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Sci-Fi / Fantasy John Sandford & Ctein: Das Objekt (Piper)

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Titel:
Das Objekt
Autor: John Sandford & Ctein
Genre(s): Science-Fiction
Aufmachung: Taschenbuch
Seiten: 571
Verlag: Piper
Erscheinungsdatum: April 2017
ISBN-13: 978-3492281300

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Im Jahr 2066, als nach einer Wartung eines Weltraumteleskops für die Wiederinbetriebnahme Probeaufnahmen des Saturns geschossen werden, macht Sandy Darlington – aufgrund seiner familiären Beziehungen ohne besondere Qualifikation im zuständigen Institut angestellt – eine phänomenale Entdeckung. Ein vorher unbekanntes Objekt fliegt mit Kurs auf die Ringe des Saturns und verringert seine Geschwindigkeit. So unglaublich es scheint, aber offensichtlich hat ein außerirdisches Flugobjekt das Sonnensystem erreicht.
Sofort setzt hektische Betriebsamkeit ein – die beteiligten Wissenschaftler werden mit passenden Maulkörben versehen und ein Beraterstab der amerikanischen Präsidentin Santeros tritt zusammen, um Möglichkeiten zu erwägen, eine Mission zu diesem Objekt zu schicken. Da es sich um eine reine Zufallsentdeckung handelte, hofft man, diese so lange geheim halten zu können, bis man in der Planung einer solchen Mission uneinholbar ist und die erhofften Erkenntnisse über weit fortgeschrittene Technologien für sich gesichert hat.
Doch erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt: Während die US-Regierung unter dem Deckmantel einer Unterstützung der bevorstehenden chinesischen Marsmission mit der Umrüstung eines möglichen Raumschiffs beginnt, verlässt das außerirdische Objekt mit einer massiven Energiefreisetzung in Form einer Antimaterie-Materie-Reaktion die Saturnumlaufbahn und setzt Kurs nach außerhalb des Sonnensystems. Da diese Energieausbruch von keiner Forschungseinrichtung der Welt verpasst werden kann, dauert es nur Stunden, bis die US-Amerikaner enttarnt sind und die ganze Welt nur eine Frage kennt: Wer war das, was wollten sie hier und was kreist da noch in der Saturnumlaufbahn?
Es kommt, neben politischen Disputen, zu einem Wettlauf der beiden führenden Raumfahrtnationen – den USA und China. Während die USA an ihrem jetzt nicht mehr geheimen Plan weiterarbeiten, die bestehende Raumstation in der Erdumlaufbahn für eine Reise umzurüsten, verfolgen die Chinesen den Plan, ihre bereits fast fertiggestellte Mission zur Gründung einer ersten Marskolonie aufzugeben und die dafür vorgesehene Rakete umzuwidmen.
Im Abstand weniger Monate brechen beide Missionen auf – ohne zu ahnen, was sie in der Saturnumlaufbahn zu entdecken haben.

John Sandford, ein Pulitzerpreisträger und dem ein oder anderen als Autor von Thrillern bekannt und sein Co-Autor Ctein, ein kalifornischer Photograph mit wissenschaftlichem Hintergrund präsentieren mit „Das Objekt“ einen Science Fiction Roman, der sich das Ziel gesetzt hat, weitgehend ohne das auszukommen, was Gregory Benford wohl irgendwann „Wantum Mechanics“ getauft hat. Ohne den Moment, in dem Science das Boot verlässt und Fantasy an Bord kommt, ohne die klassische „wir koppeln den Reaktor an X, geben Y dazu und kehren die Phasen um - dann klappt das alles“ Lösung, der jede wissenschaftliche Erklärung fehlt. Also einen Hard-SciFi-Roman. Einen Roman, der sich primär der Frage widmet: Wäre es, heute in 50 Jahren, möglich, in möglichst kurzer Zeit eine bemannte Mission zum Saturn zu schicken (mit Rückfahrkarte), wenn nur die Motivation groß genug ist, was bräuchte es dafür, wie könnte es umgesetzt werden und mit welchen Problemen könnte man auf dem Weg konfrontiert werden.

Dieses Ziel haben die Autoren, soweit ich dem Anhang zum Roman und meinen diesbezüglich eher dünnen Physikkenntnissen vertrauen darf, erreicht. Zwei Nationen mit unterschiedlichen Ausgangsbedingungen entscheiden sich für zwei gegensätzliche, aber jedes für sich funktionale Konzepte, die beide ihre jeweiligen Vor- und Nachteile haben. Während das Konzept der Chinesen der heutigen Raumfahrt recht ähnlich ist, sind mit vom Konzept der US-Amerikaner bis heute nur Ideen bekannt – aber wie gesagt, wir sprechen ja von einem Zeitpunkt in 50 Jahren. Entwicklung und Funktion der notwendigen Technologien werden realistisch und weitgehend verständlich geschildert und in die Geschichte eingebunden.

Auch wenn ich meine Leidenschaft für Perry Rhodan nicht verhehlen möchte, wo schon immer, in den letzten Jahren in meiner Wahrnehmung aber verstärkt, Fantasy-Elemente zur Problemlösung beitragen, so habe ich doch ein mindestens genauso großes Faible für Romane, die innerhalb ihrer selbst gewählten Rahmenbedingungen konsistent bleiben. Will sagen – Das Objekt hatte bei mir beste Karten, Eindruck zu schinden.

Nur handelt es sich um einen Roman und nicht um einen Projektplan für eine Saturnreise – und damit gehen in den Gesamteindruck eben auch andere Dinge ein. Und wenn man die faszinierenden, technischen Überlegungen mal beiseiteschiebt, so wird es leider dünner:

Durch den technologischen Schwerpunkt verkommt das eigentliche Ziel des Wettlaufs zum Saturn leider fast zur Nebensache – bis die Schiffe das außerirdische Objekt erreichen, herausfinden um was es sich handeln und versuchen, die Erkenntnis auszubeuten, ist bereits Seite 339 (vom 559) erreicht.

