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Nicht gelistetes System Space Gothic - Das Grauen im All - Grundregelwerk

Tufir

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Space Gothic - Das Grauen im All – Grundregelwerk

Mit der Neuauflage von Space Gothic, einem rein deutschen Rollenspiel aus dem Jahre 1993 erweitert Ulisses sein Spektrum an RPG Angeboten mit einem Science-Fiction/Horror Cross-Over. Die Übernahme erfolgte von der „Fantastische Spiele GbR“, die sich seit 2006 in der Liquidation befindet.

Die Neuauflage wurde vor allem regeltechnisch überarbeitet und bietet auch alten Rollenspielhasen einige neue Ideen. Wie immer im RPG-Genre ist es jedoch auch hier so, dass bereits Errata notwendig wurden, die jedoch noch nicht offiziell veröffentlicht wurden. Eine Liste solcher Errata kann man in diesem Blog finden. Space Gothic wartet bereits mit einer eigenen Webseite auf und bietet außerdem bereits heute ein eigenes Wiki zum Nachschlagen. Teilweise findet man auf diesen Seiten auch Dokumente (Abenteuer, Charakterbögen, etc.) im PDF Format zum Herunterladen.

Space Gothic belegte in den Jahren 2003 und 2004 jeweils den 9. bzw. 10. Platz beim Deutschen Rollenspielpreis in den Kategorien „Beliebtestes Rollenspiel“, „Meistgespieltes Rollenspiel“ und „Rollenspiel-Favorit“.

Doch kommen wir vom System zum eigentlichen Objekt dieses Beitrags, dem Grundregelwerk selbst. Dieses Werk erscheint als Hardcover im DIN-A4 Format leider ohne Lesebändchen. Das Cover ist OK, nicht, dass es besonders erwähnenswert wäre, ein recht durchschnittliches Bild aus dem Sci-Fi Genre halt.

Den Inhalt als durchschnittlich zu bezeichnen wäre jedoch fast schon eine Art Blasphemie, liegt hier doch die eigentliche Qualität des Werkes. Am Anfang wartet Space Gothic mit einer Extrapolation unserer aktuellen Geschichte ab dem Jahr 1999 in die Zukunft auf. Ähnlich wie bei Shadowrun erfährt der Leser und potentielle Spieler wie es zu der Situation kam, in der sich seine Helden im Jahre 2244 befinden. Folgendes ist als Extrakt dieser Geschichte auf diversen Websites zu finden:

Space Gothic Website schrieb:
Wir schreiben das Jahr 2244. Die rund 100 Kolonien der Menschheit sind in der TSU zu einem Staatenbund zusammengeschlossen. Vor sieben Jahren ging der gigantischste Krieg zu Ende, der jemals getobt hat, und bis heute gibt es in abgelegenen Winkeln der Galaxis noch Gefechte zwischen versprengten Rebellenverbänden und den Truppen der Regierung. Die Kernkolonien – in Erdnähe gelegen und dominiert von der Allmacht des Megakonzerns PTI – und die Randkolonien, die unter der Obhut der Marine stehen und deren Bevölkerung als abergläubisch, verschlossen und reaktionär gilt, belauern sich. Es sieht so aus, als würde PTI nach dem Krieg die Herrschaft über die gesamte TSU an sich reißen. Benjamin Weiss, Aufsichtsratsvorsitzender des Konzerns, wurde 2238 Präsident und Regierungschef der TSU. Die Marine misstraut ihm, und viele fürchten eine erneute Eskalation.
In diese gespannte Atmosphäre sickern immer wieder Gerüchte über Kontakte mit außerirdischen Rassen. Gerüchte, die von der Regierung heftig dementiert werden. UFO-Sekten schießen wie Pilze aus dem Boden. In den Randgebieten treiben seltsame Kulte ihr Unwesen. Die Allkatholische Kirche, Herrscherin über ein ganzes Sonnensystem und finanzstärkste Religionsgemeinschaft der Menschheit, zieht die Randkolonien mehr und mehr in ihren Einflussbereich. Unzufriedene Welten versuchen, die chaotischen Verhältnisse auszunutzen und aus der Union auszuscheren. Skrupellose Verbrechersyndikate ziehen ihre Fäden im Hintergrund und üben Einfluss bis in die höchsten Regierungskreise aus. Der Präsident reagiert mit immer höherem Druck. Die Polizei greift in den riesigen Stadtmetropolen mit gnadenloser Härte durch. Geheimdienste schnüffeln die Bürger bis ins intimste Detail aus, immer auf der Suche nach Feinden der Verfassung. Mit andern Worten: der fragile Friede steht kurz vor dem Kollaps. Und die Freiheit des Individuums ist nicht mehr als eine schöne Theorie.
Dies ist der Spielplan, den die Abenteurer betreten. Als Konzerntruppen PTIs, freie Raumfahrer, Detektive, Polizisten, Soldaten der Marine, skrupellose Schmuggler oder gefährliche Rebellen kämpfen sie in den Nachkriegswirren ums Überleben. Ihre Gegner sind satanische Endzeitsekten, außerirdische Monstrositäten, verräterische Militärs oder korrupte Beamte. Sie wühlen im Dreck, trotzen der Gefahr, decken Verschwörungen auf und stehen dort zu ihren Idealen, wo alle anderen scheitern. Sie sind die Helden von Space Gothic®.

