nicht leisten können. Daher versuchen sie es heimlich zu machen. Seit Jahrhunderten gibt es zwei alte heilige Bräuche unserer Rasse: Zum einen der Kampf Mann gegen Mann, um Recht zu sprechen. Zum andern die Opferung von Missgeburten an die alten Götter, wobei es in Urrungfaust ja nur noch Laduguer gibt. Die schwachsinnigen Kinder der Duergar wurden seit jeher gesammelt, um sie dem dunklen Gott zu opfern. Es war unser alter Brauch, das Schwache und das, was abseits des Althergebrachten war, in unserer Rasse auszumerzen. Doch seit einiger Zeit gibt es keine dieser Kinder mehr. Sie wurden nach ihrer Geburt in Gefängnisse gebracht, doch von dort wurden sie geraubt. Man sagt ich hätte dies befohlen.“ Der König erhob sich von seinem Thron und ging einige Schritte auf uns zu. Trotz seines Alters bewegte er sich sehr elegant. „Doch ich sage euch, sie lügen. Sie versuchen meinen Ruf, meine Ehre als König zu zerstören. Sie sagen mir schlechte Dinge nach. Deswegen frage ich euch Halbohr. Es könnte eine gute Zukunft für Urrungfaust, Unterirrling und den Tempel des Jensehers geben. Handel, Reichtum und Ehre werden auf uns warten. Doch seid ihr bereit alles dafür einzusetzen?“ Halbohrs Antwort brauchte nicht lange, dann sprach der der grimme Elf mit dem verbrannten Ohr: „Wer nicht alles einsetzt, kann nicht alles gewinnen.“

„Hört gut zu. Ihr seid in der Stadt entdeckt worden, doch es ist nicht bekannt, dass ihr in meinen Palast gekommen seid. Der Junge der euch mein Papier gegeben hat, wird dabei kein Problem sein. Der Tempel Glammringsfaust liegt im Norden der Stadt. Doch es ist nicht nur ein Tempel, sondern eine Festung. Seit Jahrhunderten bilden die Priester von Laduguer Anhänger in der Kunst der Kriegstaktiken aus. Sie konnten in der langen Zeit die Verteidigung des Tempels perfektionieren. Es gibt eine Möglichkeit die Macht des Tempels zu brechen. Ihr müsst den Abt des Tempels töten, den Erzgraf von Düstergrau. Ihn und seine drei Schreckensritter, Hornbald den Grausamen, Laargyr den Dunklen und Daurgonn den Grauen. Das ist aber noch nicht alles. Einer der drei Türme ist über eine Brücke mit dem Moorund Stein verbunden, einer der beiden großen Tropfsteinzapfen in Urrungfaust. Dort befindet sich das Herz des Tempels und dort befinden sich auch die Antworten - warum der Tempel gegen mich vorgeht und keine Verhandlung möglich ist. Die Verteidigung des Tempels ist gut, doch er ist nicht uneinnehmbar. Die direkteste Möglichkeit wäre ein frontaler Angriff, das wäre jedoch einem Selbstmord gleich. Eine andere Möglichkeit wäre, dass Ihr an einer der Zeremonien für die Bevölkerung teilnehmt. Doch ihr müsstet euch als einer der Unseren ausgeben, was so gut wie unmöglich ist. Die Priester des Tempels schaffen es, Verkleidungen und selbst Trugbilder schwarzer Kunst zu durchblicken. Eine dritte Möglichkeit, vielleicht die Beste, wäre Folgende: In dem Keller meiner Feste habe ich Meister der Alchemie beschäftigt, mit dem Brauen von Elmsflammwein. Diese Flüssigkeit brennt lange und heiß. Wenn man sie in höheren Konzentrationen entzündet, schafft sie ein Inferno, das selbst die Mauern des Tempels zum Schmelzen bringen kann. In dem Chaos, was sich dann ausbreitet, könntet ihr es schaffen, unbemerkt in den Tempel einzudringen.“

In meinen Gedanken breitete sich eine wohlige Wärme aus. Der zufällige Blick von Bargh zeigte, dass man es mir sogar ein bisschen ansehen konnte. Die Bilder von brennendem Mörtel und glühenden Metall blitzen in meinem Geist auf. Das Geräusch von berstendem Stein klingelte in meinen Ohren, als die Erinnerung an den Tempel der Ehre emporkamen. Wie wenig ich damals doch wusste und wie viel ich jetzt verstand. Wenn wir Erfolg hätten, versprach der König uns in seine Schatzkammer zu lassen. Er sagte, dass er dort mächtige Gegenstände, mit der Magie der Dinge, lagerten. Er erzählte uns von der nachtzwergischen Kunst dieser Magie, welche die unsichtbaren Strömungen in Edelsteine bannte. Das Versprechen nach Schätzen, egal ob Gold oder nachtzwergischer Magie, verblasste in Anbetracht unserer kommenden Taten. Ich würde ein weiteres Mal das ausbrennen, was diese Welt besudelt.​
 

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Sitzung 96 - Sturm auf den Tempel

Dieser Elmsflammwein war ein wunderbares Gebräu, viel besser als das, was die Priester vor Dreistadt lagerten. Nicht nur, dass es eine gehörige Explosion geben würde. Es würde auch danach noch weiterbrennen. Die armen Wichte, die nicht schnell genug in Deckung gehen oder einfach nur Pech haben würden. Sie werden die wahre Umarmung unserer Herrin empfangen und entweder frohlocken oder jämmerlich zugrunde gehen.

Nach zwei Tagen, in denen uns die alchemistischen Meister des Königs von Urrungfaust in den Geheimnissen des Elmsflammwein unterwiesen hatten, kam Grauwegur Nebelritter zu uns und sagte uns, dass alle Vorbereitungen abgeschlossen wären. Ein älteres Exemplar dieser Duergar, Skrugnar, holte uns ab und führte uns wieder aus dem Palast heraus. In den wenigen Tagen, die wir hier verbracht haben, hatte ich schon fast den widerlichen Gestank der verpesteten Luft vergessen. Doch schon bald, als wir die Straße auf der gegenüberliegenden Seite der Feste Blutsteinzitadelle wieder herabgingen, musste ich husten. Die Schlote der Stadt, mit ihren von Dunkelfeuer umhüllten Zinnen, stießen unablässig ihren beißenden Qualm in die Höhe.

Skrugnar führte uns auf einer breiten Prunkstraße, wenn man sie denn so nennen konnte. Denn auch diese Straße war langweilig. Zwar breit, jedoch ohne irgendwelche interessanten Spielereien, die so mancher Architekt in der richtigen Welt über uns hätte bauen lassen. Wir hatten uns dreckige und stinkende Laken übergeworfen. Es sollte wohl so aussehen, als ob wir zu einem Sklavenvolk gehören würden. Das war bestimmt Halbohrs Idee, der wohl wieder seine Freude daran hatte, dass ich wieder das kleine Sklavenmädchen spielen würde. Einer seiner Pläne, der ohnehin nicht aufgehen würde.

Die Straße führte über einen großen Markt, wo wir schon von weither die Rufe der Händler hören konnten. Tatsächlich wurde hier alles feilgeboten, was man sich vorstellen konnte. Sicherlich auch bessere Arbeiter für den Tunnel, den wir aus dem Tempel des Jensehers unter der Irrlingsspitze planten. Je weiter wir bergab gingen, desto nobler wurden auch die Gebäude. Zwar immer noch in Grau- und Dunkeltönen, doch konnte man hier und dort auch Erker und Säulen sehen, die so gar nicht in das übrige Bild der Stadt passten. Bestimmt irgendwelche „Andenken“ vergangener Raubzüge. Allerdings wurde auch der Gestank beißender, je tiefer wir kamen. Dieser Gestank kam nicht nur von den Essen, sondern eindeutig auch vom Arbolbaarer See. Die Straße führte schließlich zu einem gewaltigen Bollwerk. Es schien, als ob drei große Türme direkt aus den giftigen Fluten auftauchten, die mit einer großen Wehrmauer und anliegendem-innerem, massivem Gebäude verbunden waren. Überall in der Mauer waren Gatter, die ins Dunkle des Tempels führten. Ich sah auch jene Spinnenreiter, von denen uns bereits erzählt wurde. Auf den Mauern patrouillierten sie und kletterten selbst die senkrecht emporragende Mauer hinauf. Die Körper der Spinnen waren mit stählernen Platten gepanzert und grimmig saßen die Reiter in ihren Sätteln. Hinter dem letzten der drei Türme ragte der gigantische Tropfstein aus den Wassern des Sees auf und verschwand irgendwo im Dunkeln dieser Höhle. Dieser Tempel war wahrlich eine Festung, doch Stein kann Feuer nicht widerstehen. Auch Laduguer würde das bald schon erkennen.

Skrugnar führte uns an den Mauern vorbei zu einem verlassen aussehenden Haus, neben einem der Türme. Er zückte einen Schlüssel und wir schlüpften schnell hinein. Zwar waren wir bis zum Tempel in einem Strom von Passanten und Händlern gegangen, doch hier, etwas abseits, konnten wir einen unbeobachteten Moment abpassen. Skrugnar übergab uns noch den Schlüssel und verschwand dann wieder. Das Innere dieses Hauses sah so aus, als ob hier immer mal wieder jemand nur für kurze Zeit blieb. Schlicht und nichts beinhaltend, was gegen Langeweile helfen würde. Was schade war, denn wieder konnten wir nichts anderes tun als zu warten. Ich gab Lyrismar die Robe aus der Haut der Höllenhunde, die ich bei den Feuerriesen gefunden hatte. Sie würde ihn gegen das Feuer des Elmsflammwein schützen. Während er sie anzog, starrte ich wieder fasziniert auf seine, bis zu Kohlen verbrannte, Haut. Wie oft schon mag er sich wohl den flammenden Stab in sein Fleisch gebrannt haben? Auch jetzt schien er wieder etwas zu torkeln und seine Augen blickten verträumt ins Leere. Der große Krieger Bargh und auch Halbohr wirkten angespannt. Sie blickten durch die Schlitze der verschlossenen Fensterläden. Die Geräusche der Passanten außerhalb wurden untermalt von einem Klingen und Hämmern aus den Inneren von Glammringsfaust welches einherging mit dem Singsang von nachtzwergischen Gebeten.

Irgendwann hörten wir das deutliche Knarzen eines schweren Wagens. Eine riesige Kreatur mit grauer Haut, haarlosem Schädel und einer schweren silbernen Kette um den Hals zog schnaubend einen schwer beladenen Karren. Der war zwar mit einer Plane bedeckt, doch die Schnüre, die an der Seite herabbaumelten, sprachen Bände. Auch die Wachen des Tempels wurden unruhig. Sie riefen nach Verstärkung, doch der Riese machte sich schon daran mit einem großen Feuerstein Funken auf die Schnüre zu schlagen. Endlich, endlich würde es losgehen. Ich konnte es kaum erwarten und freute mich schon auf den Knall, der bald kommen müsste. Schnell fielen Bargh und ich in die Gebete ein, die wir schon vorher immer wieder im Geiste abspielten. Wir zogen uns aus dem Gang hinter eine Wand eines entfernteren Raumes zurück. Und es war auch gerade rechtzeitig. Eine kleine Säule aus Rauch war die einzige Vorwarnung, die die Wachen bekommen sollten. Mit einem ohrenbetäubenden Bersten versank die Welt um uns herum im Chaos. Alles schien langsamer um mich herum zu werden. Es blendete mich, als die Woge des Feuers empor brach und die Tür des Raumes aus den Angeln schmetterte. Da war ein donnerndes Krachen, als Stein und Holz in alle Richtungen flog. Ein Druck, der mich fast von den Füßen warf. Ich konnte nichts mehr hören. Es war, wie als ob ich mich unter einer gläsernen Glocke befinden würde. Die Schreie der Kreaturen waren wie aus weiter Entfernung, als sie bei lebendigem Leib ihre verkommenen Seelen dem Feuer hingeben durften. Es war wunderschön.

Wir sprangen aus einem Fenster des Hauses und sahen das Werk. Die ganze Straße lag in Trümmern. Große Brocken von Stein waren überall verteilt. Aus den eben noch uneinnehmbaren Mauern des Tempels quoll Rauch aus einem gewaltigen Loch. Grün-weißliches Feuer brannte überall. Ich bewegte mich wie in Trance. Alles um uns herum stand in Flammen, selbst der Stein glühte. Schnell hasteten wir über die Steine in das Loch hinein. Die Flammen brannten um uns herum, doch sie konnten uns nichts anhaben. Mein Geruchssinn funktionierte, doch auch mein Gehör kam bald wieder. So kam es, dass ich die brennenden Riesentaranteln erst riechen konnte, bevor ich ihre Schreie vernahm. Der Gestank von verbranntem Chitin und Fleisch vermischte sich mit dem beißenden Geruch des Elmsflammwein. Die Explosion hatte ein Loch in die Zuchtstallungen der Riesentaranteln gebrannt. Wir stiegen über kolossale Leichname dieser Monstrositäten hinweg. Durch die Flammen und den Rauch sah ich lebende Riesenspinnen, die sich vor dem Feuer in die Schatten zurückzogen. Die Vielzahl ihrer schwarzen Augen glitzerte im Dunkeln. Das lange Warten hatte sich ausgezahlt. Ich fühlte mich wie in einer Ekstase und lachte und frohlockte.

Schnell hasteten wir durch einige brennende chitinerne Gänge, bis eine Türe vor uns plötzlich aufsprang. Einige Nachtzwerge wollten wohl ihren Kameraden zu Hilfe eilen. Doch liefen sie direkt in die Klinge Barghs. Sein Schattenschwert schlitzte die Leiber auf und auch der Einhorn Dolch von Halbohr trank neues Blut. Wir konnten es uns nicht erlauben einen Sieg zu feiern. Lyrismar griff nur schnell den großen Schlüsselbund, den einer der Duergar bei sich trug und wir hasteten weiter. Die Schreie und das Chaos fielen immer weiter zurück. Selbst der Brandgeruch geriet leider schon bald in den Hintergrund und machte einem beißenden Schwefelgeruch von Schmieden und Essen Platz. Der Schlüssel öffnete uns mehrere Türen und so liefen wir weiter durch die dunklen hohen Hallengänge. Wir kamen zu einer größeren Kammer, die wohl als Kohlelager diente. Ein stählernes Gatter versperrte den Durchgang und hinter den Gitterstäben blickten uns Tempelwachen hasserfüllt an. Doch Bargh und Halbohr hatten schon vorher ihre Bolzen und Dolche mit tödlichem Gift unserer Göttin bestrichen. Als die Geschosse die Haut der Duergar verletzten, wurden ihre blauen Adern in Windeseile erst grün und dann schwarz. Sie schrien, als das Gift in ihre Muskeln drang und sie in eine unnatürliche verkrümmende Haltung zwang. Sie waren schon Tod, als sie auf den Boden aufschlugen. Die Gitterstäbe waren kein Hindernis für Bargh. Die Muskeln unter der schimmernden Mithril Rüstung spannten sich an und er bog die Eisenstäbe auseinander als ob sie Holz wären.

Hinter uns hörten wir weitere Stimmen. Sie hatten die ersten Toten entdeckt. Wenn wir es nicht mit dem ganzen Tempel aufnehmen wollten, mussten wir uns jetzt noch mehr beeilen. In dem Kohlelager war einer dieser Schächte, die wir schon in Unterirrling gesehen hatten und mit denen diese Kreaturen schwere Lasten noch oben und unten transportieren konnten. Doch konnten wir hier keinen Hebel oder anderen Mechanismus finden, mit dem man ihn in Gang setzen konnte. Mussten wir etwa wieder zurück? Der Geruch der Kohle, die auch deutlich nach Schwefel stank, setzte mir zu. Zurück konnte es nicht gehen, wir mussten weiter, immer weiter. Die Stimmen hinter uns waren schon sehr nah: „Eindringlinge! Ein Angriff!“ riefen sie. Ich zog meinen Säbel. Die Adern aus Ne’Ilurum in meinen Handschuhen pulsierten und ich konnte die Kraft spüren, die sie mir gaben. Nur aus dem Augenwinkel bemerkte ich, dass Bargh begann die steinernen Platten dieser Lastenkammer nach oben weg zu drücken. Ich war in Rage. Warum sollten nur Bargh und Halbohr den Ruhm für sich behalten. Vier Duergar rannten den Gang herauf in unsere Richtung, doch als ihr Blick auf das verbogene Gatter fiel, stockte ihr Lauf etwas. „Wo sind die anderen?! Bewacht den Tempel!“, schrie einer, der vielleicht ein Anführer dieses Trupps war. Ich stellte mich ihnen entgegen. Etwas ungläubig blickten die grauen Augen mich von unten an, doch bevor er irgendetwas sagen oder machen konnte, schlitzte ich ihm mit meinem Säbel den Bauch auf. Platschend fielen seine Gedärme auf den Boden. Dem zweiten schlitze ich die Kehle auf, so dass er röchelnd zu Boden sank. Die beiden dahinter wollten ihre Äxte auf mich schlagen, doch ich war viel zu schnell für sie. Plötzlich sanken auch sie zu Boden. Lyrismar stand neben mir. Ich hatte ihn gar nicht bemerkt, doch seine beiden Kurzschwerter sangen ihre eigenen Lieder von Tod und Verderben.

Währenddessen hatte Bargh sich den Steinplatten in der Decke des beweglichen Raumes gewidmet. Er hatte sie einfach mit der Faust zerschlagen und Halbohr zog sich in den Schacht nach oben. Doch weitere Tempeldiener oberhalb erwarteten ihn schon und schlugen mit Picken und Äxten auf ihn ein. Mit einer gehörigen Portion Glück schaffte es Halbohr jedoch den Angriffen auszuweichen und zog sich in den Gang darüber. Hier befand sich ein großer Raum mit zwei noch glühenden Hochöfen. Einer der Hochöfen brannte lichterloh, während der andere gerade ausgeräumt worden war. Die Gesichter der Nachtzwerge, die auf Halbohr einschlugen, waren von Ruß geschwärzt und sie trugen schwere lederne Schürzen. Ein etwas älteres Exemplar trug einen schwarzen Saphir mit dem eingebrannten Wappen des Tempels auf seiner sonst nackten Brust. Als ich mich selbst hochzog, sah ich gerade noch wie er mit einem dreckigen Finger auf Halbohr zeigte und einfach nur rief „Lasst sofort ein und legt eure Waffen nieder!“. Irgendetwas war in seiner Stimme, was diesem Befehl fast unwiderstehlich machte. Doch waren wir alle gesegnet und wandelten im Schatten von Jiarlirae. Unser Geist war gestärkt, selbst der von Halbohr. Er stieß die immer blutende Klinge seines Dolches dem Duergar von unten durch den Kiefer, auf dass er nie wieder seine Stimme erheben konnte. In dem Schein der Öfen und in dem ätzenden Dampf von Rauch und Schwefel schritt die Gestalt Bargh majestätisch an mir vorbei. Seine Klinge blutete Feuer und dieses Feuer war stärker als das der Essen. Es verschlang die verbliebenen Nachtzwerge. Dieser Tempel wird fallen. Laduguer wird fallen. Sie wissen es nur noch nicht.​
 

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Sitzung 97 - Sturm auf den Tempel II

Wir keuchten alle von der Kletterei durch den Schacht und von der Anstrengung des Kampfes. Mein Kopf glühte. Ich wusste nicht, ob es von der Hitze der Hochöfen war oder von der stickigen Luft im Tempel Glammringsfaust. Beißender Rauch der Essen und Hochöfen lag in den Gängen und Hallen. Monumentale Hallen, die uns sagen wollten: „Ihr seid Abschaum! Nur wir Duergar sind würdig!“ Pah! Die Toten, die zu unseren Füßen lagen, erzählten uns das Gegenteil. Dennoch schwitzte ich unter meiner Maske. Die Gesichtshaut des Hügelriesenkindes klebte auf meiner Stirn sowie meinen Wangen und begann zu jucken. Ich wollte sie aber nicht abnehmen. Sie täten besser, wenn sie vor mir Angst bekommen. Vielleicht können sie dann ihr Heil in der Flucht suchen. Auch Bargh trug seine Maske. Die Schuppen des grünen Drachen hatte er wie Schindeln eines Daches übereinandergelegt und ein schwarzer Opal lag vor seinem eigentlichen Rubinauge.

Plötzlich hörten wir direkt vor uns und von der anderen Seite des Schachtes die Stöße eines Kriegshorns. Es waren mehrere kurze Töne, doch wir konnten nichts sehen. Ich spürte aber mit einem Male deutlich, dass irgendjemand widerliche Gesänge murmelte, die Laduguer preisen sollten. Diese Gesänge taten mir in den Ohren weh. Auch Halbohr schien die Gesänge zu hören und auch er mochte sie nicht. Vielleicht besteht ja doch noch Hoffnung für ihn, wenn er erkennt, dass er sich mit seiner ganzen Seele Jiarlirae hingeben muss. Jetzt nahm er einen seiner Dolche und schleuderte ihn in die leere Luft vor ihm. Ich dachte erst, er hätte komplett den Verstand verloren, doch der Dolch fand tatsächlich ein Ziel. Mitten in der Luft blieb er stecken. Man sah noch die klebrige dunkle Schicht, die auf der Klinge haftete. Doch schon als der Dolch stehen blieb flimmerte die Luft und es wurde eine riesengroße, rußverschmierte Gestalt sichtbar. Ja, König Granryk hatte erwähnt, dass diese Priester sich unsichtbar machen konnten. Und dass sie sich größer machen konnten, hatte ich ja schon selbst erfahren. Doch dieses Exemplar zuckte, als das Gift von dem Dolch seine Wirkung zeigt. Die blauen Venen verfärbten sich schwarz und die Kreatur begann nach vorne in den Schacht zu kippen. Mit einem Knirschen von Knochen schrumpfte sie in sich zusammen, als sie ihren letzten Atemzug aushauchte. Aus der Tiefe konnte ich noch den dumpfen Aufschlag hören, als der Nachtzwerg auf das Dach des Aufzuges krachte.

