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Brettspiel Im Wandel der Zeiten

Tufir

Drachling
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Im Wandel der Zeiten ist eine Geschichte der Zivilisation, zumindest dann, wenn man der Produktbeschreibung und der Spielanleitung Glauben schenken darf.

Das Spiel präsentiert sich in einem sehr schönen Karton mit einem gut gelungenem Titelbild. Gewisse Phrasen der Beschreibung und einige der Bilder lassen die Vermutung aufkeimen, dass eine Verwandtschaft zu bestimmten, ähnlich gelagerten PC- und Konsolenspielen gegeben ist. Dem ist tatsächlich aber nur ganz entfernt so, wie sich später herausstellt.

Der Inhalt der Schachtel ist angenehm aufgeräumt. Ein großes und vier kleine Spielbretter sind aus stabiler Pappe. Daneben gibt es vier Kurzanleitungen, die ebenfalls aus dickerem Papier hergestellt sind. Die wirklich sehr, sehr vielen Spielsteine (315 an der Zahl) - alles würfelförmige Quader in zwei unterschiedlichen Größen und mehreren unterschiedlichen Farben - sind aus Holz und bereits in zwei Plastikbeutel verpackt. Einen herzlichen Dank dafür! Die 341 Spielkarten dagegen kommen in 5 oder 6 Päckchen in Cellophan daher. Hier sollte man sich gleich beim Öffnen ein paar Gummiringe bereit legen, um die Karten nach dem Auspacken thematisch zu ordnen, damit man nicht vor dem nächsten Spiel erst stundenlang sortieren muss.

Die Spielanleitung ist 32 DIN-A4 Seiten stark, wobei man jedoch das Titelblatt, das Glossar (Schön und gut, dass es eins gibt!!) und das Impressum (jeweils eine Seite) abziehen muss, wenn man die Anzahl der Seiten der reinen Regelerklärungen wissen möchte. Die Anleitung selbst ist gut illustriert, was man bei einem Spiel dieser Komplexität auch benötigt, denn nicht immer wird aus dem reinen Text, die Absicht des Spielentwicklers klar. Und selbst mit der Illustration bleiben manche Dinge dem Spieler verschlossen, bis er die Situation zwei bis drei Mal durchgespielt hat.

Gleich zu Beginn der Anleitung wird der Spieler darüber informiert, dass es durchaus länger dauern kann, bis man die Spielmechanismen versteht und dass ein "learning by playing" mehr als angebracht erscheint. Zu diesem Zweck ist das Spiel auch in 3 Spielphasen unterteilt, wobei Phase 1 als Einstiegsspiel alleine gespielt werden kann. Die Hinzunahme von Phase 2 führt dann zum Fortgeschrittenenspiel und Phase 3 schließlich zum Expertenspiel. Ein Testrunde im Einsteigermodus ergab eine Spieldauer für den ersten Durchgang von etwas mehr als 3 Stunden, während der gleich anschließende zweite Durchgang nur noch knappe 80 Minuten dauerte. Die Spielanleitung ist zum Zweck der Trennung der einzelnen Spielmodi auch entsprechend farblich hinterlegt. Ebensolches trifft auch auf die Kurzanleitungen zu. Dies ist ein echter Mehrwert.

Folgerichtig gliedern sich die zu durchspielenden Zeitalter in diese Phasen ein. Im Einsteigerspiel werden die Antike (500 v. Chr. bis 1000 n. Chr.) als Startphase und das Mittelalter (1000 bis 1500 n. Chr.) als erste richtige Spielphase durchlebt. Im Fortgeschrittenenspiel folgt dann das Zeitalter der Entdeckungen (1500 bis 1900 n. Chr.) und im Expertenmodus wird die Moderne (ab 1900) hinzugefügt. Allerdings -- Aufgapasst!! -- kann man nicht einfach nach dem Ende des Einsteigerspiels das Fortgeschrittenenspiel anhängen. Dies muss man vor Spielbeginn entscheiden, denn ein paar wenige Dinge funktionieren bereits am Anfang anders, wenn man den Fortgeschrittenen- oder den Expertenmodus spielen möchte.

