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Ort/Region Das Schwarze Auge Uthuria - An fremden Gestaden

sonic_hedgehog

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Uthuria! Was lange währt, wird endlich, naja, was eigentlich?

Mit "An fremden Gestaden" ist es endlich soweit - Spielercharaktere werden zum ersten Mal offiziell einen Fuß auf den Südkontinent setzen. Einen Südkontinent, dessen Geheimnisse schon seit Jahren in den DSA-Publikationen gären und die nun, Schritt für Schritt, aufgedeckt werden können. Der Startschuss zum (nach Myranor) zweiten Versuch, einen neuen Kontinent auf Dere zu etablieren. Ich muss ehrlich bekennen, dass ich diesen Band voll Spannung erwartet habe. Die Grundidee trifft einfach zu genau meinen Geschmack: Uthuria (ganz im Gegensatz zum Güldenland) eng an Aventurien zu binden ohne sich in Details zu verlieren, der Publikationsreihe das Flair einer Kolonialisierungskampagne zu geben und dabei die World Shaking, World Making Kampagnen Aventuriens gezielt auszuklammern - das ist genau das, worauf meine DSA-Welt gewartet hat.

Nun liegt er also vor mir - hinter dem von Markus Koch gestalteten, sehr stimmungsvollen Umschlag warten knapp 160 Seiten, auf deren Basis Überfahrt und Besiedlung gestartet werden sollen. Die Umschlaginnenseiten schmücken Übersichtskarten des nördlichen Uthuria, die einen Eindruck von der unglaublichen Größe des Kontinents geben.

Das Abenteuer selbst besteht aus drei Kapiteln: Anwerbung und Planung, Überfahrt und letztlich Fuß fassen in Uthars Land. Die Anhänge liefern neben den üblichen Informationen zu Meisterpersonen auch eine erste neue Spielhilfe zu Völkern, Flora und Fauna des nördlichen Uthuria. Jeden dieser Teile werde ich in der Folge etwas genauer ausführen, wobei an zukünftige Spieler eine Spoilerwarnung ausgesprochen werden muss.

Die Anwerbung

Auch wenn der Klappentext anderes verheißt, die Charaktere werden nicht die ersten Aventurier sein, die ihre Füße auf Uthuria setzen - die erste erfolgreiche Expedition der Neuzeit wurde durch al'anfanische Seefahrer vollbracht. Diese kehrten mit reicher Beute zurück, sodass nun 3 parallele Expeditionen geplant werden: Eine Wiederholungsfahrt der Al'Anfaner sowie Versuche durch das Horasreich und das Handelshaus Stoerrebrandt. Weitere Expeditionen sind auf Wunsch des Spielleiters ausdrücklich möglich, wenn auch mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Scheitern verurteilt. Der Autor geht in seinen Ausführungen davon aus, dass die Charaktere als erfahrene (!) Abenteurer durch Stoerrebrandt angeheuert werden. Abweichungen von dieser Vorgabe sind aber ausdrücklich möglich und in kurzen Abschnitten wird auch auf notwendige Änderungen eingegangen. Dies erfordert zwar Anpassungen des Abenteuers, dürfte aber von der Mehrarbeit abgesehen ohne große Probleme möglich sein. Von Stoerrebrandt jedenfalls werden die Charaktere nicht wie sonst üblich als Begleitschutz oder Berater angeworben, sondern explizit mit der Planung der Expedition beauftragt. Stoerrebrandt übernimmt einzig die Finanzierung und möchte an der Reise teilnehmen - in der vagen Hoffnung, dem angeblich in Uthuria zu findenden Geheimnis der Unsterblichkeit auf die Schliche zu kommen. Aber auch weitere Interessensgruppen wie Kirchen, Magierakademien oder Geheimbünde treten an passende Charaktere mit der Bitte heran, ihre Interessen zu wahren. Dazu gehört auch die Bitte der Boronkirche, in Uthuria den Gerüchten nach einem Ersatz für den zerstörten Stab des Vergessens nachzugehen. An den Spielern ist es nun, diese Interessen gegeneinander abzuwägen, während sie die Expedition planen - also für Schiffe, Mannschaften und Proviant sorgen und Informationen sammeln, die die Überfahrt erleichtern.