Da flimmerte die Luft nochmals und mehrere Reihen dieser widerlichen Abkömmlinge des stämmigen Volkes kamen zum Vorschein. Auch sie hatten sich vergrößert und hielten uns ihre langen Lanzen über den Schacht entgegen. Zumindest erklärt dies auch warum die Gänge hier alle so groß waren, viel größer als es für die Kreaturen überhaupt notwendig war. Nicht nur Lanzenträger wurden sichtbar, sondern auch eine Reihe die mit Armbrüsten auf uns zielte. Und gleichzeitig erschien eine weitere Gestalt, die uns mit donnernder Stimme befahl unsere Waffen in den Schacht zu werfen. Auch wieder dröhnte mein Schädel bei den Worten, doch ich hörte auch eine angenehme Stimme im Hintergrund meiner Gedanken. Natürlich verstand ich inzwischen, wem diese Stimme gehörte und konzentrierte mich auf diesen lieblichen Klang. Die Worte des Duergar waren kaum noch wahrzunehmen. Nur Lyrismar gehorchte dem Befehl. Der Anhänger Jiarliraes bewegte sich schlaksig mit seinen merkwürdig langen Beinen und Armen auf den Schacht zu und warf tatsächlich sein schwarzes Kurzschwert dort hinein. Hatte er die Stimme nicht gehört? Doch sollten sie für diese Anmaßung büßen. Bargh beschwor seine unheilige Magie. Er ließ das Fleisch eines der Armbrustschützen verfaulen. Ich brannte ihnen die Muskeln von den Knochen, als ich sie in gleißenden elektrischen Energien baden ließ. Doch sie ließen noch immer nicht nach. Die Gebete, die sie unablässig sprachen, konnte ich noch immer hören. Sie sollten aufhören damit! Lyrismar und ich beteten ebenfalls zu unserer Herrin und sie schenkte uns ihre Flammen. Lyrismar schleuderte mehrere brennende Kugeln auf die Priester und ich selbst schenkte ihnen eine Säule aus Flammen. Sie schrien, als sie darin zugrunde gingen. Nur ein älterer Priester atmete noch, als Halbohr über den Schacht und über die brennenden Leichen sprang, die wieder auf ihre eigentliche Größe schrumpften. Der Priester zog seine Picke mit grimmigem Gesichtsausdruck und erwartete Halbohr. Es war fast, als ob er mit ihm in einen Zweikampf treten wollte, wie es vor wenigen Tagen Germin Dunkeldorn und Firin’ore’Waere in Unterirrling gemacht haben. Doch Halbohr ließ sich nicht darauf ein. Ich musste etwas grinsen, während er die Gelegenheit nutzte als der Priester ausholte und ihm seinen Dolch aus dem Einhorn einfach in die Kehle stieß. Der Priester röchelte noch irgendetwas und sank dann auch in sich zusammen. Endlich waren auch die letzten Reste der Gebete und Gesänge verschwunden. Trotz der Erleichterung und des Sieges, wirkte Halbohr auffallend nervös. Hatte er vielleicht bemerkt, dass einer unsichtbaren Laduguer Anhänger durch die Schatten verschwunden war? Würden sie jetzt wissen, wer sie hier in ihren eigenen Hallen angriff?

Hinter dem Schacht war eine weitere Kammer, in dem die Duergar ihre stinkende Schwefelkohle lagerten. Doch dort war auch ein Raum in dem sie mit den Steinen und Metallen experimentierten. Irgendwelche Säuren versuchten sie mit dem Metall zu verbinden. Ich verstand nicht wozu das gut sein sollte und auch aus den Aufzeichnungen wurde ich nicht schlau. Doch ein kleiner Seitenraum war wesentlich interessanter. Lyrismar hörte hinter einer Wand ein leises Klopfen. Ich sah nichts und konnte auch nichts hören, doch als er auf ein Regal zeigte, merkte ich, dass es hinter dem Regal hohl war. Kleine Haken hielten das Regal in seinem Platz und als man diese entfernte, ließ es sich einfach zur Seite schieben. Dort hinter war ein weiterer kleiner Raum, in völlige Dunkelheit gehüllt. In der Mitte war etwas, das wie ein aufrechtstehender Sarg aussah; ein Sarg, der wie ein großer menschlicher Körper geformt war. In der Mitte war eine Axt aus puren Ne’Ilurum eingelassen an deren Knauf ein schwarzer, rötlich pulsierender Opal eingelassen war. Jetzt konnte ich es auch hören. Ein Ächzen und Stöhnen, aber wie als wenn es sehr weit weg war. Dennoch kam es deutlich aus dem Innern dieses Sarges. Drei große eiserne Schlösser hielten die den Sarkophag geschlossen. Lyrismar murmelte etwas davon, dass ihm die Stimme der Kreatur bekannt vorkam, auch wenn er sie nicht richtig zuordnen konnte. Er und Halbohr begannen die Schlösser zu öffnen.

Als sich quietschend die Scharniere öffneten, brach uns eine Woge von bestialischem Gestank entgegen. Der Geruch von Fleisch und Säure stieg uns in die Nase und ich hustete auf. In dem Sarkophag war eine Kreatur eingepfercht. Eine dämonenhafte Gestalt mit zerfetzten ledernen Schwingen, die aus der ledernen Haut des Rückens kamen. Leuchtende Augen blickten uns aus einem von Hörnern besetzten Schädel an. Die Gliedmaßen der Kreatur wurden verdreht, damit sie in diesen Sarg hineinpassten und zusätzlich drangen lange Spieße von der Innenseite durch den Körper des Wesens und hielten sie so fest. Als die Augen sich auf uns richteten, hörte ich eine Stimme in meinem Kopf. Aber keine angenehme Stimme. Es war eher ein Rasseln, das wie tausende scharfe Eissplitter durch meinen Kopf drang: „Lasst mich frei sterbliche Seelen und ich werde euch verschonen!“ Lyrismar zögerte nicht lange. Es war jedoch keine Angst die ihn dazu brachte, den Sarkophag wieder zu zuschlagen. Irgendetwas hatte er an dieser Kreatur erkannt. Sie schrie auf, als die Spitzen sich jetzt wieder durch ihr dunkles Fleisch rammten. „Ein Dämon aus den neun Höllen! Abscheulichkeiten, die versuchen durch feigen Handel und Verträge sich ihrer Haut zu erretten“, sagte Lyrismar voller Abscheu. Und ich konnte die Abscheu verstehen. Die neun Höllen wären ein Ort für Halbohr. Verträge über Verträge, Handel über Handel. Alles ordentlich festgehalten, nur um ein Schlupfloch in den Verträgen zu finden. Die Kreatur sollte hierbleiben und hier weiter ihr Dasein in endlosen Qualen fristen. Der Opal auf der Axt begann wieder zu pulsieren. Vielleicht versuchten die Duergar, die Macht dieses Teufels auszusaugen und in diese Waffe zu leiten. Sollten sie doch. Sie werden schon sehen was sie davon haben werden, wenn ich die Verträge, die sie schließen, verbrennen würde.

Wir verließen den Raum und gelangten zu einer Wendeltreppe, die weiter nach oben führte. Halbohr konnte schon am Fuß der Treppe die Rufe von Truppen hören, die sich dort oben positionierten. Aber es blieb uns keine Wahl. Die Treppe endete an einer Türe. Nachdem Bargh und ich den Segen unserer Herrin erbaten, stieß Halbohr die Türe auf. Wir kamen in einen kuppelartigen Gang, der auch wieder viel größer war als es für diese Wichte eigentlich notwendig sein müsste. Vielleicht wollten sie mit der Größe dieser Hallen andere beeindrucken. Und wie ich mir es schon dachte, wurden wir bereits erwartet. Von links und rechts schritten jeweils vier unheimliche, gerüstete Gestalten auf uns zu. Es waren wandelnde Ritterrüstungen, deren Augenschlitze, von einer unheimlichen Präsenz beseelt, rötlich glühten. Weiter rechts hatten sie mit Schilden eine große Barrikade aufgebaut. Halbohr und Bargh versanken ihre Klingen in die wandelnden Rüstungen. Die Schatten, die wie ölige Tropfen aus Glimringshert drangen, entzündeten sich in wohligem Feuer und zerschmetterten die ersten Rüstungen. Doch es kam kein Schrei von Schmerzen, nur ein leiser Seufzer und der Geruch von alter fauliger Luft, der aus dem Inneren hervordrang. Hinter den Barrikaden erklang ein lauter Ruf: „Jetzt! Lasst Feuer und Säure los!“ und über uns regneten zwei Gläser herab, von denen eines auf dem Boden und das andere an einer Wand explodierte. Und auch die widerlichen Gebete erklangen wieder. Ich hatte genug. Ich wollte dieser Priester zerstückeln, auf dass sie nie wieder meine Ohren mit diesem Klang besudeln. Ich flehte die Herrin an, dass sie ein Meer von Schattenklingen über die Priester kommen lasse, doch eine Flasche zerplatzte an der Wand über mir. Die Säure regnete auf mich hinab und brannte furchtbar in meinem Fleisch. Gleichzeit erschienen über uns und wie aus dem Nichts mehrere riesige Taranteln mit gepanzerten Reitern, die sich von der Decke auf uns fallen ließen und ihre gewaltigen Lanzen nach uns stießen. Die Klingen bohrten sich in Halbohr und auch in Bargh hinein. Doch das stachelte nur ihre Wut an. Ein erbitterter Kampf entbrannte. Nichts und niemand wurde geschont. Stahl traf auf Stahl und auf Fleisch. Jemand brüllte. Lyrismar konnte nicht schnell genug ausweichen und eine Axt der Rüstungen bohrte sich in sein Fleisch. Noch ein Brüllen. Dieses Mal von hinter den Barrikaden als weitere Fläschchen auf uns katapultiert wurden. Ich zog mich zurück zur Treppe. Von allen Richtungen drängten sie auf uns zu, von rechts, von links und von über uns. Ich hatte keine Angst, nein. Aber wie soll ich weiter die Wege Jiarliraes verstehen, wenn ich tot bin? Doch dann konnte ich Aufatmen. Wieder hörte ich das Brüllen eines Befehls, doch dieses Mal war es eindeutig das Kommando „Rückzug!“. Ich blickte aus der Öffnung. Bargh, Lyrismar und sogar Halbohr standen verletzt über zerstörten Rüstungsteilen und toten Leibern von Duergar und Spinnen. Jetzt liefen sie in Richtung der Barrikaden. Die Bastarde dieser Priester, die sich dort verschanzt hatten, wussten anscheinend, dass auch ihr Ende nahe war. Doch sie versuchten ihren Untergang noch etwas hinauszuzögern und zogen sich zurück.

Nochmals mehrere kurze Hornstöße und das dumpfe Zuschlagen einer schweren Türe. Wir mussten weiter und zwar schnell. Der Tempel musste brennen – besser jetzt, bevor alles zu spät ist.​
 

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Sitzung 98 - Sturm auf den Tempel III

Mir brannte die Lunge von den Ausgasungen der Essen und dem allgegenwärtigen Gestank der über Urrungfaust und dem ganzen Arbolbaar See zu herrschen schien. Doch auch der Geruch der noch brennenden Leichname mischte sich dazu. Ich fand ihn fast schon lieblich. Mein ganzer Körper schmerzte. Dort, wo mich diese hinterhältigen Kreaturen mit ihrer Säure beworfen hatten. Feige waren sie. Hätten sie sich uns gestellt, hätte Bargh sie schon längst aufgeschlitzt. Jetzt war er damit beschäftigt uns den Weg zwischen den Barrikaden aus Schildern frei zu machen. Seine furchteinflößende Gestalt, größer als ein normaler Mensch jemals werden könnte, stieß die großen Schilde einfach mit seinem Ellbogen um, so dass sie krachend auf den Boden fielen. Ich konnte sein Gesicht hinter seiner grünen Drachenmaske nicht sehen, konnte mir aber vorstellen, dass er grimmig dreinblickte. Auch er wollte bestimmt nicht länger hierbleiben, als es notwendig war. Lyrismar dagegen schien entspannter. Seine bis zu Kohle verbrannte Gestalt hielt sich im Hintergrund, während ich mich wieder vorsichtig in den Gang bewegte. Seine violetten Augen blitzten wie zwei Edelsteine aus dem schwarzen Schädel hervor. Langsam bewegte ich mich zu Bargh, unter der Spinne hindurch die noch immer in einer Totenstarre über uns an der Decke klebte. Lyrismar ging zu Halbohr und horchte an der Türe aus der vor uns entwischt sind: „Daugronn der Graue und Hornbald der Grausame verteidigen ihre Türme. Der Befehl für euch ist die Position zu halten. Und sollten sie in den Turm von Laargyr dem Dunklen eindringen, dann folgt ihnen.“ Das waren also die drei Schreckensritter von denen der König uns erzählt hatte. Fehlt nur noch der Erzgraf von Düstergrau. Von ihm noch keine Spur.

Als ich gerade dabei war einer der Rüstungen zur Seite zu ziehen, stieß ich gegen eine Stelle der steinernen Wand. Es hörte sich irgendwie dumpf an, nicht wie normaler Stein. Ich winkte nach Lyrismar und zusammen fanden wir einen Riss, der sich wie eine Türe abzeichnete. Dort hinter lag ein verwinkelter Raum, der sich unter einer Treppe zu befinden schien. Dicker Staub und Spinnweben zeugten davon, dass wohl schon sehr lange niemand mehr hier gewesen war. Doch am anderen Ende konnte Halbohr auch wieder Stimmen hören. Duergar, die sich wohl versuchten abzusprechen, wie und wo sie uns aufhalten können. Eine alte Klappe führte nach außen und als Halbohr sie öffnete, konnten wir wieder einen flüchtigen Blick auf die Dunkelfeuer der Stadt Urrungfaust erhaschen. Ich fand es wenig interessant oder besonders, aber Halbohr steckte seinen verunstalteten elfischen Kopf heraus und schaute konzentriert in alle Richtungen. Als ob er etwas dort gefunden hatte, blickte er zufrieden in unsere Richtung und führte uns aus dem Raum heraus zu einer der Türen in dem Gang.

Alle Türen waren mit komplizierten Schlössern versperrt, doch Halbohr war sich seiner Sache sicher. Zum Glück für uns half Lyrismar ihm immer. Und das war auch Halbohrs Segen, denn bei einer Türe blitzte kurz eine Rune aus der Schrift der Nachtzwerge auf. Schnell zuckte seine Hand auf einen Funken der davon ausging und schaffte es wohl im letzten Moment, den Funken zum Ersticken zu bringen. Für einen Augenblick war seine Haut so blass wie die der Duergar. Wir fanden hinter den Türen mehrere Kammern und Hallen. In einer größeren Halle bauten sie offenbar jene Rüstungen zusammen, die uns angegriffen hatten. Große Teile von Plattenpanzern wurden mit Gliedern versehen, so dass man sie zusammenstecken konnte. Das Ne’ilurum, was in das Metall eingearbeitet wurde, glänzte gespenstisch. Auf der Innenseite der Rüstungsteile waren Runen eingearbeitet die ihrerseits auch leicht glühten wie heißes Eisen. Die Innenseite war zudem mit einer seltsamen schwarzen Substanz bestrichen. Auch weitere Räume dienten dem Bau dieser Kreaturen. Sie hatten es gewagt die heiligen Flammen Jiarliraes für diese Konstrukte zu missbrauchen. Alleine dafür wollte ich sie in den fauligen Wassern des Arbolbaar versenken. Sie hatten es nicht einmal verdient im Feuer zu sterben.

Wir fanden einen weiteren verborgenen Gang, der mit einem hölzernen Schrank verdeckt war. Als wir ihn zur Seite schoben, wurde mit einem Mal der Geruch von Säure ersetzt durch den Gestank von Fäule und Fäkalien. Der Gang führte uns zu einem kleinen Trakt mit einigen wenigen Zellen. In den Zellen blickten uns schwachsinnige Augen des Nachwuchses dieser Duergar an. Die Kinder in den Zellen wirkten zurückgeblieben und debil. Sie hausten dort auf dreckigem und schimmligem Stroh, inmitten ihres eigenen Urins und Kot. Doch der Sabber und die Art, wie sie mich mit ihrem dümmlichen Lächeln anblickten, sagte mir, dass sie sich gar nicht bewusst waren wo sie sind. Ein Mädchen klatschte mit ihren aufgedunsenen Händen in einer Pfütze herum. Woraus diese Pfütze bestand mochte ich mir gar nicht vorstellen. Ein anderes Ding, vielleicht gerade einmal neun oder zehn Winter alt, blickte mich direkt an. Ebenso debil grinsend wie die anderen zeigte es seine verfaulten Zähne, die aus einem aufgeblasenen, verformten Kopf wuchsen. „Mutter! Mutter! Essen! Hunger!“, strömten die abgehackten Worte aus dem Mund des Geschöpfes. Als ob ich ihnen etwas zu Essen geben würde. Aber ich dachte mir, dass sie vielleicht ganz passable Spielzeuge abgeben würden. Ich könnte ihnen bestimmt ein paar Kunststücke beibringen, so wie ich es mit Funkenträger vorhatte. Vielleicht mit ein bisschen Hilfe, könnte der schwachsinnige Junge auch in so einem schönen Licht strahlen, wenn auch nicht so lange. Vielleicht eine feurige Krone um seinen Kopf? Doch dann machte Bargh einfach alles kaputt. Er begann zu lachen. Er sagte, er wüsste gar nicht, dass ich Kinder hätte. Was fällt diesem Tölpel ein?! Vielleicht sollte er weniger trinken. Seinem Kopf scheint das nicht gut zu tun, Drachentöter hin oder her. Ich hatte nicht wenig Lust in seinem Gesicht ein kleines Andenken meines Säbels zu hinterlassen. Welch eine Frechheit. Ich spürte, wie ich vor Wut fast platzte. Mein Säbel zuckte wie von selbst zur Seite und die Spitze bohrte sich in die Brust dieses schwachsinnigen Jungen. Das half dann wenigstens ein bisschen meine Laune zu bessern, aber dennoch sollte Bargh sich von mir fernhalten.

Halbohr und Lyrismar unterhielten sich über diese Kinder. Es waren wohl die Kinder, die normalerweise öffentlich geopfert werden sollten, um Laduguer ruhig zu stellen. Es waren wohl die Kinder von denen uns der König erzählt hatte, dass sie aus den Kerkern der Stadt verschwunden wären. Vielleicht nutzten die Priester sie, um zu experimentieren. Oder sie wollen einfach nur den König der Stadt schlecht dastehen lassen. Für die Experimente sprach eine Art Tagebuch, das wir in einem anderen Raum fanden. Vermutlich ein neuer Rekrut für den Tempel hatte seine wenigen Gedanken dort aufgeschrieben. Er freue sich auf seine Aufgaben und dass er an Forschungen teilnehmen dürfe. Am Ende stand etwas, dass es von Laargyr, dem Dunklen, Anweisungen gab, dass diese Rüstungen nach einer neuen Prozedur angefertigt werden sollten und dass der Schmerz besonders lang und qualvoll sein solle, um die Rüstungen noch mächtiger zu machen. Dann hatten diese Kinder vielleicht doch noch einen Zweck. Ich stellte mir vor, wie sie diese schwachsinnigen Geschöpfe in diese Rüstungen sperrten, auf dass sie dort einen qualvollen Tod erfahren würden.

Weitere Türen zweigten von den Gängen ab. Eine war besonders gut gesichert mit direkt drei Schlössern. Zwei davon schafften Halbohr und Lyrismar auch zu öffnen, doch beim dritten versagten sie. Doch Bargh rammte sie einfach ein, so dass die stählernen Bolzen zerbrachen. Hinter der Türe führte eine Wendeltreppe weiter nach oben. Das Krachen des Schlosses drang tief durch die Tunnel und die Treppe und kündigte unser Kommen an. Der Ruf „Sie Kommen!“ war überflüssig. In dem ovalen Raum erwartete uns bereits ein ganzer Trupp von gepanzerten Kriegern und Priestern des Tempels. Der Raum war bestimmt einmal recht wohnlich eingerichtet, doch jetzt waren alle Tische leergeräumt. An den Wänden reihten sich die ausgestopften Köpfe von den verschiedensten Kreaturen aneinander. Da waren Köpfe die aussahen wie große Fische, Köpfe die wie die des Hügelriesen Nomrus aussahen, Köpfe mit der dunkelgrauen Haut der Dunkelelfen, Köpfe mit Tentakeln anstatt einem Mund und noch viele andere. Ein schwaches Licht glomm von leuchtenden Kristallen, die mit gemusterten Lampenschirmen abgedeckt wurden. Das Licht wurde von den Rüstungen der Gestalten schimmernd reflektiert. Es war als ob sie sich für diesen Moment herausgeputzt hätten. Über ihren Plattenpanzern und Harnischen trugen sie lange graue Mäntel mit silbernen und einige sogar goldenen Bommeln über den Schultern.

Eine der Gestalten in einem Harnisch brüllte „Angriff!“, doch ich wartete nicht so lange. Mit meinem Stecken der Blitze ließ ich sie schreien, als die Energie durch die Reihen fuhr. Ein jüngerer Priester begann Blut zu spucken. Vielleicht hatte er sich im Krampf seine eigene Zunge abgebissen und verschluckt. Auf jeden Fall fiel er tot um. Auch Lyrismar zögerte nicht. Er schleuderte eine seiner gewaltigen Magma Kugeln auf die Gruppe, die mit einem Bersten explodierte und den Raum in Flammen hüllte. Ich konnte die Nachtzwerge nur noch schwer erkennen. Die Gestalten flehten vor Schmerzen und ihr Fleisch begann durch die unheiligen Flammen zu schmelzen. Doch ihre Erlösung musste noch einige Momente auf sich warten lassen. Die Flammen verbrannten nicht nur ihr Fleisch, sondern ihre Lebenskraft selbst und verzehrten sie. Erst jetzt begann das Schreien langsam zu ersticken. Die jüngere Priesterschaft lag rauchend auf dem Boden, nur ein älterer Anhänger hielt sich noch auf den Beinen. Aber sein Amulett mit dem Diamanten darin glühte auf vor Hitze und seine Haut war aufgeplatzt und verbrannt. Jetzt stürmten auch Halbohr und Bargh nach vorne. Die Schneiden ihrer Klingen fanden ihre Ziele schnell und es dauerte nicht lange, bis auch der letzte Krieger in seinem Feldharnisch zu Boden ging.

