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Spiral Down - Autobiographie von Gabriel "Wayne" McNamara

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VORGESCHICHTE: DAS LEBEN VOR DEN SCHATTEN


1. URSPRUNG
Ein Ire in South Boston zu sein war ähnlich wie ein Fisch im Wasser – natürlicher ging es gar nicht. Ich wurde am 5. Juni 2035 geboren, gerade mal sechs Monate, nachdem mein Vater entschieden hatte, dass ein echter Ire im neu gegründeten Tír na nÓg nichts zu suchen hatte. Also emigrierte er mit seiner schwangeren Frau einfach in die UCAS, die zwar damals noch etwas instabil, nichts desto trotz ein guter Ort für einen Neustart war.

Da mein Vater Klempner war konnte ich mich wohl glücklich schätzen, zumindest die Pflichtschule machen zu können. Die Gegend war nicht die Beste, aber es waren fast nur Iren hier, und die hielten zumindest gegen die Bullen und andere Völkergruppen zusammen, auch wenn Elfen immer weniger gern gesehen wurden. Durch einige Nachbarsjungen kam ich schon früh in den Genuss, in Diebstähle hineingezogen zu werden, und ich bewies ein gewisses organisatorisches Talent, sodass es meistens nicht komplett schief lief. Außerdem war ich gut darin, Leute um den Finger zu wickeln. Doch eben einer dieser Aktionen sollte mir zum Verhängnis werden.
 
2. STREIT


Im Frühjahr `47 gab es Gerüchte, eine Bande von Tír na nÓg-Elfen versuche, das Schutzgeld- und Schmuggelgeschäft in Boston an sich zu reißen. Das Schlimme daran war, dass der daraus resultierende Bandenkrieg zwischen den „einheimischen“ irischen Banden und den Elfen rasch die rechtsextremen Fanatiker auf den Plan rief, sodass sich das ganze zu einem ethnischen Kleinkrieg entwickelte. So mancher Mensch oder Elf wurden in irgendwelchen Gossen mit aufgeschlitzten Kehlen oder eingeschlagenen Schädeln gefunden. Ich habe selbst mal einen so zugerichteten Körper gefunden, dass ich eine Woche das Haus nicht verlassen wollte.

Die Rivalitäten gipfelten in einer stundenlangen Straßenschlacht im und rund um den Bunker Hill Monument Park. Laut Polizeischätzungen waren etwa 3000 Menschen direkt an der Auseinandersetzung beteiligt, doch viele Unbeteiligte wurden ebenfalls hineingezogen. Die Polizei Bostons hatte alle Hände voll zu tun, den Bezirk wieder unter Kontrolle zu bringen. Und just an diesem Tag hatte Larry O’Toole, unser „Bandenführer“, entschieden, eine Wohnung auszuräumen. Den Lärm der Sirenen und vereinzelten Schüsse schien er nicht zu hören. Wir hatten gerade ein Gebüsch im Park gefunden, in dem wir die Beute begutachten wollten, als links und rechts von uns die Hölle losbrach. Eine Gruppe fanatischer Iren hatte das Feuer auf eine Gruppe von Tír na nÓg-Sympathisanten eröffnet. Panisch rannte jeder von uns in eine andere Richtung, als ich einen Stoß bekam und hinfiel.

Ich wollte mich aufrichten, aber mein rechter Arm war irgendwie taub. Ich sah nach rechts und betrachtete den blutigen Stumpf, wo einst mein Oberarm war. Und mit der Erkenntnis kam der Schmerz. Ich schrie, rollte mich herum und glaubte, das wäre das Ende, als ich plötzlich hochgerissen wurde und jeden Kontakt zum Boden verlor. Durch meine Tränen sah ich eine schlanke Gestalt, und ich hatte das Gefühl, als würden wir fliegen. Dann verlor ich das Bewusstsein.

Im Krankenhaus war bereits mein Vater bei mir, als ich erwachte. Er sah aus, als hätte er tagelang nicht geschlafen. Neben ihm saß die schlanke Gestalt, und nun erkannte ich sie als einen jungen Elfen, dessen eingefallenes Gesicht sich bei meinem Anblick sofort aufhellte. Er hatte gesehen, wie ich von einer Schrotladung direkt in der Schulter getroffen wurde, und diese hatte auf meinen dünnen Kinderarm verheerende Folgen. Da hatte er mich gepackt und zu den Polizeikräften gebracht, welche gleich einen Rettungswagen angefordert hatten.

