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Sci-Fi / Fantasy Lichtkrieg

sonic_hedgehog

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Im 26. Jahrhundert ist die Menschheit zu den Sternen aufgebrochen und hat sich in einem Teil der Milchstraße in verschiedensten Kolonien angesiedelt. Nicht friedlich, wie in anderen SF-Szenarien, sondern kämpfend wie eh und je, nicht aus eigenem Antrieb, sondern da sie die Shoal getroffen hat. Die Shoal, eine Rasse aquatischer Aliens, haben das unanfechtbare Monopol auf die Technologie der überlichtschnellen Antriebe – und auch wenn sie jederzeit bereit sind, Menschen innerhalb des ihnen überantworteten Bereiches der Milchstraße zu transportieren, so sind sie nicht bereit, andere Rassen in die Geheimnisse ihres Antrieb einzuweihen und warnen klar vor jedem Versuch, sich die Technik missbräuchlich anzueignen und auch davor zu versuchen sich außerhalb des ihnen zugestandenen Teils der Milchstraße zu versuchen auszubreiten.

In dieser Welt lebt Dakota Merrick, ein Maschinenkopf. In langer Ausbildung hat sie sich das Privileg verdient Computerimplantate zu tragen, die es ihr ermöglichen, Schiffe durch direkte Interaktion mit den Bordsystemen zu steuern. Seit sie und ihresgleichen jedoch an einem durch eine Fehlfunktion dieser Implantate verursachten Massaker beteiligt waren, sind diese Implantate nur äußerst ungern gelitten und sie ist gezwungen, sich ihren Lebensunterhalt als Schmugglerin zu verdienen. Als wäre das Leben nicht schwierig genug, handelt ihr letzter Auftrag ihr noch mehr Ärger ein als sie normal schon hat und zwingt sie dazu, zu fliehen. In ihrer Not wendet sie sich an alte Freunde, die ihr einen Auftrag vermitteln, der sie zwar aus der Schusslinie bringt, sie aber dafür in die Hände nicht unbedingt vertrauenswürdiger Auftraggeber spielt. Die Entdeckung, für deren Ausbeutung diese sie benötigen, jedoch könnte das Leben aller Menschen verändern – denn sie haben ein Schiffswrack entdeckt, das obwohl es nicht von den Shoal gebaut worden ist, einen überlichtschnellen Antrieb besitzt. Doch wie passt dies zu den Erzählungen der Shoal, die behaupten, sie seien das einzige Volk, das diese Technik besitzt. Was verschweigen die Shoal und vor allem – warum?

Gary Gibson erzählt die Geschichte einer Welt im Umbruch – die technisch gnadenlos überlegenen Shoal sind zwar bereit ihre Technik anderen Völkern zur Verfügung zu stellen, nicht aber dazu, sie mit diesem zu teilen. Als Monopolisten üben sie letzte Kontrolle über Handel im und Besiedelung des bekannten Raums aus, eine Vormachtstellung die sie quasi unangreifbar macht, die aber ohne Zweifel in erster Linie ihren Bedürfnissen dient und von den Menschen nur zähneknirschend akzeptiert wird. Bedürfnissen und Plänen, aus denen die Shoal ein Geheimnis machen, ein Geheimnis, das durch die Entdeckung des Wracks in Gefahr geraten könnte. Ein Geheimnis, dessen Aufdeckung alles verändern könnte, nicht nur das Machtgefüge innerhalb der Menschheit, wie es sich die Entdecker des Wracks erhoffen. Ein Geheimnis, um das zu schützen die Shoal bereit sind weit zu gehen.