Zum Verschnaufen blieb uns keine Zeit. Von unten hörten wir bereits weitere Stimmen die sich an unsere Fersen hefteten. Lyrismar verschaffte uns aber einen Vorsprung. Mit seiner von der Herrin geschenkten Magie erschuf er eine Mauer aus festem Eisen, mit der er die Treppe versperrte. Und so hasteten wir wieder weiter. Vorbei an einem Raum in dessen Mitte eine große Karte, nicht nur von Urrungfaust, sondern auch von weiteren Höhlen und Tunneln dieser Welt unter der eigentlichen Welt abgebildet war. Große Figuren standen darauf. Vielleicht spielten sie hier auch Spiele und diese Figuren gehörten dazu. Aber diese Duergar hatten keinen Sinn für Spiele, also war es wohl eher etwas Langweiliges, an dem Halbohr bestimmt Interesse haben könnte. Doch auch er hastete weiter. Wir kamen in eine weitere Halle, dieses Mal wesentlich größer. In der Mitte hatten sie ein übergroßes Abbild eines Nachtzwergen aus Stein gebaut der dort heldenhaft seine Axt empor hob. Ein unnatürliches Feuer brannte davor. Wahrscheinlich kein einfacher Nachtzwerg, sondern Laduguer höchstselbst. Trotz der Größe konnte diese Statue aber nicht darüber hinwegtäuschen, wie mickrig er eigentlich war.

An der Seite der Statue führten zwei Treppen nach oben und von dort konnten wir auch schon wieder weiteres Flüstern hören. Die Treppen endeten in einen weiteren Zellentrakt, doch diesmal riefen keine schwachsinnigen Sprösslinge nach Essen. Der Trakt endete in einem kreisrunden Raum, wo sie uns ein weiteres Mal erwarteten. Weitere dieser sich bewegenden Rüstungen stampften auf uns zu, doch waren diese viel größer. Und anstatt normaler Hände, endeten ihre Arme in Äxten und Picken. Dahinter hatten sie eine Maschine aufgebaut, die mehrere riesige Armbrüste auf einem drehbaren Gestell hatte. Die gewaltigen Bolzen blitzen in unsere Richtung. Einige der Duergar waren eifrig dabei den Apparat in die richtige Richtung zu drehen. Und untermalt wurde alles von den widerlichen Gesängen der Priester dahinter. Dieser Gesang bohrte sich in meinen Kopf und blutete in meinen Ohren. Ganz hinten, gerade noch zu sehen, war eine weitere Gestalt. Ein alter Duergar mit eingefallen Gesicht saß auf einer riesigen Panzerspinne. Schimmernde Rüstungsteile bedeckten sowohl Duergar als auch Spinne. Mit listigen blauen Augen blickte er uns aus der Entfernung an. Die Rüstungen stürmten voran. Der Gesang der Priester peitschte sogar diese leblosen Dinger an, als wenn sie auch unter einem Wutrausch stehen würden. Bargh und Halbohr schritten den beiden Rüstungen entgegen. Ein mächtiger Hieb von Bargh und die vielen Schnitte von Halbohr zogen tiefe Risse in das Ne’ilurum. Die Schattenklinge spie Feuer, doch die Flammen perlten einfach an dem Metall ab. Aber allein seine Kraft reichte schon aus um den Brustkorb des Panzers aufzusprengen. Ein bestialischer Gestank von totem Fleisch und faulen Knochen entwich. Und eine schwarze Flüssigkeit haftete innerhalb der Rüstungsteile. Die Priester begannen zu fluchen und ich trat auch nach vorne. Das Amulett, das ich von Neire bekommen hatte, wartete schon darauf, dass seine Magie entfesselt werden konnte. Erst nur ein leichtes Glühen, das schon bald zu einem hellen Leuchten wuchs. Donnernd entlud sich das Inferno, als eine Kugel aus Flammen, die dem Amulett entsprang, sich auf die Soldaten um die Armbrustmaschine ergoss. Doch schafften die meisten es noch im letzten Moment wegzuspringen. Die Feuer vergingen wieder und die Soldaten nutzten die Gelegenheit und zogen die Hebel der Maschine. Mit einem tiefen Surren schossen die Bolzen auf uns zu. Ich spürte ihren Luftzug, aber sie hatten sich nicht mich als Ziel ausgesucht, sondern Halbohr. Dieser taumelte schon zurück als die Axthand der Rüstung vor ihm in seine Schulter rammte. Dann hagelten die Bolzen auf ihn ein. Manchen konnte er noch ausweichen, doch einige drangen in seine Brust und warfen ihn nach hinten.

Auch Lyrismar war bereit. Er beschwor eine Wolke der Schatten die das Schlachtenglück wenden sollte. Die Wolke breitete sich um die Soldaten herum aus. In den Schatten wogten immer wieder kleine Flammen auf die sich in die Köpfe der Duergar einbrannten. Das Chaos breitete sich aus. Einem quoll Blut aus den Augen. Er stand jetzt nur noch regungslos da, die Wände anstarrend. Ich konnte durch die Schatten kaum noch etwas erkennen, aber ich hörte deutlich die Rufe von Angst, Erstaunen und Unglaube. „Hauptmann, was tut ihr?“ hörte man aus der Wolke, als der deutliche Klang von Stahl auf Stahl erklang. Die Wolke lichtete sich etwas und ich sah einen der Soldaten mit einem prächtigen Feldharnisch, gerade wie er seine Axt aus Mithril in einen der Schützen an der Armbrust rammte. Die Priester in der hinteren Reihe sahen wie aussichtslos es war. Sie suchten ihr Heil in der Flucht. Auch der Ältere hatte dies wohl erkannt. Er saß immer noch im Sattel seiner gepanzerten Spinne, doch die Flammen in den Schatten hatten auch sein monströses Reittier beeinflusst. Reglos hing die Spinne an der Decke, so dass ihm nichts anderes übrigblieb als einfach von oben herab zu springen und in einer Türe zu verschwinden. Auch die anderen Priester folgten ihm und ließen ihre Soldaten zurück. Bargh schlitzte dem Soldaten der sich immer noch nicht rührte den Bauch auf und Halbohr die Kehle des Hauptmanns. Die gepanzerte Spinne hatte sich inzwischen wieder herabgelassen, doch auch diese konnte nicht lange gegen uns bestehen. Denn Jiarlirae war mit uns und keine niederen Kreaturen konnten sich mit uns messen.

Wir mussten den anderen hinterher und zwar schnell. Keine Zeit um unsere Wunden in Ruhe zu versorgen, Tränke mussten reichen. Wir hörten die Priester wie sie vor uns liefen, das Krachen eines Gatters. Sie versuchten sich Zeit zu erschwindeln. Als wir an dem Gatter ankamen sahen wir sie noch dahinter, wie sie gerade eine Wendeltreppe nach oben liefen. Das Gatter selbst war mit einem weiteren dieser komplizierten Schlösser verriegelt. Hastig zogen Halbohr und Lyrismar ihre Dietriche und begannen es zu öffnen. Wieder flackerte kurz eine Rune über den Stäben auf und wieder wurde Halbohr aschfahl im Gesicht. Hätte er noch eine weitere falsche Bewegung mit den Dietrichen gemacht hätte sich die Magie dieser Rune entladen. Wer weiß was dann mit ihm passiert wäre. Doch auch Halbohr stand anscheinend in der Gunst unserer Herrin. Sie sandte uns Lyrismar und dieser schaffte es im letzten Moment die Rune zu zerstören. Wir mussten schnell weiter. Das Gatter ließ sich aufschieben und wir rannten die Treppe nach oben. Wir sahen keinen mehr, doch ihre Spuren fanden wir sehr schnell. Sie führten uns in ein großes Gemach, in der Form eines Fünfeckes. Ein dunkles Fenster bot einen Blick auf den Arbolbaar See. Bequeme Sessel standen hier und kleine Tische auf denen in Schalen getrocknetes Fleisch, Pilze und Karaffen mit Wein standen. Die Spuren führten weiter auf eine Türe zu. Wir folgten ihnen und betraten einen kleineren Raum, der völlig dunkel war. Kreisrund, ohne irgendwelche Fenster oder Ausgänge. Als wir in den Raum hineintraten fiel mit einem Krachen die Türe hinter uns zu. Ich warte schon darauf, dass die Priester sich uns stellen würden. Doch stattdessen veränderte sich der Raum selbst. Alles verschwamm vor meinem Auge für einen Moment. Ich kniff sie zusammen und versuchte mich zu konzentrieren. Als ich meine Augen wieder öffnete waren plötzlich sechs Türen in dem Raum. Alle gingen in verschiedene Richtungen. Sie versuchten uns mit billigen Augenwischereien abzuhängen. Aber auch das würde ihnen nicht gelingen. Schon bald werden wir ihnen wieder entgegentreten und sie werden ihren Kameraden folgen.​
 

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Sitzung 99 - Laargyr der Dunkle

Von den feigen Priestern des Laduguer war nichts mehr zu sehen und zu hören. Sie hatten uns hier in diesem völlig dunklen Raum zurückgelassen. Zumindest stank es hier nicht ganz so schlimm, wie bei den Hochöfen und Essen. Ganz schwach konnte ich noch irgendwelche Rufe hören. Vermutlich immer noch der verzweifelte Versuch die Verwüstung zu beseitigen und dem Chaos Herr zu werden. Dabei sollten sie inzwischen begriffen haben, dass es vergebene Liebesmüh war. Schließlich waren wir hier noch nicht fertig. Wir waren uns unserer Sache sicher und ich spürte Entschlossenheit. Doch wir mussten auch vorsichtig sein. Bargh suchte auf dem Boden nach Spuren. Es sah schon etwas lustig aus, den übergroßen und von Muskeln und Brandnarben übersäten Körper über den Boden wischen zu sehen. Aber ich war immer noch wütend auf ihn. Doch auch wenn sein Auge geschult war und er Spuren fand, konnte auch das uns nicht weiterhelfen. Die sechs Türen um uns herum sahen alle gleich aus und die Spuren schienen zu allen Türen gleichzeitig zu führen. Auch die Geräusche, die Halbohr und Lyrismar hörten, kamen aus allen Richtungen. Halbohr hing verbissen mit seinen Augen an den Schlössen. Eins nach dem anderen untersuchte er, doch nach jedem schien er sich immer unsicherer zu werden. Eine Panik beschlich mich. Die Hallen schienen mich zu erdrücken, die Geräusche aus der Ferne verrückt zu machen. Schließlich war ich es leid. Ich wusste welche Türe die richtige war. Ich hatte es einfach im Gefühl. Also zeigte ich Halbohr die Türe, doch auch hier traute er sich nicht. Letzten Endes blieb er vor einer der Türen stehen und zog sie auf. Endlich, dieses merkwürdige Drücken im Kopf ließ nach, als sich die Türe öffnete und einen kleinen Gang offenbarte, der an einer Treppe endete. Endlich ging es weiter, nach oben, wie es schien.

Halbohr schlich zu der Treppe. Doch als er gerade an der ersten Stufe ankam, erschien wie aus dem Nichts und um ihn herum die Schergen der Priester. Sie mussten sich im Dunkeln versteckt haben. Alle drei waren auf die Größe von fast vier Schritt angewachsen. Auch der Ältere mit dem haarlosen Schädel und der Hakennase war mit dabei. Dies war Laargyr der Dunkle, einer der Schreckenspriester wie sich noch herausstellen sollte. Er funkelte Halbohr aus zwei listigen blauen Augen an. Sie hatten es auf den elfischen Söldner abgesehen. Axt und Streitkolben rammten in seinen Körper und er schrie auf, noch bevor er reagieren konnte. Aber dadurch hatten sie uns im Rücken. Ich schleuderte ihnen meine Magie entgegen, Bargh und Lyrismar ihre Klingen. Lyrismar bohrte sein schwarzes Schwert einem vergrößerten Duergar in den Unterleib. Als er das Schwert wieder herauszog, änderte es seine Form. Aus der Schneide wuchsen kleine metallene Zähne. Lyrismar riss ein tiefes und grausames Loch in den Leib.

Als sie starben zogen sich unter einem Knacken ihre Knochen wieder zusammen. Jetzt lagen sie da. Die kleinen Wichte die sie waren und zuckten noch in ihrem eigenen Blut. Halbohr sah ziemlich übel aus. Die Wunden waren tief und ich war mir sicher, dass während des Kampfes seine Augen geflackert haben. Er war sicher wieder kurz davor einfach vor Ohnmacht zu Boden zu gehen. Aber langsam sah er es ein. Dass Jiarlirae mit uns ist und selbst ihn, der sie so oft geschmäht hatte, unterstützt. Bargh und ich waren ihre Werkzeuge und zusammen ließen wir die Wunden von Halbohr wieder schließen, untermalt von den Gebeten aus Halbohrs Mund, die wir mit ihm sprachen. Von unten konnten wir das rhythmische Schlagen hören, wie sie weiter versuchten die Wand aus Eisen zu überwinden. Das würde noch eine Zeit dauern, aber nicht mehr ewig. Wir mussten also weiter. Weiter nach oben.

Halbohr und Lyrismar schlichen vor und kamen in einen größeren Raum. Ein großes Fenster aus dunklem Glas zeigte ihnen die Stadt. Die Wand war bestückt mit silbernen Vertäfelungen, die Bilder einer gewaltigen Schlacht zeigten. Nachtzwerge gegen Dunkelelfen. Doch die Nachtzwerge waren nicht allein. Mit ihnen war eine gewaltige Kreatur im Bunde, die wie ein Drache aussah, auch wenn sie keine Flügel trug. Die silbernen Fresken zeigten das Feuer, das aus dem Rachen der Kreatur schlug und auf die Dunkelelfen niederging. Es war sehr detailliert dargestellt, wie sie brennend um ihr Leben liefen. Der Blick von Lyrismar war jedoch auf etwas anderes gerichtet. Im Raum waren nämlich noch zwei Frauen. Eine war menschlich, hatte ein schlankes Gesicht, grüne Augen und lange braune Haare. Die andere, eine Dunkelelfin, war kleiner, hatte spitze Ohren, weißes Haar, violette Augen und aschgraue Haut. Sie hatten beide kaum etwas an und der lüsterne Blick von Lyrismar sagte alles. Die Frauen schienen nur für diesen einen Zweck erzogen worden zu sein. Halbohr erzählte ihnen etwas davon, dass wir nicht die Eindringlinge wären und dass wir von Laargyr geschickt wurden, aber das konnte keiner glauben. Sie hatten bestimmt den Kampflärm von unten gehört; den Todesfluch, den Laargyr ausstieß, als er Meister Halbohr bei seinem Namen verfluchte. Dennoch schien es den beiden nichts auszumachen und Lyrismar zog schon die Dunkelelfin zu sich auf den Schoß. Er musste immer noch benebelt sein von seiner Schattenschimmeressenz. Wie sonst konnte er hier und jetzt, wo unten schon die Soldaten nachrückten, sich mit so einem Wesen die Zeit vertreiben. Als Halbohr uns von unten hinaufholte und ich den Raum betrat, räkelte sich die Dunkelelfin völlig nackt auf einem schwarzen Ledersessel. Lyrismar hatte seine Hosen hinabgelassen und sich von hinten über sie gebeugt. Seine fast völlig verbrannte Haut schien den beiden nichts auszumachen. Nur die nicht verbrannten Stellen zeugten von einstiger nobler Blässe. Der Anblick der rhythmischen Zuckungen war einfach widerlich. Er fing an zu keuchen, wie ein abgestochenes Schwein. Die Dunkelelfin setzte ihrerseits mit einem Stöhnen ein, als Lyrismar sie am Hals packte, sie an ihren langen, weißen Haaren zog. Ich muss gestehen, dass ich ihnen heimlich zuschaute. Was ich früher nur bei Pferden und Schafen beobachtet hatte und wovor ich mich einst ekelte, hatte hier etwas anziehendes für mich. Dann trat ich zu Bargh und begann auf ihn einzureden. Auf dass er nicht lüstern starre. Und nicht einmal Bargh war so plump sich mit ihnen einzulassen, auch wenn es die menschliche Frau bei ihm versuchte. Er vergnügte sich lieber mit den Weinkaraffen, die hier überall rumstanden. Vielleicht würden wir also erst mal nur zu dritt weitergehen.

Die Türe aus diesem Raum heraus war mit einem sehr komplizierten Schloss gesichert, doch Jiarlirae war auch dieses Mal mit uns. Wir hatten Laargyr einen Schlüsselbund abgenommen und einer der Schlüssel passte genau in das Schloss. Es gab ein leichtes Quietschen als sich die Türe öffnete. Nein, das war nicht die Türe, das Geräusch kam jetzt von der Dunkelelfin. Die Türe selbst ging fast lautlos auf. Lyrismar war offenbar fertig mit seinem Liebesspiel und hatte die Güte sich wieder zu uns zu gesellen. Als ich mich umdrehte bedeckte ich mir schnell meine Augen, denn er hatte sich noch nicht bekleidet. Er stank zudem furchtbar nach diesen Frauen. Die Türe führte uns zu einer kleineren runden Halle, an der sich wiederum weitere Räume anschlossen. Die Türe hinter uns verschlossen wir vorsichtshalber, denn das Schlagen von unten hatte aufgehört. Stattdessen waren Stiefelschritte zu hören, die näherkamen. Jetzt hatten wir wirklich keine Zeit mehr. Ein Raum enthielt eine sehr gut ausgestattete Bibliothek. Die Bücher waren interessant, doch ein schmierig beschriebenes Blatt war noch interessanter. Vielleicht hatte sich jemand hier betrunken und versucht seine wirren Gedanken auf Papier festzuhalten. Der Schreiberling erwähnte, dass alte Geschichten aus den Büchern getilgt wurden. Offenbar meinte er die Kriege gegen die Dunkelelfen. Vielleicht waren die Krieger der Duergar doch nicht so ehrenhaft, wie sie immer so gerne tun. Bemerkenswert war auch, dass der Schreiber sich fragte, ob es noch Horte in der Umgebung von Urrungfaust gäbe. Meinte er Horte dieser Drachenkreatur? Vielleicht waren andere Drachen am Krieg beteiligt? Es wurden ebenfalls die Steuern erwähnt und dass sie gierig einbehalten würden. Damit konnte er nur den König von Urrungfaust meinen. Steht der König immer noch mit der Drachenkreatur im Bunde? Oder mit seiner Brut? Ich hatte mal etwas gelesen von einer Stadt der Dunkelelfen die Thysbryr’Il’Dith genannt wurde. Diese Stadt war die Hauptstadt ihres Reichs und wurde vernichtet, in einer großen Schlacht. Ich schätze, dass diese Ereignisse etwa 200 Jahre in der Vergangenheit lagen.

Nachdem wir einige kostbare Bücher mitgenommen hatten, erkundeten wir die anderen Räume. Die Schritte der Stiefel wurden immer lauter. Nicht mehr lange und die Nachhut würde da sein. Vielleicht hätten wir sie einfach erwarten sollen. Je weniger diesem Laduguer huldigten, desto besser. Aber ja, es würde nicht bei diesen bleiben. Immer mehr würden kommen und irgendwann würden sie uns überrennen. Ein weiterer Raum enthielt ein nobles Gemach. Große, schwere Sessel aus einem schwarzen Leder standen um einen prunkvollen Thron herum. Der Thron allerdings war nicht so langweilig, wie die sonstigen Sachen der Duergar. Die Verzierungen waren verspielt und er sah nicht wirklich praktisch aus. Vielleicht irgendein Schatz, den sie aus ihren Kriegen mitgenommen haben. Für einen Schatz sprachen auch die drei großen Truhen, die an der Wand standen. Auch waren überall Gefäße auf Tischen verteilt, in denen Körperteile eingelegt waren. Einige Innereien, aber auch Hände und Köpfe waren zu sehen. Ich konnte erkennen, dass es auch Dunkelelfen waren, die ihre Körper bestimmt sehr gerne zur Verfügung gestellt hatten. In einem Gefäß lag etwas, dass ich erst für ein Stück Fleisch hielt, ähnlich einer Wurst. Aber dann trat Lyrismar neben mich und das Bild, als er sich mit den beiden Frauen vergnügt hatte, kam wieder hoch. Er fragte, ob sie diese Körperteile essen würden. Wer weiß? Wer immer nur an Arbeit denkt und keine Freuden kennt, der ekelt sich vor nichts und isst vielleicht auch so etwas. Wir schafften den Inhalt der Truhen in das Labor, was Ortnor uns netterweise überlassen hatte, und gingen in den nächsten Raum. Diesmal war der Raum etwas kleiner und gefüllt mit dem modrig-süßen Geruch eines Parfüms, welches sie hier unten wohl sehr gerne verwenden. Warmer Dampf von Waschzubern füllte den Raum. Die Kohlebecken unter den Zubern verhießen ein bequemes Bad. Doch die Ketten mit Widerhaken sagten etwas anderes. In den Ketten hingen, wie in einem Regal, weitere Frauen. Sie waren nicht tot, sondern wanden sich und jammerten vor Qualen. Die nackten Körper waren übersät mit Narben der Folter. Sabberfäden hingen von ihren Mündern herab. Sie konnten die Qualen vielleicht nicht mehr aushalten und beschlossen sich in den Wahnsinn zu flüchten. Doch vielleicht waren es auch Drogen. Auf einem Tisch lagen etliche Stücke einer Wurzel, die mir bekannt vorkam. Es war eine der Zutaten für den Grausud, den Neire immer bei sich hatte. In einem Waschzuber lag eine weitere Frau, eine von den Dunkelelfen. Auch für sie war es keine Erholung. Die Ketten und Haken waren durch ihre Haut getrieben und hielten sie in einer verkrümmten Haltung, so dass sie sich nicht rühren konnte. Ihr Augen waren klarer als die der anderen, aber als sie versuchte zu sprechen kam nur ein unverständliches Würgen heraus. Ihre Zunge war nicht mehr da, ebenso wenig wie ihre Zähne. Offenbar war sie zu gesprächig für Laargyr. Das Gesicht, trotz der Spuren der Folter, hatte etwas Erhabenes. Bargh schien das Gesicht von irgendwo zu kennen, aus einem Buch über alte Adelsgeschlechter der Dunkelelfen. Ein weiteres Gemach durchsuchten wir noch, jedoch sahen wir dort nur Kojen, auf denen hübsche menschliche und dunkelelfische Sklavinnen ruhten. Ihre träumenden Augen erinnerten mich an den vernebelten Blick von Lyrismar.

