Die Flasche ließ sich gern vom Schiffsjungen einsammeln, die Niedergeschlagenheit des Muff's war ansteckend und sie hatte keine Lust zum rumlaufen. Also war es am besten, in des Magisters Manteltasche gesteckt zu werden. Der Meister war sehr auf das Kommende konzentriert, so das die Chancen gut standen, eine Weile ignoriert zu werden.
Falsch gedacht.
Ausgerechnet Dianthe sprach Flasche an.
Und weil die Flasche eine gute Flasche war, bekam sie Ärmchen und Gesichtchen und zog sich soweit aus der Manteltasche, das sie Dianthe sehen konnte.
"Es geht, eure Kapitänheit, es geht. Ich hoffe es jedenfalls."
Einen Augenblick sah es so aus, als blicke die Flasche in sich, aber dann rollten die Augen wieder nach außen.
"Er ist traurig, wissen sie, weil er doch so sensibel ist und so reizbar. Sie können sich garnicht vorstellen, wie schwer es ist, ein Drummelmuff zu sein..."
Es wirkte einen Moment, als wollte sie noch etwas sagen, aber die Flasche tat es nicht. Sie konnte nicht. Das war zu persönlich. Aber wenn Dianthe gewußt hätte, was die Flasche wußte, dann hätte sie vielleicht verstanden.
Das Dumme war bloß, das bisher alle außer Meister Torm, die es verstanden hatten, weil sie es sahen, tot waren.
Und die Flasche konnte nichts sagen, weil sie sonst gezwungen gewesen wäre, Drummel's wahren Namen und Gestalt ins Spiel zu bringen und sowas tat man nicht.
Nein, sowas tat man nicht.
Beichtgeheimnis zwischen Geistern !
Doch es ging noch weiter. Es kam ein alter Bekannter vorbei.
Der Nordwind Trition.
Selbstverständlich war Trition nicht sein wahrer Name, genausowenig wie Drummelmuff oder Flasche. Aber Geist-Fleischling-Kontakter mußten ja auch irgendwie genannt werden, also legte man sich Künstlernamen zu, oder es blieb ein dämlicher Namen hängen, den sich mal einer dieser dusseligen Beschwörer ausgedacht hatte.
Und nein, ein Wind war eigentlich nichts anderes als ein Luftgeist, nur das er einen festen Job hatte. In Trition's Falle eben Nordwind sein. Luftgeister wie Drummel waren hingegen sozusagen Freiberufler. Verdienten sich ihr Karma mit Beschwörungstagelöhnerei, wenn man so wollte, oder gar auf Stunden- und Minutenbasis.
Das war meist die unterste Schicht.
Wenn man es dann zu was gebracht hatte, konnte man seinen eigenen Kult aufmachen und sich preisen und anbeten lassen. Es war halt wie es überall war. Das meiste floß zum meisten.
Andere machten wieder in Wetter und Klima, so wie Trition. Manchmal, wenn man einen Job bekam, der den Fleischlingen besonders angenehm erschien, konnte das einem in seltenen Fällen soviel Popularität einbringen, das man es in die Oberliga schaffte. Aber Nordwind sein, das war schon was. Brachte schon die eine oder andere Anrufung ein.
Eben dieser Nordwind war hier und sagte hallo.
Und aus der Flasche wurde ihm geantwortet.
Alles im Astralen, versteht sich.
Drummel: "Hallo, Onkel Tri, < schnüff > schön dich zu sehn."
Trition: "Muffelst du immernoch für dich allein, oder willst du die Gelegenheit nicht nutzen ?"
Flasche: "Er war ja schon draußen."
Drummel: "Petze !"
Flasche: "Stimmt doch."
Trition: "Stimmt das wirklich ? Es waren immerhin fast tausend dieser Fleischlingjahre."
Drummel: "Ja, stimmt schon. Aber die Fleischlinge sind immernoch so gemein und ich will doch nicht mehr... "
Trition: "Ich weiß doch, mein Muffelchen, ich weiß doch. Du mußt mir nichts erzählen."
Flasche: "Mit deinem Onkel macht das fliegen eh mehr Spaß, als mit den lahmen Flatterlapps. Oder ?"
Drummel: "Stimmt. Das ist total und absolut oberstimmig."
Der Drummel war bereit rauszukommen.
Basri war bereit loszulegen.
Und was hatte der Kleine vorbereitet. Sämtliche seiner Spezialnägel überprüft. Sogar die in den Masten ! Ja, das ist sogar sehr erwähnenswert, weil kletter du mal als Halbling in Tackelage, die für Großlinge gedacht war. Aber nichts hatte den Basri auf- oder abhalten können. Sogar die größten Piraten gingen ihm aus dem Weg, wenn er hin und herhuschte, denn er hatte das große Grinsen.
In diesem Zustand hätte der kleine Halbling jedem Troll die Kehle durchgebissen, wenn er sich zwischen ihn und seine Arbeit gestellt hätte.
