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Sci-Fi / Fantasy Licht, Connie Willis

brathahn satan

Heldenhaft
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103
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43
Titel: Licht
Serie: Dunkelheit und Licht
Autor: Connie Willis
Genre(s): Science Fiction
Aufmachung:
Taschenbuch
Seiten: 850
Format: 20,5x13,5x5,5
Verlag: Cross Cult
Erscheinungsdatum: Februar 2017
ISBN: 978-3-95981-170-5
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Inhalt:
In England im Jahr 1941 treffen drei Mittzwanziger, der Reporter Mike Davis, die Verkäuferin Polly Sebastian und das Kindermädchen Eileen O´Reiley aufeinander. Gemeinsam durchleben die drei das Geschehen des Zweiten Weltkriegs in London und sind auf der Suche nach einem Ausweg aus dem Blitzkrieg. Jedoch sieht dieser anders aus als man meint, denn die Drei sind Zeitreisende.
Im Jahr 2060 werden Geschichtsstudenten mit einer Vorhang genannten Zeitmaschine in verschiedenste Epochen der Weltgeschichte geschickt, um die Ereignisse aus erster Hand mit zu erleben. Doch die Vorhänge der Historiker, wie sich die Zeitreisenden nennen, die zu unterschiedlichen Beobachtungen gesandt wurden, öffnen sich nicht mehr. Nachdem jeder für sich den Gedanken hatte den Vorhang, also die Rückreisemöglichkeit, eines Kollegen zu benutzen, der sich ebenfalls im selben Jahr aufhält, müssen sie feststellen das alle Vorhänge geschlossen bleiben.
Zum Teil liegt es wohl an der Gleitung, eine Eigenart des Zeit-Raum-Kontinuums, die verhindern soll das der Vorhang von Gegenwärtlern entdeckt wird oder dass die Zeitreisenden wichtige Ereignisse der Geschichte verändern können. Zum Teil liegt es daran, dass sich die Orte der Zeit-Raum Öffnung verändert haben, sei es durch einen Bombenkrater oder dadurch das die Position mit Luftabwehrgeschützen verstellt wurde. Oder sollte es an einem Problem in der Zukunft liegen und die Zeitmaschine ist defekt?

Mike Davis macht sich große Vorwürfe, war er doch versehentlich zur Evakuierung nach Dünkirchen mitgefahren und rettete dort einem Soldaten das Leben, der vielleicht gar nicht hatte überleben sollen. Es war zwar nur ein Mann, dieser hatte allerdings geholfen fast 400 weitere zu retten. Deshalb macht Mike sich große Sorgen dass er eine Diskrepanz, eine Veränderung der Geschichte, ausgelöst hat und sich seinetwegen die Vorhänge nicht mehr öffnen. Allerdings kommt heraus, dass auch die beiden jungen Frauen mehr oder weniger invasiv in die Geschichte eingegriffen haben.
Jedenfalls beraten die im Blitzkrieg gestrandeten Historiker gemeinsam, wie sie aus dieser Situation entkommen können. Ausgestattet mit Implantaten, in denen die Einschlagpunkte der Bomben gespeichert sind und dem Wissen aus den Geschichtsaufzeichnungen gelingt es ihnen, sich einigermaßen unbeschadet in London zu bewegen. Hier suchen sie nach weiteren Zeitreisenden und versuchen, Botschaften in die Zukunft zu schicken. Dafür benutzen sie verschlüsselte Kleinanzeigen in Zeitungen, doch auch hier ist Vorsicht geboten. Jeder der sich auffällig verhält, könnte ein deutscher Spion sein.

In der Zukunft hingegen wird der Anstieg der Gleitung, das merkwürdige Eigenverhalten des Zeit-Raum-Kontinuums Zielorte zu verschieben und Zieldaten zu verändern bemerkt und die Bediener der Zeitmaschine versuchen erst ein geeignetes Ziel und dann die Verschollenen in der Vergangenheit zu finden. Dazu müssen sie sich beeilen, denn Polly Sebastian war schon einmal in der Vergangenheit und sollte sie in derselben Zeit zweimal existieren, würde ein Paradox entstehen, welches das Kontinuum mit dem Tod der betreffenden Person ausgleichen würde. Nachdem endlich ein geeigneter Zielpunkt gefunden ist, reist Mr. Dumworthy ,der Professor der Studenten, persönlich nach London 1941 kehrt aber nicht zurück. Denn kurz nach seiner Ankunft wird er von der Druckwelle einer detonierenden Bombe erfasst und irrt verwirrt durch London.

Der jugendliche Collin Templer, unsterblich in die ältere Polly verliebt, nimmt sich schließlich der Rettung der Gestrandeten an. Hierzu bereist er verschiedene Jahre und durchsucht diese nach Hinweisen auf den Aufenthaltsort der Vermissten, um rechtzeitig am richtigen Ort in der richtigen Zeit zur Stelle zu sein und die Verschollenen zurück zu holen.