Quelle: Space Gothic Homepage

Diese Geschichte, die im Regelwerk wesentlich ausführlicher dargestellt wird, ist schlüssig, für SF-Fans nachvollziehbar und bietet viel Potential und Freiraum für die Phantasie von Spielern und Spielleitern. Es macht Spaß, sich mit diesem Abriss einer fiktiven menschlichen Geschichte auseinander zu setzen.

Nach dieser Einleitung nehmen die Regeln für das System und die Charaktererschaffung einen breiten Raum ein. Sobald man diese Regeln gelesen hat, kann man sich dem Eindruck nicht erwehren, eine Mischung aus Regeln diverser Fantasy Systeme und Call of Cthulhu vor sich zu haben, die in einem Science Fiction Universum nach Traveller Style agieren. Auch das seltsam feine Gefühl, dass dies durchaus Absicht war, hat wohl seine Berechtigung. Neben dem obligatorischen W20 benutzt der Space Gothic Spieler auch den W4, den W6, W8 und W10. Hauptwürfel ist jedoch der W100. Als universelle Regel für eine Würfelprobe gilt hier, dass der Fertigkeitswert des Charakters addiert zum Würfelergebnis mit dem W100 die Summe von 100 erreichen bzw. überschreiten muss. Sollte es dem Spielleiter aufgrund der Umstände gefallen, kann er diese Grenze auf 80 senken bzw. auf 120, 140 oder 180 erhöhen. In Space Gothic spricht man dann im Gegensatz zur „normalen“ Probe von leichten, schwierigen, heiklen oder wahnsinnigen Schwierigkeitsgraden. Im Probespiel ergab es sich nach anfänglichen Gewöhnungszeiten, dass dieses System einfach und durchschaubar ist. Würfelorgien á la DSA bleiben also aus. Um spektakuläre Ergebnisse sowohl im negativen als auch im positiven Sinne produzieren zu können, gibt es dann noch zwei einfache Regeln, die zu einem "Triumph" oder auch zu einem "Debakel" führen können. Würfelt man einen Wert zw. 01 und 05, so erlebt man sein persönliches Debakel, muss noch einmal würfeln und dieses Ergebnis dann von der vorherigen Summe abziehen. Fällt man dabei unter 0, ist das anvisierte Debakel perfekt, im Falle eines Endergebnisses von unter -50 landet man sogar in der "Katastrophe". Im Gegenzug dazu darf man bei jedem Pasch (11, 22, 33, 44, 55, 66, 77, 88, 99, 100) ebenfalls noch einmal würfeln. Dies nennt man dann eine "Rakete"! Hier wird dieser zweite Wert dann zum vorhergehenden Ergebnis addiert. Dies tut man, solange man Paschs würfelt und somit erhält jeder die Chance selbst bei kleinen Fertigkeitswerten einen triumphalen Erfolg zu haben. Doch Vorsicht: Würfelt man einen Pasch nach einem Debakel, dann geht dieses Rakete im wahrsten Sinne des Wortes nach hinten los! Um eine kleine Chance zu haben, dies zu vermeiden, steht jedem Spieler pro Spielabend eine bestimmte Menge an Glückspunkten zu, mit denen er solche Ereignisse annullieren und erneut würfeln darf. Das zweite Ergebnis jedoch muss er anerkennen.

Alles in allem ist dies ein Würfelsystem mit viel Spaß und Freude für alle Teilnehmer.