All diese Kammern brachten uns jedoch nicht näher zu unserem Ziel, bis wir durch Zufall an die Decke der Eingangshalle blickten. Dort bildete sich ganz schwach die Kontur einer Luke ab. Wir hatten wieder vergessen, dass es für die Kreaturen der Nachtzwerge natürlich ist, sich auf mehrere Meter zu vergrößern. Die Schritte wurden immer lauter und wir konnten schon ihre Stimmen hören. Bargh breitete seine dunklen Rabenfedern aus, die er durch sein Spiel mit dem Schicksal erhalten hatte. Kraft seiner Schwingen begab er sich langsam zur Decke. Die Stimmen waren jetzt ganz nah. Sie waren direkt hinter der Türe, wo wie die beiden Dirnen zurückgelassen hatten. Doch wie dankten die Frauen es uns, dass wir sie nicht direkt umgebracht hatten? Schon nach dem ersten lauten Wort, plapperten sie direkt heraus, dass es Meister Halbohr war, der hier vorbeikam. Natürlich hatten sie ihn erkannt. Sein Gesicht und sein Ohr kannte inzwischen wohl jeder. Ich wusste, dass sein Handel mit den Dämonen nicht gut für uns gewesen war. Aber wir hatten noch Zeit. Sie fingen an sich zu streiten. Einfach durch die Türe zu gehen war ihnen verboten. Sie hatten Angst obwohl es doch offensichtlich war, welchen Weg wir genommen hatten. Bargh griff in dem Moment nach der Klappe und riss sie aus der Öffnung. Krachend fiel sie zu Boden. Die Stimmen in dem anderen Raum stockten für einen Moment. Die Entschlossenheit wuchs. Einer von unseren Verfolgern bezeichnete sich als Grimringwächter, ein anderer als Runenweber. Es waren wohl militärische Ränge dieser Priester. Sie sagen, dass sie Kraft ihres Ranges wohl Zutritt hätten zu den Kammern. Was ihnen aber nicht helfen würde, denn sie hatten nicht den Schlüssel. Sie entschieden gegen ein Aufbrechen der Türe und schickten nach Daurgonn dem Grauen und Hornbald dem Grausamen für den Schlüssel. Weitere Zeit für uns, dachte ich mir. Das Schicksal sowie Flamme und Düsternis sind uns wohl gesonnen bei unserer Aufgabe.

Bargh ließ ein Seil herunter und während die Verfolger immer noch diskutierten, kletterten wir die Luke herauf. Sie öffnete sich in eine große, halbkreisförmige Halle, die mit Säulen gestützt wurde. Vor jeder Säule stand in ewiger Wachsamkeit eine riesenhafte Rüstung mit Äxten und Schwertern statt Händen. Überall lagerten in Kisten Massen von Erzen und Mineralien, wobei keine Kiste Ne’ilurum enthielt. Dafür aber die große doppelflügelige Türe, die aus dem Saal herausführte. Diese war aus purem Ne’ilurum. Ein meisterhaftes Schloss sicherte das Portal und weder Halbohr noch Lyrismar konnten dem Schloss habhaft werden. Doch auch hier half uns Laargyr ungewollt. An seinem Schlüsselbund befand sich ein weiter Schlüssel, der in das Schloss passte. Knirschend drückte Halbohr die Türe auf. Ich blickte verstohlen auf die Rüstungen und wartete darauf, dass sie sich in Bewegung setzten. Ich sah, dass auch Bargh und Lyrismar meinem Blick folgten, doch nichts passierte. Nicht die kleinste Regung. Schnell huschten wir durch das Portal und folgten dem Tunnel dahinter in die Dunkelheit. Der Tunnel war lang, viel länger als der Tempel sein konnte. Dies musste der Weg zu unserem Ziel, dem Morund Stein sein. Und ein sanftes rötliches Glühen kündigte ihn beeindruckend an.​
 

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Sitzung 100 - Die letzte Linie - Teil I

Je näher wir dem rötlichen Glühen kamen, desto mehr konnte ich die wunderbare Stimme in meinem Kopf wahrnehmen. Ich wusste natürlich, dass die Stimme nicht wirklich da war. Ich war schließlich nicht verrückt. Aber irgendwie war sie doch da. Sie säuselte mir zu, gab mir Kraft und Zuversicht. Ich wusste auch wem die Stimme gehörte, hatte ich sie doch schon lange gemisst. Die Stimme meiner geheimnisvollen und doch wunderbaren Herrin war wieder bei mir. Es war, als ob sie die Prüfungen, die ich über mich ergehen ließ, als bestanden ansah. Verlassen hatte sie mich nie, aber jetzt war sie so nah wie schon lange nicht mehr. Ich trug meine Maske, deswegen konnten die anderen nicht sehen wie ich lächelte. Aber wahrscheinlich hätten sie es eh nicht verstanden. Halbohr auf keinen Fall. Auch wenn der Elf mit dem einem Ohr mit ihr im Bunde stand, so würde er niemals die Nähe zu ihr haben können, wie ich sie habe und auch Neire und Bargh.

Halbohr hielt plötzlich inne. Irgendetwas schien er zu hören. Seinem Flüstern nach, weitere Nachtzwerge vor uns. Sie warteten auf eine Lieferung. Vorsichtig schlichen wir uns voran. Lyrismar ging neben mir, im Schatten des Drachentöters Bargh. Er hatte noch immer noch den Gestank dieser Dirnen an sich. Da der Geruch der Essen immer weniger wurde, drang das Parfüm der Sklavinnen jetzt noch stärker in meine Nase. Die Bilder der Erinnerungen kamen mit dem Geruch und es widerte mich an. Doch ich ertappte mich auch, indem ich Lyrismar heimlich beobachtete. Als sich der Tunnel in eine Höhle öffnete, sahen wir, woher das rötliche Glühen kam. Sie hatten hier in Käfigen Feuerkäfer gefangen. Auch wenn diese Sorte keine Flügel hatte. Dennoch verströmten sie ihr Licht wie glühende Kohlen. Wir waren noch im Schatten des Ganges, daher konnten wir den ein oder anderen Blick riskieren. Ein Gatter versperrte einen dieser Schächte, in denen sie Plattformen durch ihre Konstruktionen nach oben und unten bewegen konnten. Vor dem Gatter standen vier gerüstete Krieger der Nachtzwerge. Die Höhle breitete sich nach rechts aus und dort standen drei lebendige Rüstungen. Ihre Arme endeten in Schwertern und Äxten. Sie waren schwer zu erkennen, da sie fast schon außerhalb des Lichts der Feuerkäfer standen.

Der Plan war schnell gefasst. Wir würden in den Raum hineinstürmen und die Wachen niedermachen. Danach uns um die Rüstungen kümmern. Ich beschwor weitere meiner gefangenen Seelen. Vielleicht würden sich einige ihre Freiheit verdienen, wenn sie mich beschützten. Aber wahrscheinlich führen sie direkt zu Jiarlirae, um ihre Flammen zu nähren. Wir wollten uns bis an den Rand des Lichtes schleichen und dann loslaufen. Doch unsere Schritte waren zu laut. Sie konnten einen zersplitternden Stein hören und waren sofort aufmerksam. Einer schrie noch „Eindringlinge“ und schon brachten sie sich in Formationen. Nun gut, es hätte nichts geändert. Sie waren mir ohnehin nicht gewachsen, das wusste ich von dem Flüstern in mir. Ich beschwor flammende Pfeile die sich in die Leiber bohrten und ihre Kleidung entzündeten. Schreiend liefen sie umher, nur um von Barghs und Lyrismars Klinge erlöst zu werden. Eine Türe flog auf und weitere Schergen strömten dort heraus. Ein Gestank von Schweiß und Fäkalien drang aus dem Raum dahinter und ich konnte kurz sehen, dass sich dort eine Art Pferch für Sklaven befand. Ein großes Rad mit eisernen Sprossen war an weiteren Mechanismen festgemacht, so dass die Sklaven dort drin hineinsteigen und es drehen konnten. Die Wachen drängten sich durch die Türe. Sie stürmten vorwärts, in ihr eigenes Verderben. Ich flehte zu Jiarliare um zerstörende Schatten und sie schenkte mir eine surrende Lanze, die die Leiber der Wachen und einige der Sklaven einfach zerfetzte. Einer der Soldaten konnte sich noch mit einem beherzten Sprung retten, doch der blutende Einhorndolch von Halbohr erwartete ihn schon.

Die Rüstungen hatten sich noch kein Stück bewegt. Halbohr trat in den Sklavenpferch hinein. Ich verstand nicht was er jetzt wieder für einen Plan hatte, als er mit einer größeren Ork-Kreatur sprach. Er wollte sie zu irgendetwas überreden, aber die Kreatur machte keine Anstalten Halbohr zuzuhören. Ich musste schmunzeln. Halbohr hatte wohl vergessen dem Ork zu erklären, dass er jetzt Meister Halbohr war. Es war vergeudete Zeit. Hinter den Rüstungen konnten wir Stimmen hören. Ein Hauptmann befahl wohl einem Trupp, das „Unternehmen Morund“ in Bewegung zu setzen. Was das hieß, sollte ich schon bald am eigenen Leib erfahren.

Wir versteckten uns in verschiedenen kleineren Öffnungen. Meine war eine kleinere Höhle, wo sie große Marmorblöcke lagerten. Bargh und die anderen waren in einer größeren Höhle, wo Haufen von Schilf, Ölfässern und anderen Sachen aufgebahrt waren. Dort warteten wir, wie Halbohr es vorschlug. Doch nichts passierte. Ein weiterer Plan von Halbohr, der uns nicht weiterbrachte. Nicht nur ich wurde unruhig, auch Bargh trat immer wieder aus der Höhle raus. Nach einer gefühlten Ewigkeit trafen wir uns in der offenen Halle und gingen vorsichtig einige Schritte zu den Rüstungen. Schon als wir uns näherten setzten sie sich ruckhaft in Bewegung. Mit schweren stampfenden Schritten gingen rückwärts in die Dunkelheit. Wir folgten ihnen vorsichtig. Ich konnte fast nichts mehr sehen. Das Licht der Feuerkäfer war direkt hinter uns und vor uns nur die Schwärze der Dunkelheit. Doch plötzlich gab es ein Rasseln von schweren Ketten und Funken von Metall auf Metall stoben auf. Die Funken schenkten uns ganz kurz einen Blick, aber das was ich sah war grauenvoll. Aus der Decke des Ganges schossen große metallene Spitzen heraus und die ganze Decke begann auf uns zu stürzen. Halbohr und Bargh gingen ziemlich weit vorne. Die Spitzen rammten sich durch die Rüstung und durch ihr Fleisch. Ich konnte sie im Dunkeln aufschreien hören. Lyrismar schaffte es rechtzeitig nach hinten weg zu springen, doch ich hatte nicht so viel Glück. Die Spitzen fielen auf mich herab, doch die verdammten Seelen sammelten sich. Sie waren meine Sklaven und würden mich noch im Nachleben beschützen müssen. Ich konnte ihre Schreie hören, als sie sich gegen die Spitzen warfen. Nur einige wenige Splitter bohrten sich mir ins Fleisch, als sich die Decke wieder schleifend nach oben bewegte. Auch die Rüstungen wurden durchbohrt, doch ich konnte noch deutlich hören, wie sich quietschend weiterbewegten. Ein Flammenschein erhellte plötzlich den Gang. Es war die Klinge von Bargh. Die Schatten hatten sich entzündet und die gleißende Hitze zerschmolz die Panzerplatten der Rüstungen. Wir standen vor einer weiteren Wand und auch hier drangen kegelartige Spitzen hervor. Auf den Boden sah ich jetzt deutlich drei Schienen die in unsere Richtung führten. Die Wand bewegte sich noch nicht, ich ahnte aber, dass es war nur eine Frage der Zeit war.​
 

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Sitzung 100 - Die letzte Linie - Teil II

Das Licht von Barghs Schwert erlosch und ich war wieder in Dunkelheit gehüllt. Immer noch dieses verfluchte Leuchten dieser Käfer was mir die Sicht nahm. Sie waren Abnormitäten, nicht so wie Funkenträger. Ich wollte irgendetwas töten, also schleuderte ich einige Kugeln aus magischer Energie auf diese Kreaturen. Sie zerplatzten in ihren Käfigen und ihr leuchtendes Sekret tropfte auf den Boden unter ihnen. Vielleicht war das ja eine Möglichkeit. Ich tauchte meinen Säbel in die Flüssigkeit und sie leuchtete weiter an der Klinge. Jetzt konnte ich wenigstens etwas mehr sehen. Plötzlich trat auch Halbohr neben mich. Warum war er nicht da vorne und kämpfte? Brauchte Meister Halbohr etwa meine Hilfe? Traute er sich nicht ohne mich? Ich schrie ihn an und zusammen gingen wir wieder dem Kampfeslärm entgegen. Aber Bargh und Lyrismar brauchten gar keine Hilfe. Zusammen hatten sie schon die Rüstungen in ihre Einzelteile zerlegt. Jetzt konnten wir die Wand genauer sehen. Die Spitzen ragten uns bedrohlich entgegen, aber die Wand reichte nicht bis zur Decke. Man könnte an den Spitzen hochklettern, um sie zu überwinden. Fast so wie wir es am Eingang zu Unterirrling gemacht hatten. Doch ich erinnerte mich noch gut daran, was uns hinter den Speeren erwartet hatte. Hier würde mir das nicht passieren, hier würde ich mich nicht überraschen lassen. So dachte ich zumindest.

Halbohr und Lyrismar kletterten geschickt die Spitzen hoch. Der gesalbte Krieger Jiarliraes zog sich mit seinen ungewöhnlich langen Armen geschwind Wand hoch. Bargh faltete seine schwarzen Rabenfedern auf und stieß sich mit schweren Schlägen seiner Schwingen nach oben. Auch ich zog mich an den Spitzen hoch. Immer wieder schnitten sie mir leicht in die Arme und ich kam nur schleppend voran. Plötzlich konnte ich von der anderen Seite der Wand einen lauten Befehl hören: „Unternehmen Morund: Zweite Wand! Jetzt!“. Das Knacken eines Hebels war die einzige Vorwarnung. Plötzlich schoss die Wand, an die ich mich noch immer klammerte, wie ein Katapult nach vorne und schleuderte mich zurück. Ich schlug hart auf den Boden auf. Mein Rücken schmerzte grauenvoll, genauso wie meine Arme, meine Beine und mein Kopf. Etwas konnte ich mich noch abrollen dennoch schlug ich auf dem Stein auf. Alles drehte sich für einen Moment und ich bekam keine Luft mehr. Doch ich durfte jetzt nicht aufgeben. Gerade jetzt, wo ich meiner Herrin wieder so nahe war. Es war fast als ob sie mich in meinem Kopf anschreien würde. Ich musste aufstehen. Jetzt! Also gehorchte ich, trotz der Schmerzen. Ich musste wieder zurück. Diese feigen hinterlistigen Kreaturen würden dafür bezahlen mit Blut und Qualen. Die Wand kam zwar nach vorne, dennoch versperrte sie noch immer den Gang. Also musste ich wieder hochklettern, schneller diesmal.

Als ich oben ankam konnte ich besser sehen. Das Licht der Käfer wurde von der Mauer abgehalten. Die anderen waren schon in einer weiteren Höhle. Weitere der Duergar-Schergen waren dort. Einer hatte eine silberne Kordel um die Schulter geworfen. Auf diesen wollte sich Halbohr stürzen, doch er prallte plötzlich gegen etwas Unsichtbares. Ich kniff meine Augen zusammen und konnte einen leichten milchigen Schimmer erkennen. Dort stand eine durchsichtige Wand aus Energie und die Nachtzwerge dahinter grinsten Halbohr an. Ich konnte die Stimmen eines Gebetes hören und der Nachtzwerg mit der Schnur brüllte einen weiteren Befehl. Das Flimmern in der Luft fiel in sich zusammen und die Duergar stürzten sich auf die drei. Der Kampf entbrannte. Barghs Klinge spie Flammen, die Dolche von Halbohr fanden ihren Weg. Doch auch Axt und Picke der Nachtzwerge rammten sich in das Fleisch ihrer Gegner. Es war ein harter Kampf und ich musste mich beeilen. Ich würde sie alle brennen lassen. Als Lyrismar ebenfalls magische Energien beschwor, brach das Chaos aus. Die Axt des Anführers traf Lyrismar im gleichen Moment, als er die magischen Energien entfesselte. Als das geschah explodierte die Welt um Lyrismar herum. Ein Meer von Flammen füllte die ganze Höhle aus. Ich konnte nichts mehr erkennen, nur die Schreie waren noch da. Es war als ob die Herrin selbst Rache nehmen wollte und sich Lyrismar als ihr Gefäß ausgesucht hatte. Kampfeslärm und Todesschreie waren das Einzige, was noch da war. Ab und zu sah man die massive Gestalt von Bargh auftauchen. Die Flammen stoben um ihn herum, berührten ihn aber nicht. Aus den Flammen sprang Halbohr heraus und suchte sein Heil in der Flucht. Irgendwann brüllte Bargh etwas, was ich nicht verstand, doch das Flammenmeer bewegte sich dann langsam auf mich zu. Von der Spitze der Wand konnte ich etwas über die Flammen sehen. Dort wo das Feuer sich jetzt weg bewegte, waren nur noch die verkohlten Leichname der Duergar übrig. Ich sah Bargh schwer keuchend und verletzt dort stehen, sein Schwert bedeckt mit verbranntem Blut. Es dauerte noch etwas, dann verschwanden die Flammen wieder. Dort war auch Lyrismar, wütend und fluchend. Die Flammen hatten sich anscheinend um ihn herum gebildet und waren ihm gefolgt. Doch man sah ihm an, dass dies nicht von ihm gewollt war. Er riss die Haut des Höllenhundes von sich und warf sie auf den Boden begleitet von Verwünschungen. Er war wohl der Meinung, dass diese Haut es war, die seine Magie gestört hatte. Aber er war sich seiner Sache selbst nicht sicher. Er hielt inne und betrachtete die Haut. Sie hatte ihm bisher vor Flammen beschützt. Daran erinnerte er sich auch wieder. Immer noch fluchend, aber inzwischen leiser, nahm er die Haut wieder an sich und warf sie über.

Wir plünderten das, was von den Leichen übrig war. An der Höhle hinter der Stachelwand schloss sich eine kleinere Kammer an, die sie als kleineren Wachraum nutzten. Wir fanden auch einige Hebel, die Lyrismar direkt ausprobierte. Mit knackenden Geräuschen steuerten die Hebel die Wände des Ganges und sogar die flimmernde Barriere von Magie. Und schließlich fanden wir unseren weiteren Weg, eine breite Wendeltreppe, die in die Tiefe führte.

Ich war aufgeregt, aber auch vorsichtig als ich die Stufen hinab schritt. Man konnte von unten ganz schwach ein Rauschen hören, wie von Wassermassen. Da war aber auch ein dumpfes Dröhnen. Der ätzende Geruch des Sees wurde wieder stärker und drang langsam und beißend in meine Nase. Die Außenseite der Treppe öffnete sich mit einem Mal. Sie führte an einer Felswand um einen Abgrund entlang. Neben uns ging es hinab und auf der anderen Seite konnten wir den spiralförmigen Tunnel unter uns sehen. Ein falscher Schritt und wir würden hier in endlose Tiefen stürzen. So gingen wir weiter und weiter nach unten. Inzwischen konnte ich vom Abgrund her ein verwaschenes Licht sehen. Gift-gelblich und grün, schimmerte es wie ein leuchtender Nebel. Ein dumpfes Dröhnen drang aus der Tiefe empor. Lyrismar wurde mit jedem Schritt nachdenklicher, was ich bei ihm noch nicht gesehen hatte. Irgendwann hielt er inne und streckte seine Hand über den Abgrund aus. Seine Stirn legte sich nachdenklich in Falten und er sagte: „Der Nebel, das Licht...Irgendetwas stimmt hier nicht. Ich kann es spüren, irgendeine Veränderung. Es fühlt sich fast wie meine Heimat an, aber doch irgendwie anders. Wir müssen mit unserer Magie vorsichtig sein. Die Kunst, die einen an andere Orte bringt, wird hier nicht funktionieren.“ Ich hörte seine Worte, aber ich würde weiter gehen. Natürlich nicht für einen König. Ich würde weiter gehen, weil es mein Weg ist, der mir gewiesen wurde. Ich spürte die Furcht, die Angst vor meinem Tode. Doch die Stimme meiner Göttin war mit mir, wie sie auch mit Bargh und Lyrismar war. Ich würde meinen Tod freudig erwarten, denn ich würde in ihr Reich hinabsteigen. Und mit mir wären meine Begleiter. Die Seelen der auf ewig Verdammten, die ich an mich gebunden hatte. Ich lauschte ihren Schreien und ihrem Flehen. Sie gaben mir glorreiche Erhabenheit, einen unstillbaren Durst auf das Nachleben im Reich der Dame des aufsteigenden Chaos des Abgrundes.​
 

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Sitzung 101 - Geschwür einer anderen Welt

Die Rampe bohrte sich immer tiefer hinein, in den im gelblich-grünlichen Licht wabernden Abgrund unter uns. Es war wie eine Schnecke, die sich in eine andere Welt grub. Das Licht weiter unten machte alles diffus und mit ihm drang auch der beißende Geruch des Arbolbaar Sees wieder an meine Nase. Unser Weg hinab war untermalt von dem dumpfen Geräusch, das irgendwo aus den gift-gelben Nebeln und der Tiefe kam.

