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Brettspiel Rialto

Voltan

Heldenhaft
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Rialto von Stefan Feld

Worum geht´s

Rialto spielt im barocken Venedig vergangener Tage.
Die Spieler versuchen durch das geschickte Platzieren von Ratsherren in den sechs Stadteilen an Macht und Einfluss zu gelangen, um am Ende die geheime Eminenz Venedigs zu werden.
Und eigentlich hätte ich mir die ersten Sätze auch sparen können. Stefan Feld ist bekannt dafür, hauptsächlich Spiele mit einer tollen Mechanik zu entwerfen. Die Thematik wirkt dabei oftmals eher aufgestülpt und austauschbar. Bei manchen Spielen mehr als bei anderen. Und bei Rialto eher mehr, als bei allen anderen Feld-Spielen.
Stefan Feld ist sozusagen das Paradebeispiel des Eurogamers. Seine Spiele glänzen meistens durch sehr elegante Regeln und schöne Abläufe. Glück spielt dabei oft nur eine kleine, meist steuerbare, Rolle. Doch ganz ohne Glück kommen seine Spiele selten aus. So kommen in seinen Spielen fast immer Würfel (Burgen von Burgund, Revolte in Rom u.a.) oder Karten vor. Meist werden diese Glückskomponenten jedoch durch einen gut durchdachten Spielmechanismus weitgehend abgefedert.
Stefan Feld´s Spiele haben mir bisher immer sehr gut gefallen, da ich die Abläufe und Möglichkeiten stets gelungen fand. Ob auch Rialto auf einer Stufe mit seinen bisherigen Werken zu stellen ist, werden wir in dieser Rezension erfahren.

Inhalt

Rialto ist kein Materialmonster. Der Inhalt ist überschaubar und doch auf recht hohem Niveau. Der Spielplan zeigt Venedig von oben und ist grafisch kein Schmuckstück. Dafür aber bietet er einige schöne Hilfestellungen und ist außerdem sehr übersichtlich. So sind auf der rechten unteren Ecke alle Phasen und Rundenabläufe abgebildet, was im Spielverlauf immer wieder eine wichtige Orientierungshilfe darstellt.
Die Marker sind ausreichend dick und ebenso nüchtern, aber praktisch illustriert. Die Ratsherren und Anzeigescheiben bestehen aus Holz. Ebenso auch die Stadtteil-Figur.
Das wichtigste Element, die 77 Spielkarten, sind durchaus gelungen. Ich finde die Größe der Karten sehr gut gewählt. Sie sind kleiner, als normale Karten und können somit viel einfacher gehändelt werden. Man sollte bedenken, dass man in einigen Spielsituationen zeitweise fast 20 Karten in der Hand halten muss (bis man wieder auf das aktuelle Handkartenlimit reduziert hat). Mit normalgroßen Karten wäre das zwar auch machbar, aber mit den kleinen geht es einfach besser und man behält eine gewisse Übersicht.
Die Spieltableaus bestehen zwar nur aus dünner Pappe (ähnlich der Tableaus bei Burgen von Burgund), sind aber auch völlig ausreichend und hinterlassen somit ebenso keinen negativen Eindruck.
Den negativen Eindruck jedoch hinterlässt ganz eindeutig die Siegespunkteleiste auf dem Spielplan. Gerade in den ersten Partien ist die Zählung sehr verwirrend, da man versucht ist die hellen Punkte auf der Leiste zu zählen, statt der dunklen Felder dazwischen. Das hätte man tatsächlich besser machen können.
Die Spielanleitung (jeweils in Deutsch und Englisch) ist verständlich geschrieben und führt den Spieler mit mehreren Bildern und Beispielen behutsam in die Regeln ein.
Insgesamt also durchaus schönes und passendes Material.

