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IG-Sub ShShSh - Tautabaranda, oder die Reise nach Westen

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Zaonce

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Aufbruch

Tautabaranda saß auf dem flachen Felsen am Rand der Klippe und sah ins Tal hinab. Das blaue Band des Bärenbaches schlängelte sich durch sonnendurchflutete Uferwiesen und verlor sich in der Ferne im Morgennebel. Fast ihr ganzes Leben hatte sie in diesem und den Nachbartälern verbracht, aber damit war es nun vorerst vorbei.

Mehrere Jahre hatte sie über den Vorschlag des greisen Bandarfin gegrübelt und gegrübelt: Sollte sie in die Täler hinunter ziehen und die weite Welt und die fremden Völker kennenlernen? Was und wen würde sie dort finden?

Dann, im letzten Winter, hatte sie den Entschluss gefasst. Ihre Eltern waren dagegen gewesen, sie sei noch zu jung sagten sie, aber Bandarfin hatte sie letztendlich überzeugt. Ob er wohl Recht behielte, dass sie nur über sich hinauswachsen könne, wenn sie die kleine Welt der Berge und die engen Grenzen verlassen und eine größere Welt für sich entdecken würde?

Khazzar, das war der Name gewesen. Der Ort, von dem der kleine Shin ihr vor Jahren erzählt hatte. Dort würde sie hingehen. Wie es dort wohl sein würde? Bestimmt voller kleiner Leute, die emsig hin und her wuselten. Jedenfalls sah von hier oben gesehen alles ganz winzig aus. Vielleicht würde sie auch Shin treffen, das wäre nett. Was wohl aus ihm geworden war?

Sie stand auf, nahm die Tasche mit den Kräutern und Kürbissamen, ihren Wanderstab und ihre Kürbisflasche. Wenn sie jetzt aufbrach würde sie nicht mehr die selbe sein, wenn sie einst zurückkehrte. Ein letzter Blick noch auf die schneebedeckten Kuppen ihrer geliebten Berge, dann machte sie sich auf den Abstieg ins Tal.
 
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Zaonce

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Kürbis am Feuer

Zwei Wochen war sie nun schon unterwegs. Anfangs hatte sie versucht, an Bauernhöfen nach dem Weg zu fragen, aber die Leute waren sehr unhöflich gewesen und einmal hatte man sogar die Hunde auf sie gehetzt! Seitdem hatte sie sich von Straßen und Gehöften ferngehalten. In ihrer Vorstellung war das Reisen irgendwie abenteuerlicher und schöner gewesen. Wie dumm und naiv von ihr. Wie sollte es nur weitergehen?

Außerdem hatte sie inzwischen wirklich großen Hunger. Sie nahm einen Kürbissamen aus der Tasche, vergrub ihn neben ihrem kleinen Lagerfeuer und sprach die Segensreichen Worte des Wachstums über ihm. Nachdem sie eine Weile zugesehen hatte, wie die grünen Ranken und ihre orangeroten Früchte aus dem Boden sprossen, teilte sie einen der jungen Kürbisse und briet das Fruchtfleisch über den lustig flackernden Flammen.

Nach einer Weile stieg ihr der aromatische Duft köstlich in die Nase - und schien auch andere Hungrige anzulocken: ein kleiner, dürrer und schäbig gekleideter Mann trat an den Rand der Lichtung und sah sie fragend und mit ängstlichem Blick an. Wenn das einer dieser Banditen war, von denen Shin ihr erzählt hatte, dann blieb dieses Exemplar hinter den farbenfrohen Erzählungen allerdings weit zurück.

Sie bot ihm etwas Kürbis an und zögerlich trat er auf die Lichtung. Er ließ sich auf der gegenüberliegenden Seite des Feuers nieder und fiel hungrig über das knusprig-saftige Fruchtfleisch her. Während er aß, briet sie noch mehr Kürbis, den er mit erstaunlichem Appetit verspeiste.

Als er endlich gesättigt schien und sich im Sitzen träge an einen Baumstamm lehnte fragte sie ihn, wie sein Name sei, und ob er wisse, wie man nach Khazzar gelangen könnte. "Ucko aus dem Wald," nannte er sich, "das liegt ganz weit im Westen, am großen Meer," und "von einem Shinmashaq habe ich noch nie etwas gehört" war alles, was aus ihm herauszubekommen war. Anscheinend hatte der kleine Shin den Ruhm doch nicht erlangt, von dem er ihr vor Jahren in den Bergen, am Ufer des Bärenbaches mit einem Funkeln in den Augen vorgeschwärmt hatte.

Nach einer traumlosen Nacht, ihr hungriger Besucher hatte sich klammheimlich davon gemacht, wachte sie im Morgengrauen auf, aß noch etwas Kürbis und machte sich wieder auf den Weg in Richtung Westen.
 
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Zaonce

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Die Brücke

Als Tautabaranda den Troll sah war es schon fast zu spät. Während sie sich noch vorsichtig über die baufällige Brücke schob, kam er durch den Wald auf sie zugerannt, gefolgt von Soldaten irgendeines Adligen, die ihm mit langen Piken und Pfeilschüssen schwer zusetzten. Hinter dem Brückenhaus versteckt wartete sie, bis die Jäger und der Gejagte die Brücke fast erreicht hatten.

Sie trat auf die alte Straße und rief den Soldaten mit donnernder Stimme zu: "Halt! Niemandem soll hier und heute ein Leid geschehen!" während sie mit den Händen schnelle kreisförmige Bewegungen machte, die das von beiden Seiten auf die Straße drängende Unterholz dazu brachten, mit tausend sich windenden Ärmchen nach den Schergen zu greifen, um sie festzuhalten. Überrascht und von Furcht ergriffen machten diese kehrt, mit den Armen rudernd und mit Messern und Schwertern nach Ranken und Ästen schlagend. Nach kurzer Zeit waren nur noch ihre Piken zu sehen, die sie fliehend weggeworfen hatten.