Doch ich hatte kaum Zeit, mich zu bedanken, denn schon kamen Polizisten herein, packten den Elfen an den Schultern und führten ihn hinaus. Erst jetzt sah ich, dass er Handschellen trug. Offensichtlich war er illegal eingewandert, und es gab den Verdacht, dass er zu einer der neuen Banden in der Stadt gehörte.

Tage später hörte ich, dass der kleine Argail, der Jüngste in unserer Bande und unser Läufer wegen unseres Raubs festgenommen wurde. Scheinbar hatte Larry ihn verpfiffen, um seine eigene Haut zu retten, und hatte Argail dann auch noch eingeredet, dass ich ihn verraten hatte. Er schwor mir Rache, und da er nicht mehr mit mir sprach, konnte ich ihm auch nicht erklären, dass Larry an seinem Schicksal Schuld hatte.
 
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3. 6-SHOOTER

Mein Arm war hinüber, und mehr als eine Plastikprothese war bei dem Gehalt meines Vaters einfach nicht drin. Doch während meine Mutter versuchte, weiterzumachen, als wäre nichts gewesen, hatte mein Vater sich stark verändert. Kaum hatte ich das Krankenhaus verlassen und wollte mich in eine Depression wegen meiner Behinderung fallen lassen, nahm mein Vater mich mit nach Charlestown.

Wir betraten einen Hifi-Laden. Der Verkäufer begrüßte meinen Vater mit den Worten „Óglaigh na hÉireann“ – Kämpfer Irlands, oder so, so viel Gälisch konnte ich noch, und mein Vater grüßte auf die gleiche Weise zurück. Der Verkäufer versperrte die Ladentür und führte uns nach hinten in den Lagerraum. In einem Verschlag im hinteren Teil des Lagerraums hangen allerlei Waffen, von Messern bis Raketenwerfern war alles vorhanden. Ich war so fasziniert, das ich kaum mitbekam, wie der Verkäufer meinen Vater zuquatschte, dass die „Reals“ ihn vermissen würden, worauf mein Vater nur den Kopf schüttelte.

Mein Vater sah sich einige Waffen an, dann nahm er zwei Pistolen und hielt sie mir hin. Eine war eine Halbautomatik, die andere ein Revolver. Instinktiv griff ich nach dem Revolver, einem Cavalier Deputy, und fühlte mich, als wäre es das Natürlichste der Welt. Ich kam mir vor wie einer der Westernhelden, die ich damals so vergötterte. Nach einigen Schießübungen auf einem improvisierten Schiessstand neben dem Verschlag nickte mein Vater nur, gab dem Verkäufer einen Credstick und nahm noch etwas Munition mit. „Der gehört jetzt dir, aber pass’ auf, dass ihn keiner sieht.“

Die folgenden zwei Jahre brauchte ich, um meine linke Hand zu trainieren, und ich wurde zu einem richtig guten Schützen. Meinen Deputy hatte ich immer bei mir, sogar in der Schule, versteckt unter meiner Prothese, da die Meisten den Blick betroffen abwandten, wenn sie meine Prothese sahen, und somit niemand auf die Idee kam, dass da eine Waffe sei. Mit meiner alten Bande gab ich mich nicht mehr ab, ich hatte genug von den Diebstählen, außerdem hatte ich gehört, dass Larry jetzt schon zu Schutzgelderpressung aufgestiegen war – bei den Elfen.
 
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4. WILL O’CONAHEY


´50 war ein merkwürdiges Jahr. Ich war in der letzten Klasse der Pflichtschule, die letzten Prüfungen waren bereits geschrieben und ich hatte trotz meiner Behinderung ein beachtliches schwarzes Büchlein. Ich rauchte gerade eine am Hof, als es einen Knall gab und ein Stück der Schulwand im Hof lag. Zwischen dem Staub und den Trümmern sah ich einen Schüler der Parallelklasse. Er leuchtete regelrecht. Plötzlich zischte ein Schatten durch den Staub und traf den Jungen, den ich als William kannte, am Kopf. Als er in die Knie ging sah ich einige Gestalten um ihn herum, vermutlich Jugendliche aus der gleichen Klasse.