Einer weiteren Windung folgte noch eine, doch dann verschwand die Rampe vor uns. Dort wo die Säulen eigentlich hätten stehen sollen, die den steinernen Weg stützten, fehlte ein großes Stück der Felswand - vielleicht herausgebrochen und das auch schon vor langer Zeit. Aber es war nicht das Ende unseres Weges. Kurz vor der Kante stand eine steinerne Türe und führte in den Felsen hinein. Es war keine dieser Türen, wie sie die Nachtzwerge gerne benutzten. Diese hier schien kunstvoller, sie wirkte irgendwie fehl am Platze. Wir waren jetzt schon recht tief und inzwischen konnten wir in dem gelben Dunst unter uns einige Konturen erkennen. Die einzelnen Umrisse sahen aus wie Seile und da war etwas, das an den Seilen hing - vielleicht Kisten oder eher Käfige. Halbohr bemühte sich die Türe leise aufzudrücken, doch wir alle konnten die lauten Geräusche dahinter hören, den Lärm von Kindern, die riefen, lachten und schrien. War es wirklich das, was ich dort hörte oder spielte dieser unheilige Ort mit meinen Gedanken? Als sich die Türe öffnete, konnten wir dahinter einen großen Raum erkennen und wieder schien es mir, als ob wir die Stadt der Nachtzwerge schon lange hinter uns gelassen hätten. Auch dieser Raum hatte Bogen-ähnliche Verzierungen. Doch welch kranker Geist auch das Bauwerk vollbracht hatte, hatte überall die Muster von Tentakeln hineingearbeitet. Das Ganze sah aus, als ob man versucht hatte eine Krankheit von Geschwüren darzustellen. Der Boden war übersät mit allerlei kleinen Gegenständen. Rasseln, Murmeln, Puppen, hölzerne Räder, Kreisel und sonstiger Kram lag verstreut herum. Ich verstand nicht, wozu diese Dinge alle dienen sollten. Wenn hier wirklich Kinder sein sollten, wieso hatten sie dann nichts Besseres zu tun als mit diesen Dingen zu spielen? Mussten sie denn keine Arbeit verrichten?

Vorsichtig tasteten wir uns weiter. Kleine Treppen führten hinab in einen weiteren Raum wo eine große Tafel voller Essen aufgebaut war. Dort saßen sie alle und verschlangen Fleischstücke und Tintenfische. Die Kinder waren allesamt Duergar, doch sie hatten alle Missbildungen. Ich konnte ihre aufgeblähten Köpfe und verdrehten Augen erkennen. Ich sah, dass sie debil waren. Weitere der zurückgebliebenen Kinder, die in Urrungfaust eigentlich geopfert werden sollten? Sie wurden umsorgt von einer jüngeren Matrone der Duergar, die zwischen den Stühlen hin und her huschte und verzweifelt versuchte für etwas Ordnung zu sorgen. Was ihr aber nur schwer gelang. Immer wieder hielt es einer der Bälger für lustig, laut zu furzen und die anderen, bar jeglichen Verstandes, lachten lauthals mit. Auch trommelten sie mit ihren Gabeln oder mit nackten Händen auf den Tisch. Das Gejohle klang hell wie hohl und wurde durchbrochen von einzelnen schwachsinnigen Lachschreien. Die meisten hatten schon ihr Essen beendet und die Frau begann die Schüsseln wegzuräumen. Der Teller vor einem Kind hatte noch ein großes Stück gebratenes Fleisch darauf und offenbar wollte der Junge noch weiter essen. Er öffnete seinen Mund und zwischen seinen faulen Zähnen drangen dumpfe Laute hervor. Vielleicht sollte das ein Schreien sein, aber sein missgebildeter Verstand konnte keine vernünftigen Laute vorbringen. Als er aber seine Hand nach dem Fleisch ausstreckte begann das Stück plötzlich in der Luft zu schweben. Das Kind machte eine ruckhafte Bewegung und das Fleisch flog wie von selbst in seinen Mund. Die Duergar Frau schien davon aber nicht wirklich beeindruckt zu sein. Doch aus anderen Ecken des Raumes traten zwei Gestalten in den Raum und als ich sie sah, blieb mir kurz der Atem weg. Ein außerweltliches, fremdes Grauen war in die unwirkliche Szene gebrochen. Auf den ersten Blick wirkten sie wie zwei Menschen, gekleidet in schmutzige Roben, aber ihr Schädel war mit rötlichen Wülsten bedeckt und glänzten schleimig. Der Kopf drehte sich etwas und ich konnte deutlich den Mund sehen. Allerdings war dort kein Mund, sondern vier Tentakel wuchsen an dessen Stelle. Ich erkannte sie wieder. Diese Kreaturen hatten wir schon in Unterirrling auf dem Markt gesehen. Und ich erinnerte mich auch an die Stimmen, die ich in meinem Kopf gehört hatte. Nicht lieblich und angenehm waren sie gewesen, sondern abscheulich und erschreckend. Die Augen hatten keine Pupillen und waren einfach nur weiß. Trotzdem schienen sie des Sehens fähig, als sie das Kind mit großem Interesse betrachteten. Sie schauten die Duergar Frau an und sie nickte einfach nur und sagte: „Jawohl meine Meister, ich werde nur noch die Tafel abräumen“. Von keiner der Kreaturen war auch nur der kleinste Laut gekommen, doch die Duergar Frau schien trotzdem verstanden zu haben.

Halbohr schlich sich nach vorne, von Lyrismar war schon nichts mehr zu sehen. Leise folgte er der Duergardienerin, doch er hatte nicht aufgepasst. Sein Stiefel trat auf eine Rassel, die mit einem lauten Knacken auseinandersprang. Plötzlich richteten sich alle Augen auf Halbohr. Vorbei war es mit der Heimlichkeit. Es war mir ohnehin lieber und so sparten wir uns Rederei. Als die weißen Augen der Kreaturen uns anstarrten, spürten wir, wie in unseren Köpfen etwas wütete. Eine Kälte jagte durch unseren Geist und lähmte alle unsere Nerven. Doch Jiarlirae ist stärker als diese Kreaturen. Ich spürte wieder ihr Säuseln in meinem Kopf und merkte wie allein ihr Dasein die Macht der fremden Kreaturen zunichtemachte. Lyrismar erschien aus dem Schatten direkt hinter einer der Kreaturen und stach seine gezackte Klinge durch den Brustkorb. Auch Bargh und Halbohr stürmten nach vorne. Schnell lagen die Kreaturen in ihrem eigenen Blut. Die Duergar Frau versuchte zu fliehen doch Bargh schaffte es sie einzuholen bevor sie durch eine weitere Türe verschwinden konnte. Seine Klinge blutete Feuer und das Feuer verzehrte die Frau.

Die Kinder waren zu dumm um zu verstehen was geschehen war. Für sie war es nur laut und sie bekamen Angst. Dümmlich begannen einige zu schreien. Tränen strömten über ihre rundlichen Gesichter und gelber Sabber lief über ihr Kinn. Bargh und Lyrismar schleiften die Leichen in einen Küchenraum, während Halbohr den Kindern Spielzeug zuwarf. Tatsächlich begannen sie sich zu beruhigen. Ihre ärmlichen Gedanken hatten offenbar nicht genug Platz für viele Erinnerungen und der Schrecken war schnell wieder vergessen. Ich schlug vor den Kindern ein neues Spiel zu zeigen. Nämlich das Spiel wie man fliegen lernt. Der Abgrund würde sich gut dafür eignen und es würde ein richtig schönes Spiel werden. Und ein Einfaches, sogar diese Missgeburten würden es verstehen. Entweder sie würden schnell lernen zu fliegen oder sie würden verlieren. Lyrismar fand die Idee auch gut, doch Bargh und Halbohr konnten wir nicht überreden.

Weitere Räume schlossen sich der Essstube an. Es waren Schlafkammern wovon zwei sogar von außen ein Schloss hatten. Immerhin etwas beruhigendes in dieser Fremdheit. Auch hier wurden ungehörige Kinder bestraft. Wir folgten einer Treppe hinab, wohin die Duergar Frau versucht hatte zu fliehen. Vor einer Türe hörten wir weitere Stimmen. Jemand gab Anweisungen, irgendetwas mit einer Murmel und in welche Richtung sie rollen sollte. Halbohr drückte vorsichtig die Türe auf. Der Raum dahinter war in ein warmes, grün-gelbes Licht getaucht und am anderen Ende war an der Wand eine weitere Art von Spiel aufgebaut. Metallnägel waren in regelmäßigen Abständen in Holz gehauen. Auf der Oberseite waren Öffnungen und ein debiles Mädchen, mit zwei kurzen, geflochtenen dunkelblonden Zöpfen an der Seite und schmalen Augen, warf gerade zwei Murmeln in die mittlere Öffnung hinein. Wir konnten sehen wie sie mit einem Klacken von Nagel zu Nagel fielen. Eigentlich erwartete ich, dass die Murmeln einen zufälligen Weg nehmen würden, doch stattdessen fielen sie, zumindest eine davon, immer zur linken Seite. Neben ihr stand eine weitere Duergar Frau und gab ihre Kommandos: „Nein nein, sie müssen beide hierhin. Versucht es mit beiden Kugeln.“. Und: „Jetzt in diese Richtung!“. Die rechte Seite des Raumes war ausgefüllt mit einem gläsernen Bildnis. Wir konnten das Spiegelbild des Raumes darin sehen, doch die Reflexion sah irgendwie merkwürdig aus. Halbohr schlich sich weiter nach vorne in den Rücken der Duergar Frau. Sein Einhorndolch glitt durch ihren Hals. Blut spritzte auf und röchelnd sank sie zu Boden. Das Mädchen wollte schreien doch Halbohr drückte ihr schnell seine Hand auf ihren Mund. Dann hörten wir das helle Klingeln von Glöckchen. Wir konnten keinen Ursprung des Geräusches ausmachen.

Wir hatten es gehört, doch konnten mit dem Geräusch nicht wirklich etwas anfangen. Das Klingeln klang nah, aber dann doch wieder so, als ob es ganz weit weg wäre, wie von einem Echo. Es ebbte etwas ab und dann spürten wir die Welle von Kälte über uns hinwegfegen. Wieder zuckten alle Nerven in meinem Körper zusammen. Es war noch stärker als beim letzten Mal. Das Mädchen konnte nur noch die Augen vor Schreck aufreißen, dann froren sämtliche Muskeln von ihr ein. Wie aus dem Nichts erschienen mitten in dem Raum sieben dieser schrecklichen Kreaturen. Aus nächster Nähe konnte ich die Saugnäpfe auf ihren Tentakeln sehen und den Schleim den sie absonderten. Bargh und Halbohr zögerten nicht lange und drängten auf die ersten Kreaturen. Auch ich war nicht untätig. Ich beschwor eine Lanze von wirbelnden Schatten. Doch anstatt die Monstrositäten zu zerfetzen, floss die Magie einfach um sie herum. Nicht jedoch das Glasgemälde. Innerhalb nur eines Herzschlages zitterte erst das Glas und sprang dann mit einem Krachen in tausende kleine Splitter. Hinter dem Glas offenbarte sich ein weiterer Raum. Keine Spielsachen, sondern blutverschmierte Tische waren zu erkennen. Auf einem lag der tote Leib eines weiteren Kindes. Der Schädel war ihm geöffnet worden und das extrahierte Gehirn ruhte fein säuberlich daneben. Auf dem Tisch daneben lagen nur noch Knochen. Das Fleisch war sauber abgeschält worden und aufgeschichtet, als wenn es schon bald in einem Kochtopf landen sollte. Ich konnte mir vorstellen, dass sie den schwachsinnigen Kindern weiter oben das Fleisch ihrer geschlachteten Kameraden servierten. Schnell verwarf ich den Gedanken und betrachtete hastig den Raum. Gläser enthielten weitere Gehirne. Zwei der Kreaturen standen dort vor dem Tisch. Über ihren dreckigen Roben trugen sie schwere Lederschürzen, die voll mit frischem Blut waren. Eine weitere Welle dieser Geisteskälte flog über uns, doch immer noch konnten sie unseren Glauben an unsere Herrin nicht brechen. Ich packte den schwarzen Säbel an meiner Seite und stürmte auf die Gestalten mit den Tentakelmäulern zu. Die zwei Hiebe auf den Körper taten richtig gut. Sie schrien zwar nicht auf, dafür fehlten ihnen wohl die Münder. Aber dennoch konnte man den Schmerz erkennen. Zusammen mit Bargh und Lyrismar machten wir sie nieder. Halbohr sprang durch das zersprungene Glas und rannte den beiden Fliehenden hinterher. Sie hatten wohl erkannt, dass sie hier keinen Sieg mehr erringen konnten. Sie versuchten über eine weitere Türe zu entkommen, doch sie waren nicht schnell genug. Jetzt waren auch die anderen da und der Tod der beiden letzten Tentakel-Kreaturen kam schnell.

Wir fanden ihr Gemach. Eine dunkle und stinkende Kammer. Die schwarzen Möbel, die dort standen, waren mit Schleim bedeckt. Wir fanden Notizen, doch die Schrift hatte noch niemand von uns gesehen. Auch fanden wir diese Glöckchen, die wir gehört hatten. Als ich mir eines anschaute spürte ich etwas – ein Gefühl, das ich kannte. Es war so ähnlich wie das was ich spürte, als wir durch das Portal im Tempel des Jensehers geschritten waren. Ein weiteres Glöckchen war etwas anders. Im Gegensatz zu den anderen war es aus Kristall, nicht aus Silber. Ich glaubte, wenn man dieses Glöckchen klingen lässt weiß jemand anderes, wo es passiert ist.

Eine weitere Türe führte uns wieder zurück in die Säule und auf die Rampe. Weiter abwärts. Das Leuchten wurde stärker. Und wir konnten sehen, dass tatsächlich Käfige an stählernen Seilen über der Leere aufgehängt waren. Dort drin vegetierten verschiedene Körper. Ich konnte einige Dunkelelfen sehen, auch Menschen und einige wenige der Nachtzwerge, aber keine Kinder. Wir folgten der Rampe weiter nach unten und gelangten an einen weiteren Einbruch und eine Türe, die wieder in den Felsen führte. Dieses Mal war es eine doppelflügelige Türe, die wieder mit Tentakeln verziert war. Bargh fand die Spuren von Laargyr, aber sie waren sehr alt. Es waren auch andere Spuren zu sehen. Keine von den Duergar, sondern sie schienen eher den Tentakelkreaturen zu gehören. Das Portal führte uns in eine Höhle. Die Tentakel hier waren nicht mehr aus Stein, sondern sie waren lebendig. Schleimig pulsierten sie und gruben sich durch den Stein. Wir waren wirklich nicht mehr in Urrungfaust. Diese andere Welt darunter versuchte sich ihren Weg nach oben zu bahnen und die Tentakel waren wie eine Krankheit, die sich von hier ausbreitete. Es stank bestialisch. Nicht mehr so sehr nach dem Arbolbaar See, sondern nach Fäule und Verwesung. Die Spuren von Laargyr führten hier durch. Er hatte anscheinend stets darauf geachtet, die Tentakel nicht zu berühren. Als wir uns weiterbewegten, machten wir dasselbe. Die Höhle führte an mehreren alten Türen des stämmigen Volkes vorbei. Dort waren nur die Spuren der Tentakelkreaturen zu erkennen, also machten wir einen großen Bogen darum. Die Spuren, denen wir folgten, führten in einen kleinen Tunnel. Abzweige endeten an Türen, von denen Halbohr ein schweinisches Grunzen und Stöhnen hören konnte. Es klang entfernt wie Ork Kreaturen, aber auch irgendwie anders. Ein Abzweig führte zu einer alten verfallenen Kapelle. Irgendwann musste jemand hier einmal Laduguer gehuldigt haben, doch das war schon lange her. Wer es auch war, sie mussten festgestellt haben, dass ihr Gott schwach war. Die Tentakel haben diese Kapelle für sich erobert und schlängelten sich um das, was von den Statuen übriggeblieben war. Eine war in der Mitte aufgebrochen und offenbarte einen alten geheimen Gang. Und dahin führten auch die Spuren von Laargyr.

Der Gang offenbarte sich als Zellentrakt. In kleinen Nischen in der Wand konnten wir die verschlossenen Türen sehen. Über jeder führte ein dickes stählernes Seil an Rollen zu dem Abgrund. Wer auch immer dieses Gemäuer gebaut hatte, musste ein Meister sein. Ich nahm an, dass man mit komplizierten Mechanismen die Zellen mit denen tauschen konnte, die über den Abgrund schmorten. Der Gang führte an einer weiteren Türe vorbei und endete schließlich an einer Wendeltreppe. Von der Türe konnten wir wieder das Grunzen der Orkrasse hören. Es hörte sich an als, ob sie gleichzeitig fressen würden und sich mit Frauen vergnügten. Dieses Bild sollte erst überhaupt nicht in meinen Kopf hinein, sonst würde nur wieder der Ekel und die Abscheu über diese primitiven und minderwertigen Kreaturen hochkommen. Vorsichtig gingen wir an der Türe vorbei und betraten die Treppe nach unten. Der Geruch von Fäkalien und auch von Verwesung wurde wieder stärker. Es war mir klar, dass wir noch tiefer in das faulende Herz dieser fremden Welt hinein tauchen würden. Und wenn wir dort ankommen würden wir es herausreißen. Solch eine Fäule, solch eine Krankheit muss heraus gebrannt werden. Das wusste doch jeder.​
 

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Sitzung 102 - Geschwür einer anderen Welt II

Wir schritten in die Tiefe. Weiter hinab in das verdorbene Herz des Morund-Steines. Die von Schleim feuchten Wände gaben mir immer mehr die Sicherheit, dass es ein krankes Herz war. Durchzogen von irgendeiner fremden Fäule. Im Stein sah ich kleine Löcher. Wie Maden fraßen sich dort Tentakel nach außen. Maden, die das Fleisch von Urrungfaust fressen wollten. Vermutlich war die Stadt schon lange tot, sie wusste es nur noch nicht. Es stank widerlich nach Verwesung aber auch der beißende Hauch des Arbolbarer Sees war wieder stärker geworden. Es kostete mich einiges an Überwindung in den Tunnel zu schreiten, der sich hinter der Wendeltreppe öffnete. Den anderen schien es nichts auszumachen. Wer weiß durch welchen Unrat sie sich schon wühlen mussten, bevor ich sie kennengelernt hatte. Oder sie konnten es gar nicht riechen. Bei Bargh war ich mir zum Beispiel nicht sicher. Hinter seiner grünen Maske regte sich nichts. Nur der Opal, der sich vor seinem Rubinauge befand, glitzerte merkwürdig ohne äußeren Lichteinfluss. Es sah so aus, als ob der schwarze Edelstein in seinem Innern brennen würde, als ob der in seinem Auge verwachsene glühende Rubin dort sichtbar würde.

Vor uns zweigten zwei Tunnel ab und wir konnten wieder ein Grunzen und ein Stöhnen hören. Es klang dumpf. Es klang nach riesigen Brustkörben. Halbohr und Lyrismar schlichen voran. Der Abgesandte Jiarliraes bewegte sich in seiner roten Chaosrobe fast lautlos über den glitschigen Stein. Beide mussten immer wieder Haufen von Fäkalien ausweichen. Wer auch immer hier hauste, er hielt es nicht für nötig einen Abort zu besuchen, sondern legte sein Geschäft einfach im Gang ab. Es mussten Tiere sein. Beide spähten in die Tunnel hinein und kamen nach kurzer Zeit wieder zurück. Flüsternd beschrieb Halbohr die beiden Höhlen, die sich hinter den Durchgängen eröffneten. Dort hausten Kreaturen die so ähnlich wie Orks aussahen, jedoch viel größer waren. Sie hatten riesige Schweinekreaturen dabei. Angeblich hatten sie lange Hauer, Sattel und Rüstungen. Vielleicht dienten sie ihnen als primitive Reittiere. Als Halbohr erzählte, dass ein Ork versucht hatte eines der Schweine von hinten zu begatten, war ich mir nicht mehr sicher, ob sie sie nur als Reittiere nutzten. Die anderen Orks hatten den Schweineliebhaber wohl mit Bierhumpen beworfen und sich mit stupiden, brüllenden Lachschreien über ihn lustig gemacht. Er hatte dann von dem Tier abgelassen, bevor es zum Akt kam. Aber ich war mir sicher, dass beide, Orks und Schweine, nur wilde, wertlose Tiere waren.

Ich wusste was zu tun war. Die Stimme in meinem Innern flüsterte es mir zu. Die anderen sollten sich bereit machen. Ich würde sie ausräuchern und was noch übrig war, konnten sie erlegen. Jiarlirae schenkte mir wieder die Macht der Flammen. Ich formte sie zu einem Ball den ich behutsam in eine der Höhlen lenkte. Die anderen waren schon in Position. Krachend zerplatzte die kleine Kugel aus Feuer in der Höhle und beschwor ein flammendes Inferno. Ich genoss die Schreie der Kreaturen, wie sie dort brannten. Aber sie waren schnell. Ich glaube nicht, dass sie wirklich so etwas wie Verstand hatten, vielleicht waren es eher tierische Instinkte. Einige konnten zur Seite springen und in der gegenüberliegenden Höhle formierten sie sich. Halbohr und Lyrismar stürmten in die andere Höhle hinein, während Bargh und ich uns um das kümmerten, was noch übrig war. Als Bargh in das drecke Wachgemach eindrang, rutschte er jedoch auf dem schleimigen Boden aus. Er versuchte sich zwar noch zu halten, aber durch sein Taumeln wurde sein kostbares Schild aus Ne‘ilurum zur Seite geschleudert. Aber Bargh wäre nicht der Drachentöter, wenn er nicht auch damit fertig werden würde. Schnell raffte er sich auf und griff mit der freien Hand zu seiner Klinge Blutstein. Die Schneide war aus Knochen und sie dürstete es nach Blut. Ihr Durst sollte schon bald gestillt werden und als Blutstein in das Fleisch eines Orks eindrang saugte sich der Knochen damit voll. Der Durst war noch lange nicht gestillt, aber schon jetzt begann der Knochen zu glänzen und sah mehr nach blankem Stahl aus. Barghs Klingen und meine Schatten zerschmetterten die Überlebenden. Auch die Schweinskreaturen, die bestimmt mehrere Schritte umfassten und die Größe von kleinen Pferden hatten, gaben ihr Leben. In der anderen Höhle sah ich Halbohr umringt von einer Meute von Orks. Einige Male rammte ein Streitkolben in die Seite des elfischen Söldners. Aber auch Halbohr war im Bunde mit Jiarlirae und das schien er auch immer mehr zu begreifen. Seine Einhornklinge schlitze die Bäuche von Schweinen und Orks gleichermaßen auf. Mit der Hilfe von Lyrismar waren auch diese Kreaturen recht bald nur noch Haufen von totem Fleisch.