Werfen wir nun einen Blick auf die Charakter-Entwicklung, die sich auch mit einigen erfrischenden, jedoch keineswegs neuen Ansätzen dem Leser darbietet. Nach dem Auswürfeln einiger grundlegender Attribute (alternativ können auch vorgegeben Werte auf die einzelnen Attribute verteilt werden), beginnt der Charakter eine Reihe von Karrieren zu durchlaufen, in Laufe derer auch diese Grundwerte steigerbar sind. Zu den 8 Basisattributen (zur Unterscheidung von den „Fertigkeiten“ nennt Space Gothic diese einfach „Attribute“) zählt neben den üblichen Kandidaten wie „Geschicklichkeit“ und „Stärke“ auch das für die bereits zuvor erwähnten Glückspunkte als Basis fungierende „Glück“. Das anschließend zu Ausführung kommende Karrieresystem erinnert stark an die Charakter-Entwicklung in Traveller. Hier in Space Gothic muss der Charakter eine Kindheits-, Jugend-, Sozialdienst- und Berufskarriere durchlaufen. Diese sind unumgänglich und können aus einer Reihe von Vorgaben, die gewissen Einschränkungen aus dem einschränkungslos wählbaren Elternhaus, dem Heimatplaneten und dem Hintergrund des Charakters unterliegen, recht frei gewählt werden. Zusammen mit einigen ausgewürfelten Zufallselementen wie zum Beispiel Kriegserlebnissen rundet dies dann die Charakterentwicklung ab. Aus der letzten Karriere, dem Beruf, ergeben sich dann noch eventuell ein regelmäßiges Einkommen, davon abhängige Ersparnisse und eine Startausrüstung. Anschließend ist der Samurai, Dieb, Schrauber, Pirat, Pilot, Detektiv oder vieles andere mehr fertig für den Einsatz. Alles in allem dauert diese Art der Charaktererschaffung für eine Einzelperson
selbst mit Erklärungen rund 90 Minuten. Was der SF Fan vermutlich vermisst, ist die Möglichkeit einen Angehörigen einer außerirdischen Rasse zu spielen. Dies ist – zumindest im Grundregelwerk – nicht vorgesehen. Die Aliens bleiben dem Spielleiter zum Einsatz als grauenvolle Monster und von den Menschen unverstandene Lebewesen vorbehalten.

Das Regelbuch wartet dann noch mit den notwendigen Dingen auf, die Spieler und ihr Spielleiter vor dem ersten Einsatz klären müssen. Kampfregeln, Ausrüstungstabellen, Raumschifftypen und dergleichen finden auch ihren Platz in diesem Werk. Am Ende des Buches gibt es kopierbare Vorlagen für die Charakterentwicklung, Karriereklassen und den eigentlichen Charakterbögen.

Mit einem kurzen Abenteuer um die Bergung eines havarierten Raumschiffes, in die Spieler auch gleich ein wenig über die Horrorkomponente von Space Gothic erfahren können, rundet sich dieses Regelwerk stimmig ab.

Eine interessante Option ist obendrein die Möglichkeit Space Gothic in drei unterschiedlichen "Gefahrenstufen" für die Charaktere zu spielen, ohne großartig die Regeln anpassen zu müssen. Neben dem normalen Spiel gibt es noch den Heldenmodus für Weichei-Spieler, die an ihren Charakteren hängen und bei dem die NSC teilweise stark benachteiligt werden. Den Gegensatz dazu bildet der Blutmodus, bei dem es für jeden einzelnen Charakter recht schwierig wird, kritische Situationen zu überleben. Diese Variationsmöglichkeit bietet sich bei jedem Spiel von neuem und bildest somit etwas, das in seiner einfachen Handhabbarkeit im gesamten Rollenspielgenre vergleichbar selten vorkommt.

Die Probespielrunde mit diesem integrierten Abenteuer verlief trotz der Tatsache, dass sowohl Spielleiter als auch Spieler Neulinge in diesem System waren, flott und flüssig. Sicherlich blieb dabei noch einiges von dem Potential, welches Space Gothic bietet, auf der Strecke, aber dennoch hatten alle Teilnehmer, die eigentlich eingefleischte DSA-Spieler sind, ihrem Spaß.

Als Fazit kann man herausstellen, dass Ulisses mit diesem Werk ein System auf den Markt bringt, welches nicht unbeachtet bleiben sollte. Die äußerliche Qualität des Produkts entspricht dem Standard, welches man mittlerweile von anderen Produkten dieses Herstellers gewohnt ist. Der Inhalt dagegen hebt sich durchaus über den vieler anderer Systeme hervor!