Das Spiel funktioniert so, dass auf einer Leiste des Hauptspielbretts 13 sogenannte Zivilisationskarten ausgelegt werden, welche die Spieler unter Einsatz ihrer Aktionspunkte kaufen können. Dabei sind neu ins Spiel gekommene Karten teurer als alte. Wie viele Aktionspunkte ein Spieler hat, ist im Wesentlichen von seiner Regierungsform abhängig, kann aber auch durch passende Gebäude oder Technologien gesteigert werden. Allerdings muss der Spieler mit seinen Aktionspunkten haushalten, denn diese werden auch für den Bau von Gebäuden, Verbesserung von Technologien, Erhöhung der Bevölkerungszahl oder das Ausheben von Militäreinheiten benötigt. Gekaufte und somit von der Leiste entfernte Spielkarten werden durch neue ersetzt, wobei die liegengebliebenen Karten auf der Leiste nach links rutschen und somit für die nächste Runde im Kaufpreis billiger werden.

Durch geschicktes Taktieren und Ausspielen der gekauften Karten verbessert jeder Spieler seine Zivilisation und erhält dafür am Ende seiner Runde Kulturpunkte, deren Anzahl dann am Ende des Spiels auch den Sieger bestimmt.

Die Antike dient - wie bereits gesagt - als Startphase. Diverse Regeln des Hauptspiel gelten hier nicht, um ein gewisses Balancing einzustellen. So darf der Startspieler zuerst nur eine Karte nehmen, der zweite dann zwei usw. Ab Runde beginnt dann der eigentlich Aufbau, folgen spielerunabhängige Ereignisse, die alle Zivilisationen betreffen und meist für Fortschritt sorgen. Auch kommen dann bereits die Spielkarten des Mittelalters ins Spiel.

Im Einsteigerspiel werden noch keine Militäraktionen unternommen. Diese folgen erst in späteren Spielphasen und damit wird das Spiel dann aggressiver und man agiert durchaus auch gegeneinander während es im Einsteigermodus ehe ein nebeneinander ist.

Das große Hauptspielbrett (siehe Bild 1) dient während des Spiels "nur" der Auslage der Karten und der Darstellung der Gesamtsituation aller beteiligten Zivilisationen im Spiel - der Verdeutlichung des Spielstandes also im Wesentlichen.

Die vier kleinen Spielbretter (siehe Bild 2) - eines pro Zivilisation - spiegeln jedoch den internen Stand dieser Zivilisation wider. Es zeigt an, wie die Bevölkerung wachsen kann und wie viel Rohstoffe bzw. Nahrung zur Verfügung stehen. Ebenso kann man darauf erkennen, welche Gebäude, Technologien und militärische Einheiten von jener Zivilisation errichtet wurden.

Das Spiel hat einen hohen Strategie/Taktik Faktor, ein klein wenig von einer (Wirtschafts)Simulation und einen überschaubaren Anteil an Glück (Kartenverteilung). Der Einsteigermodus ist gut geeignet, um das Spiel kennen zu lernen, aber erst im Fortgeschrittenen- oder Expertenmodus wird das Spiel seine eigentlichen Reize entfalten.

Die vielen kleinen Holzspielsteine machen das Leben während des Spiels auch nicht wesentlich leichter. Hier hätte man sich noch etwas Besseres einfallen lassen können. Dies gibt auf jeden Fall Abzug bei den Punkten für das Layout.

Die Wertungsleisten auf dem Hauptspielbrett können für den Punktestand nicht ausreichen. Höhere Punktzahlen möge man notieren - so der Konsens der Spielanleitung. Während des Spieltests im Einsteigermodus wurde es nicht geschafft, die Werteskala zu sprengen, aber die Möglichkeit scheint nicht ausgeschlossen zu sein. Dies wäre dann ein paar weitere Minuspunkte bei der Spielidee.