Der Tunnel endete an einer der steinernen Türen, die aus vergangen Zeiten der Duergar zu stammen schien. Dahinter kamen wir wieder zurück in das hohle Zentrum des Morundsteines, mit der in die Wand geschliffenen Rampe, die uns weiter nach unten brachte. Doch wir kamen unserem Ziel näher. Der Grund dieses Schlundes tat sich vor uns auf. Der dicke grün-gelbe Dampf waberte dort über den Boden. Ich konnte spüren, wie er in meiner Lunge brannte. Hier hatten die Baumeister in steinernen Nischen Armbrust-Apparate aufgestellt, doch der Rost, mit dem sie zerfressen waren, zeigte mir, dass sie schon seit langer Zeit nicht mehr funktionierten. Laargyrs Spuren führten durch eine große doppelflügelige Türe aus Stahl, die mit alten Runen der Duergar verziert war. Ich wusste nicht genau was diese Runen bedeuten sollten, aber sie erzählten etwas von Verehrungen, vermutlich für Laduguer, obwohl er doch hier schon lange keine Macht mehr hatte. Halbohr zog einen der Türflügel auf. Er wollte dabei wie immer besonders vorsichtig und leise sein, doch stattdessen hörten wir ein lautes Knirschen durch den Stein gehen. Soviel zur Heimlichkeit. Hinter dem Tor lag ein breiter Säulengang. An den Wänden waren die Bildnisse nachtzwergischer Krieger als Fresken eingelassen. Einige Türen, aus dem harten Eisenpilzholz der Unterreiche gefertigt, lagen an den Seiten. Auch hier waberte der giftige Dampf über den Boden. Am Ende unseres Sichtbereichs, wo sich der Gang verzweigte, konnte ich jedoch einen anderen Nebel erkennen. Nicht gelb und giftig, sondern weiß, fast schon strahlend. Aber viel dicker. Wie eine Wand zog er sich durch den Gang und keiner von uns konnte dort hindurchschauen.

Halbohr wollte sich gerade zum Boden bücken, um den Spuren zu folgen, da öffneten sich die Türen an den Seiten. Heraus traten die Kreaturen, die uns dank des Knirschens wohl schon erwartet hatten. Weitere dieser abscheulichen Rasse, mit den Köpfen von Tintenfischen. Die Tentakel in ihren Mäulern zuckten wild hin und her und die weißen Augen blitzten uns mit kaltem Hass an. Eines blickte mir direkt in die Augen und ich konnte die Stimme dieser Kreatur in meinem Kopf hören. Sie versuchte die Stimme der Herrin zu übertünchen. Sie säuselte etwas von unserer verlorenen Aufgabe und wie ich mich retten könnte. Pah! Meine Herrin war mächtiger, bei weitem. Die Stimme der Kreatur wurde leiser, nur noch ein Flüstern. Ich stellte mir eine flammende Wand vor mit der ich die Stimme aussperrte. Ich weiß nicht ob diese Kreaturen Überraschung zeigen konnten, aber als Bargh, Lyrismar und Halbohr mit erhobenen Klingen auf sie stürmten, meinte ich eine kurze Reaktion in den Schädeln gesehen zu haben. Barghs flammende Klinge schnitt mit einem Hieb durch die erste Kreatur hindurch. Die anderen versuchten wieder mit ihrer Geisteswelle unsere Muskeln zum Erstarren zu bringen, doch auch dieses Mal hatten sie keinen Erfolg. Eine stand direkt vor mir und ich lachte ihr ins Gesicht. Mein Säbel zuckte nach vorne und ich schlitzte sie auf.

Es dauerte nicht lange und dann zuckten keine Tentakel mehr aus den Kreaturen. Doch dann geschah etwas Merkwürdiges. Die liebliche Stimme, die ich hörte, war jetzt kein Säuseln mehr, sondern sie wuchs an und wurde zu einem aufgeregten Rufen. Sie rief mich zur Eile, sie drängte mich. Ich musste jetzt sofort loslaufen, durch die Wand aus dem silbernen Nebel hindurch. Ich blickte zu Bargh und Lyrismar. Auch sie schienen etwas zu hören oder vielleicht auch nur zu fühlen. Selbst bei Halbohr konnte ich die Unruhe sehen. Ich ließ mir keine Zeit zum Nachdenken, es musste jetzt passieren. Also rannte ich los. Bargh rief einen Angriffsbefehl und zusammen stürmten wir durch den silbernen Nebel.

Der Nebel ragte nicht weit in den Tunnel hinein. Schon nach einem Schritt waren wir hindurch und sahen das, was dahinter lag. Der Gang erweiterte sich zu den Überresten einer kleineren unterirdischen Kapelle. Man konnte eine Doppelreihe von Säulen sehen, die aber auch von schwarzem Schleim und Tentakeln überwuchert wurden.
Auf einer Empore, dort wo früher vielleicht mal ein Altar stand, war ein widerlich anzusehender Haufen von schwarzen Tentakeln. Die Tentakel wuchsen dabei in einem Bogen über den Resten und ich konnte jetzt sehen, dass in den Tentakel verstrickt die immer noch lebenden Leiber von Kreaturen hingen. Die Leiber wurden durchzogen von Geschwüren und Tentakeln wie ein wucherndes Rankengewächs. Durch das Fleisch hindurch hatten sie sich gebohrt. Zusätzlich waren vier Maschinen darin verwoben. Die Maschinen kamen mir bekannt vor, aber erst nach dem zweiten Blick erkannte ich sie. Es waren die gleichen Kugeln, die wir bereits im Tempel des Jensehers gesehen hatten. Im Tempel des Jensehers hatten sie pulsierend die unwirkliche Scheibe versorgt, die sich in Mitten des Raumes gedreht hatte. Es fiel mir auch wieder ein, dass im Tempel einige dieser Orben gefehlt hatten, weswegen die Scheibe sich nie richtig materialisieren konnte. Hier waren sie also. Irgendwie hatten sie es geschafft den Gefahren des Tempels zu trotzen und diese Maschinen zu rauben. Ich konnte ein Prickeln auf meiner Haut spüren, denn inmitten des Bogens aus Tentakeln und Körpern sah ich die spiegelnde Fläche, aus der ein milchig-silbernes Licht strahlte.

Das Licht warf lange Schatten von den Gestalten, die sich vor dieser Konstruktion versammelt hatten und uns schon erwarteten. Direkt vor der spiegelnden Fläche stand in einer leuchtenden Mithril Rüstung ein Nachtzwerg. Die Rüstung war überzogen mit einer Schicht von Frost. In seiner Hand trug er einen langen Speer, dessen Spitze ebenfalls aus Mithril zu bestehen schien. Um seinen Hals hing an einer Kordel ein Amulett mit einem Opal, dessen eine Seite schwarz wie die Nacht und dessen andere Seite milchig, wie ein düsterer Tag war. Das musste der Erzgraf von Düstergrau sein, der Abt des Tempels Glammringsfaust. Ich konnte seine blitzenden Zähne sehen, als er mit halb geschlossenen Augen Gebete an seinen Herren sang. Das war der Grund warum wir nicht zögern sollten. Es war das erste Gebet. Wenn er Zeit gehabt hätte, weitere von sich zu geben, wäre er noch gestärkter gewesen. Vor ihm reihten sich vier muskulöse Orkkrieger auf und dahinter vier der Tentakelkreaturen. Halbohr und Bargh stürmten ohne zu zögern der Reihe der Orks entgegen. Lyrismar dagegen beschwor eine Lanze der Schatten, dessen Spitze in den Erzgraf traf. Doch der Nachtzwerg hielt seinen Speer vor sich, der einen Teil der Magie in sich aufsog. Dennoch konnte ich sehen wie sich sein faltiges Gesicht vor Schmerzen zusammen zog. Er würde die Macht von Jiarlirae zu spüren bekommen. Ich selbst erbat von meiner Herrin eine flammende Kugel. In einem hohen Bogen schleuderte ich das Geschoss aus den heiligen Flammen ihm entgegen und mit einem Bersten platzte diese über ihm. Auch hier hielt er seinen Speer vor sich und auch hier schien es, als würden die Feuer um ihn schwächer werden. Dennoch konnte er ihnen nicht komplett widerstehen. Selbst eine der Tentakelkreaturen konnte sich dem Feuer nicht entziehen. Die Flammen trotzten dem Wesen und ich konnte in meinem Kopf den Schmerzensschrei hören. Ich flehte um weitere Magie und wieder wurde sie mir geschenkt. Mehr im Hinterkopf konnte ich spüren, dass die Herrin immer näherkam, je mehr sie mir ihre Macht schenkte. Der Erzgraf änderte sein Gebet zu einem unvorstellbar komplexen Gesang. Ich erkannte direkt was er vorhatte. Sein Gesang sollte Welten jenseits der unseren erreichen und von dort weitere Kreaturen anlocken. Doch wie immer unterschätzten sie mich, sahen in mir immer noch das kleine Mädchen. Ich warf blitzschnell kleine Kugeln aus Energie auf den Erzgraf und seine Worte gerieten ins Stocken.

Vor mir drang das Klingen von Stahl auf Stahl, als Bargh den letzten der Orkkreatur fast das ganze Bein abschlug. Halbohr und Lyrismar waren schon weiter vorne und töteten die Tentakelkreaturen. Von allen Seiten drangen wir jetzt auf den Erzgraf ein. Seine stahlgrauen Augen blitzten zu Halbohr, als er sprach: „Ihr wisst nicht mit wem ihr es zu tun habt, Meister Halbohr! Nach mir werden viele andere kommen. Wir sind alle eins, unser Geist ist eins!“ Um den Erzgraf brach ein unvorstellbares Getümmel aus. Schläge der Schwerter wurden pariert, die Spitze des Speers schnellte nach vorne, traf aber nur Luft. Er war geschickt mit seiner Waffe. Gerade als ich dachte er würde sie ein weiteres Mal nach vorne stoßen, drehte er sie in der Luft und hieb damit wie ein Schwert nach Halbohr. Dieser war nicht schnell genug und die scharfe Schneide schnitt tief in sein Fleisch. Er strauchelte kurz und der Erzgraf nutzte die Gelegenheit und den Speer in seinen Bauch zu treiben. Doch Halbohr hielt sich tapfer und ging zum Gegenangriff über. Auch Bargh und Lyrismar rammten ihre Klingen in seine Seite. Ich schleuderte weiter magische Kugeln auf ihn und schließlich begannen seine Augen zu zittern. Keuchend sank er auf die Knie. Blut lief aus seinem Mund und aus der Vielzahl von Wunden. Er war dem Tode nahe und dieses Mal wusste er es. Röchelnd hauchte er mit seinem ersterbenden Atem sein Leben aus. Es war, als würde er aus einem tiefen Schlaf aufwachen: „Was haben wir getan? Wir wurden hintergangen...Schließt das Portal…“ Dies waren die letzten Worte des Erzgrafes von Düstergrau, dem höchsten Vertreter des Laduguer von Urrungfaust, die wir tief unter den Morundstein hörten.

Bargh nahm sich keine Zeit zum Verschnaufen. Mit Abscheu blickte er auf die Ranken von Tentakeln und begann sie wie in einem Rausch zu zerschlagen. Klappernd fielen die Maschinen zu Boden, zusammen mit den Körpern. Es war ein Blutbad das er anrichtete. Seine schwarze Klinge Glimringshert durchschnitt Leiber, wie Geschwüre. Schwarzes Blut spritzte auf und die verwachsenen Zwerge, Menschen und Elfen – allesamt Opfer der fremden Tentakelwesen – schrien in ihrem Tode. Doch der Spiegel war immer noch da, als wollte er uns anlocken - oder eher verspotten? Bargh hatte die Leiber zerstört und war von schwarzem Blut besudelt. Was war diese Scheibe, dieser Spiegel, der dort milchig-silbern schimmerte. Um eines war ich mir sicher: Der Erzgraf war schwach, sein eigentlicher Meister würde irgendwo auf uns warten.​
 

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Sitzung 103 - Die Welt aus Eisen

In dem verfallenen Tempel des Laduguer war wieder Ruhe eingekehrt. Nur das Knistern des Portals durchbrach die Stille und erzeugte mir ein Kribbeln im Nacken. Das Blut der verfaulten Leiber, die das Portal noch gehalten hatten, begann schon langsam zu stinken. Aber die milchig schimmernde Oberfläche des Portals war immer noch da, sogar als wir diese sphärenartigen Maschinen aus den Tentakeln- und Fleischmassen geschält hatten. Inzwischen war der Boden bedeckt mit Körperteilen von Nachtzwergen, Menschen, Elfen. Zudem waren da die im Kampf getöteten Leichname der Orks und der Tentakelkreaturen. Einige ihrer Tentakel zuckten noch leicht und ich glaube, einmal habe ich mich sogar etwas erschreckt. Zum Glück hatten Bargh und Lyrismar es nicht gesehen. Mit dem neuen Säbel schnitt ich der Kreatur schnell die Tentakel ab. Jetzt zuckten sie nicht mehr. Die Rüstung des Drachentöters war besudelt mit dem Blut der Kreaturen und auch mit seinem eigenen. Mit den Maschinen trat er an Lyrismar und befahl ihm sie zurück in den Tempel des Jensehers zu bringen. Damit sollte das Weltentor wieder vollständig herzustellen sein. Es sollte unser eigener Zugang sein, nach Euborea und zu anderen Welten außerhalb. Lyrismar aber schien Bargh nicht direkt zu verstehen. Seinem Blick nach zu urteilen, hatte er immer noch einige Nachwirkungen seines Öles im Kopf. Noch einmal sprach Bargh ihn an, dann reagierte er. Er sagte, es würde einige Zeit dauern und sei auch nicht ungefährlich, doch er nahm die Kugeln und bewegte sich mit seiner Magie durch Raum und Zeit. Sagte er nicht, dass diese Art von Magie hier unten nicht richtig funktionierte? Wenn etwas schief läuft, erscheint er am Ende im Tempel des Jensehers inmitten des Bauches einer der Riesen. Ich stellte mir seinen Blick vor, wenn er sich durch den Körper nach außen schneiden musste und grinste dabei. In dem Moment verwandelte er sich in brennende Schatten und war verschwunden. Nur glühende Asche schwebte langsam zu Boden. Wir durchsuchten die Räume, in denen sie gehaust hatten. Wir fanden mehrere der kleinen Glöckchen und weitere Schriftstücke sowie Bücher in der seltsamen geschriebenen Sprache der Kreaturen. Und sie hatten mehrere grünlich schimmernde Steine gehortet. Sie waren leicht warm. Doch als ich genauer hinschaute, zog ich meine Hand schnell zurück. Es waren Steine, die auf der Haut widerliche Geschwüre erzeugen konnten, wenn man sie nur lange mit sich herumtrug. Aber man konnte sie auch für die Herstellung starker Säuren benutzen. Bestimmt würden sie noch nützlich werden, also schaffte ich sie vorsichtig in das außerweltliche Laboratorium, was Ortnor uns freundlicherweise nach seinem Tode überlassen hatte.

Ein weiterer Raum offenbarte uns, was für absonderliche Versuche diese Kreaturen durchführten. In dem Raum standen auf Säulen mehrere der Sphärenmaschinen, doch sie sahen irgendwie anders aus, fast als ob sie in falscher Weise selbst erbaut wurden. Wir hörten ein tiefes Summen und Knallen aus dem Gemach. Zwischen den Maschinen zuckten helle Bögen aus elektrischer Energie und in der Mitte des Raumes stand auf einem Sockel ein großes Gefäß aus Kristall. Ein Haufen grüner Schleim war dort drin, doch dieser bewegte sich. Es war nicht nur ein Bewegen, sondern es war, als ob er sich in meine Richtung drehen würde. Ich sah keine Augen oder irgendetwas, was man als Kopf bezeichnen könnte, dennoch spürte ich, dass mich dieser Schleim direkt anschaute. Er zuckte und blubberte in seinem Gefäß, doch sein Gefängnis war mit einem schweren eisernen Deckel verschlossen. Auf einem Tisch lagen die Überreste eines Menschen. Er hatte ein großes Loch in seinem Schädel und seine Haut war bereits schwärzlich verfault. Irgendetwas hatte ihm sein Gehirn direkt durch den Kopf ausgesaugt. Wir fanden weitere Bücher, dieses Mal aber in der Schrift der Nachtzwerge verfasst. Eins beinhaltete eine Anleitung, wie man die Sphärenmaschinen bauen könnte. Doch es hatte offenbar nicht richtig funktioniert. Wir fanden auch das Gemach des Erzgrafen. Dieser hatte hier eine Sammlung von verschiedenen farbigen Flüssigkeiten in großen Gläsern, die das Licht von den Kristallen hier wie einen Regenbogen warfen. Auch waren überall weitere Bücher und Notizen verteilt. Halbohr fand eines besonders interessant. Es enthielt Anweisungen wie man Grausud herstellen konnte. Er meinte, er könnte die Rezeptur sogar noch verbessern. Das würde Neire bestimmt gefallen, war doch sein Vorrat bereits so gut wie aufgebraucht.

Lyrismar war dann wieder aufgetaucht und gerade dabei Halbohr die Neuigkeiten aus dem Tempel mitzuteilen. Ich hörte nur beiläufig zu. Irgendetwas besprachen sie über Neire und einige Einzelheiten gefielen Halbohr nicht. Wahrscheinlich war er einfach zu unzufrieden, weil Neire die Sachen nicht so langweilig werden lässt, wie er selbst. Ich konnte es kaum noch abwarten herauszufinden, was hinter dem Portal lag. Auf jeden Fall war es stabil und man konnte damit auch wieder zurückkehren. Zwar spürte ich eine Kälte davon ausgehen, aber nicht so kalt wie es in den Gletschern der Kristallnebelberge war. Nur einen Schritt müssten wir tun, mehr brauchte es nicht. Nach kurzer Beratung war es soweit. Wir murmelten alle ein Gebet an unsere Göttin und traten durch die seltsame Oberfläche in das Ungewisse.

Ein Schmerz durchzog mich. Mein Gesicht fühlte sich an, als ob jemand mir die Haut vom Schädel reißen würde. Alles bewegte sich falsch, während ich durch den Durchgang gezogen wurde. Ich blickte mich um und sah die verzerrte Gestalt von Lyrismar hinter mir. Er bewegte sich, aber viel schneller, als ob die Zeit für ihn gerafft wäre. Licht und Dunkelheit wechselten sich wie ein Gewitter in dunkler Nacht ab. Und es war kalt. Nicht einfach kalt wie ein Winter. Irgendetwas zog mir die eigene Wärme aus meiner Haut. Dann spürte ich festen Boden unter meinen Füßen. Alles drehte sich noch, doch langsam festigten sich die Konturen um mich herum. Ich spürte, dass meine Stiefel harten Boden berührten. Kein Stein, sondern Metall. Ich konnte einen Himmel erkennen, doch weder Sonne noch Mond und Sterne. Alles war grau, als ob der Horizont mit einer dicken und ewigen Wolkendecke verhangen wäre. Im Himmel konnte ich aber etwas erkennen. Ich dachte erst es wäre der Mond, aber das dort war eckig. Ein gigantischer Würfel bewegte sich dort und spiegelte das karge Licht. Wo waren wir hier? Was ist das für ein Ort wo im Himmel Würfel aus Metall flogen? Alles war aus Metall. Auf dem Boden lagen Reste von großen Metallstücken, die vielleicht von irgendeiner Maschine abgebrochen waren und schon vom Rost zerfressen wurden. Keinerlei Holz oder Stein, nirgendwo. Wir mussten auf einer Empore sein, denn die Oberfläche auf der wir standen hatte links und rechts und auch vor uns eine scharfe Kante hinter der nur der Abgrund war. Aber ich konnte vor uns etwas erkennen. Eine Öffnung oder vielleicht ein Loch mit den Konturen einer Treppe. Mir war unwohl an diesem Ort und meine Neugier war schon gestillt. Bargh und Lyrismar ging es nicht anders, nur Halbohr schien wie immer unbeeindruckt zu sein. Allerdings glaube ich nach wie vor, dass er uns das nur vorspielt und in Wahrheit seine Knie schlotterten vor Angst. Bargh murmelte: „Dies ist kein Ort unserer Göttin. Sie ist weit entfernt und ich kann sie kaum noch spüren“. Er hatte Recht. Sie war zwar immer noch da, diese freundliche Stimme in meinem Kopf. Aber nur ein Wispern, kaum zu verstehen.

Plötzlich krachte es neben uns. Metallsplitter flogen durch die Luft und prasselten vor uns nieder. Dort wo sie hinabkamen war plötzlich eine tiefe Mulde im Eisenboden entstanden. Ich schaute mich verwirrt um. Ich konnte nicht sehen, was dort passiert war und was dort eingeschlagen war. Und erst recht nicht von wo. Dann ein zweites Krachen und dieses Mal viel näher. Ein Splitter schoss mir durch meinen Arm und ich schrie auf. Für einen kurzen Moment konnte ich das Geschoss sehen. Eine große Kugel aus massivem Eisen flog offenbar direkt aus dem Himmel herunter. Es blieb keine Zeit nachzudenken. Wir rannten um unser Leben. Der Beschuss wurde immer stärker und immer treffsicher. Mit einem Donnern schlug eins nach dem anderen um uns herum ein und die Schrapnelle durchbohrten uns. Eins war so groß wie ein Speer und schlug Lyrismar durch die Brust. Ich rannte noch schneller, was auf dem Metallboden nicht einfach war. Mittlerweile liefen wir durch einen Regen von Metallschrapnellen. Ich musste den scharfen Kanten ausweichen, musste mich auf die Trümmer des Bodens konzentrieren. Ich blickte mich um zu Bargh. Er war nicht so schnell wie wir, aber ich konnte ihn nicht einfach zurücklassen. Doch dann faltete er schon seine Rabenschwingen auseinander und hob sich mit schweren Schlägen in die Lüfte. Wir hasteten schneller und noch schneller. Doch je schneller wir liefen desto mehr Geschosse prasselten auf uns nieder. Das rettende Loch kam immer näher doch noch nicht nah genug. Mein Herz raste und doch versuchte ich noch schneller zu laufen. Endlich war es da. Ohne nachzudenken sprang ich hinein. Alles war besser, als weiter hier zu bleiben.