Ich schaltete wie üblich schnell. Scheinbar war Will gemobbt worden, und die Vermutung lag nahe, dass dies gerade zu seinem Erwachen geführt hatte - soweit kannte ich mich mit Magie schon aus. Doch jetzt schien das ganze aus dem Ruder zu laufen, denn die Mordlust und der Zorn der anderen Jugendlichen war über den ganzen Hof zu spüren. Sie wollten sein Blut.

Wenn andere sich prügelten, war mir das normalerweise egal, aber das hier würde nicht gut enden. Ich hatte an dieser Schule wohl nichts mehr zu verlieren, also zog ich meinen Revolver, den ich immer versteckt bei mir hatte, und schoss einmal in die Luft. Während alle vor Schreck erstarrt waren – sogar der Mob – hastete ich über den Hof, rempelte mit meiner Prothese einen der Jugendlichen zur Seite und stand im nächsten Moment über Will, den Revolver auf einen kleinwüchsigen Jungen gerichtet, der sich als Anführer aufspielte.
„Verschwinde, das hier ist unser Problem!“ kreischte der Kleinwüchsige, der scheinbar noch nicht durch den Stimmbruch durch war.

„Sorry, aber dieses feige ‚Viele-Gegen-Einen’ gefällt mir nicht besonders.“, antwortete ich gespielt lässig, während mein Herz aus meiner Brust springen wollte. Ich glaubte nicht mehr, dass ich die nächsten Minuten überleben würde. Trotzdem gab ich mich tapfer und sagte: „Also werden Will und ich jetzt von hier verschwinden, und Ihr bleibt einfach wo Ihr seit. Schönen Tag noch!“

Mit diesen Worten ging ich langsam rückwärts aus der Gruppe hinaus, und Will kroch mir auf allen Vieren nach. Als wir einige Meter zwischen die Jugendlichen und uns gebracht hatten und Will sich aufgerappelt hatte, fingen wir an, zu laufen.

„Das überlebt ihr nicht!“ kreischte uns eine sich überschlagende Stimme nach.

Außer Atem versteckten wir uns einige Gassen weiter. „Das werden die Büßen!“, keuchte Will neben mir.

„Die müssen auf jemandem rumhacken, sonst merken sie, wie erbärmlich ihr Leben ist.“, versuchte ich Will zu beruhigen, doch meine Worte schienen ihn nicht zu erreichen. Nach einigen Minuten richtete sich Will auf und wollte die Gasse verlassen.

„Wo willst du jetzt hin?“ rief ich ihm nach.

„Ich hab wohl neue Talente, die wollen geschult werden.“, antwortete Will, ohne sich umzudrehen. „Du wirst noch von mir hören. Und DIE auch.“ Er zeigte in Richtung der Schule. In diesem Moment begriff ich, was echter Hass ist.
 
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5. REKRUT

Mein Abschlusszeugnis ließ ich mir nach Hause schicken, ich wollte kein zweites „O.K. Corral“ riskieren. Will und Ich hielten die Jahre über lockeren Kontakt, doch seine immer radikaler werdenden Ansichten konnte ich nicht eindämmen. Doch auch ich musste meinen Weg gehen. Ich war mit der Schule fertig – soweit mein Vater es sich leisten konnte – und suchte nun nach einer Lehrstelle. Doch die Zeiten waren schlecht, und Ausbildungsstellen waren rar, und ein Einarmiger hatte besonders schlechte Karten. Das einzige Geschäft, das boomte, war der Drogen- und Waffenhandel. Jeder glaubte in letzter Zeit, sein Heim mit dem neuesten Ares-Spielzeug verteidigen zu müssen, und für diesen Zweck dopten sich einige Leute auch noch.

Doch genau diese Entwicklung sollte mir eine Chance bringen. Denn der neue Bürgermeister hatte während den Wahlen versprochen, diesem gefährlichen Trend Einhalt zu gebieten. Also verkaufte er einige historische Stätten der Stadt an Konzerne (welche die Stätten zu 99 % durch Fabriken oder Bürogebäude ersetzten) und startete eine Ausbau- und Modernisierungsoffensive der städtischen Polizei. So wurden 1500 neue Rekruten gesucht, doch nur wenige Menschen meldeten sich, und noch weniger schafften die Aufnahmeprüfung. Also wurde noch mehr Geld locker gemacht, und man arbeitete spezielle Projekte aus, welche geeignete Kandidaten locken sollte.
 
