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Hintergrund Das Schwarze Auge Krieger, Krämer und Kultisten

sonic_hedgehog

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Es ist schon eine Weile her, dass ich die ersten Ankündigungen eines Meisterpersonenbandes für Das Schwarze Auge gelesen habe. Nach diesen ursprünglichen Plänen sollte eine Sammlung von Biographien und Werten der aventurischen VIPs entstehen. Mit den Umbrüchen in der DSA-Redaktion, über deren Folgen man sicherlich verschiedener Meinung sein kann, wurden auch diese Pläne begraben. Einzelne der Biographien wurden von den Autoren im Internet veröffentlicht, andere scheinen ihren Platz im aventurischen Boten gefunden zu haben. Und dennoch - die Idee eines Meisterpersonenbandes hatte Bestand. Mit Krieger, Krämer und Kultisten wurde jedoch eine ganz andere Sammlung veröffentlicht:

64 Meisterpersonen, denen die Charaktere in verschiedensten Abenteuern begegnen können, mit denen sie interagieren können, sollen oder müssen. Der Band soll, so die Autoren im Vorwort, durch einen Werteblock schnell verwendet werden können oder Ideen für kleinere Szenarien liefern. Ganz nebenbei startet mit diesem Band eine weitere Buchreihen, die (aufgrund der Umschlagfarbe) Purpurne Reihe.

Von außen betrachtet liegt vor mir ein durchschnittliches DSA-Quellenbuch - die übliche Dicke, das übliche Format. Das Titelbild ist recht gelungen, es zeigt eine etwas überspitzte Stadtszene, die flüchtende Diebin, verfolgt von der Garde, die Beraubte in den Armen eines Höflings. In der Ecke ein Scharlatan, der von einem Botenjungen bewundert wird. Alles Personen, die auch im Buch vorkommen werden. Eines fällt aber sofort auf: Das Buch ist schwer...

Der Grund dafür zeigt sich, sobald man es aufschlägt: Wie auch die noch folgenden Bände der Purpurnen Reihe hat man sich für Vollfarbdruck auf schwerem Hochglanzpapier entschieden. Das Ergebnis ist vergleichbar mit beispielsweise den Rolemaster-Regelwerken und wirkt ähnlich hochwertig. Die bräunlich-beige-Grundfarbe erinnert an gealterte Folianten, der Satz ist gut lesbar und gestochen scharf.

Es folgen die angesprochenen 64 Meisterpersonen, von der Adeptin bis zum Zuckerbäcker. Ja, genau - Zuckerbäcker. Offensichtlich ist die Redaktion zur Selbstironie fähig. Jede der Beschreibungen hat dieselbe Struktur: Eine im Schnitt eineinhalbseitige Kurzgeschichte stellt die Meisterperson und ihr Lebensumfeld vor, ein Kasten liefert die wichtigen Spielwerte für die unerfahrene Variante sowie Änderungsangaben für erfahrenere und letztlich Veteranen des Typus. In einer kurzen Liste finden sich weitere Namensvorschläge, pro Person 3 Abenteuervorschläge runden die Beschreibung ab. Ergänzt werden diese Informationen durch einen weiteren Kasten, der Besonderheiten der Person, mögliche Dienstleistungen oder Hinweise zur Verwendung im Spiel liefert. Und nicht zu vergessen: Jede Beschreibung umfasst auch ein ungefähr halbseitiges Bild der Person.

Eine Einschränkung wird gleich zu Beginn des Bandes klargestellt: Die Meisterpersonen entstammen alle dem Mittelreich. Durch Talentwert-Sets im Anhang des Bandes ist es zwar leicht möglich, die Meisterpersonen auch an andere Regionen anzupassen - besondere Typen anderer Regionen sind so aber natürlich nicht zu konstruieren. Weiterhin umfasst der Anhang eine zweiseitige Tabelle mit Charaktereingenschaften, Würfeltabellen zum Aussehen und zur Ausrüstung von Meisterpersonen sowie umfangreiche Auflistungen von Namen und vor allem Seelentieren (und deren Bedeutung).

Soweit also die harten Fakten und äußeren Werte - Krieger, Krämer und Kultisten ist ein schön anzusehender und gut zu lesender Band. Nicht jedes Bild ist gelungen (einige sind in meinen Augen auch schlicht misslungen - bedauerlicherweise gehört dazu auch der erste Charakter, die Adeptin, der es an jeglicher Mimik fehlt), aber die meisten sind gut und einige Bilder sind schlicht hervorragend. Die Kurzgeschichten sind größtenteils nett zu lesen und ergeben über den Band sogar einen Gesamtzusammmenhang. Auch hier fallen aber einzelne aus dem Rahmen und würden im Aufsatz als Themaverfehlung gewertet werden, da sie die vorzustellende Person nur am Rande erwähnen. Aber insgesamt ist das geschnürte Paket recht rund.

