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Rollenspieltheorie

Tufir

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Hi zusammen,

in einem Anfall von Übermut und zusammen mit dem unfallbedingtem Geschenk von enorm viel Freizeit habe ich mich in diesem Jahr tatsächlich mal mit dem Thema Rollenspieltheorie etwas intensiver auseinander gesetzt als früher. Dabei ist mir aufgefallen, dass es eigentlich gar nicht viel dazu gibt. Da wäre zum einen die GNS-Theorie von Ron Edwards, die mir schon seit längerem bekannt ist, dann die Spielertypen nach Robin Laws und am Ende noch die Big-Model Theorie an der auch Herr Edwards maßgeblich mitgewirtk hat und welche eine Erweiterung seiner GNS-Theorie darstellt.

Dass die meisten Spieler an diesem Thema recht uninteressiert sind - falls es ihnen überhaupt bewusst ist, dass es diese Theorien gibt, erscheint mir einigermaßen verständlich. Als Spielleiter dagegen ist man möglicherweise schon mal darüber gestolpert. So hat mir persönlich die Beschäftigung mit Robin Laws Spielertypen durchaus sowohl bei der Vorbereitung als auch der Ausarbtung von Spielsessions geholfen. Bei der Suche nach interessanten und spielenswerten Systemen war auch GNS für mich ein durchaus verwendbares Kriterium zum Einsortieren und Bewerten, ob ein System für bestimmte Spielergruppen/-typen passt.

Wie ist das bei euch, wenn ihr leitet bzw. ein Spiel vorbereitet oder ein System auswählt? Spielt da Rollenspieltheorie eine Rolle und falls ja, wie stark bezieht ihr sie ein?

Ich freue mich auf eure Antworten.

Gruß
Tufir
 

hexe

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Meiner Meinung nach ist die Rollenspieltheorie nur dafür da, dass sich Rollenspieler in ihrer Freizeit, in der sie nicht Rollenspielen können, in Internet-Foren über Rollenspiel argumentieren/streiten/reden können. :)

Die größte Errungenschaft ist, dass anscheinend einige Personen diese Theorien brauchen, um überhaupt auf die Idee zu kommen, dass man "Vater, Mutter, Kind" anderes spielen kann. Auch wenn einem selbst diese Art des Rollenspiels vielleicht überhaupt nicht gefällt und man nicht wirklich versteht, wie andere daran Spaß haben können.

Meine Spielleiterei hat sich seit Mitte der 90er nicht wirklich verändert. Da konnten die neuen Kommunikationsmöglichkeiten, um überhaupt mit anderen Rollenspielern Kontakt zu haben oder die Verbreitung von Rollenspieltheorie rein gar nichts ändern. Mir gefällt die Art wie ich spielleite und so Begriffe wie Sandbox oder Characterflags gab es wohl noch gar nicht, trotzdem erschien es mir als Selbstverständlichkeit, dass man das so macht. In dem ich einfach nur so spielleite, wie es mir als Spieler am Besten gefallen würde. Auf Grund des Feedbacks, das ich als SL bekommen habe, scheint es aber eine Menge Leute zugefallen.

Meine erste Lektüre zum Thema "richtig Rollenspielen" war das gute alte "Krokodilbeispiel" aus der DSA3 Abenteuer Basis-Spiel Box. Diese Beispiel hat mir gezeigt, dass die Probleme, die diese Gruppe hat, nichts mit dem Rollenspiel an sich zu tun haben, sondern die Mitspieler nur nicht mit einander reden können.

Inzwischen habe ich meine eigene Theorie zum Spielleiten, wenn auch mit einem sexistischen Hauch: "Frauen können es besser". Warum? Ich habe schon früher, die Sache mit dem Kindergarten und dem Spielleiten verglichen. "Mama, Mama, bekomme ich ein Eis??" ist nicht sehr verschieden von "Meister, Meister, bekomme ich ein magisches Artefakt?". Beim Stillen hatte ich dann Zeit das Buch "Spielleiten" an zu lesen und musste feststellen, dass meine Theorie darin bestätigt wird. Die ersten Kapitel lassen sich mit "Seid doch mal nett zu einander" oder "Du musst nicht den Größten haben" zusammen fassen. Da Frauen naturgemäß nie den Größten haben können, folgt daraus, dass Frauen die besseren Spielleiter sind. Man sagt Frauen eben nach, dass sie nicht logisch denken können und lieber intuitiv entscheiden als systematisch überlegt. Diese Eigenschaften halte ich für das Spielleiten an sich sinnvoll. Natürlich müssen diese Eigenschaften nichts mit dem Geschlecht zu tun haben, aber so würde es sich sicher besser verkaufen. ;)

Für mich heißt das, dass man sich beim Spielleiten lieber auf den Mutterinstinkt* verlässt und alle seine Kinder/Spieler gerne hat, sie nimmt so wie sie sind und liebevoll die größten Rotznasen erzieht.