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6. ENTERBT

Eines dieser Projekte war eine Invalidenförderung. Damit ermöglichte man allen Invaliden, welche mit den geeigneten Cyberware-Prothesen die Prüfung schafften und sich für zwei Jahre Dienst nach der zweijährigen Ausbildung verpflichteten, eben diese Prothesen auf Stadtkosten zu behalten. Auch Alterseinschränkungen wurden gelockert. Das Angebot war so verlockend, dass ich, gerade einmal sechzehn Jahre alt und ohne einen Gedanken an meine Wurzeln mich sofort eintrug. Vermutlich einer meiner schwersten Fehler, und doch nichts was ich bereue. Denn meine Eltern hatten nichts übrig für die Polizei, wie wohl die meisten Iren. Tatsächlich war diese Tat für sie eine Art Verrat, und auch wenn meine Mutter nur schwer entsetzt war, konnte ich meinem Vater ansehen, dass es ihm das Herz brach. Und so enterbten sie mich und setzten mich auf die Straße, mit erstaunlich kargen Worten. Im Nachhinein kann ich ihre Entscheidung, da ich heute ihre Herkunft besser verstehe, nachvollziehen.

Aber so zog ich, halb entwurzelt, halb gegrämt und mit einem Funken Hoffnung in die Polizeikaserne und begann meine Ausbildung.
 
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7. RASSISMUS

Leider musste ich feststellen, dass auch bei der Polizei so mancher Dreckskerl war, besonders, seit die Polizei so verzweifelt Rekruten suchte. Schnell hatten sich unter den Rekruten Lager gebildet, meist bestehend rein aus den Metarassen – oder anderen ethnischen Lagern – und Anfeindungen waren fast an der Tagesordnung. Der größte Anteil, Norms, wurde von einer jungen Frau, Nacije Telioglu, „angeführt“. Anfangs hatte ich ein kleines Techtelmechtel mit ihr, doch als ich von ihrer politischen Ausrichtung hörte, löste das ganze sich nicht gerade in Wohlgefallen auf. Meine Chancen bei ihr vertat ich wohl an jenem Tag, als ich ihrem Neuen die Nase brach, als dieser mit zwei anderen Rekruten einen Ork verdrosch. Bei dem Übeltäter war nur der Stolz angeschlagen, doch Nacije sah mich danach an, als würde ich bei ihr Brechreiz auslösen.

Doch damit konnte ich leben, denn Repressalien musste ich während meiner Ausbildung keine mehr fürchten – dafür sorgte eben jener Ork ein Ithaker namens Tony Tagliati, dem ich quasi die Haut rettete. Tatsächlich stellte ich fest, dass ich mich mit der Aktion bei allen Randgruppen beliebt gemacht hat, und insgesamt waren die Randgruppen die Mehrheit. Mich erwartete also eine entspannte Ausbildung
 
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8. AUF DER STRASSE

Ohne großen Stress hatte ich nach der Ausbildung meine Marke. Ich bekam eine Partnerin, Kathrin O’Toole, ebenfalls mit irischen Wurzeln. Anfangs hatte ich Angst, ihr Bruder sei Larry, doch sie beruhigte mich rasch. Ja, er war ihr Bruder, doch er war schon seit zwei Jahren im Gefängnis. Ein Raubüberfall war schief gegangen und er hatte einen Ladenbesitzer erschossen. Sie hatte sich selbst früh von ihm distanziert. Sie konnte sich sogar an mich erinnern, doch die große Schwester eines Möchtegerngangsters war bei mir nicht hängen geblieben.

Auf jeden Fall waren wir eines der erfolgreichsten Teams, selbst in den schlimmeren Bezirken, da wir versuchten, die Menschen zur Mitarbeit anzuregen. Nur einmal ging eine Verhaftung schlecht aus – ein militanter Rassist, ein Zwerg mittleren Alters mit dem Vorwurf, Banden mit Waffen zu versorgen, widersetzte sich und schoss auf uns mit einer Maschinenpistole. Kathrin bekam zwei Kugeln in ihre Schutzweste, bevor ich ihn mit einem Schuss aus der Hüfte neutralisieren konnte. Leider hatte ich zu gut geschossen – er war tot, bevor er am Boden aufschlug. Kathrin war nicht ernsthaft verletzt.