Das Spiel

Rialto ist ein kartengesteuertes Mehrheitenspiel. Das Spiel geht über 6 Runden in denen die Spieler jeweils eines der 6 Stadtteile bespielen. Eine Runde ist unterteilt in 3 Phasen, wobei jeder Phase eine Farbe zugeordnet ist. In jeder Phase können gleichfarbige Gebäude aktiviert werden, um sich Vorteile zu verschaffen. Doch natürlich können nur die Gebäude genutzt werden, die man auf seinem Spielertableau angebaut hat. Insofern müssen vorab Gebäude gekauft oder bestehende Gebäude erweitert werden.
Sehen wir uns die einzelnen Phasen etwas genauer an:
In Phase 1 werden die Karten ausgeteilt. Es werden mehrere Kartenreihen á 6 Karten offen ausgelegt. Und zwar immer eine Reihe mehr, als es Spieler gibt. Nun können sich die Spieler der Reihenfolge nach jeweils eine Reihe aussuchen und erhalten zusätzlich noch zwei verdeckte Karten aus dem Nachziehstapel. In dieser Phase können schon grüne Gebäude aktiviert werden, um noch mehr Karten nachzuziehen und/oder sein Handkartenlimit zu erhöhen. Gebäude werden aktiviert, indem man eine Geldmünze auf das Gebäude legt. Insofern kostet also die Aktivierung immer (bis auf eine Ausnahme) eine Münze.
Nachdem man alle Karten gezogen hat, muss man nun wieder seine Hand auf das Limit von 7 Karten (zzgl. aktivierte Gebäudeboni) reduzieren und überzählige Karten abwerfen.
Danach beginnt die zweite Phase.
In jeder Runde wird ein anderer Stadtteil bespielt. In der zweiten Phase werden nun nacheinander die 6 Kartensorten ausgespielt. Derjenige Spieler, der die meisten Karten einer Art gespielt hat, erhält noch einen Mehrheitsbonus. Bei Gleichstand, entscheidet die Reihenfolge auf der Dogenleiste, wer den Mehrheitsbonus erhält.
Mit den Karten kann man sich auf der Dogenleiste vorwärtsbewegen, zusätzliches Gold erhalten, Gebäude kaufen, Brücken bauen, Gondeln anlegen und Ratsherren in den aktuellen Stadtteil setzen. Hierbei gibt es einige Besonderheiten. Spielt man beispielsweise Brückenkarten aus, erhält man je Karte einen Siegpunkt. Derjenige der die Mehrheit besitzt, darf nun aus dem Stapel die oben liegende Brücke an ein beliebiges freies Verbindungsfeld legen. Die Brücken weisen zwei Zahlen auf, die am Ende des Spiels Siegpunkte für denjenigen einbringen, der auf dem jeweils angrenzenden Stadtteil die meisten Ratsherren stehen hat. Spielt man überhaupt keine Brückenkarte, verliert man einen Siegpunkt.
Mit den Gondeln kann man sich zusätzliche Ratsherren aus dem allgemeinen Vorrat auf sein Tableau holen. Denn zu Spielbeginn hat man lediglich 5 Ratsherren zur Verfügung. Außerdem kann der Spieler, der die meisten Karten gespielt hat, ein Gondelplättchen auf ein beliebig freies Verbindungsfeld legen und einen Ratsherren sogar aus dem allgemeinen Vorrat auf eines der beiden Stadtteile setzen, die durch das Gondelplättchen miteinander verbunden wurden. Auf diese Weise kann man Stadtteile bespielen, die aktuell gar nicht an der Reihe sind, oder schon bespielt wurden und somit Mehrheiten noch geringfügig beeinflussen.
Die Jokerkarten können gemeinsam mit einer normalen Karte gespielt werden. Oder man spielt zwei Jokerkarten anstatt einer Karte, die man nicht auf der Hand hat. Dann zählen bei der Mehrheitsermittlung jedoch beide Jokerkarten als EINE normale Karte.
Venedig ist in zwei Bereiche á 3 Stadtteile aufgeteilt. Derjenige, oder auch diejenigen, die in einer Runde zuerst auf allen drei Stadtteilen eines Bereiches mind. einen Ratsherren stehen haben, erhalten einmalig 5 Siegpunkte.
Auch in dieser Phase können Gebäude einige Vorteile verschaffen.
In der letzten Phase können nur noch blaue Gebäude genutzt werden. Diese Gebäude erlauben den Spielern zusätzliche Siegpunkte, Ratsherren oder eine Bewegung auf der Dogenleiste. Auch können eigene Gebäude aufgewertet werden.
Wurde der letzte Stadtteil bespielt, endet Rialto. Nun erhalten die Spieler Siegpunkte für noch vorhandene Münzen, Ratsherren und Gebäude. Außerdem werden jetzt alle Stadtteile gewertet. Die Zahlen aller Brücken und Gondel, die auf einer Seite an einem Stadtteil angrenzen, werden zusammengezählt. Das Gesamtergebnis erhält der Spieler mit den meisten Ratsherren zugeschrieben. Der zweithöchste erhält die Hälfte, der drittplatzierte wieder die Hälfte usw. Wieder entscheidet bei Gleichstand der Ratsherren die Dogenleiste.
Derjenige, der nach Wertung aller Stadtteile die meisten Siegpunkte besitzt, hat das Spiel gewonnen.