Die Gretchenfrage aber ist: Erfüllt das Buch seinen (oder überhaupt einen) Zweck? Liefert es Meisterpersonen, die dem Spielleiter die Arbeit erleichtern? Liefert es Abenteuerideen, wie ich um diese Personen Abenteuer spinnen kann? Kurz: Liefert es im Spiel verwertbares Material?

Diese Frage ist schwer zu beantworten, da diese Einschätzung sehr davon abhängig ist, welche Spieler oder Spielleiter die Zielgruppe sind. Ich werde daher eine klare Antwort vermeiden und jegliche Kritik an dieser Entscheidung akzeptieren:

Was liefert Krieger, Krämer und Kultisten? Der Band liefert Ideen. Wo die Regionalbeschreibungen Landstriche und das allgemeine Lebensgefühl vorstellen, wo die Magierakademienbände die Ausbildungsstätten und die Stimmungslage in diesen vorstellen, stellt Krieger, Krämer und Kultisten ganz normale Menschen vor. Menschen und deren Probleme. Das kann Anfängern, aber auch alten Hasen helfen, Klischeebilder von Aventurien zu überwinden und frischen Wind ins Spiel bringen. Oder sogar Charakterideen? Sicherlich, die in die Kurzgeschichten eingestreuten Helden ähneln den typischen Helden und deren Verhalten - die meisten Personen aber ganz normale Menschen. Die 64 * 3 Abenteuerideen sind durchwachsen, teils sehr allgemein gehalten, teils aber auch interessant. Selbst wenn ich nicht aus allen eine Szenario stricken wollen würde, Gedankenanstöße liefern sie fast alle.
Wenn die Meisterpersonen im Zentrum einer Handlung stehen, sind auch die Werte interessant. Sicherlich ist der gesamte Talentspiegel einer Magd eher selten relevant, aber wer will das ausschließen? Gut ist daher, dass alle Meisterpersonen nach den Charaktererschaffungsregeln erstellt wurden. Auch wenn sie im Gegensatz zu den üblichen Helden nicht ausoptimiert und bis an die GP-Grenzen getrieben wurden, sie sind also mit den Spielercharakteren vergleichbar. Das sind alles klare Pluspunkte des Bandes.

Was liefert Krieger, Krämer und Kultisten nicht? Entgegen anderer Aussagen, liefert es kein sofort verwendbares Set von Nichtspielercharakteren und auch keinen Bausatz für solche. Für die sofortige Verwendung sind die Beschreibungen in den Kurzgeschichten zu spezifisch - beschrieben wird eigentlich genau eine Magd, eine Praios-Geweihte, etc. Die Werte sind sicherlich mehrfach verwendbar, die Charaktere selbst aber nicht. Für den nächste Magd muss der Spielleiter wieder selbst denken - womöglich kamen ihm aber durch den Band neue Ideen. Schön wäre es, wenn diese Anpassungen durch den Anhang unterstützt würden. Das passiert aber leider nur partiell. Die Würfeltabellen für Aussehen und Ausrüstung mögen unterstützen, die Liste der Charaktereingenschaften ist hingegen schwierig. Ehrlich gesagt - auch mir fällt spontan keine gute Gliederung für eine so umfassende Liste von Adjektiven ein - alphabetisch war aber sicher keine gute Wahl. Auch die Tabelle der Seelentiere hätte ich mir anders gegliedert gewünscht - zu wissen, welche Bedeutung das Seelentier Kamel hat, ist sicher wertvoll - wertvoller jedoch wäre es zu wissen, welches Seelentier für ein ausdauernder, genügsamer Charakter hat, der mitunter schwer von Begriff ist. Hier hat Krieger, Krämer und Kultisten klare Schwachpunkte.

Krieger, Krämer und Kultisten ist ein schön anzusehender Band - ob die darin gelieferten Informationen €35 wert sind, muss jeder für sich entscheiden. Wie bei vielen Ergänzungsbänden gilt auch hier: Man kann sich die Inhalte zu großen Teilen auch selbst erarbeiten. Allerdings spart man mit dem Buch vielleicht etwas Arbeit und bricht gewohnte Muster auf. Es ist schlicht schwer einzuordnen.

Die RPG-Foren danken Ulisses für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars, eine Leseprobe von Krieger, Krämer und Kultisten hat der Verlag auf seinen Seiten [2,4MB] bereitgestellt.
i.V. sonic_hedgehog
 
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