Es kam zu einer Untersuchung, und die Dienstaufsicht verhörte mich. Doch während des Verhörs stürmte eine junge Zwergin herein, packte mich und schüttelte mich, wobei sie irgendetwas von Mörder schrie. Erst etwas später wurde mir klar, dass ich wohl einen neuen Feind auf dieser Welt hatte.
 
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9. DER LETZTE FALL

Trotz oder gerade wegen dieses Zwischenfalls – wir hatten auf eigene Faust ermittelt - wurden Kathrin und ich zur Detective-Prüfung zugelassen. Nach nur einem Jahr Straßendienst durften wir endlich an die richtigen Fälle. Die ersten Fälle waren undramatisch, doch dann machte der „Pianist“ South Boston unsicher. Es war ein nekrophiler Mörder, der seine Opfer mit einer Klavierseite erdrosselte. Doch da er seine Opfer immer sehr genau behandelte, hatte die Polizei keine Spur. Doch ich war hier aufgewachsen, und so kamen Kathrin und ich auf die Spur eines Klavierstimmers. Bald stellten wir ihn in einem verlassenen Lagerhaus.

Er verbarrikadierte sich in einem Büroraum und schoss wiederholt auf uns, ohne auch nur in unsere Nähe zu treffen. Als ihm die Munition ausging, legte er die Waffe auf den Boden, streckte uns die Handgelenke hin und sagte grinsend: „Verhaften sie mich.“. Wir wussten, was er vorhatte. Unzurechnungsfähigkeit war das Stichwort. Er würde sechs Monate im Irrenhaus sitzen und dann wieder frei sein. Die Wut, die ich in diesem Moment spürte kann ich nicht beschreiben. Dennoch waren meine Hände unglaublich ruhig, als ich meine Dienstwaffe hob, auf sein Gesicht richtete und zweimal abdrückte. Kein offener Sarg für den Pianisten.

Wir sagten aus, dass ich in Notwehr gehandelt hatte, und die Sache wurde nicht näher untersucht. Alle waren froh, dass der Pianist weg war, egal auf welche Weise. Niemand stellte meine Handlung in Frage, am wenigsten Kathrin. Denn sie hatte gesehen, was ich vorhatte, und sie hätte alle Zeit der Welt gehabt, mich zu hindern. Doch sie tat es nicht. Einige Jahre später hatte sie einmal ein paar Drinks zuviel, und sie verriet mir, dass sie selbst geschossen hätte, wenn ich es nicht getan hätte.

Jedenfalls war ich fertig mit dem Job. Zuwenig konnte man tatsächlich gegen die richtig schlimmen Jungs ausrichten, meistens erwischte man die harmlosen kleinen Fische. Und da meine verpflichtenden Jahre gerade rum waren, entschloss ich mich, in die Privatwirtschaft zu gehen. Kathrin hatte andere Pläne, sie bekam eine gute Stelle bei Knight Errant, der Privatarmee von Ares. Ich packte meine Waffen, mein Equipment, meine mangelhaft angesparte Kohle und reiste ab.
 
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IN DEN SCHATTEN

10. OH JOHNNY!
Meine erste Aufgabe riss ich zufällig auf. Ich wurde angesprochen, ein Team für einen eher mystischen Auftrag zusammen zu suchen. Schwerter, Nachfahren, alte Krieger. Da dies nun offensichtlich weniger in meinem Metier lag, beteiligte ich mich an der ganzen Sache nur als Mittelsmann, half mit Informationen und kontrollierte, ob der Auftrag ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Doch das Team erledigte die Aufgabe mit Bravour, und da der Auftraggeber kurz darauf verstarb, musste ich mich wohl nach einer neuen Aufgabe umsehen.

Nur mit der mystischen Adeptin der Gruppe, eine eher aggressiv wirkende Orkdame mit einem ausgeprägten Hang zu Schwertern und magischen Explosionen, tauschte ich Kontaktdaten aus. Ich hatte im Urin, dass ich wohl mein organisatorisches Talent in den Schatten öfter gebrauchen könnte. Und das bewies auch mein nächster Auftrag.
 
