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Sci-Fi / Fantasy So finster die Nacht

Integra

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Wir schreiben das Jahr 1981. In Blackeberg, einer tristen Vorstadt Stockholms lebt Oskar mit seiner Mutter. Er ist ein typischer Aussenseiter, etwas dicklich und ohne Selbstwertgefühl. Von den meisten seiner Mitschüler wird er gehänselt, von einigen bezieht er Tag für Tag Schläge. Bis seine Mutter abends nach hause kommt, gibt er sich auf dem Spielplatz seinen Rachephantasien hin, er sammelt Zeitungsausschnitte über Serienmorde und klaut Schokoriegel im Supermarkt.

Eines Tages lernt er Eli kennen. Das Mädchen ist vor kurzem in der Wohnung nebenan eingezogen und wirkt von Anfang an seltsam auf Oskar: Nur in einem dünnen Pullover läuft sie durch die winterliche Kälte, die Fenster ihrer Wohnung sind ständig verhängt und er trifft sie nur nach Sonnenuntergang. Dennoch fühlt er sich zu ihr hingezogen. Zwischen den beiden Aussenseitern entsteht langsam eine zarte Freundschaft.

In dieser Zeit passieren rund um Stockholm immer wieder grausige Morde: Kinder werden abgeschlachtet, Obdachlose verschwinden spurlos.
Lindqvist läßt den Leser nicht lange zappeln und offenbart schon bald im Buch den Mörder: Håkan Bengtsson, Elis “Vater”, tötet für sie und bringt ihr das Blut der Opfer, das sie trinken muss, wenn sie weiterleben will: Denn Eli ist ein Vampir.

In der bis dahin so nüchternen, realitätsnahen Erzählung wirkt diese Erkenntnis für den Leser doppelt surreal, obwohl der Schrecken, den Eli und Håkan verbreiten, kaum größer ist, als der triste Alltag in Blackeberg. Drogen- und Alkoholsucht sind allgegenwärtig und betäuben die Perspektivlosigkeit und Einsamkeit der Menschen, die ihr Leben hier fristen.
Als Jocke verschwindet, merken selbst seine Freunde, arbeitslose Säufer erst spät, dass etwas nicht stimmt, wagen sich jedoch nicht zur Polizei und beschliessen, den Mörder auf eigene Faust dingfest zu machen. Das mutet grotesk an, da sie kaum jemals nüchtern sind, lethargisch und ohne jeden Elan.

Inzwischen mordet Håkan weiter, wird schliesslich von der Polizei auf frischer Tat geschnappt, übergiesst sich mit Salzsäure und landet schrecklich entstellt im Krankenhaus. Eli ist jetzt auf sich allein gestellt...
John Ajvide Lindqvist hat hier keine typische Vampirstory, wie man sie zur Zeit in unüberschaubarer Zahl vorfindet, vorgelegt. Seine Vampire sind Aussenseiter und Überlebenskünstler – keine mit französischem Akzent säuselnden Mädchenträume. Das Setting und die präzise Sprache ist man eher von skandinavischen Krimis gewöhnt. Der Beschreibung des Milieus mangelt es nicht an Sozialkritik, obwohl er sich jeder Figur so liebevoll annimmt, dass selbst für die ekelhaftesten Gestalten beinahe so etwas wie Verständnis aufkommt. Dabei gelingt ihm auch durchaus die ein- oder andere komische Szene in der ganzen Blackeberg-Tristesse.

Der Leser hat diese Verschnaufpausen auch ziemlich nötig, denn die explizite Gewaltdarstellung und einige ausgesprochen unappetitliche Szenen erzeugen gerade zum Ende hin, wenn die Spannung nochmal kräftig anzieht, echten Horror.

Zum Autor:
John Ajvide Lindqvist wurde 1968 in Stockholm geboren und wuchs in Blackeberg auf. Sein Romandebüt “So finster die Nacht” (Originaltitel: “Låt den rätte komma in”) erschien 2004 und wurde 2008 von Tomas Alfredson verfilmt und mehrfach ausgezeichnet.
Lindqvist begann seine Karriere als Magier und TV-Standup-Comedian. Seit einigen Jahren widmet er sich ganz dem Schreiben und wird auch gern mal als “der schwedische Stephan King” bezeichnet. 2008 wurde er mit dem Selma-Lagerlöf-Preis ausgezeichnet.

Mein Dank geht an den Lübbe Verlag, der die Rezension dieses Werks ermöglichte.
 
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