Fazit

Stefan Feld hat auch mit Rialto wieder ein Spiel mit sehr eleganten Mechanismen entworfen. Die Abläufe sind klar strukturiert und irgendwie intuitiv. Alles lässt sich recht einfach von der Hand spielen.

Trotzdem vermisse ich bei Rialto etwas: es besitzt nicht die spielerische Tiefe eines Burgen von Burgund oder eines Bora Bora. Man hat zwar durchaus einige Entscheidungen zu treffen. Doch irgendwie wird man das Gefühl nicht los, dass man tatsächlich nicht besonders viel verändern kann und es nur relativ wenige Wege zum Sieg gibt. Die Möglichkeiten das Spiel effektiv zu beeinflussen sind im Vergleich mit Feld´s bisherigen Spielen sehr überschaubar. Man spielt förmlich vor sich hin, reagiert auf die jeweilige Situation sobald sie auftaucht und hofft einfach auf ein gutes Blatt. Ausserdem können schon bespielte Stadtteile nachträglich kaum noch beeinflusst werden, so dass man dort bei mehr als einem Ratsherrn Unterschied die Mehrheit eigentlich nicht mehr erreichen kann. Eine fehlerhaft designte Siegpunktleiste sorgt für zusätzliche und eigentlich unnötige Verwirrung. Die Dogenleiste wirkt irgendwie aufgesetzt. In einigen Spielen kann diese Leiste noch für die nötigen Punkte zum Sieg sorgen. Aber in sehr vielen Spielen gewinnt auch derjenige, der auf dieser Leiste hinten, oder zumindest nicht ganz weit vorne liegt. Insofern wird diese Leiste oftmals nicht besonders häufig bespielt und scheint etwas unterbewertet zu werden.

Nun mag manch einer denken, dass nach den oben genannten Negativpunkten das Spiel nur schlecht sein kann. Ist es aber nicht.
Denn Stefan Feld gelingt es wieder durch klare und elegante Mechanismen einen gewissen Reiz zu erzeugen. Das Spiel wird nie richtig langweilig, man hat ständig zu tun und die sogenannte „Downtime“ – also die Zeit, bis man wieder am Zug ist – stellt sich als überaus kurz dar. Hinzu kommt, dass auch die eigentliche Spielzeit mit knapp einer Stunde sehr kurz ist. Insofern spielt sich Rialto durchaus schnell runter und eignet sich hervorragend als „Starter“ oder auch „Absacker“ eines langen Spieleabends.
Sehr gut geeignet ist Rialto auch für Gelegenheitsspieler, die einen klaren Rundenablauf mit möglichst vorgegebenen Aktionen bevorzugen, ohne auf eine gewisse taktische Finesse vollständig verzichten zu wollen.

Insofern hat mir Rialto durchaus gefallen, auch wenn es für mich nicht Stefan Felds „Meisterwerk“ ist. Aber es ist ein Feld und es bleibt ein Feld, nicht nur weil Feld auf der Schachtel steht, sondern einfach weil das Spiel die typisch „feldsche“ Handschrift trägt. Und das finde ich auch gut so!


Wir bedanken uns beim Pegasus Spieleverlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.
 

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