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11. HMHVV
Ich reiste nach Roanapur, wo ich wusste, dass es garantiert Arbeit geben würde. Ich quartierte mich ein und suchte mir eine mittelmäßig verruchte Bar. Nachdem ich die meisten davon überzeugt hatte, dass ich vielleicht nach Cop roch, aber keiner (mehr) war, fand ich einen dieser Jobs, die keiner machen wollte. Ein Wissenschaftler, der eine gewisse Paranoia an den Tag legte, hatte einen brisanten Auftrag, den er aber nicht in einer Bar besprechen wollte, also machten wir uns einen Termin für den nächsten Tag bei ihm Zuhause aus.

Mir war klar, dass ich wohl noch etwas Ausrüstung für diesen Fall brauchen würde. Und lokale Kontakte konnten nie schaden. Also sprach ich einige Ganger an, und gegen Bezahlung würden sie mich versorgen – vorausgesetzt, ich würde mit ihnen trinken. Blood of Khali kannte ich bis dahin nicht, doch als der Chef der Ganger, ein kräftig wirkender Troll, und ich uns mit Freude prügelten, wurde mir bewusst, dass ich nicht bloß irgendeinen indischen Schnaps getrunken hatte. Zweimal nutzte ich die Kraft des Trolles aus, um ihn durch den Raum segeln zu lassen – in Gedanken dankte ich meinem Nahkampfausbilder – dann mischte die Gang aus Spaß an der Freude die Bar auf. Erst ein Hagel aus Gummischrot aus den automatischen Flinten der Securities beendete den Trubel. Danach tranken wir weiter bis in den frühen Morgen.

Schwer verkatert suchte ich am nächsten Tag den Wissenschaftler auf. Eine erstaunlich gut gesicherte Villa inklusive Blechhund nannte er sein Heim. Er erkannte meinen eher bedauerlichen Zustand sofort und gab mir ohne Worte ein wohl verschreibungspflichtiges Medikament, worauf mein Kopf gleich klarer wurde. Ich entschuldigte mich und erklärte, dass nicht jeder, dessen Dienstleistungen man anstrebte, der gleichen kultivierten Sprache zugänglich sei und man sich manchmal zu anderen Methoden herablassen müsse. Der Wissenschaftler versicherte mich seinerseits, dass das der Grund war, warum er mich anheuerte. Dann erklärte er mir den Auftrag. Unverbindlich versteht sich.

Was ich hörte, erfreute mich gar nicht, aber weckte auch meine Abenteuerlust. Er bat mich, eben seine Forschungen zu zerstören. Das Problem war, dass sich diese Forschungen in einem geheimen Aztec-Forschungskomplex nahe der Sioux Nation befanden. Dass der Wissenschaftler mir Grundrisse und genaue Informationen über die Art der Forschungen gab, milderte den bitteren Geschmack dieses Auftrags kaum. Doch die Bezahlung stimmte – eine Million inklusive Spesen auf einem anonymen Konto – ebenso wie die Motivation. Denn der Wissenschaftler wollte nicht, dass Aztecs Forschungen, mittels des HMHVVs einen Supersoldaten zu schaffen, erfolgreich wären. Auch Prototypen sollte ich vernichten, und „Versuchskaninchen“ befreien, trotz Infektion.
 
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12. REISE REISE

Zwei Tage später war ich bereit abzureisen. Kathrin hatte mir noch etwas Intel verschafft, und von den Gangern hatte ich noch zwei Cavalier Deputies zwei Ruger Warhawks und vier Schockstäbe erhalten. Um mir ein Alibi zu verschaffen bezahlte ich meinen Hotelmanager im Voraus, sagte, ich versuche mich als Autor und wolle in den nächsten drei Wochen nicht gestört werden. Dann organisierte ich mir einen inoffiziellen Flug in die Sioux Nation.

