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Shadowrun Grundregelwerk 4.Ed.

sonic_hedgehog

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Es ist vollbracht! 20 Jahre Shadowrun, Verlagswechsel und im Englischen nach meiner Zählung 8 Versionen der Errata des Regelsystems der 4. Edition – alles vereint in einer Jubiläumsneuauflage des Shadowrun Grundregelwerks in der Auflage der Pegasus Spiele GmbH.

Viel ist schon über die 4. Edition geschrieben worden – die kabellose Matrix, die Technomancer, der Tod vieler alter, geliebter NSCs. All das stieß auf einige Vorbehalte der Community und trifft natürlich auch auf diese Neuauflage zu, schlussendlich ist und bleibt es eben die 4. Edition von Shadowrun, allerdings durchgesehen und ergänzt. Daher wird diese Rezension drei Schwerpunkte haben müssen: Zum ersten eine Vorstellung und Bewertung des Regelwerks für Shadowrun-Neulinge, zum zweiten eine kurze Betrachtung der Änderungen beim Übergang von der dritten auf die vierte Edition und zum dritten die Änderungen in dieser Neuauflage im Vergleich zur Fanpro-Ausgabe, die nun sicher anfangen wird, Ebay&Konsorten zu überschwemmen.

Shadowrun ist ein in einer nahen Zukunft angesiedeltes Rollenspiel, dessen Szenario sich allerdings inzwischen in unserer Vergangenheit von der realen Welt abspaltete. Wir schreiben das Jahr 2072 und die Magie ist in unsere Welt zurückgekehrt. Vorher wirkungsloser Humbug zeigte plötzlich überraschende Wirkungen, Menschen verwandelten sich in Elfen, Zwerge, Orks und Trolle und auch Geister und Drachen sind beängstigenden Wirklichkeit. Auch wirtschaftlich und technisch hat sich einiges verändert – weltweit agierende Konzerne sind wesentlich mächtiger als Staaten geworden und das Internet ist eine, inzwischen kabellos jederzeit und überall zur Verfügung stehende Ressource geworden, die in virtueller Realität eine völlig neue Welt eröffnet.
Es ist keine schöne Welt, sondern eine, in der Hass, Gier und Umweltverschmutzung das Bild prägen und in der die Spieler Shadowrunner verkörpern – Verbrecher, die im Auftrag von Konzernen und Syndikaten gegen deren Konkurrenten eingesetzt werden und im Zweifel auch fallengelassen und verleugnet werden. Willkommen in den Schatten, Omae!

Das Grundregelwerk liefert alles was man benötigt um Shadowrun spielen zu können, die Hintergrundtexte, sämtliche Regeln, Beispielcharaktere und Ausrüstungsgegenstände. Ebenfalls erschienene und erscheinende Ergänzungsbände sind gerade zu Beginn nicht nötig. Einen Eindruck, wie man sich die Spielwelt vorzustellen hat, erhält man außerhalb der Hintergrundbeschreibungen auch in den Kurzgeschichten, die das Regelwerk schmücken sowie in einer Vielzahl von (nicht immer literarischen) Romanen aus der Spielwelt.

