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Rolemaster Handbuch für Spielleiter

sonic_hedgehog

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Still und leise, so die Pressemitteilung, wurde ein Meilenstein erreicht  die vollständigen Rolemaster Grundregeln auf deutsch. Der letzte noch fehlende Stein war das Handbuch für den Spielleiter.

Spielleiterbücher sind eine strittige Frage  manches System verzichtet darauf, manches handeln das Thema auf wenigen Seiten des Grundregelwerks ab und andere publizieren ganze Bücher. Braucht es also Spielleiterbücher? Zur Beantwortung dieser Frage muss zuerst geklärt werden, welches Ziel Spielleiterbücher verfolgen. Die meisten unterteilen sich in zwei Teile - zum einen bieten sie allgemeine Informationen zum Rollenspiel und den Aufgaben des Spielleiters, zum anderen ergänzen sie Regeln und Informationen, von denen die Autoren des Spiels denken, dass der Spieler sie nicht benötigt (auch wenn man über diese Einschätzung harte Diskussionen führen kann).

Auch das Rolemaster Handbuch für Spielleiter bewegt sich in diesem Rahmen. Aber beginnen wir von vorne: Wie auch die anderen Rolemasterregelwerke ist das Spielleiterhandbuch ein schweres, vollfarbig auf Hochglanzpapier gedrucktes Hardcover, das wieder einmal ein stimmungsvolles Cover trägt. Der Stil der Bilder bewegt sich allgemein in den durch die anderen Bänden bereits etablierten Maßstäben, sowohl thematisch als auch qualitativ. Allerdings mit der kleinen Einschränkung, dass es aufgrund des Themas des Bandes natürlich schwierig gewesen sein muss, Bilder auszuwählen, die einen Bezug zum Text herstellen. Auch Schriftsatz und Lektorat sind gelungen, ebenso wie die gewohnt hohe Qualität von Papier und Bindung. Interessant ist meiner Meinung nach, dass der 13Mann-Verlag das Inhaltverzeichnis offenbar nicht automatisch aus den Überschriften des Texts generiert hat, wie man dies als Laie von Office-Produkten oder LaTeX kennt: Nur so ist es zu erklären, dass Kapitel 5 und 6 im Inhaltsverzeichnis, nicht aber im Text, gleich benannt sind.

Im Inneren dann die erwartete Aufteilung des Buchs - 110 Seiten allgemeine Informationen zum Spielleiten, anschließend 130 Seiten, die sich mit den Mechanismen von
Rolemaster auseinandersetzen.
Den Anfang macht das Kapitel "Die Gruppe", in dem sich die Autoren mit verschiedenen Spielertypen, deren Motivationen und stereotypischem Verhalten auseinandersetzen. Die Charakterisierung erfolgt anhand von Tierkreiszeichen, ein Ansatz über dessen Notwendigkeit man sicher geteilter Meinung sein kann, der aber meiner Meinung nach zu
leicht zu merkenden Einordnungen führt: Eine Schildkröte bspw. ist ein Spieler, der langsam aber beharrlich dem Spiel folgt und sich dabei jede noch so kleine Begebenheit genau merkt. Aber auch die Frage, warum möchte oder sollte ich Spielleiter sein wird auf diesen ersten Seiten besprochen. Anschließend geht es in medias res, die "Geschichtenerstellung" - wie erschaffe ich eine Geschichte, die meine Spieler fesselt und
welche Quellen kann ich nutzen? Wie halte ich meine Spieler bei der Stange, wie verteile ich Aufmerksamkeitsschwerpunkt? Wie gehe ich mit NSCs um, in welcher Detailtiefe
erschaffe ich welche Charaktere? Wie kann ich und sollte ich die Charakterwahl der Spieler steuern? Thematisch eng damit verknüpft ist das nächste Kapitel, das der "Kampagnenerstellung" gewidmet ist. Für mit Rolemaster noch nicht so vertraute Leser muss hier erklärt werden, dass mit Kampagne nicht wie in anderen Systemen nur mehrere zusammenhängende Geschichten gemeint sind, sondern die gesamte Spielwelt. Vorgestellt werden allgemeingültige Mechanismen zur Erschaung eigener Welten und deren Belebung - mit Herrschaftsstrukturen, Kulturen und den großen Hintergrundereignissen (wie z. B. Kriegen). Die beiden nächsten Kapitel "Handlungsaktualisierung" und "Hintergrundaktualisierung" wagen sich an die meiner Meinung nach forderndste Aufgabe des Spielleiters: Die Aktualisierung von Geschichte und Kampagne auf Basis der Handlungen der Spieler, aber auch der NSCs, dem Umgang mit der inneren Logik von Abenteuer und Welt und mit dabei schwer zu vermeidenden Fehlern, überraschenden Handlungen und der behutsamen Steuerung des Handlungsverlaufs. Die beiden abschließenden Kapitel zur "Sitzung" und zu "Speziellen Umgebungen" bieten Informationen zum Spielabend selbst, Tipps zur Auswahl der Location (immer dieselbe Wohnung, wechselnde Wohnungen oder öffentliche Orte?), zu Hausregeln und zum Umgang mit Konflikten, sowie den Umgang mit Rollenspiel auf Turnieren oder Online-Spielrunden.