Erläuterungen und Kritik:
Connie Willis, eine mehrfach ausgezeichnete Autorin (u.a. Hugo,Nebula und Locus Award) setzt mit diesem Si-Fi Roman einen weiteren Stein in die Sammlung ihrer Zeitreiseromane der Oxford-Time-Travel Serie. Zu dessen anderen Teilen sind übrigens kleine Anspielungen in diesem Buch versteckt. Der Roman Licht ist die Fortsetzung von Dunkelheit. Die Geschichte selbst sollte ursprünglich nur aus einem Buch bestehen. Doch ähnlich wie im Buch stieß die Autorin zufälligerweise mit einer Gruppe Zeitzeugen des Zweiten Weltkriegs zusammen und konnte dadurch so viel Material zusammen tragen, dass die Geschichte schnell auf 1500 Seiten anwuchs.

Das Thema Weltkrieg ist wohl immer ein wenig mit Vorsicht zu genießen. Doch die Autorin versteht es geschickt die Deutschen nicht an den Pranger zustellen und vermeidet jede Form von Schuldzuweisungen. Die Rolle des „Bösen“ wird hauptsächlich über die Bomber definiert. Die Art wie die Engländer mit dem Blitzkrieg umgehen, ihre stoische Art sich nicht unterkriegen zulassen finde ich bewundernswert. Beispielsweise wurde gerade in Kindertheaterstücken gerne die böse Rolle mit Naziuniform dargestellt. Der einzige echte Wehrmachtsoffizier, der im Buch vorkommt, hat eine überwiegend passive Rolle. Die Bezeichnung Jerry für Soldaten des Deutschen Reichs war mir zwar geläufig, doch als geschriebenes Wort bin ich erst mal darüber gestolpert. Ansonsten wird der Krieg auch nicht verherrlicht oder verteufelt, sondern lediglich als dramatischer Hintergrund für ein spannendes Zeitreiseabenteuer verwendet.

Ob dieses Buch nun ein Science Fiction Roman ist, habe ich mich beim Lesen nicht nur einmal gefragt. Ja, es geht um Zeitreisen, aber das war es dann auch schon. Knappe 20 Seiten spielen im Jahr 2060. Es wirkt eher wie ein Zeitzeugenbericht oder ein Tagebuch ist dabei aber so spannend geschrieben, als könnte man selbst jeden Moment die Luftschutzsirene hören.
Die Akteure werden zwar nur grob beschrieben, aber durch ihre Gedanken und die Dialoge mit anderen, lässt Willis die Personen sehr lebendig wirken. Das Handeln der Protagonisten ist leicht nachvollziehbar und man wird schnell in den Bann gezogen. Auch die Hintergründe und Situationen wirken so lebendig, dass man meint den Staub nach der Detonation des Tausendpfünders zu schmecken und sich fast verloren fühlt im Gedränge der Schutzsuchenden in der überfüllten U-Bahn Station. Die stimmige Spannung wird fast die ganze Geschichte über gehalten. Willis erzeugt diese Spannung durch geschickte Wechsel in den Kapiteln, die sehr oft mit einem Cliffhanger enden. Die Autorin lässt ihre Hauptdarsteller, meiner Meinung nach zu oft, die zwei Schritte vor einen zurück machen oder nur knapp das Ziel verpassen. Man möchte ins Buch greifen und die Leute ohrfeigen, so sehr konnte ich mich hineinversetzten. Was mir sehr gefallen hat ist, dass Willis den Leser an Orte oder Ereignisse mitnimmt, von denen nichts im Schulunterricht erwähnt wurde. Da wäre die Täuschungskampagne, die ein anderes Invasionsdatum verbreitet hat, oder das Entschlüsseln der Enigmacodes im Projekt Ultra.

Das von mir rezensierte Buch ist ein Taschenbuch mit Klappen vorn und hinten. Kapitellänge sowie Schriftgröße und Zeilenabstand sind angenehm gewählt. Über jedem Kapitel befindet sich ein kurzes Zitat unter anderem von Churchill oder Shakespeare. Der Einband ist mit einer düster wirkenden Schwarzgrau-Zeichnung von Bomben abwerfenden Flugzeugen in einem bewölkten Himmel bedruckt. Bei der Stärke des Buchs war es leider nicht zu vermeiden, dass der Rücken geknickt wird. Ich bin auch kein Freund von langen Rückblenden aber bei einem ersten Teil von knapp 650 Seiten sollte mindestens eine kurze Rückblende sein. Willis beginnt Licht jedoch genauso wie Dunkelheit aufgehört hat und verzichtet komplett auf Rückblende oder Erläuterungen.

Fazit:
Wer spannende Geschichten und liebevoll beschriebene Szenen mag wird von dem Roman begeistert sein. Connie Willis hat mit Dunkelheit und Licht einen Roman geschaffen, der das Leben im Blitzkrieg sehr detailverliebt erzählt und die Kriegsanstrengungen der normalen Bürger lebhaft schildert.

Wer Wert auf Erklärungen zu der verwendeten Zeitreisetechnik oder Beschreibungen der Zukunft erwartet wird nicht nur enttäuscht, sondern komplett ignoriert. Meiner Meinung wären auch keine 850 Seiten nötig gewesen. Auch der Preis von 24€ erschreckt mich etwas.


Vielen Dank an den CrossCult-Verlag, der die Rezension dieses Werks ermöglichte.

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[25/40] - Handlung
[35/40] - Stil
[8/10] - Aufmachung
[5/10] - Preis/Leistungs-Verhältnis
73% - gesamt
 
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