Die Grundregeln wurden mit Erscheinen der 4. Edition vollständig überarbeitet, beruhen aber weiterhin auf den häufigsten Würfeln – den W6: Würfelproben folgen einem einfachen und auch gut abzuschätzenden System – Attributswert + Fertigkeitswert ergibt die Anzahl der sechsseitigen Würfel mit denen die Probe geworfen wird. Jeder Würfel, der einen Wert von 5 oder 6 anzeigt, ist ein Erfolg – Modifikatoren verändern nur noch die Anzahl der Würfel im Würfelpool oder die Anzahl der benötigten Erfolge – nicht aber den zu überwindenden Wert. Das erleichtert die Arbeit des Spielleiters erheblich, vor allem im Vergleich zur 3. Edition.
Allerdings ist mit dieser Grundregeln noch lange nicht alles zu Regeln gesagt: Nicht in allen Bereichen hält man sich streng daran, schon im Falle von Egde, dem Äquivalent des Glückes wird sie durchbrochen, da dort Würfel, die eine 6 zeigen, erneut geworfen werden dürfen. Andere Bereiche der Regeln bemühen sich sichtlich um Realismus – ein besonders eingängiges Beispiel ist der Explosionsschaden durch Granaten: Hierbei wird zuerst die unvermeidliche, zufällige Abweichung des Landeorts beim Wurf der Granate ermittelt und der sich daraus ergebende Abstand der Granate zum Ziel. Dieser schwächt Schadenswirkung der Granate ab, eventuell der Explosion widerstehende Wände reflektieren die Druckwelle und erhöhen damit den Schaden wieder. Alles Faktoren die vollkommen realistisch die Wirkung der Explosion beeinflussen, im Spiel aber zu komplexen Berechnungen führen, die gerade für Einsteiger schwer zu überschauen sind.
Insofern sollte man den Rat, den das Regelwerk in Bezug auf den Hintergrund des Spiels erteilt, auch auf die Spielmechanismen beziehen:
Um mehr zu erfahren, suchen Sie sich andere, die bereits Shadowrun spielen, und lernen sie von Ihnen.
Die Magieregeln wurden einer längst notwendigen Veränderung unterzogen und sind nun unabhängig von der Tradition und einheitlich – was es einfacher macht, neue regionale Traditionen einzubringen. Hacker und die neuen Technomancer folgen ebenfalls ähnlichen Regeln – wobei die Technomancer teils regeltechnische Anleihen von den Magiern haben. Insgesamt ergeben die Regeln damit ein rundes Bild, trotz einiger, teils ärgerlich komplizierter Ausnahmen.
Auch die Welt hat sich im Vergleich zu früheren Editionen stark verändert: Die Matrix ist kabellos geworden und die Unterscheidung zwischen Hackern (den früheren Deckern) und Riggern ist nur noch eine der Schwerpunktsetzung und keine strikte Trennung mehr. Also kein Grund mehr für den Hacker zuhause zu sitzen, wenn die anderen unterwegs sind ;-). Und zu guter Letzt die Technomancer – Metamenschen die ohne technische Hilfsmittel auf die Matrix zugreifen können – eine Art Magier der Matrix als neue Spielercharaktere. Viele Veränderungen…

Für Kenner der 4. Edition liegt das Augenmerk aber eher auf den Veränderungen, die seit der Fanpro-Veröffentlichung des Regelwerks vorgenommen wurden. Die Eindrucksvollste: Farbe!
Die Neuauflage besticht mit vollfarbigem und überarbeitetem Artwork – was neben der Tatsache, dass die teils bescheidenen Illustrationen der alten Auflage durch oftmals gelungenere neue Bilder ersetzt wurden, auch weitergehende Auswirkungen hat. Denn so wurde das weitere Layout ebenfalls einer gründlichen Überarbeitung unterzogen und die Lesbarkeit deutlich verbessert. Sei es, dass die Tabellen durch farbige Schattierung der Zeilen aufgeräumt wirken, sei es der deutlich vergrößerte Zeilenabstand, durch den es dem Auge deutlich leichter fällt den Zeilen zu folgen. Und auch die Überschriften sind endlich in sich konsistent – gleiche Gliederungsebene bedeutet auch gleiche Formatierung – übergeordnete Überschriften sind größer als untergeordnete. Kleinigkeiten, fast Selbstverständlichkeiten nur, die aber gerade im direkten Vergleich große Wirkung haben.