Auch legen die beiden Autoren, für US-amerikanische Autoren und den dortigen Markt vermutlich nachvollziehbar, den Fokus der Erzählung auf die US-Amerikaner. Die chinesische Mission wird weitgehend aus der Beobachterperspektive dargestellt.

In dieser Einseitigkeit verfallen die Autoren bedauerlicherweise auch in eine Reihe von Klischees.
Besonders deutlich lässt sich dies an der Zusammenstellung der amerikanischen Besatzung darstellen: Da haben wir den reichen, durch seinen Vater bestens vernetzten Lebemann, der durch Zufall das Objekt entdeckt und damit Teil der Mission ist – in Wirklichkeit aber auch ein bestausgebildeter, wenn auch traumatisierter Elitesoldat ist und in der Tat nicht nur tut, was ihm befohlen wird, sondern das Notwendige. Er wird als Kameramann Teil der Crew (höre ich jemanden Steven Seagull rufen?). Als Kameramann der Medienfrau – die natürlich die Definition des Wortes „sexy“ ist, aber eine (allerdings nur in einem Nebensatz thematisierte) Straßenvergangenheit hat (von der ebenfalls keiner weiß). Zwei, die sich spontant verabscheuen, aber dennoch schätzen lernen und deretwegen im Lauf der Reise ein Sex-Jackpot ins Leben gerufen wird. Muss ich noch den Geheimdienstvertrauten der Präsidentin mit militärischer Ausbildung und Zugrifff auf diverse Ressourcen erwähnen oder die etwas molligere Chefingenieurin, die irgendwie süß aussieht und sich deshalb durch extreme Leistungsanforderungen an sich selbst und alle Mitarbeiter auszeichnet?
Auf der anderen Seite: eine militärische gedrillte, parteitreue Mannschaft auf Seiten der Chinesen. Der Chinesen, die (auch wenn es durch die Rahmenbedingungen realistisch und unvermeidbar ist) mit der primitiveren Technik ins Rennen starten, politisch motivierte Fehler während der Reise begehen, als einzige versuchen, Sabotage an der konkurrierenden Mission durchzuführen - während den Amerikanern die Rolle zufällt, in klassischer Gier die gesamte Beute für sich haben zu wollen. Jedes einzelne dieser Elemente wurde schon zigfach, auch sehr erfolgreich, in Filmen und Romanen verwendet – in der Summe ist es aber zu viel und irgendwie auch zu wenig.

Ein Highlight, das ich nun auch nicht vorwegnehmen möchte, war für mich die Auflösung, was denn da in der Saturnlaufbahn kreist und warum es das tut. Eine wirklich clevere kleine Idee – mit interessanten Implikationen – auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob das verfolgte Ziel so auch wirklich erreicht werden kann. Hierzu können wir gerne diskutieren, aber in der Rezension wäre das ein zu großer Spoiler. Ebenso wie die Auflösung der mannigfaltigen Herausforderungen, die die Reise und ihre Umstände mit sich bringen, hier nicht vorweggenommen werden sollen. Auch wenn all das dann doch wieder zu einem etwas banalen Ende überleitet, das die o-g. Klischees aber konsequent zu Ende bringt.

Was könnte das Fazit sein?
Nach der Marsianer haben wir mal wieder einen Roman, der sich an einem realistischen Szenario versucht. Ein Szenario, das, wenn man ehrlich ist, so ein bisschen mit den Träumen vieler Fans spielt: Wissend, dass all das, was für überlichtschnelle Reisen erforderlich ist und was ein Verlassen unseres Sonnensystems möglich machen würde, aller Wahrscheinlichkeit nach Phantasie bleiben wird, wäre die Entdeckung eine außerirdischen Objekts das maximal Erhoffbare. Würde sich ein Wettrennen anschließen oder eine internationale Kooperation? Wer weiß das schon, ein Rennen aber könnte genauso aussehen, wie es hier dargelegt wird.
Wenn nun um dieses Gerüst eine bessere Geschichte gelegt wäre, meine Begeisterung wäre vermutlich unendlich. So jedoch bleibe ich etwas ernüchtert zurück.
Die Präsentation des Romans ist weitgehend gelungen: Das Cover stimmungsvoll, wenn auch bezüglich der Raumschiffe nicht ganz passend, die Bindung etwas weich (also der Buchrücken etwas flexibler als erwartet), das Papier griffig, der Satz gut lesbar und die Übersetzung in weiten Teilen flüssig – wenn auch von einzelnen Schnitzern durchsetzt, die eigentlich nicht erklärbar sind: Wieso spricht man beispielsweise von der Theorie des Spiels, wenn man doch die Spieltheorie meint und warum sollte jemand „sicherstellen, dass Besucher dem Depot oder sich selbst versehentlich Schaden zufügen“? Aber wie gesagt, das sind Einzelfälle über die man als Leser stolpert, die aber nicht sonderlich ins Gewicht fallen.

In der Summe kein ganz schlechtes Buch, aber eben auch kein herausragendes. Für Fans etwas leicht verdauliches für Zwischendurch, wer es nicht gelesen hat, muss aber auch nicht mit dem Gefühl sterben, etwas verpasst zu haben.

Ich danke dennoch dem Piper-Verlag für die Möglichkeit, diese Rezension zu verfassen und verweise gerne auf die Produktseite für Bilder, weitere Informationen und die Leseprobe.

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[30/40] - Handlung
[27/40] - Stil
[9/10] - Aufmachung
[7/10] - Preis/Leistungs-Verhältnis
74%- gesamt

 
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