Erschöpft und schwer atmend ließ Tautabaranda sich auf dem Widerlager der Brücke nieder, während der schwer verletzte Troll in den Fluss watete, um seinen Durst zu stillen und seine Wunden auszuwaschen. "Leider kann ich dir nicht weiter helfen," rief sie hinunter, "meine Heilkunst wirkt nicht bei Wesen von Stein und Metall."

"Ulurush nennt man mich,"
entgegnete der Troll, "und ich danke dir für das, was du bereits für mich getan hast! Die Bauern der Gegend brauchen diese Brücke, um ihre Wagen und Karren zum nächsten Markt fahren zu können, aber ihr Herr ließ sie immer mehr verfallen, gab das Geld lieber für Waffen und Kriege in fremden Ländern aus. Als die Seherin des Dorfes erfuhr, dass ich in der Gegend bin schlug sie mir vor, dass ich die Brücke doch reparieren könne und die Dörfler mir Wegezoll zahlen würden. Einen Kreuzer für einen Mann oder eine Frau, drei für eine Kuh oder ein Pferd und fünf für einen Wagen. Der Brückenbau ist ein altehrwürdiges Handwerk unter uns Trollen, musst du wissen, aber der Herr dieser Länder, Ferrystein heißt er wohl, sah das anscheinend anders. Als ich von einem seiner Ritter einen Kreuzer für ihn und drei für sein Pferd verlangte, ritt er weg und zwei Tage später kamen diese Spießgesellen, die du vorhin gesehen hast. Als ob die Brücke ohne meine provisorische Ausbesserung ein Streitross und einen Kerl in Rüstung getragen hätte. Pah!"

Ulurush erklärte Tautabaranda, welchen Straßen sie folgen müsse, um zum Meer und nach Khazzar zu gelangen, dankte ihr ein letztes Mal und riet ihr, die Grafschaft der rachsüchtigen Ferrysteins besser schnell hinter sich zu lassen. Er selbst wollte zurück nach Osten, zum großen Gebirge, wo man ehrliches Handwerk noch zu schätzen wisse.

Nachdenklich zog Tautabaranda weiter nach Westen, nachdem sie dem Troll versprochen hatte, für die nächste Woche nur nachts zu wandern und sich tagsüber im Wald zu verstecken.
 
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Zaonce

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Die Welt ist aus den Angeln

Obwohl Tautabaranda sich ihr nur langsam näherte und beruhigende Worte sprach, wurde das kleine Mädchen immer nervöser, dass vor Angst zitternd am Rand der von grässlich verstümmelten Baumstümpfen verunstalteten Lichtung saß. Seine Hände wanden sich um eine Kuhglocke, die auf seinem Schoß lag, und als Tautabaranda nur noch drei Schritte entfernt war, schrie das Mädchen laut: "JEEEEETZT!" und läutete wild die blechern scheppernde Glocke.

Links und rechts, aus den die Lichtung umgebenden Waldstücken brach eine größere Anzahl Männer und Frauen aus den Büschen hervor, während sie Äxte, Mistgabeln und sogar einige Sägen schwangen. "Verzieh dich, Gesindel! Das ist jetzt unser Wald! Deine Sorte brauchen wir hier nicht!" und "Umzingelt sie, dann machen wir sie fertig!" waren noch die netteren Worte, die man ihr entgegen spie, während einige Bogensehnen schnalzten und Tautabaranda auf der Stelle umdrehte und so schnell ihre Beine sie tragen konnten in die Wälder floh.

Einige Stunden später hatte sie ihre Verfolger mit langen Schritten abhängen können und deren Schreie sowie das Gekläffe ihrer Hunde waren im Nebel des Waldes hinter ihr verklungen. Sie konnte sich nicht erinnern, jemals so schnell gerannt und so unermesslich müde gewesen zu sein. Zu allem Überfluss begann sie jetzt auch noch, den Hunger wieder zu spüren.

Was im Namen aller Berge und Täler war hier nur los? Waren denn alle verrückt geworden? Die große Lichtung hatte sie zutiefst schockiert, wie konnten diese Menschen nur eine so große und verächtliche Grausamkeit in in ihren kleinen Köpfen unterbringen? Tausende Bäume hatten sie gefällt, ihre Stümpfe ein anklagendes Mahnmal des Wahnsinns. Aber hatten sie den gefallenen Riesen wenigstens die letzte Ehre erwiesen? Nein, die meisten Stämme waren achtlos in den Fluss geworfen worden, wo ihre toten Leiber die halbe Wasseroberfläche bedeckten, oder waren am Ufer gestapelt, während einige wenige von einer Art perversen, immer noch laut ratternden und klappernden Wassermaschine in kleine Stücke zerteilt worden waren. Wollten sie sie essen? Wer könnte so viele Bäume essen? Was sollte jemand man mit so vielen Bäumen anfangen? Und was sollte sie von diesen Leuten lernen?

Taurabaranda lehnte sich an einen ächzenden Baumstamm und zog ihre Tasche hervor, merkte aber, dass die Tasche anscheinend an einem Ast hängen geblieben und ihre Kürbissamen durch ein Loch herausgerieselt waren. Mit einem frustrierten Stöhnen stand sie wieder auf. Vielleicht trug irgendwo schon ein Apfelbaum die ersten Früchte. Zur Not müsste sie jagen gehen, obwohl sie das gerne vermeiden würde.
 
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