Mit der Spielanleitung und der Umsetzung kann man ansonsten zufrieden sein. Bei der vorliegenden Komplexität des Spiels würde mehr fast schon an Perfektion grenzen. Daher gibt es hier fast die volle Punktzahl.

Das Preis-Leistungsverhältnis ist aufgrund der Ausstattung OK!

Die Proberunde hat viel Spaß gemacht, obwohl es naturgemäß als Anfänger und aufgrund der Komplexität zu Stockungen im Spielfluss kam, aber letztendlich ist Im Wandel der Zeiten ein Spiel mit viel Potential.

Viel Spaß beim Zocken wünscht
Euer Tufir


Diese Rezension entstand in Zusammenarbeit von DSA-Fantasy.de und RPG-Foren.com. Herzlichen Dank auch an den Pegasus-Verlag!
 

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sonic_hedgehog

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AW: Im Wandel der Zeiten

Auch ich gehörte der Probespielrunde an und werde daher nun (endlich) meine Eindrücke des Spiels wiedergeben.

Zu Ausstattung und Optik des Spiels hat Tufir schon einiges gesagt, daher nur einige Anmerkungen. Auch ich finde die Aufmachung des Spiels recht gelungen, Holzsteine und eine schön gestalteter Spielplan waren schon immer nach meinem Geschmack. Jedoch habe ich zwei Einschränkungen zu machen:
Man sollte vor dem Auspacken bedenken, dass man für den Aufbau des Spielplans sehr viel Platz benötigen wird. Das Spiel wird also wohl nie am Wohnzimmertisch gespielt werden sondern ausschließlich am Esstisch. Und dass das große Spielbrett, das dem Spiel beiliegt, nur dem Auslegen der zu ziehenden Karten und des Punktezählens dient – seine Zivilisation baut jeder Spieler auf seinem eigenen kleinen Spielbrett und dem Tischfeld vor ihm auf. Diese Platzeinteilung ist etwas gewöhnungsbedürftig aber durchaus angemessen, da es auf einem kleineren Spielbrett schwer wäre, den Überblick über die Vielzahl an Bereichen zu behalten, in denen Punkte errungen werden können. Allerdings hat sie zur Folge, dass die Spielsteine die Größe haben müssen, die sie nun mal haben. Und das ist wenn schon nicht zu klein, dann zumindest etwas problematisch für Grobmotoriker oder Spieler die gerne weite Ärmel tragen.

Das alles stört aber den Spielablauf nur marginal. Im Spiel leitet also jeder Spieler seine Zivilisation durch die Zeitalter und entscheidet sich für einen oder mehrere Wege, wie die Entwicklung voranschreiten soll – also im Prinzip ob kulturell, religiös oder militärisch. Das Spiel schlägt vor, den Ablauf während eines Anfängerspiels zu erkunden und dies ist tatsächlich die vernünftigste Möglichkeit, wie man an den von Tufir geschilderten Spielzeiten erkennen kann. Allerdings merkt man dem Anfängerspiel seine Funktion an – in keinem Fall kann es als vollwertiger Kurzspielmodus betrachtet werden. Denn man merkt im Laufe des Spiels sehr bald, dass diese ersten Epochen, die man im Einsteigerspiel erlebt, nur einen Teil des Spielpotentials nutzen. Auch ist das Einsteigerspiel nicht ganz ausgewogen, da eine Spezialisierung auf militärische Bereiche bei moderaten Kosten sehr viele Siegpunkte bringt und das ohne, dass dieses Militär funktional wäre. Militärische Aktionen gleich welcher Art finden erst im Fortgeschrittenenspiel statt.
Wie gesagt, jeder Spieler entscheidet, auf welche Art er den Fortschritt seiner Zivilisation vorantreiben will. Dieses Vorantreiben findet über die Produktion von Rohstoffen, den Ausbau staatlicher Gebäude und das Ziehen einer Art Ereigniskarten statt. Diese Karten stellen dem Spieler besondere Persönlichkeiten oder Bauwerke zur Verfügung oder erleichtern es, andere Aufgaben zu erfüllen. Dabei hat prinzipiell jeder Spieler auf dieselben Karten Zugriff, wenn auch unter Einschränkungen: Zum Ende eines Spielzugs werden jeweils die beiden ältesten Karten entfernt und zwei neue angelegt. Der Spieler dessen Zug dann beginnt kann aus allen ausliegenden Karten frei wählen und diese kaufen. Jedoch sind neuere Karten wesentlich teuerer als solche, die schon eine ausliegen – womit sich ein Spieler zwar entscheiden kann, seinen Mitspielern eine bestimmte Karte vorzuenthalten, dafür aber einen Preis zu zahlen hat, der ihn am Ende mehr kosten kann als es der Verlust der Karte bewirkt hätte. Dies ist nur ein Beispiel für die taktische Tiefe des Spiels – jede Entscheidung hat Vor- und Nachteile, die sich teilweise erst wesentlich später zeigen und bedacht werden wollen. Andererseits reichen die Ressourcen nie um all das zu tun, was man gerne täte.