Für all dies stehen den Helden 100 000 Dukaten und ein Berater zur Verfügung. Das Kapitel bietet dafür Tabellen mit Informationen zu Uthuria sowie Regeln zum Ausstatten einer Expedition. Weiterhin bietet es Informationen zu einzelnen Spezialisten, die die Helden für die Expedition möglicherweise anwerben möchten und mit Ruban dem Rieslandfahrer kann man einen alten Freund Stoerrebrandts treffen, der wertvolle Informationen liefert, wo und wie Informationen für die Überfahrt zu gewinnen sind.

Dieses erste Kapitel ist aus mehreren Gründen nicht ganz unproblematisch:
Erstmal ist da die Frage der Glaubwürdigkeit. Stoerrebrandt, der ein Leben lang Erfahrung in Sachen Handel einschließlich Seefahrt hat und mit Ruban einen der erfahrensten Expeditionsleiter zum Freund, überlässt die Organisation der Expedition den Helden. Wow - ob die das besser können als er selbst. Aber gut, Helden gehören in den Mittelpunkt. Wie also stattet man eine Expedition aus? Das Abenteuer bietet zwei Extreme - zum einen gibt es eine Ausrüstungstabelle, die allen Ernstes Preise für einzelne Gegenstände angibt: 1 Spaten wiegt demnach 80 Unzen und kostet 10 Silbertaler, bei 3 Schiffen mit 145 Mann Besatzung brauche ich nochmal wie viele Spaten? Lassen wir das - es gibt eine Alternative: Dann beschäftige ich mich nur mit Schiffen, Mannschaft und Spezialisten und lege fest, wie viel Geld ich noch in die Ausstattung stecken kann. Daraus berechnet sich ein Ausstattungswert, auf den ich bei Fragen würfle. Obwohl das vielleicht jetzt etwas sehr vereinfacht ist.
Weiterhin die Frage des Plots: Den gibt es hier kaum, abgesehen von Sabotageversuchen wird nicht viel passieren, Zeit also für Wirtschaftsimulation und Gesprächsrollenspiel, je nach Wunsch und Umfang. Soll und muss auch mal sein. Bis es dann los geht!

Die Überfahrt


Irgendwann heißt es Leinen los. Je nach gesammelten Informationen gilt es, den Weg für die Überfahrt zu planen. Wenn sich Spieler und Spielleiter in Teil 1 nicht allzu ungeschickt angestellt haben, wissen die Charaktere von einem oder mehreren Ansprechpartnern, die sie vor der Überfahrt besuchen sollten. Glücklicherweise liegen die auf dem Weg, mehr oder weniger.

Teil 2 ist ein nahezu vorbildlicher Baukasten. Basierend auf den kurzen Beschreibungen in der Meridiana Regionalspielhilfe wird hier detailliert auf die einzelnen Inseln eingegangen. Für jede der Inseln existieren Abenteuerideen und für die Zeit auf offener See Zufallstabellen für Ereignisse. Diese Struktur fordert sowohl Meister als auch Spieler. Die Spieler können, müssen aber auch frei agieren - aber egal was sie tun, der Meister hat Grundinformationen um darauf zu reagieren. Diese muss er "nur" noch ausarbeiten. Beeinflusst werden die Entscheidungen der Spieler durch einige Ansprechpartner, die gesucht und gefunden werden sollen um wertvolle Tipps und Orientierungshilfen zu geben.

Das Kapitel ist eindeutig das Zentrum des Abenteuers. Je nach Vorgehensweise und Spielverhalten bietet es Material für unglaublich viel Spielzeit. Wichtig ist nur, sich vorher klar zu machen, dass hier keine klassische Abenteuerstruktur vorliegt. Es gibt keine festgelegte Reihenfolge, keinen Zwang. Es gibt eher eine Art Südmeer-Spielhilfe. Und die ist wirklich gelungen. Bis man am Ende Land sieht, unbekanntes Land, viel Land, Uthars Land:

Uthuria

Hat man die Überfahrt glücklich überstanden, gilt es drei Dinge zu tun. Ich zitiere:
- die Errichtung eines Lagers
- der Kontakt zu den Einheimischen
- die Erkundung der Umgebung
Schließlich will man ja einen Kolonialstützpunkt errichten, exotische Waren erwerben und da wäre auch noch die Sache mit der Unsterblichkeit...