*oder Elterninstinkt, um es ganz korrekt auszudrücken ;)
 

Tufir

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Sehr schöner Beitrag, gefällt mir. Ich bin auch echt froh, dass du am Ende noch die geschlechtspezifische Kurve hingelegt hast! ;)

Ich finde mich auch durchaus in deinem Beitrag zum Spielleiten wieder. Wenn ich zu Robin Laws schaue, habe ich eigentlich nur entdeckt, dass das, was ich bereits wußte (bzw. zu wissen glaubte) auch Namen haben kann und man somit einen besseren Nenner für gemeinsame Diskussionen darüber hat - sofern man sich dazu genötigt sieht, um zum Beispiel einen Powergamer oder anderen Störfaktor einzufangen.

GNS dagegen ist für das Spiel(leiten) an sich eigentlich uninteressant. Ich benutze es nur, um (für mich neue) Systeme einzuordnen. In diesem Sinn habe ich auch die Entwicklung von DSA einsortiert bekommen. Während in DSA 1 und 2 das Hochleveln des Chars im Vordergund stand (also der gamistische Ansatz, wie bei viele anderen RPGs auch) hat es sich während der Versionen 3 und anfänglich auch 4 sehr stark in den narrativen Bereich (in dem die Geschichte im Vordergrund steht anstelle des einzelnen Chars) hinein entwickelt, was ich persönlich als positiv empfand. Mittlerweile sehe ich jedoch eine Tendenz zur Simulation, bei der Char und Geschichte zugunsten der Simulation einer funktionierenden Welt mehr oder weniger stark in den Hintergrund treten. Dies wiederrum gefällt mir gar nicht, was dazu führte, dass ich versuche, um solche Spiele einen Bogen zu machen. Natürlich kann ich das ausblenden, in dem ich auf die offizielle Welt verzichte und in meiner eigenen spiele. Aber da dies meist bedeutet auf Kauf-AB zu verzichten und ich aber nicht genug Zeit habe, um selbst kreativ zu werden, ist das für mich wie ein Todesstoß für ein entsprechendes System.
Im Sinne der Theorie gilt natürlich auch hier, dass man das instinktiv machen kann und nicht unbedingt die Theorie dazu kennen muss. Ich muss aber sagen, dass es mir persönlich schon hilft (bzw. geholfen hat), gewisse Hintergründe von Systemen zu verstehen.
 
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Thevita

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Ich schließe mich Hexe da auch im Großen und Ganzen an. Ich hab mir gerade mal den Wiki-Artikel zur Big-Model Therorie durchgelesen und fühlte mich fast wie im Deutschunterricht. Bücher, die ich in meiner Freizeit lese, verarbeite zum Großteil auf der Gefühlsebene und nehme das selten auf der Sachebene auseinander. Genau das macht aber der Deutschunterricht, der Lehrer schmeißt dir eine durchaus interessante Geschichte hin, die man erst mal wie ein normales Buch liest. Dann will er von mir aber eine Begründung auf der Sachebene für meine intuitiv gezogenen Schlüsse haben, sonst lässt er sie nicht gelten. Und eine eindeutige Antwort gibt es sowieso nicht, weil man den Autor meistens nicht mehr fragen kann. Ich mochte das nie.
Genauso liest sich der Artikel über die Big-Model Theorie, man versucht auf der Sachebene zu diskutieren, was die meisten am besten intuitiv wahrnehmen. Ich will jetzt nicht sagen, dass es Blödsinn ist, aber für mich wenig hilfreich.
 
S

Samsonium

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Hexe schreibt da ein paar schlaue Sachen. Da stimmt einiges, aber sowas von. Da muß ich eigentlich nichts mehr weiter sagen.
Gut gehext, Hexe. :)

LG Sam
 

hexe

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Danke, ihr Lieben.