Im Wandel der Zeiten ist ein spannendes Spiel, das eine große taktische Tiefe entfaltet und dessen wahre Tiefe sich nicht gleich entfaltet. Allerdings ist es auch ein Spiel, das eine gewisse Begeisterungsfähigkeit der Spieler verlangt. Während das Einsteigerspiel in einer guten Stunde zu schaffen ist, darf man für das Spiel durch alle Epochen gut vier Stunden veranschlagen und beim ersten Spiel auch durchaus mehr. Das wird nicht jedem Hobbystrategen gefallen und mit längerer Dauer könnte auch negativ ins Gewicht fallen, dass Interaktionen zwischen den Spielern nur wenig Platz finden und jeder primär mit der Planung seiner Zivilisation beschäftigt ist. Gerade bei vier Spielern können so längere Zeiten des Nichtstuns entstehen, gerade wenn Spieler am Tisch sitzen, die gerne und viel nachdenken. Wer sich jedoch daran nicht stört, wer gerne komplexe Strategiespiele spielt und vielleicht auch noch voller Begeisterung Civilisation auf dem Computer gespielt hat, dem sollte „Im Wandel der Zeiten“ mehr als nur einen Blick wert sein.

Kein Spiel, das man mal spontan am Abend auf den Tisch stellt, aber eines, das mit den richtigen Mitspielern einen langen und vergnüglichen Spieltag liefert!
 

Tufir

Drachling
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AW: Im Wandel der Zeiten

Ich hatte am Wochenende Gelegenheit zwei weitere Partien dieses Spieles zu spielen und empfinde es zunehmend als spielenswert und attraktiv. Dieses mal konnte ich sogar jemanden dafür gewinnen, der Strategiespiele eigentlich nicht mag und der das Spiel im Anschluss ebenfalls als Gut bewertete.

Einige neue Erkenntnisse gab es für mich dann auch zu gewinnen:


  • Zum einen fielen mir einige Fehler auf, die wir in den ersten Probespielen gemacht hatten und nach der Korrektur wurde das Spiel auch in der Einsteigerversion zunehmen spannender.

  • Ein weiterer Spannungsfaktor wurde durch die 4-Spieler Variante hinzu gefügt, der das Spiel doch noch mal verschärfte. Es waren einfach mehr Karten im Spiel, welche die Variationsmöglichkeiten erhöhte.

  • Die zweite Partie führten wir dann im Fortgeschrittenen Modus durch und auch hier gewann das Spiel nicht nur an Komplexität, sondern auch an Attraktivität.

  • Die Spieldauer im Fortgeschrittenen Modus geht bereits deutlich an die 5 Stunden heran, die aber wirklich wie im Fluge vergehen.

Sobald ich weitere Erkenntnisse gewinne, halte ich euch auf dem Laufenden!

Gruß
Tufir
 
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