Blättert man durch das dritte Kapitel, wird leider der gute Eindruck, den die Überfahrt hinterließ, schnell getrübt. Als Spielleiter fühlte ich mich selten so allein gelassen. Angekommen in Uthuria landen die Charaktere in der Nähe der al'anfanischen Siedlung Porto Velvenya. Es scheint, als sei die Entscheidung, in der Nähe zu landen, erst relativ spät in der Entwicklung des Abenteuers gefallen - allzuoft vermittelt der Text den Eindruck, die Charaktere befänden sich in Porto Velvenya. Da scheint es fast konsequent, dass Informationen zum Aufbau des eigenen Handelspostens fehlen. Sicherlich, die Charaktere sollen die Gegend erkunden, den Aufbau übernehmen andere - aber dennoch. Die Entwicklung der Siedlung ist ein essentieller Bestandteil, dem müde 16 Zeilen nicht gerecht werden. Vor allem wenn man bedenkt, dass die Entscheidungen der Charaktere während der Expeditionsplanung ja direkten Einfluss auf den Erfolg haben sollten.

Aber die Charaktere haben auch so genug zu tun: Es gilt die Gegend zu erkunden und sich mit den Ureinwohnern anzufreunden - Dschungel und Sprachbarrieren sind da nur das kleinste Übel. Denn wenn sich erste Erfolge einstellen, erweckt dies die Feindschaft der heimlichen Herrscher dieses Landes. Und die sind wirklich übel... Außerdem stehen noch die Suche nach der Essenz der Jungend und die Aufträge anderer Questgeber im Questlog. Konkret sind drei Szenarien ausgearbeitet (der Kampf gegen die Nachtherrscher, die Suche nach dem Stab des Numinoru und der Kampf gegen einen besonders blutrünstigen Stamm). Weitere Abenteuerideen sind vorhanden, bis letztlich die Entscheidung getroffen werden muss, ob man die Rückreise antritt oder in Uthuria bleibt - möglicherweise für die folgenden Regionalkampagnen?

Fazit


Auch wenn mich die Idee Uthuria begeistert, kann ich leider kein positives Fazit zum vorliegenden Band ziehen. Dafür ist dieser zu unausgegoren und wirkt trotz aller Verzögerungen (oder genau deswegen?) wie mit heißer Nadel gestrickt.

Der Start des Abenteuers ist durchwachsen, vieles kann und werde ich als Spielleiter nicht verwenden. Meine Helden sollen sich auf ihre Aufgabe als Trupp von Spezialisten konzentrieren - sie sind ausdrücklich keine Buchhalter. Wären sie es, würden die angegebenen Informationen aber nicht ausreichen um die Planung detailliert auszuspielen. Es fehlen die Angaben für den Spielleiter, welche Mengen wovon für die Expedition gebraucht werden. An was also soll man die Entscheidungen der Spieler messen? Außerdem benötige ich sicher keine Einzelpreise für Kerzen oder Zinnbecher, wie wäre es aber stattdessen mit Handelswaren, den berühmten Glasperlen oder Metallwaffen? Das Verproviantieren könnten ja Spezialisten übernehmen, deren Auswahl Sache der Helden ist. Dafür bietet sich aber die Gelegenheit für viel stimmungsvolles Rollenspiel und Abschied von alten Freunden und Wegbegleitern.

Es folgt die Überfahrt, die, ich kann es nicht genug betonen, viel Spaß machen wird. Dennoch ist auch dieser Teil nicht ohne Schwächen. Die offensichtlichste ist die merkwürdige Strukturierung des Abenteuers. Dies ist übrigens ein genereller Kritikpunkt: Ulisses sollte sich wirklich um ein Lektorat bemühen! Nicht allein der Rechtschreibung oder merkwürdiger Formulierungen wegen, darüber lese ich inzwischen meist hinweg oder schmunzle (" Ein ausgemerkelter alter Mann. Er besitzt einen grauen Bart, ..."). Hauptsächlich um gegen die irrwitzige Strukturierung anzugehen: Erst die Beschreibung der Überfahrt, dann die Beschreibung der Ereignisse vor Beginn der Überfahrt - mehrfache Wiederholung derselben Informationen (Aufbau des und Übersicht über das Abenteuer) - Widersprüche binnen zweier Seiten (Start-LO der Mannschaft 7 oder 12) - ein Index der NSCs, der Personen enthält die zwar erwähnt werden aber keine Rolle spielen (können, z.B. Tar Honak!)? Der Autor kann nicht alle diese Probleme selbst erkennen und lösen, dafür wird man beim Schreiben zu schnell betriebsblind. Es braucht die kritische Begutachtung durch Dritte!
Vieles lässt sich durch Notizen und Einmerker ausgleichen, schwerer wiegt das Fehlen einer in meinen Augen essentiellen Information: Die Detailkarte für den Meister. Was ist die exakte Lage der Inseln, wie verlaufen die Strömungen von Meer und Wind, wo ist denn zurzeit die Saragossa-See? Ich hätte mir so sehr eine Hexfeldkarte gewünscht, auf der all das eingetragen ist und ich den Weg der Spieler, beeinflusst durch deren Navigationsproben und das Wetter einzeichnen kann. Natürlich kann ich das freihändig machen, aber wenn schon Baukasten und detaillierte Expeditionsplanung, dann doch bitte auch detaillierte Durchführung. In früheren Abenteuern ging es doch auch. Auch liegt es völlig in der Hand des Spielleiters, ob und welche Folgen eventuelle Fehlplanungen der Charaktere bei der Zusammenstellung der Expedition haben.
Um es nochmal zu betonen: Die Szenarien, die während der Überfahrt erlebt werden können, sind größtenteils sehr gelungen und die verfügbare Freiheit ist toll, aber hier wäre Luft nach oben gewesen. Dennoch: Bis hier ist das Abenteuer eigentlich gelungen.