Zu meinem Flugzeug musste ich mit einem Boot hinausfahren, der Pilot wollte offensichtlich mit seinem Wasserflugzeug in internationalen Gewässern bleiben. Bei dem Flugzeug erwartete mich ein Norm Marke Musteraustralier, wobei ich leicht asiatische Züge zu erkennen glaubte. Die Maschine schien nur noch durch Spucke und gute Hoffnungen zusammengehalten zu werden. Er wiederum schien mir den Bullen anzusehen und betrachtete mit einer gewissen Neugier meinen Chromarm. Doch mit der Bezahlung von 15 000,- war er scheinbar zufrieden, und so flogen wir ab. Während des erstaunlich ruhigen Fluges versuchte ich ihn einzuschätzen. Er fiel mit seinen Hintergründen nicht gerade mit der Tür ins Haus, aber immerhin kam er mir wie ein Geschäftsmann mit einem Hang zum Abenteuer vor. Er hatte ein Flugzeug und konnte etwas mit Flinten umgehen. Außerdem hatte er einen Kontakt in eben jenem Zentaurendorf nahe der Aztec-Anlage, in dem ich gehofft hatte, etwas Hilfe zu finden. Also schlug ich eine Verlängerung unseres Geschäftsverhältnisses vor, was wir später besprechen sollten.

Wir landeten auf einer winzigen Landebahn neben einem Dorf aus Zelten – bewohnt, wie erwartet, von Zentauren. Bisher hatte ich von diesen Wesen nur gehört, und jetzt beäugte mich ein gutes Dutzend misstrauisch. Doch nachdem mein Pilot – „Transport“ nannte er sich – sehr wenige Worte mit einem weiblichen Zentauren gewechselt hatte, bekamen wir eine Unterkunft. Dort besprach ich dann mit Transport und „Irons“, der Zentaurin, mein Problem.

Wie erwartet waren die beiden weniger begeistert. Doch dann ging wieder einmal der Gutmensch mit mir durch. Denn Transport würde höchstwahrscheinlich seine Maschine riskieren müssen, und den Zentauren schien es in der Gegend nicht wahnsinnig gut zu gehen. Also verriet ich den beiden die Summe und bot eine Aufteilung 40-30-30 an (eine Johnny-Provision für mich war irgendwie selbstverständlich), natürlich nach Abzug der Spesen. Zu den Spesen gehörte auch eine nigelnagelneue SPAS-22 für Transport.
 
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13. DER PLAN

Die Tage danach kundschafteten wir die Anlage aus. Die Bewachung war formidabel, mit roher Kraft würden wir hier kaum bis vor das stark bewachte Tor kommen. Denn auch wenn nur ein unter Strom stehender Stacheldrahtzaun das Gelände umgab, so patroullierten darum schlecht gelaunte Aztec-Soldaten, manche sogar mit Sturmkanonen. Und am Gelände selbst waren sechs Bunker verteilt, sogar eine FlAK war zu sehen. Doch im Südosten gab es nahe der Umzäunung einen Wald, und Irons hatte die Idee, in eben diesem Wald nach Hilfe zu suchen. Währenddessen versuchte ich zu überlegen, wie wir hineinkommen sollten.

Doch das Schicksal meinte es gut mit uns. Denn mein Auftraggeber rief an und teilte mir mit, dass er mir noch Verstärkung organisiert hatte. Ich heuchelte Empörung, dass das meinen Plan durcheinander bringen würde und ich nun neu planen müsse, dass meine Ressourcen bereits verteilt wären und zusätzliche Ausgaben nicht geplant wären. Nach dieser Broadway-geeigneten Vorstellung sicherte mir mein Auftraggeber eine passende Kompensation nach erfolgreicher Durchführung zu.

Also ließ ich Transport die beiden Neuen abholen. Ein Troll-Sami, dessen Name, „Unicorn“ sich wohl aus dem rosa glitzernden Horn mitten auf seiner Stirn ableitete, und „Kyon“, ein japanischer Zwerg, Magier und Buddhist. Als ich die beiden betrachtete, formte sich in meinem Kopf eine Idee. Forschungen brauchen immer möglichst verschiedene Probanten, und hier hatte ich nun einige der schillernsten Charaktere meines bisherigen Lebens. Also vereinbarten wir, uns als Kopfgeldjäger auszugeben, um so ganz offiziell in die Anlage hinein zu kommen. Nebenbei hatte Irons von den Waldbewohnern einige Unterstützung zugesichert bekommen, doch wie diese aussah – mal abgesehen von einer sicheren Passage durch den Wald – würde sich noch herausstellen.
 
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