Der Fall tief und schmerzhaft. Irgendetwas krachte in meinen Knien. Vielleicht hatte ich mir etwas gebrochen. Mir blieb für einen Augenblick die Luft aus den Lungen weg. Die Treppe, die ich gesehen hatte, ging am Rande dieses eckigen Schachtes entlang. Auch sie war aus Eisen und vom Rost halb zerfallen. Und auch sie war wie alles andere hier eckig, kantig und irgendwie anders. Nichts sah so aus als ob es natürlich gewachsen wäre. Nicht einmal der Boden. Wir zogen uns hastig in die Dunkelheit des schützenden Schachtes. Über uns krachten noch immer die Geschosse, doch sie wurden etwas weniger. Das Geräusch, der Metallklang, waren noch immer ohrenbetäubend. Halbohr vermutete, dass die Nachtzwerge uns schon erwartet hatten und uns mit Belagerungswaffen angegriffen hatten. Doch Lyrismar hatte viel mehr Erfahrung, was die Welten jenseits unserer Eigenen angeht. Für ihn waren diese Geschosse eher so etwas wie ein Gewitter. Statt Blitze und Regen hagelte es Brocken aus Metall – ein Sturm aus Eisen. Da war ich mir nicht sicher was schlimmer wäre. Nachtzwerge, die selbst hier Fuß gefasst hätten oder ein Regen aus Schrapnellen. Ich wollte und konnte nicht darüber nachdenken. Nach dem Schock spürte ich den überwältigenden Schmerz. Blut strömte nicht nur aus meinem Körper. Bargh half mir die rostigen Geschosse aus meinem Fleisch zu ziehen. Ein Schrapnell hatte sich durch den Rücken meiner Hand gebohrt. Ich wollte schreien, doch ich biss die Zähne zusammen. Tränen liefen über meine Wangen hinab. Ich wollte nicht weinen, ich wollte nicht das Mädchen sein, das ich früher war. Halbohr war am übelsten mitgenommen von uns. Bargh beschäftigte sich eine längere Zeit mit ihm. Wir verbanden unsere Wunden und behandelten sie mit Heilkräutern. Vor unserer Ruhe beschwor Bargh seine die heilenden Mächte von Flamme und Düsternis und ich schöpfte ein wenig Hoffnung, als ich die vertraute Kraft spürte. Meine Wunden schlossen durch die Wundheilung meiner Herrin und meine Tränen versiegten.

Ich schlief zwar, aber es war alles andere als entspannend. Die scharfen Kanten des Eisens schnitten mir immer wieder in meine Haut. Es roch nach unserem Blut und nach Rost. Wie schön es doch wäre, noch einmal in einem weichen und bequemen Bett zu schlafen. Die Wärme einer wohligen Schankstube zu spüren. Mit Verbänden und dem Segen Jiarliraes kümmerten wir uns nach unserem Schlaf ein weiteres Mal um unsere Wunden. Bargh schien auch nicht so gut geschlafen zu haben, zumindest hatte er ein nachdenkliches Gesicht, als er aufwachte. Er hatte geträumt. Er sah Neire, wie er schon alt war. Ich fragte ihn, wie Neire mit grauen Haaren ausgesehen hätte, doch konnte er sich schon nicht mehr an alles erinnern. Aber er wusste noch, dass es Neire war, wie er in einer fernen Zukunft sein würde. Und mir war klar, dass dies ein Bild von Jiarlirae war. Sie zeigte Bargh, dass es Neire auch noch in der Zukunft geben würde; dass er leben würde. Und wenn er lebendig war, würde er sein Ziel auch erreicht haben, denn nicht einmal der Tod könnte ihn davon abhalten.

Wir brachen auf und folgten der Treppe eine Zeit in die Tiefe. Wir stießen auf einen Tunnel am Ende der Treppe. Der Tunnel war hier durch das Eisen getrieben und gewährte uns einen Ausweg. Aber ich hatte mich geirrt. Nicht alles hier war aus Eisen. An den Wänden des Tunnels wuchsen anfangs spärlich, später immer stärker, Pilze. Das erste lebendige, was es hier überhaupt gab. Man konnte sie sogar essen, auch wenn sie vermutlich furchtbar schmecken würden. Bargh fand auch Spuren. Es waren die Spuren der Kreaturen mit den Tentakelköpfen. Da waren aber auch andere Spuren. Größere Kreaturen, die den Abdrücken nach Krallen an den Füßen hatten. Wir folgten den Spuren und hörten schon bald ein Geräusch durch den Tunnel hallen. Es war wie ein Schnalzen einer Zunge. Es wiederholte sich unregelmäßig. Der Tunnel öffnete sich in eine größere Höhle. Hier war ein richtiger Wald von Pilzen, die teilweise mehrere Meter wuchsen. Und es führten weitere Tunnel hier heraus. Es sah aus wie Geflecht von Adern, durch ein eisernes Herz. An den Wänden war Rost hinabgelaufen. Wir folgten den Spuren weiter. Zu dem Schnalzen gesellten sich die Geräusche von Stimmen und auch Schreie dazu. Eine weitere Höhle öffnete sich, eigentlich sogar zwei. Die erste war recht klein und viereckig. In den Ecken waren vier große schwarze Opale eingelassen, die wie schwarze Augen auf die Mitte starrten. Dort stand ein Sockel mit einigen Hebeln, die aber verbogen und kaputt aussahen. Vor dem Sockel saßen vier muskulöse Kreaturen die mit weißen Augen diese Opale anstarrten. Die Schnalzgeräusche kamen von ihnen, ihre Kiefer bewegten sich leicht. Sie hatten eine dicke schuppige Haut und langes, gewelltes schwarzes Haar. Gekleidet in dreckigen Lumpen, sahen sie aus wie heruntergekommene Krieger, mit langen krummen Messern an ihrer Seite. Eine Vielzahl von Gegenständen lag vor dem Sockel, fast wie Opfergaben, für wen auch immer. Dahinter konnte ich leichten Feuerschein erkennen und die Umrisse einer viel größeren Höhle. In der riesigen Kaverne konnte ich sogar noch die Konturen von einfachen Hütten erkennen.

Halbohr und Lyrismar schlichen lautlos nach voran und postierten sich hinter den Kreaturen. Ich starrte ihnen gespannt nach. Zwar sah es so aus als ob die Kreaturen blind seien, aber sie konnten bestimmt etwas hören und vielleicht konnten sie ja doch sehen. Aber die beiden kamen unentdeckt an und hoben ihre Klingen. Gleichzeitig stachen sie ihre Waffen in die Hälse von zwei Kreaturen, die röchelnd zu Boden sanken. Die beiden anderen schreckten auf, doch Halbohr und Lyrismar waren schneller. Halbohr stach den Einhorndolch tief in das Herz der einen und die Klinge von Lyrismar zeigte ihre Sägezähne. Quer über den Bauch schnitt sie und die Stränge der Gedärme verfingen sich darin. Mit einem Ruck zog er sie einfach raus und die Eingeweide fielen flatschend und warm dampfend zu Boden.

Die größere Höhle lag vor uns. Die Spuren der Tentakelkreaturen führten dorthin und auch ein vielfaches Schnalzen war zu hören. Wo hatte uns Jiarlirae hingeführt?​
 

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Sitzung 104 - Die Welt aus Eisen II

Die Gedärme der Kreatur stanken. Als Lyrismar sie mit seiner Sägeklinge herausriss, hatten sich vermutlich schon einige Fäkalien dort angesammelt. Ruhig starrten die schwarzen Opale der Wände auf die Leichen dieser muskelbepackten Kreaturen, deren dunkles Blut an ihrer geschuppten Haut herabrann. Die Augen von einer Gestalt waren noch weit geöffnet. Die vollständig weißen Augäpfel waren mir etwas unheimlich. Ich fragte mich die ganze Zeit, wie diese Kreaturen denn überhaupt überleben und sich verbreiten konnten, ohne irgendetwas zu sehen. Als ich sie betrachtete, fingen auch meine Augen wieder an zu brennen. Ich dachte es wären die kristallenen Linsen, die ich trug. Vielleicht vertrug ich sei nicht mehr. Doch als ich sie herausnehmen wollte, fühlte ich sie nicht mehr. Sie waren verschwunden. Noch immer konnte ich aber die Umrisse der warmen Körper meiner Mitstreiter erkennen, genauso klar wie die langsam kälter werdenden Körper der Leichen. Ich wusste, Jiarlirae hatte mich gesegnet. Um ihr besser dienen zu können, hatte sie mir die Gabe geschenkt zu sehen, ohne auf irgendwelche dummen Kristalle angewiesen zu sein.

Die größere Höhle vor uns schloss sich fast direkt zu dieser kleineren an. Ab und zu konnten wir das Schnalzen der Zungen hören, was diese Kreaturen von sich gaben. Hier und da brannte ein Feuer in einer schäbigen Hütte und warf die Schatten von verrammelten Fensterläden zu uns herüber. Ich glaubte auch zwischen dem Schnalzen irgendein Wimmern zu hören, fast wie das Gezeter kleiner Kinder. Halbohr und Lyrismar beschlossen die größere Höhle zu erkunden. Ich blieb bei Bargh. Der Krieger strahlte eine Ruhe und Stärke aus, die ich als sehr angenehm empfand. Vielleicht war es auch seine Klinge. Die Schatten, die beständig aus den dunklen Adern von Glrimringshert, bluteten besänftigten mich und versicherten mir, dass wir in Jiarliraes Sinne handelten. Als ich wieder zu der Höhle blickte konnte ich nur noch die letzten Umrisse von Lyrismar erkennen. Sein vollkommen verbranntes Gesicht ging beinahe im Dunkeln unter, nur seine violetten Augen stachen hier und da hervor. Wir hatten verabredet, dass wir ihnen etwas Abstand lassen und dann folgten sollten. Also wartete ich kurz und trat ebenfalls in die Höhle hinein. Der Gestank wurde stärker. Fäulnis, Fäkalien und einfacher Dreck bestimmten den Geruch hier. Die Hütten waren aus dem Holz der großen Pilze dieser Welt gefertigt und schmiegten sich fast an die Höhlenwand. Nur ein schmaler Abstand war hier, wo ich auch kurz die Gestalt von Halbohr auftauchen sah. Die widerlichen Kreaturen gaben sich nicht die Mühe ihre Notdurft weg zu schaffen. Sie ließen sie einfach hinter ihren Hütten ab. Für sie war das vielleicht kein Problem, für mich hieß es aber, wenn ich Halbohr und Lyrismar folgen wollte, an den Haufen vorbei, die direkt vor mir lagen. Ich konnte an den Spuren sehen, dass Halbohr dies wohl nichts ausmachte. Er lief einfach hindurch. Ich wollte aber nicht für Ewigkeiten den Gestank an mir haben. So wichtig war diese ganze Heimlichkeit auch wieder nicht. Ich nahm kurz Anlauf und sprang über den Haufen vor mir hinüber. Der Boden hier war auch wie die Wände und alles andere aus Metall, aber zum Glück vom Rost etwas angefressen, so dass ich recht weich landen konnte.

Zwischen den Hütten konnte ich einen Turm aufragen sehen. Der Gebilde war aus rostbraunem Eisen. Ich weiß nicht wie diese Kreaturen es geschafft hatten so etwas zu bauen, ohne Stein oder Holz. Aber vielleicht wachsen auf dieser Welt Gebäude aus Metall einfach aus dem Boden, wie anderswo Bäume. Der Turm ragte wie ein gerader Zylinder etliche Schritte in die Höhle und mindestens eine eiserne Leiter war an einer Seite festgemacht. Auf der glatten Spitze konnte ich auch zwei bewaffnete Gestalten sehen. Sie reckten ihre weißen Augen nach unten und gaben ihr Schnalzen wieder. Dann warteten sie einen Moment und drehten sich wieder um. Bargh und ich folgten Halbohr hinter einer weiteren Hütte entlang. Plötzlich krachte vor uns die Türe der Hütte auf und ein widerliches Etwas trat hervor. Man könnte es vielleicht als Frau bezeichnen. Aber eine hässlichere Frau habe ich bisher noch nicht gesehen. Sie kam völlig nackt heraus. Ihre fetten Brüste baumelten auf ihrem dicken Bauch herum. Speck hatte sich auch an ihrem Hinterteil und an ihren Oberschenkeln gesammelt. An ihrem Mund liefen noch die Reste einer braunen Suppe hinab. Dem Rülpsen nach, dass sie von sich gab, hatte es ihr wohl geschmeckt. Sie schnalzte kurz in die Dunkelheit und kam uns entgegen. Ihr Gesicht war knöchern, hässlich – schwarzes, wirres, dreckiges Haar rahmten einen breiten Mund mit angespitzten Zähnen sowie disproportionierte weiße Augen ein. Bargh packte mir auf die Schulter und wir beide standen im Schatten der Barackenwand wie Steinstatuen. Ich wagte es nicht einmal zu atmen, was sich als sehr gut herausstellte. Die Gestalt blickte blind mit ihren weißen Augen in unsere Richtung, sah aber nicht so aus als ob sie uns sehen würde. Dann hockte sie sich hin. Es war wie eine Folter. Mit lauten Geräuschen erledigte sie direkt vor uns ihr Geschäft. Rülpsend und spuckend genoss sie es richtig, während ich all meine Kraft sammelte um mich nicht direkt zu übergeben.

Für mich wirkte es wie eine Ewigkeit, dazu verdammt zu sein dieser Kreatur zuzuschauen. Irgendwann gab sie ein zufriedenes Schnalzen von sich, raffte sich auf und ging wieder in ihre Hütte. Man konnte kurz das Geschrei von Kindern von innen hören. Ich hielt immer noch die Luft an. Zwar war die direkte Gefahr vorbei, aber der Gestank war bestimmt furchtbar. Ich nahm kurz Anlauf um in einem weiten Bogen über den frischen Haufen zu springen. Aber ich hatte mir eine schlechte Stelle ausgesucht. Mit einem lauten Knirschen durchbrachen meine Stiefel eine morsche Stelle im Rost des Eisens. Fast augenblicklich blickten zwei weiße Augenpaare von dem Turm herab und ein Schnalzen von Zungen war zu hören. Die Kreaturen zeigten in meine Richtung. Ich drückte mich zwar in die Schatten, doch war es schon zu spät. Das Chaos brach los.

Halbohr reagierte sehr schnell und warf seine Dolche auf die Kreaturen auf dem Turn. Ein Dolch blieb im Hals des ersten Höhlenbewohners stecken. Als er röchelte tropfte ein Rinnsal von Blut dem Mundwinkel entlang. Neben uns krachte die Türe wieder auf. Dieses Mal war es aber kein weibliches Geschöpf, sondern eindeutig ein männliches. Auch dieses Exemplar war groß und muskulös, mit dicker, schuppiger Haut und langem, schwarzen Haar. Völlig nackt sprang er aus der Hütte heraus, gerade als Bargh und ich in Richtung des Turmes laufen wollten. Er hatte angespitzte Zähne im Maul, aus dem er auch das Schnalzen von sich gab. Sein Ohr hielt er dabei in unsere Richtung. Dann drehte er sich abrupt zu uns und gab ein hohes Zischen von sich. Damit rannte er auf uns zu, doch direkt in den Schwertarm von Bargh. Die Klinge des Antipaladins schnitt beinahe ohne Widerstand durch den Körper hindurch und sein schwerer fleischiger Leib klatschte wie ein nasser Sack zu Boden. Wir liefen weiter in Richtung des Turmes, zur senkrechten Leiter. Aus dem Augenwinkel konnte ich noch die weibliche Kreatur in der Hütte sehen. Aufgeregt schnalzte sie vor sich hin und hielt eine wimmernde Schar von verwahrlosten Sprösslingen hinter sich. Weitere Kreaturen tauchten am oberen Rand des Turmes auf. Einer hielt seine Klauenhand nach oben und drehte die Finger dabei ineinander. Fast zeitgleich flogen aus der offenen Hütte einige Splitter sowie Messer und Gabeln heraus und rasten auf Halbohr zu. Eine Gabel blieb in Halbohrs Hals stecken. Er verzog das Gesicht, als er sich gerade dran machte die Leitern, die auf den Turm führten, hoch zu klettern. Lyrismar war etwas schneller. Auf einer anderen Seite flog er fast die Leiter hoch und schlug mit seinem Schwert auf die verbliebenen Kreaturen. Dem ersten Wesen schnitt er quer über den Brustkorb. Es torkelte und fiel dann mit einem lauten Platschen und Knacken von Fett und Knochen auf den Metallboden vor mir. Der Turm war frei, also rannten wir. So schnell ich konnte zog ich mich die Sprossen der Leiter hoch.

Von hier oben hatte ich einen guten Ausblick. In der Mitte des Turms konnte man die Umrisse einer runden Luke erkennen die wohl in den Turm hinein führte. Doch ich erkannte keinen Öffnungsmechanismus. Ich wandte meinen Blick wieder hastig dem Geschehen zu. Die Höhle verzweigte sich noch etwas und weitere Hütten waren zu sehen. Sie brachten fortwährend Kreaturen hervor, die aussahen, als ob sie gerade aus dem Schlaf gerissen wurden. Ein Schwall von Schnalzgeräuschen erfüllte jetzt die Höhle, während blinde Augen in alle Richtungen starrten. Jetzt war ich mir sicher, dass diese Kreaturen tatsächlich blind waren und diese Geräusche nutzten, um ihre Umgebung auszumachen. Nur drei Leitern führten zu dem Turm hoch. Es wäre Selbstmord, wenn sie versuchen würden hier hinauf zu stürmen. Doch was sie vielleicht an Intelligenz hatten, wurde von einem brennenden Hass, einer Gier nach Fleisch überstrahlt. Sie sammelten sich kampfbereit an den Leitern. Einer nach dem andern kletterte die Sprossen empor und wurde von Halbohr und Lyrismar bereits erwartet. Krachend fiel eine Kreatur nach der anderen nach unten. Ich wollte gar nicht so lange warten. Auf meiner Seite kletterten bereits drei die Leiter nach oben und unten sammelten sich noch viel mehr. Jiarlirae schenkte mir einen Strahl schneidender brüllender Schatten der durch die Kreaturen fuhr. Der Lärm war für sie noch schmerzhafter als das Aufplatzen ihrer Körper. Sie mussten ein sehr feines Gehör haben. Das Metall der Leiter löste sich von dem Strahl. Die wenigen die sich noch an ihr klammerten wurden mitsamt der Leiter hinab gerissen. Unten türmten sich die Leichen. Einige versuchten unserer habhaft zu werden, indem sie weitere Gegenstände aus den Hütten mit ihrer Gedankenkraft auf uns schleuderten. Doch auch das konnte sie nicht mehr retten.

Etwas tiefer in der Höhle sah ich Bewegungen. Ein großer Trupp der Kreaturen hatte sich gesammelt und marschierte auf unseren Turm zu. An der Spitze stolzierte ein besonders großes Exemplar dieser fremden Rasse. Fast so groß wie Bargh war er und trug einen glänzenden und fast durchsichtigen Feldharnisch. Das Metall sah aus als ob es auch aus Ne’ilurum gefertigt wurde. Wie es auch immer hier an diesen Ort gelangen konnte. In seiner Rechten ragte eine schwarze Schlachtenaxt auf und in seiner linken trug er einen Schild, dessen Oberfläche so glattpoliert war, dass man sich darin spiegeln konnte. Hinter dem offensichtlichen Anführer gingen drei weitere Krieger mit dicken stählernen Plattenpanzern und dahinter schließlich eine Vielzahl weiterer Kreaturen. Wie ein Rudel von wilden Tieren scharten sie sich um ihren Anführer und kamen mit wankenden Schritten auf uns zu. Und dieses Schnalzen! Hatte ich mich zuerst gefürchtet, machte es mich jetzt wahnsinnig. Es hallte von den Wänden der Höhle hin und her.

Der Anführer war wohl ein etwas klügerer Vertreter seiner Art. Zumindest konnte er reden, wenn auch sehr grob. Von unten schallte seine Stimme zu uns herauf: „Freunde! Gäste! Wieso diese Gewalt? Kommt runter von unserem Turm. Ihr eingeladen zu Festmahl! Legt Schwerter nieder, schließt euch uns an!“ Ich war mir nicht sicher ob die Kreatur wirklich dachte, wir würden uns darauf einlassen. Keine noch so dummes Wesen würde einfach so einen Fremden einladen, der gerade noch etliche seiner Gefährten niedergeschlachtet hatte. Er musste doch die Berge der Leichen sehen. Ich rief zurück: „Kommt ihr doch zu uns herauf! Wir haben hier schon ein Festmahl für euch vorbereitet, das euch sicher schmecken wird!“ Tatsächlich folgten sie meiner Einladung und der Anführer und seine drei Begleiter kletterten die Leiter hoch. Schnalzend und in die Leere starrend standen sie uns gegenüber. „Ihr seid meine Gäste in Grumelrönslag, ich Feringoth Gruum, ich Anführer.“ Die Kreaturen stanken. Es war mir, als ob Ausdünstungen direkt aus ihrem Fleisch entweichten, was ich dem Anführer direkt sagte. Ich hatte einmal gehört, dass es ein Zeichen von Höflichkeit ist, wenn man ehrlich wäre. Feringoth Gruum ließ sich aber nicht aus der Ruhe bringen. „Fleisch ist gut von der Jagd, von Würfeln aus Metall. Menschen gut, Zwerge gut, Elfen sehr gut! Elfenfleisch, jaaa…“ Er grinste dabei Halbohr an. Aber keiner von uns war besonders begierig die Gastfreundschaft in Anspruch zu nehmen. Bargh brachte es auf den Punkt: „Wir sind nur zufällig hier. Wir wollen hier durch.“ Der Krieger Jiarliraes trat auf die Luke in der Mitte des Turms. Der Anführer verzog das Gesicht: „Nein… nein, Öffnung nur von innen.“ Er wurde sichtlich nervös und zeigte auf mich: „Ihr seht schwach aus, ihr müsst essen.“ Ich trat einen Schritt nach vorne und zeigt nach unten: „Ihr meint ich sei schwach? Fragt doch die dort unten wie schwach ich bin!“ Damit war das Gerede beendet. Feringoth hielt seinen spiegelnden Schild hoch: „Mädchen hat wenig Fleisch, aber sehr schmackhaft. Verhandlung beendet, jetzt kommen Waffen.“ Ich sah mich dort selbst, aber als ob er den Spiegel absichtlich so hielt, war ich dort viel kleiner. Ich sah wirklich aus wie ein kleines Mädchen, dass ich aber wirklich nicht bin. Dieses Geschöpf lachte mich aus dabei, als er den Schild in meine Richtung hielt. War es überhaupt ein Lachen? Es sah zumindest für mich so aus. Ich spürte die Wut in mir hochkochen und brodeln. Ich wollte ihn hier und jetzt mit meinen Händen erwürgen und ihm die Zähne ausschlagen. Doch kurz bevor meine Wut explodierte, konnte ich mich etwas beruhigen. Es wäre töricht jetzt einfach auf ihn zuzustürzen. Er sollte brennen. Er lachte auch nicht mehr und mein Spiegelbild in seinem Schild war wieder größer geworden. Wieder schenkte mir Jiarlirae als Strafe für die Kreaturen die Lanze der Schatten und sie brachte die Knochen der Kreaturen zum Brechen. Bei einer platzten die Augen und vermutlich auch das Herz. Sie stürzte rücklings vom Turm hinab.