Bis zur Ankunft in Uthuria:
Neben den fehlenden Informationen zu einem der im Abenteuer explizit als Kernaufgabe (oder auch wieder nicht) genannten Punkte passt hier auch anderes nicht.
Der Kampf gegen die Nachtherrscher ist ein Beispiel. Je nach Umtriebigkeit der Helden werden diese früher oder später auf die Khartariak treffen. Ob es nun wirklich Vampirgreifen gebraucht hätte ist Geschmackssache - letztlich gilt es (mindestens) zwei dieser Wesen zu überwinden. Folgt man den Beschreibungen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass dies zu zwei Dungeon-Crawls führt - leider fehlt für den ersten die Karte...
Überhaupt die Karten: Der zweite Nachtherrscher hat seine Residenz im Gebirge gewählt - das ist laut Karte rund 1500 Meilen vom voraussichtlichen Landeplatz der Charaktere entfernt - durch den Dschungel! Da ist man eine Weile unterwegs... Dass, setzt man voraus dass der Maßstab korrekt ist, Aventurienkarte und Uthuria nicht zusammenzupassen scheinen wird ja bereits intensiv diskutiert. Wie die mühsam zu erwerbende In-Game Karte des Südmeers angesichts deren Ungenauigkeit den Charakteren helfen soll, ist ein weiteres Geheimnis. Mit solchen Seekarten können die Aventurier eigentlich nirgends ankommen...
Ausgehend davon, dass die Charaktere zwar nicht in, aber im Gebiet von Porto Velvenya anlanden, wäre auch eine Beschreibung der Siedlung hilfreich gewesen. Mehr als der kleine Kasten, den ich so knapp vor dem Anhang auch nicht mehr vermutet hätte. Es gilt schließlich zum Beispiel Dolmetscher anzuwerben oder mit den Konkurrenten zu interagieren.
Letztlich kann man dieses Kapitel nur dann wirklich nutzen, wenn man sich als Spielleiter beispielsweise in die Kolonialisierung Mittel- und Südamerikas einliest. Vieles was über Indiostämme geschrieben wurde, lässt sich für die Einwohner Uthurias verwenden, der Urwald spielt auch dort eine Rolle, etc. Oder man hofft darauf, dass der angekündigte Patch des Abenteuers und die Regionalkampagnenbände rechtzeitig kommen um zu helfen. Allein mit den Mitteln des Abenteuers ist schwer zu arbeiten.

Der Glanz von Uthuria hat erste Kratzer bekommen, durch ein eher durchwachsenes Abenteuer zum Start. Einige Fehler, die beispielweise bei der Überfahrt in Reise zu Horizont gemacht wurden (jeder zweite an Bord ein Verräter, keine Rückreise, einiges Railroading) wurden hier bewusst vermieden, dafür aber der Fall ins andere Extrem und die geschilderten anderen Schwächen. Eher eine Spielhilfe mit vielen Baustellen als ein Abenteuer. Als Spielleiter hat man viel Arbeit, die losen Fäden zusammenzuführen und wichtige Punkte zu ergänzen. Bleibt die Hoffnung, dass eine schwache Generalprobe zu einer guten Premiere in den Regionalkampagnen führt, ebenfalls im Gegensatz zu Myranor, das nach interessantem Startabenteuer einen äußerst schwachen Start hatte.

Ich danke dem Ulisses Spiele Verlag für die Möglichkeit der Rezension und gelobe ein Update, sollten neue Downloads bereitgestellt werden!
 
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