Außerdem hatte er Dianthe hinter sich und damit Gerwin, der alles im Auge behielt.
Der verrückte Technomagier band schließlich für jedes Besatzungsmitglied ein Seil an die Reling, außer für Lidia. Die konnte fliegen.
Schließlich war es dann jedoch soweit und Basri fiel tatsächlich nichts mehr ein, was er hätte checken oder überprüfen können und JETZT hatte die Kapitänin den Startschuß gegeben.
Basri hatte eine erstaunliche Brüllstimme, die er jedoch nur zu solch seltenen Anlässen nutzte.
"Ai Ai, Ladykäptn !"
Dann zu den Matrosen vom Achterdeck aus.
"ALLE MANN WEG VON DER RELING ! RAUS AUS DEN WANTEN !"
Sein Grinsten traf sich in seinem Nacken, als er sein Steueramulett befingerte und ganz leise "Zündung" flüsterte.
Daraufhin begann das Schiff zu vibrieren und es fing an zu knistern, auch wenn man noch nicht genau wußte, woher das kam. Als das Knistern lauter wurde, wurde auch klar, das es von unten kam. Schließlich sah man es auch.
Blitze.
Spannungsbögen sprangen von Spezialnagel zu Spezialnagel und blieben stehen, weshalb das Knistern und mittlerweile auch Summen immer lauter wurde.
Lidia hatte sich auf dem Boden des Krähennestes ganz klein gemacht, so wie Basri es gesagt hatte. Aber bei diesen fürchterlichen Geräuschen hätte sie das wohl sowieso getan.
Dann erreichten die Blitze, und nun konnte man auch verstehen, wieso Basri den ganzen Strom vom Muff gebraucht hatte, die letzte Mastspitze, dehnten sich aus und zerplatzten in eine schimmernde Blase, die das Schiff umgab.
"ALLE MANN FESTBINDEN !"
Man band sich fest, wobei schon dem einen oder anderen klar wurde, das es jetzt anders war, als vorher, denn Basri hatte nicht nur das Gewicht des Schiffes drastisch gesenkt, sondern auch von allem was drauf und drin war.
Der Halbling fummelte nochmal an seinen magischen Knöpfen, drückte sie und kippte sie, worauf der Dampfdüsenantrieb ansprang, die Propeller auf volle Leistung gebracht wurden und der Windstoßkristall zu blasen begann.
Das ging ganz schön ab.
Ein paar der eigentlich recht standfesten Piraten setzten sich sogar unfreiwillig hin, womit sie die nächste Zeit wahrscheinlich aufgezogen werden würden. So schlimm wars ja auch nicht, nur halt unerwartet.
Und Basri grinste selig. Sein Werk funktionierte. ES FUNKTIONIERTE ! Von wegen, du spinnst ja und du kannst doch nicht ein ganzes Schiff in eine Levitationsscheibe verwandeln. Er, Basri, konnte ! Damit das auch so blieb, ging der Kleine jetzt auch ganz friedlich wieder runter und Dianthe konnte sicher sein, das der eh schon sehr umgängliche Halbling die nächsten Tage
über der netteste und glücklichste Kerl der Welt sein würde.
Eben bis ihm eine neue noch verrücktere Idee kam.
Das sollte aber immernoch nicht alles gewesen sein, denn Dianthe Sternensängerin Daryn fing an ihrem Beinamen Ehre zu machen. Man mochte sogar meinen, das Sternensängerin ihr eigentlicher Name war, wenn man ihr so zuhörte.
Was aber für die Fleischlinge bloß nett war oder okay, war für die Geister eine Offenbarung.
Sogar die Flasche erinnerte sich bruchstückhaft an Urzeiten, da sie nicht nur abstinent, sondern rein gewesen war. Klar und rein wie ein Bergbach. VERDAMMT, er war mal ein Bergbach gewesen ! Flasche rollte seine Augen nach innen und heulte hundertprozentigen Alkohol in ihr Gefäß.
Den Muff aber hielt da nichts mehr im Glase. Er pfiff nur so ins Freie, um mit seinem Onkel zu fliegen und zu wehen.
Dianthe's Gesang lockte aber alle möglichen Luftgeister in der Nähe an.
Ein Wind im gehobenen Management, wie Trition es schon war, hatte matürlich auch seine Unterlinge und im Astralen waren Nachrichten noch viel schneller als der Wind.
Schließlich flogen und wuselten mehr als zwei Dutzend Luftgeister, Winde und Lüftchen um das Schiff herum, weil sie das Lied hören wollten.
Könnt ihr euch vorstellen, was die für einen Windschatten erzeugen ?
Die Sternenwanderer flog wie noch nie. Unwahrscheinlich, das jemals irgendein Luftschiff so schnell geflogen war. Und schneller, als der Drummel allein es hätte schieben können.
Also GEFÄHRLICH schnell !