Der Anführer war kein Gegner für Bargh. Glimringshert entzündete sich und schnitt durch sein Fleisch. Halbohr und Lyrismar kümmerten sich um die drei anderen. Plötzlich krachte die Klappe im Boden auf und eine Kreatur schwebte dort nach oben. Es war eine weitere dieser Kreaturen mit Tentakelköpfen, doch dieser hatte sogar noch mehr Tentakel aus dem Maul. Sie war auch etwas größer und hatte dunklere violette Haut unter der Schicht aus Schleim. Auf ihrem kahlen Schädel trug sie einen Schmuck aus Dreiecken, Kreisen und Quadraten. Lyrismar reagierte sehr schnell. Er wendete sich zu der Kreatur und rammte seine Klinge in das Fleisch. Die Tentakel zuckten, doch kein Schrei von Schmerzen. Sie holte aus ihrer schwarzen Robe ein kleines silbernes Glöckchen hervor. Lyrismar strauchelte kurz, doch er fing sich wieder und öffnete mit schnellen Schnitten der Gestalt den Bauch auf. Erst taumelte sie dann fiel sie die offene Luke hinunter. Über die beiden äußeren metallenen Leitern strömten wieder weitere Kreaturen nach oben, die sich sogleich in meine Klinge des Chaos stürzten. Aus den Hütten drangen Schreie und zwischen den Fensterläden konnte man hier und dort ein Gesicht auftauchen sehen. Einer nach dem anderen kletterte in sein Verderben und nach einiger Zeit wurde es wieder ruhig. Kein Schnalzen mehr und am Fuß des Turmes hatte sich ein Haufen von Leichen gesammelt.

Die Luke offenbarte einen tiefen Schacht an dessen Seite eine Leiter herabführte. Von unten drang faulige Luft nach oben. Entfernte Geräusche von Lachen, Lallen und Weinen waren zu hören, wie von schwachsinnigen Kindern. Vorsichtig kletterten wie die Sprossen runter und Bargh zog die Luke über uns wieder zu. Auch hier war alles aus Metall und jedes Geräusch wurde wieder und wieder hin und her geworfen durch das Eisen. Der Schacht verbreiterte sich und führte an mehreren Etagen vorbei, die ringsum einen Rundgang mit kleinen Zellen enthielten. Dort hauste eine Vielzahl von Kreaturen. Nicht nur Nachtzwerge, sondern auch Menschen und Elfen, aber keine älter als vielleicht 14 Winter. Einige spielten mit kleinen Metallsplittern und ließen sie vor ihren Gesichtern einfach schweben. Dümmlich grinsten sie dabei. Eine Kreatur, offenbar ein Elfenkind, machte das gleiche mit einem Haufen Kot und lachte dabei in Richtung Halbohr. Vielleicht hatte Halbohr ja tatsächlich einen neuen Freund gefunden. Die Kreaturen griffen auch mit ihren unsichtbaren Kräften nach uns. Ich spürte wie etwas an meinen Haaren zog und an meiner Robe zerrte. Wir kletterten weiter nach unten und kamen schließlich am Boden des Schachtes an. Der Körper der Tentakel Kreatur war den ganzen Schacht heruntergefallen und der zerschmetterte Körper lag neben einer weiteren Luke. Hier war nicht nur ein Rad, sondern direkt vier Räder. Zudem waren die Räder hier auf der uns zugewendeten Seite. Halbohr schaute sich die Konstruktion genau an. Man musste jedes Rad in eine bestimme Richtung drehen, sonst würde irgendetwas schlechtes passieren. Ich blickte mich um und sah im Rost des Metalls die verdeckten Umrisse von mehreren Türen. Das gehörte wohl auch zu dem Schlechten was passieren würde. Aber Halbohr und Lyrismar waren sich sicher, welches Rad man wohin drehen musste. Tapfer meldete sich Bargh freiwillig und Halbohr erklärte ihm jeden einzelnen Schritt. Dann kletterten wir die Leiter wieder rauf während Bargh unten vorsichtig das erste Rad bewegte. Ratternd bewegte sich das Metall und bei jedem neuen Rad was er berührte, hielt ich jedes Mal neu die Luft an. Doch es passierte nichts Schlechtes. Stattdessen gab es nur ein lauteres Klacken. Quietschend zog Bargh die verrostete Luke auf und ein weiterer Schacht führte uns weiter in die Tiefe dieser Welt aus Eisen und Stahl.​
 

Wore

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Sitzung 105 - Die Herausforderungen

Das debile Lachen und Weinen der Kinder über uns erstarb mit einem Mal, als Bargh die Luke über uns wieder schloss. Der kurze Schacht führte uns in einen neuen Tunnel. Um uns herum roch es nach rostigem Eisen. Trotzdem sah es so aus als ob der Tunnel natürlich gewachsen wäre, wie es auch immer möglich war, dass etwas aus Metall natürlich entsteht. Überall in unserem Schacht waren kleine Löcher, die ihrerseits wieder in kleine Tunnel führten. Wenn nicht das klingende Geräusch von unseren Stiefeln auf den Metallboden gewesen wäre, hätte man meinen können, man ginge durch einen wurmzerfressenden Apfel.

Unser Tunnel endete nach einer Weile an einem Becken mit trübem Wasser. Ein leichter Schimmer kalten, grün-gelblichen Lichtes war im Wasser zu sehen, vielleicht von irgendwelchen Algen oder Pflanzen. Pilze hatten sich dank des Wassers hier angesiedelt und sich auf den rostigen Stellen des Eisens festgesetzt. Der Rost war hier ohnehin sehr stark. Überall glitzerte es von Nässe und an den Wänden waren braune Farbtöne hinabgelaufen. Irgendetwas war auch im Wasser. Ab und zu konnte ich dort kleine Tiere sehen, zuckend wie schnelle Schatten. Vielleicht irgendeine Art von Fischen? Halbohr beugte sich vorsichtig über die Kante und tauchte die Spitze seines Dolches in das trübe Nass. Der Elf hatte wohl wirklich Angst vor dem Wasser. Ich war versucht ihm einen kleinen Schubs zu geben, vielleicht würde er dann auch besser riechen. Aber dann erhob er sich auch wieder. An der Spitze der Klinge lag ein kleiner Tropfen denn er sich betrachtete. Bargh war etwas mutiger. Der große Krieger beugte sich hinab und selbst das schwache Licht fürchtete ihn und berührte ihn kaum. Er benetzte einen Finger und berührte es mit seiner gespaltenen Zunge. Leicht verzog er das Gesicht. Es schmeckte salzig. Doch er erinnerte sich an Erzählungen, dass wohl Alchemisten in seiner Stadt Fürstenbad solche Flüssigkeiten benutzten um Brandwunden zu heilen. Ich glaubte, es waren eher Ammenmärchen, denn so wie er es erzählte wurde man dort komplett hinein getaucht und man konnte trotzdem atmen, als ob man ein Fisch wäre. Ich wollte ihn danach genauer fragen, doch als er von Fürstenbad erzählte, verfinsterte sich seine Miene. Wahrscheinlich wäre es besser es dabei zu belassen. Er hörte offenbar wieder die Stimme Jiarliraes. Und ihr Wille war es dem Wasser zu folgen. Ich konnte nichts dergleichen hören. Hatte sie mich wieder verlassen? Nein, das konnte nicht sein, ich hatte sie nicht enttäuscht. Oder vielleicht doch? Hätte ich ihr noch besser dienen können? Ich wusste es einfach nicht.

Unser Weg war klar, und wir baten unsere Herrin um den Segen, dass wir uns in der glitschigen Flüssigkeit besser bewegen konnten. Lyrismar war der erste der in das Wasser eintauchte. Einige wenige Blasen zerplatzten noch an der Oberfläche, dann war von dem Krieger des Abgrundes nichts mehr zu sehen. Halbohr folgte als nächstes, danach ich. Das Wasser fühlte sich seltsam auf meiner Haut an. Aber Bargh hatte recht. Ich hielt die Luft an und hatte keinerlei Probleme immer weiter die Luft in mir zu behalten. Langsam atmete ich aus und ließ ich mich nach unten sinken. Ich sah zurück, wo Bargh als letzter kommen sollte. Doch es war merkwürdig. Der Herold Jiarliraes bewegte sich mit rasanter Geschwindigkeit. So schnell, dass ich kaum die Konturen des großen Kriegers erkennen konnte. Erst als er ins Wasser sprang bewegte er sich wieder normal. Aber vielleicht haben mir meine Augen in diesem Wasser einen Streich gespielt. Sie juckten immer noch dort, wo die Linsen sich in meine Augen verwachsen hatten. Bargh breitete seine dunklen Rabenschwingen aus und schwamm mit seinen kräftigen Armen durch das Wasser. Er sah aus wie ein Drache, geboren aus Schatten.

So schwammen wir durch die Dunkelheit. Hier und da wuchsen weitere jener Pflanzen, die ihr gelbliches kaltes Licht verströmten. Sie waren aber nur sehr selten. Die kleinen Fische wurden dagegen immer mehr. Sie zuckten von uns weg, wenn wir in ihre Nähe kamen. Es waren auch keine richtigen Fische, eher so etwas wie Kaulquappen mit vier Flossen an der Hinterseite mit denen sie sich wegstießen. Der Tunnel durch den wir schwammen ging manchmal in die Tiefe, manchmal waagerecht nach vorne. Und ich sah wieder, wie die Bewegungen des Letzten unglaublich und unnatürlich schnell abliefen. Erst als derjenige wieder näherkam, wurde es normal. Aber wenn jemand von uns vor schwamm sah es so aus als ob er sich nur noch mit quälender Langsamkeit vorwärtsbewegte. Je tiefer wir schwammen, desto mehr schien die Zeit selbst auseinander zu laufen. Wer weiß wie lange wir in Wirklichkeit schon hier drin waren. Vielleicht würden Tage oder Wochen vergehen, bis wir wo auch immer herauskommen würden.

Nach einiger Zeit sahen wir auch die ersten schwarzen Tentakel durch die eiserne Wand wachsen und auch tauchten an einigen Stellen Aussparungen im Tunnel auf. Dort waren kleine Kammern die mit einem Wulst von Tentakeln verschlossen waren, wie Gitterstäbe. In den Kammern schwebten in der Flüssigkeit weitere Kinder. Sie schienen zu schlafen. Einige knirschten dabei mit den Zähnen und ihre aufgedunsenen debilen Köpfe zuckten leicht. Vermutlich träumten sie irgendetwas in ihren zurückgebliebenen Gedanken. Die Kaulquappen waren hier schon etwas größer und es wurden immer mehr. Wir sahen richtige Schwärme, die vor unseren Bewegungen in das gelb-grüne Zwielicht flüchteten. Nach einer langgezogenen Kurve tauchte eine Kreatur vor uns auf. Es war eine weitere dieser Tentakel-Kreaturen. Die weißen Augen standen offen, doch sie blickten ins Leere. Drei große schwarze Tentakel, die aus der Wand kamen, wuchsen direkt in die Gestalt hinein und verschwanden dort in ihrem Körper. Der Brustkorb unter der dunklen Robe hob und senkte sich langsam und ruhig. Wir alle blieben erstarrt stehen, doch die Kreatur rührte sich nicht. Halbohr bewegte sich langsam nach vorne. Beinahe in Zeitlupe setzte er einen Schritt nach dem anderen, immer darauf bedacht in dem Wasser keine Wellen oder Strömungen zu verursachen, die uns verraten könnten. Und es funktioniert. Keine Unachtsamkeit, wie zuletzt ein übersehenes Spielzeug. Als er auf der anderen Seite der Kreatur ankam, machten wir es ihm nach. Einer nach dem anderen schwammen wir an der Kreatur vorbei. Ihr Atem beschleunigte sich nicht. Vielleicht war sie ja doch schon längst tot und nur die Tentakel hielten sie noch gerade so am Leben.

Die Tentakel wucherten immer stärker, je tiefer wir kamen. Lange folgten wir den Gängen; ich kann gar nicht sagen wie lange. Hinter einer Ecke öffnete sich plötzlich eine große Kammer. Aus dem Metall hatte irgendjemand eine Höhle erschaffen, die wie zwei aufeinander liegende Pyramiden aussah. Auch hier wuchsen Tentakel, aber sie waren eher rötlich. Und sie wucherten auch nicht ziellos, sondern sammelten sich an drei Stellen, teils über uns, teils unter uns. Die Wucherungen wuchsen über eiserne Pulte. Auch waren hier wieder die Kugeln aus Obsidian in den Ecken. Alles wirkte falsch, nichts passte wirklich zusammen. Als ich genauer hinschaute, bemerkte ich, dass über jedem dieser drei Gebilde eine Art Scheibe lag. Wobei es nicht wirklich eine Scheibe war, sondern eher eine metallene Platte, die die Innenseite von einem Gesicht hatte. Alles triefte von Schleim, aber in dem Schleim konnte ich auch noch Runen erkennen. Alte, sehr alte Runen. In einem der Bücher die wir gefunden hatten, waren die Formen einmal erwähnt gewesen. Sie stammten von einer uralten Rasse, die dort die Steuermänner oder die Steuernden genannt wurde. Anscheinend war es eine Rasse, die fremde Welten auf Schiffen bereist hatten, die durch den Himmel und das was dahinter lag fuhren. Der Autor des Buches hatte sogar gemutmaßt, dass die Schrift jener Rasse vielleicht die elfische Schrift begründet hatte, vielleicht sogar die elfische Rasse selbst. Wir schwammen zu einem der kopfartigen Tentakelkonstrukte und aus der Nähe konnte ich die Runen entziffern. Die erste trug den Titel: „Gesicht des Streiters“. Das zweite Gesicht hieß: „Gesicht des Wirkenden der schwarzen Künste“ und das dritte lautete: „Gesicht des Verborgenen“. Es war bestimmt kein Zufall, dass diese Gesichter genau unsere Künste zeigten. Der Streiter war der Krieger Bargh, der Verborgene war der heimliche Halbohr und die Wirkende der Künste war ich selbst. Und tatsächlich, als ich mir die Konturen anschaute sah ich das große, schlanke und junge Gesicht von Bargh und das halb verunstaltete Gesicht von Halbohr. Jemand erwartete uns. Und ich konnte die Stimme von Jiarlirae wieder hören. Sie sprach wieder zu mir, also wusste sie, dass ich ihr mit allem diene was ich zu bieten habe, vielleicht sogar noch mehr. Sie sagte uns, dass wir unsere Gesichter in die Schalen legen mussten, aber wir mussten es alle gleichzeitig tun. Also ging jeder von uns zu seinem Gesicht. Nur Lyrismar hatte keines. Aber es schien ihn nicht zu beunruhigen. Ruhig und gelassen schwebte er in der Mitte dieser Halle im Wasser. Er wachte dort mit gezogenen Schwertern. Halbohr zählte mit seinen Fingern herunter und als der letzte Finger sich senkte legte ich mein Gesicht auf das kalte und schleimige Metall.

Zuerst passierte gar nichts, doch dann begann die Welt um mich herum zu verschwimmen. Ich raste plötzlich durch ein dunkles Nichts. Dann tauchten helle Punkte auf die immer näher kamen. Sie wurden größer und es waren keine Punkte, sondern eine Sonne und dann noch eine. Ein ganzer Haufen von verschiedenen Sonnen die sich zu einer gigantischen Scheibe zusammen taten. Doch auch an dieser raste ich vorbei in die Leere dazwischen, wo keine Sonne mehr schien. Es war ruhig, doch ich spürte in meinem Kopf, dass jemand auf uns wartete und es um Leben und Tod ging. Es war mein Schicksal und das des Unbekannten. Dieser Jemand wusste, dass wir kommen, doch wir wurden vor eine Wahl gestellt: Ich konnte entweder den Ort meiner Begegnung wählen oder in welcher Umgebung diese Begegnung stattfinden würde. Ich wusste, dass der Unbekannte auch eine Wahl hatte. In meinem Kopf musste ich für einen Moment überlegen, was es für Auswirkungen haben könnte. Doch dann entschied ich mich. Die Begegnung sollte auf meiner Welt stattfinden, in Euborea. Dort wusste ich, dass meine Herrin mir nah war, dort kannte ich mich aus. Ich entschied mich und plötzlich stand ich in einer steinernen Kerkerhalle. Es roch nach Fäkalien und ich konnte Ratten quietschen hören. Einige Pechfackeln flackerten im unruhigen Licht. Dort waren zwei gewaltige eiserne, verschlossene Türen. Und ich war nicht allein. In der Ecke gegenüber stand eine monströse Gestalt. Bestimmt fünf Schritt groß mit gewaltigen Fleischmassen, die wie Buckel aus dem Rücken wuchsen. Schwarzes ausgefranstes Haar fiel von einem missratenen Kopf hinab. In der rechten Hand trug er eine riesige rötlich glühende Schlachtenaxt und ein übergroßes Schwert mit einem bläulichen Schimmer in der Linken. Hass war in seinen Augen und brüllend stürmte er auf mich zu. Doch ich besann mich auf meine Künste. Es brannten Fackeln, das bedeutete die Kreatur brauchte Licht um zu sehen. Dieses Licht würde ich ihr nehmen. Ich beschwor die Schatten, die Jiarlirae innewohnen und sie schluckten das Licht der Fackeln. Durch ihr Geschenk konnte ich immer noch sehen und erkennen, dass diese Kreatur im Dunkeln herumstocherte. Mit der geweihten Klinge sprang ich zur Seite und der Chaos-Stahl senkte sich mit unglaublicher Geschwindigkeit in das Fleisch. Die Axt sauste auf mich herab, doch traf nur den Boden. Das Schwert schwang zur Seite. Ich war zu langsam und die Klinge rammte tief in meine Schulter. Ich schrie auf, doch machte mich das nur noch wütender. Immer wieder glühten die Chaos-Runen auf meinem Säbel auf und fanden ihr Ziel. Blut tränkte sie dabei. Mein Atem keuchte. Doch dann geriet die Kreatur ins Wanken und fiel auf ein Knie. Das war meine Gelegenheit. Dieses Opfer würde ich ihr widmen. Die Klinge fuhr nach vorne und durchbohrte die Kehle der Kreatur. Doch das sollte noch nicht ihr Ende sein. Ich konnte sehen und spüren wie die Seele dieser Kreatur in einem rötlichen Nebel das Fleisch verließ. Die Energie kribbelte auf meiner Haut. Ich wollte sie haben, sie sollte mir gehören. Also zog ich sie in mich. Das was noch von der Kreatur übrig war schrie vor Pein, doch das machte meinen Genuss nur noch größer. Eine gewaltige Kraft wohnte dieser inne und ich wollte noch mehr. Meine Haut begann zu glühen und ich spürte ein Ziehen. Doch ich wollte noch viel mehr. Meine Haut begann zu platzen und ein Leuchten war dort, anstelle von Blut. Es schmerzte je mehr ich nahm. Erst im letzten Moment, bevor mich die Energien zu zerreißen drohten, ließ ich davon ab und es wurde wieder dunkel um mich herum.

Erst später erfuhr ich von den anderen, welche Herausforderungen sie erwartet hatten. Halbohr erschien auf einem Feld mit großen Runensteinen. Er hatte auch Euborea als Ort gewählt und das silberne Mondlicht tauchte die großen Obelisken in lange, düstere Schatten. Ein Feigling eines Dunkelelfs lauerte ihm von oberhalb einer dieser Steine auf und sprang auf ihm herab. Eine scharfe Klinge zuckte in Richtung seines Herzens, doch die Robe die er trug, rette ihm das Leben. Anstelle Halbohr traf dieser Dunkelelf nur die Luft, als die Gestalt Halbohrs plötzlich wenige Schritte neben ihm erschien. Halbohr erzählte von dem verschlagenen vernarbten Gesicht und von dem Degen, dessen Stahl wie Perlmutt schimmerte. Halbohr wollte seinerseits mit dem Dolch aus dem Tempel des Jensehers, Eugorn, der Gestalt die Kehle aufschlitzen, doch der verdammte Dunkelelf bewegte einen Ring an seiner Hand und war verschwunden. Der Gegner war nicht weit, denn er hatte sich nur auf eine weitere Stehle bewegt. Dort stieß er wieder den Degen nach Halbohr und dieses Mal traf er. Es musste ein Kampf auf Leben und Tod gewesen sein, doch Halbohr gewann irgendwann die Oberhand. Sein Einhorndolch fand den Weg in das Herz der Gestalt und diese röchelte seinen letzten Atemzug aus. Und auch aus dieser sprudelte die Energie seiner Seele. Ich weiß nicht ob Halbohr dieser Versuchung widerstand, aber so wie ich ihn kenne war er sehr vorsichtig und hat viel der Macht einfach verpuffen lassen.

Barghs Herausforderer war eine engelsgleiche Gestalt die jedoch vom Hass übermannt war. Der gefallene Engel und der Antipaladin trafen sich an gegenüberliegenden Enden einer großen Nebelschlucht. Barghs Gegner hatte wohl angenommen, er wäre ein leichtes
Opfer, doch er hatte ihn bei weitem unterschätzt. Barghs Rabenflügel trugen ihn über die Schlucht und die Macht seiner Klinge beschützte ihn vor der Magie der Gestalt. Noch im Flug fuhr sie nach vorne. Der Engel hatte auch eine Klinge aus durchsichtigem Stahl und wollte sie heben um Barghs Angriff zu parieren. Das war töricht. Der Krieger schlug der Gestalt das Schwert zur Seite und Grimlingshert schnitt durch den Schwertarm und trennte ihm vom Körper ab. Ein gewaltiger Schwall von Blut ergoss sich über Bargh und der Gegner des Antipaladins hauchte seine Seelenenergie aus, an der sich der Sieger labte.​
 
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