Mit GNS kann ich überhaupt nichts anfangen. Denn für mich ist:
  • G besonders wichtig. Das Regelwerk muss als System funktionieren. Das Zufallsexperiment, um zu bestimmen ob etwas so funktioniert oder nicht, muss logisch und sinnvoll sein. Die benutzen Wahrscheinlichkeiten müssen sich "echt" anfühlen. Die Charaktere sollen sich auf dem Blatt unterscheiden, müssen spieltechnische Werte haben, um sich entwickeln, verändern zu können. Der Würfel, die Werte, das System gibt mir Objektivität. Sonst bin ich bei "Peng, Du bist tot."
  • N besonders wichtig. Wir wollen eine Geschichte erleben, wir wollen eine Geschichte gestalten. Wir wollen einen Charakter, eine Persönlichkeit, einen "Menschen" darstellen. Mit all ihren Gefühlen, Schwächen, Ängsten, Stärken und sonstigem. Wir wollen ihn einfach erleben, mit Leben erfüllen und etwas spannendes daraus machen. Den Plot selbst fühlen. Sonst kann ich mir gleich einen Film ansehen oder ein Buch lesen.
  • S ist besonders wichtig. Die Welt, das Setting, der Hintergrund muss funktionieren. Die NPCs sollen ein Motiv haben, sinnvoll handeln und ihre Möglichkeiten ausschöpfen. Niemand kann unendlich Munition tragen. Aus den Feiertagen, Mondphasen, Geldproblemen, Tragkraft, Regenwetter oder Pisspausen ergibt eine lebendige Welt. Sonst hört die Welt auf zu existieren, wenn die Charaktere die Bühne verlassen.

Natürlich kann ich bei einem Tavernen-Abend, in dem die SCs die ganze Zeit nur quatschen und reden meinen Spaß haben. Aber falls dann einer den Bierkrug lieber auf den Schädel eines anderen schlägt, dann brauche ich ein anständiges Regelwerk. Wenn wir am anderen Morgen, verkatert und etwas verbeult in der Zelle der örtlichen Ordnungsmacht aufwachen, weiß ich, dass die Welt auf uns reagiert sowie der Wirt einen Schadensersatz möchte. Auch wenn die ganze Sache nichts mit dem verschwundenen Sohn zu tun hat... ;)
 

puck

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@hexe

Jetzt kenne ich dich schon eine ganze Weile als Mitspieler, aber nicht als SL. Das hier geschriebene macht mich aber neugierig.

Bleibt tapfer,

puck
 

hexe

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Jeden Donnerstag um halb sieben (zur Zeit auch Mittwochs). Gastspieler sind grundsätzlich willkommen. Aber mein Spielleiterstil entfaltet sich erst mit der Zeit.
 

Mila

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Nun, dass Theorien zu Rollenspielen nur für Rollenspieler interessant ist, um was über Rollenspiel zu lernen, ist so ja nun auch nicht gewollt. Vielmehr sind diese Dinge für die Forschung interessant. Nicht umsonst gibt es verschiedene Forschungsrichtungen wie die Ludologie oder die recht neuen game studies, die sich beide mit Spielen, im ersten Falle Spiele im allgemeinen, im zweiten speziell mit Computerspielen beschaftigen. Diese Forschungsfelder bringen nicht nur für ihr eigenes System interessante Ergebnisse hervor, sie sind auch für andere Disziplinen wie die Literatur-, die Medien- und die Kulturwissenschaft bedeutsam.
In diesem Rahmen finden dann natürlich auch Theorien zu Rollenspielen zum Tragen, die darüber hinaus sicher auch für die Sozialwissenschaften verwertbar sind. Das ist allerdings nicht nur eine Vermutung von mir, denn im Zuge meiner Magisterarbeit habe ich mich mit Rollenspielen beschäftigt. Die Forschungslage ist mir also bekannt, auch wenn der sozialwissenschaftliche Ansatz für mich nicht bedeutsam war. In diesem akademischen Rahmen muss man auch Sachen beschreiben, die für uns klar sind, aber wissenschaftlich muss es eben erstmal entwickelt werden, um dann auch Schlüsse daraus ziehen zu können.
 
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Tufir

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Vor allen Dingen sind sie ja auch tatsächlich - wie bereits erkannt - für das Spielen an sich vollkommen uninteressant. Schließlich gab es erst das Spiel und dann die Theorie. Aber ich finde es hoch interessant, was für seltsame Leute sich dann plötzlich mit einem solchen Thema beschäftigen und Dinge hinein interpretieren, die man als Spieler nicht braucht und auch gar nicht sieht.

Auf der anderen Seite kann ein solche Theorie durchaus schon hilfreich sein, wenn man selbst zu recherchieren beginnt und nicht alles erst einmal selbst ausprobieren (und sich nicht auf die Aussagen anderer verlassen) will, um etwas zu beurteilen. Mir ging es jedenfalls so.
 
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