Lichtkrieg ist die Art von guter Science Fiction die entstehen kann, wenn ein Autor Vertrauen in die Kraft seiner Charaktere hat. Gerade Dakota Merrick, in geringerem Ausmaß aber auch Lucas Corso und der shoalische Händler, die in die Geschichte verwickelt werden, sind fesselnde, dreidimensionale Charaktere – nicht zuletzt deshalb, weil Gibson nicht in die SF-Falle getappt ist seine Protagonisten zu Übermenschen zu machen. Gerade Dakota mit ihren Implantaten hätte dazu eingeladen – das Plus das sie jedoch durch derartige technische Spielereien erhält, wird aber durch andere Schwächen ausgeglichen. Passend dazu sind die Lebensläufe aller Charaktere, sogar des mysteriösen Shoal, auf die ein oder andere Weise gebrochen. Dies macht die Charaktere verständlich und führt dazu, dass der Leser unwillkürlich eine Beziehung zu ihnen aufbaut. Unterstützt wird dies durch eine zum Weiterlesen verführende Sprache, die fesselnd und teils von beeindruckender Kraft ist, auch wenn sie an anderen Stellen durch eine (durch die Übersetzung bewirkte?) Hölzernkeit überrascht.
Nicht unerwähnt sollte jedoch bleiben, dass der Roman einige Zeit braucht, bis seine eigentliche Handlung in die Gänge kommt. Gibson nimmt sich so viel Zeit, seine Figuren einzuführen und die Bühne zu errichten, dass fast die Hälfte des Buches mit ineinander verschachtelten Handlungssträngen und Zeitebenen gefüllt ist, bis die Protagonisten endlich in der Nähe des Wracks angekommen sind. So interessant dies aus der Gesamtperspektive sein mag, birgt es doch gerade zu Beginn des Romans die Gefahr einen Teil potentieller Leser zu vergrätzen, bevor die Geschichte begonnen hat – nicht zuletzt auch deswegen, da in der vorliegenden Ausgabe mit keinem Wort angedeutet wird, dass Lichtkrieg der Beginn einer Trilogie ist, womit man als Leser auf eine längere Einführung der Figuren vorbereitet wäre. In jedem Fall ist diese Gestaltung etwas, was der Leser mögen muss, was es aber angesichts faszinierender Charaktere und der spannenden Nebenhandlungen durchaus wert ist, gemocht zu werden.

Wie oft in Romanen, die eher der Soft-SF zuzuordnen sind, ist Gibsons Focus nicht auf die technische Seite der Zukunft gerichtet. Hard-SF-Fans dürften folglich davon enttäuscht sein, dass Gibson jede Erklärung für beispielsweise die Funktion des Transluminalantriebs verweigert – auch wenn er dies innerhalb der Geschichte gut damit begründen kann, dass abseits der Shoal eben niemand die Funktionsprinzipien des Antriebs kennt.
Freunde der Soft-SF mit einem Hang zur Space-Opera jedoch werden mit Lichtkrieg einen Roman und mit Gary Gibson einen Autor finden, die in ein neues, lesenswertes Universum entführen.

Das Lesevergnügen, das Lichtkrieg bietet, wird einzig dadurch eingeschränkt, dass der Übersetzung ein weniger flüchtiges Lektorat gut getan hätte. Neben ein paar hölzernen Dialogen, von denen man nicht weiß, ob eine Überarbeitung das Original verbessert hätte, hätten dann auch Sätze wie dieser wohl nicht ihren Weg in den Druck gefunden:
427 schrieb:
Es war, als hätte sie einen Kran aufgedreht und das Wasser tröpfelte spärlich heraus, während sie bei der ersten Vernetzung einen ganzen Ozean an Daten wahrgenommen hatte, auch wenn dieser faszinierende Eindruck nur für den Bruchteil einer Sekunde angehalten hatte.
Ein Beispiel, das gleichzeitig kurzen einen Eindruck der Bildsprache des Autors und der Übersetzung vermittelt.

Angesichts der Tatsache, dass Lichtkrieg noch zwei Fortsetzungen finden wird, überrascht es nicht, dass das Ende zwar einerseits die Geschichte abschließt, diese aber nicht zu einem wirklichen Ende führt. „Nova War“ wir im Englischen Original im September 2009 erscheinen, für das Cover des abschließenden „Bandes Empire of Light“ kann man gerade auf der Hompage des Autors abstimmen.

Dort kann man auch herausfinden, dass Gary Gibson Schotte ist, in Glasgow lebt und arbeitet und Lichtkrieg nach den im Deutschen noch unveröffentlichten „Angel Station“ und „Against Gravity“ sein dritter Roman ist.

Lichtkrieg macht Lust auf mehr! Gary Gibsons großes Potential jedoch wird noch nicht voll genutzt – und ob man sich in ein paar Jahren an Lichtkrieg als einen weiteren guten SF-Roman oder aber als Auftakt zu einer der großen Sagas des Jahrzehnts erinnert, wird von den beiden Folgeromanen abhängen. Die Chancen aber stehen gut für Lichtkrieg. Gary Gibson ist ein Name, den man sich definitv merken sollte.
 
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