Viel Spaß beim "Grauen im All" wünscht euch
Euer Tufir

Unser Dank gilt der Ulisses Medien & Spiel Distributions GmbH, die uns diese Rezension ermöglichte.
 
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AW: Space Gothic - Das Grauen im All - Grundregelwerk

SpaceGothic hinterlässt bei mir einen gemischten Eindruck.

Einerseits ist es ein wirklich interessantes Setting, das das beste aus verschiedenen Bereichen vereint. Ein ScienceFiction-Szenario, das sich technisch bei bekannter SF-Literatur bedient (aufgefallen ist mir z.B. Perry Rhodan mit Hyperraumsprünge nur ausgehend von einer Mindestgeschwindigkeit), paart sich mit der Düsternis eines Nachkriegs-Gothic-Szenarios (die Alien-Filme lassen mehr als deutlich grüßen), dessen Grauen mit einem an Cthulhu erinnernden Geisteszustandssystem gemessen werden.
Durch einheitliche (Fertigkeitswert + W100 gegen einen von der Schwierigkeit abhängenden Grenzwert) und überschaubare Regeln ist das System schnell zu begreifen und schnell zu spielen (gut, Kopfrechnen sollte man können) – wobei verschiedene Spielmodi den Schwierigkeitsgrad zusätzlich regulieren. Allerdings muss man vermerken, dass der Zufall bei diesem Würfelsystem keine ganz kleine Rolle spielt (immerhin kommen zu jedem Wert zwischen 0 und 100 nochmals 1 bis 100 Punkte dazu, sowie zusätzlich die beschriebenen Sonderregelungen). Das Charaktererschaffungssystem mit verschiedenen auf einander folgenden Karrieren erinnert an Traveller, vermeidet aber gekonnt dessen Zufälligkeit. Im Jahr 2009 ist all dies schon wieder altmodisch genug, um interessant zu sein.
Insgesamt kann ich in Bezug auf das Spielgefühl und die Faszination, die das Szenario ausübt, meinem Vorredner nur beipflichten.

Auf der anderen Seite steht aber die Umsetzung dieses Szenarios im Buch, und um die muss es hier auch gehen. Sie kann ich, vielleicht verwöhnt durch andere Veröffentlichungen jüngerer Zeit, nur als etwas zu lässig beschreiben.
Das beginnt bei den Illustrationen. Natürlich sind diese immer Geschmackssache und über Geschmack sollte man nicht streiten – jedoch will ich das auch gar nicht. Mich stört ihre Uneinheitlichkeit. Illustrationen sind das perfekte Werkzeug, die Stimmung eines Rollenspielszenarios einzufangen und zu präsentieren – sofern man sich für einen Stil entscheidet. Bei SpaceGothic hat man sich leider eher für Kraut und Rüben entschieden, insbesondere in den vorderen Teilen des Buches. Und auch über die Hintergrundgrafik in ihrer Grauheit und Unschärfe kann man sicher geteilter Meinung sein.
Auch Texte, Satz und Lektorat weisen deutliche Mängel auf: Immer wieder wechselt die Ansprache des Lesers (benötigt man, benötigen wir oder benötigen Sie?) und irritiert ebenso wie auch der Satz, der sich nicht scheut, Abkürzungen über Zeilen umzubrechen.
Doch beides verblasst angesichts einer Häufung von Fehlern und Widersprüchen zwischen Regeltext und Beispielen, seien es Rechenfehler, falsche Begriffsverwendungen, wechselnde Angaben zu Schwierigkeiten oder unmögliche Würfelergebnisse. Dass man eine erste Errata-Sammlung im Internet findet ist zwar tröstlich, ändert aber nichts an den Fehlern der Printausgabe.
Nichts davon macht den Regelteil unverständlich, aber fast hat man als Leser den Eindruck, als habe eine unkorrigierte Vorabfassung den Weg zum Drucker gefunden und man fragt sich, wie viele subtilere Fehler sich noch unter den so offensichtlichen verbergen. Angesichts einer Verzögerung der Veröffentlichung von insgesamt einem Jahr (Spiel 09 statt Spiel 08) und der Tatsache, dass es sich nicht um eine vollständige Neuerschaffung sondern um eine überarbeitete dritte Auflage handelt, ist das schon sehr enttäuschend.

Es bleibst also das Fazit, dass SpaceGothic in meinen Augen ein tolles System mit einer bescheidenen Präsentation ist. Gerade weil es Spaß macht ist das jammerschade!
 
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