Insgesamt bietet dieser erster Teil eine Fülle von Informationen, die (wie immer) unerfahreneren Spielleitern mehr helfen als alten Hasen und die, was ich als sehr angenehm empfinde, relativ undogmatisch präsentiert werden. In der Summe finden sich hier wertvolle Hilfestellungen, die aber, das muss man deutlich sagen, teilweise auf erschreckend altem Stand sind. Besonders zeigt sich dies bei Angaben zu möglichen Inspirationsquellen, die alle dem letzten Jahrtausend entstammen, und vor allem im letzten Kapitel:
Rollenspielturniere dürften nur den wenigsten bekannt sein (und das zurecht) und das Internet als teures (!) und langsames (!) Medium zu schildern, ist im Jahr 2012 eher ... mutig. Ob die Schuld darin zu finden ist, dass der 13Mann-Verlag das alte Originalmaterial nicht aktualisieren durfte, wollte oder konnte, ist mir unbekannt, etwas ärgerlich ist es in jedem Fall. Natürlich finden sich neben den wertvollen Hinweisen auch Anmerkungen, die auch der gesunde Menschenverstand regeln könnte oder die, wie einige der Hausregelvorschläge in meinen bisherigen Gruppen zu Revolten geführt hätten. Eine große Auswahl eben, aus der jeder nutzen kann und sollte, was ihm gefällt.

Im Anschluss dann die Kapitel zu den Rolemastermechanismen: Das Kapitel Systemformung behandelt anschaulich die Folgen, die Änderungen an Würfelschwierigkeiten und Würfelzahlen auf die Statistik haben, und welche Folgen Änderungen an Fertigkeitspaketen, Waffenwerten oder neue Völker nach sich ziehen können. Informationen, die wirklich jeder Spielleiter genau lesen sollte um den Frust der aus unerwarteten Folgen resultiert zu vermeiden. Die Kapitel zu Unsichtbarkeit und Krankheiten und Giften geben Tipps zu zwei bekanntermaßen schwierigen Themen, die in den anderen Bänden zu kurz gekommen waren. Selbsterklärend sind die Inhalte der Kapitel Wirtschaft, Handel und Geschäfte sowie die Ausrüstungslisten, wobei diese davon entfernt ist, aus Rolemaster eine Wirtschaftssimulation zu machen. Diese Tabellen ermöglichen eher schnelle und einigermaßen schlüssige Reaktionen auf Spielerwünsche in Abhängigkeit von vorher definierten Rahmenbedingungen des bespielten Gebiets. Die nächsten knapp 70 Seite füllen vier Kapitel, die trotz Rolemaster-spezischer Listen wieder von allgemeinem Interesse sind: Grundlegende Zusammenhänge innerhalb der Bereiche Geographie, Tier- und Pflanzenwelt, Klima und Wetter, Kulturen und Lebensgrundlagen, spielerunabhängigen Ereignissen (im großen, aber auch im kleinen Maßstab und, besonders hervorzuheben, Tipps für spezielle Probleme: Wie regelt und spielt man beispielsweise Schiffsuntergänge, Beeinflussungsattacken, Kälte, und vieles mehr. Zum Abschluss bilden drei Anhänge mit speziellen Hinweisen zum Umgang zwischen Spielleiter und Spieler, der Findung der passenden Rolle, mit Bonuspunkten und Nachteilsabbau sowie Regeln zur Erstellung eigener Rassen und Völker.

In der Summe wird im zweiten Teil rolemasterspezifisches Material präsentiert, das aber vom Prinzip her auch für andere Systeme genutzt werden kann. Teilweise lassen sich sogar die Würfeltabellen ohne allzu große Anpassungen weiterverwenden. Zusammen mit dem ersten Teil ergibt das einen sehr gelungenen Band. Für Rolemasterspieler ist er meiner Meinung nach unverzichtbar: Fast jeder Spielleiter dürfte im ersten Teil Hinweise finden, über die er zumindest nachdenken wird und der Regelteil gibt dem Spielleiter zahlreiche neue Möglichkeiten und ergänzt Bestehendes. Dass die Autoren nicht müde werden zu betonen, dass gelungenes Rollenspiel auch (oder gerade) bei Rolemaster nicht darin besteht, jede Regel und jede Tabelle zu verwenden, ist eigentlich mit gesundem Menschenverstand zu erschließen, begegnet aber auch dem häufig gerade Rolemaster entgegengebrachten Vorwurf der Überfrachtung. Aber auch Spieleiter anderer Systeme können durchaus einen Blick riskieren - nicht für jedes System stehen so ausführliche Werke zur Verfügung, warum also sich nicht hier bedienen? Wermutstropfen bleiben dennoch - zum einen das Alter des Materials, zum anderen der mitunter etwas weitschweifige, philosophische Schreibstil. Aber wer sich daran nicht stört, kann nur profitieren. Mir zumindest ging es so, und das obwohl meine erste Begegnung mit Rollenspielen inzwischen gut 20 Jahre her ist und wir uns in verschiedensten Systemen mehr oder weniger lang, mehr oder weniger intensiv bewegt haben.

Es schließt sich also der Kreis: Ich, als Rezensent bin der Meinung, dass wir sehr wohl Hilfestellungen für Spielleiter benötigen (die aber auch Spieler lesen können sollten) -
und dass die Rolemastervariante eine der gelungeneren ihrer Art ist.
Mein Dank gilt abschließend dem 13Mann-Verlag, der so freundlich war uns das Rezensionsexemplar zu überlassen.
 
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