Inhaltlich halten sich die Veränderungen – verständlicherweise – in Grenzen: Neben der Einarbeitung sämtlicher Errata, ein paar kleinere Änderungen bei den Kampfregeln, Entzug sind vor allem die neuen Kurzgeschichten, die die Kapitel einleiten, die gründliche Überarbeitung des Matrixkapitels (mit verbesserter Verständlichkeit) und der ADL-Teil zu erwähnen. In guter Pegasus Tradition wurde auch das Shadowrun Grundregelwerk durch eigenes Material ergänzt – einer Zusammenfassung der Geschichte und des momentanen Zustands unserer Heimat. Hierbei besonders interessant die Überarbeitungen, die sich dabei im oft als übertrieben angesehenen ADL-Setting zeigen: Viel deutlicher als bisher tritt hervor, dass der Flickenteppich ADL tatsächlich durch ein zentrales Organ zusammengehalten wird, das Duellierszenario des Herzogtums Sachsen wird abgewickelt und auch sonst deutet sich an, dass einige der extremen Auswüchse wohl in naher Zukunft abgeschafft werden.

Natürlich sollte man bei all diesen Überarbeitungen nicht erwarten, dass sich keine Fehler eingeschlichen haben – bisher aufgefallen sind allerdings kleinere Rechtschreib- und Trennfehler (z.B. Arkologieb-locks), ein paar (!) wenige fehlerhafte Verweise, sowie eine fehlerhafte und eine fehlende Tabelle. Nichts Gravierendes also – vor allem da die Tabelle auf der Pegasus-Seite zum Download bereitsteht.

Summa summarum:
Die vierte Edition von Shadowrun ist eine, die viele alte, teils auch geliebte Zöpfe abschnitt und das System einer nicht immer behutsamen Renovierung unterzog. Dies wurde und wird kontrovers diskutiert, insbesondere bei Spielern, die Abschied nehmen müssen von geliebten Charakterkonzepten und das Auftauchen einer Art Matrixmagier mit Argwohn sehen. (Sie müssten eigentlich die besondere Paranoia verstehen, die Technomancern in der 6. Welt entgegenschlägt…) Daran ändert auch die jetzt erschienene Neuauflage des Grundregelwerks nichts.
Und trotzdem gab es nie einen besseren Zeitpunkt, um Shadowrun 4 eine (neue) Chance zu geben. Bedingt durch das rundum gelungene Layout und die zahlreichen Errata und Anpassungen liegt das Grundregelwerk nun endlich in der Form vor, die das System Shadowrun verdient. Und in einer Version, die mit €39,95 durchaus im preislichen Rahmen für Grundregelwerke liegt.
Shadowrun ist auch weiterhin kein einfaches System – dafür sind die Regeln zu komplex und die Welt zu vielseitig. Jedoch ist es auch ein faszinierendes System, eine Melange aus Fantasy und Cyberpunk und nicht umsonst eines der älteren Rollenspielsysteme auf dem Markt.
Dank Pegasus war es nie schöner in die Schatten einzutauchen als jetzt! Viel Spaß dabei!

Wer einen Blick auf Shadowrun und auf das Grundregelwerk werfen möchte – auf der Pegasus Shadowrun Seite finden sich neben anderem Material unter anderem Ausschnittsbilder und ein Heft mit Basisregeln:
Offizielle Shadowrunseite
Downloads
Vorschau
Mein Dank gilt an dieser Stelle Pegasus Spiele, die diese Rezension ermöglichten!

Eine persönliche Anmerkung sei mir zum Schluss noch erlaubt:
Leider nicht verändert wurde leider die Übersetzung eines essentiellen Regelbestandteils, den ich schon immer als äußerst hinderlich für das Verständnis empfand: Jeder Würfel, der eine 5 oder eine 6 zeigt, zählt als Erfolg. Spieler benötigen eine von der Schwierigkeit der Aufgabe abhängende Zahl von Erfolgen, um diese zu meistern (Umgebungseinflüsse wie z.B. Dunkelheit beeinflussen die Größe des Würfelpools, nicht die Zahl der benötigten Erfolge). Diese Zahl wird im deutschen als „Mindestwurf“ bezeichnet, im englischen als „threshold“. Auch wenn der Begriff Mindestwurf innerhalb des Regelwerks eindeutig ist, halte ich ihn deswegen für wenig gelungen, weil ich ihn automatisch mit dem Wert verbinde, den ich beim Würfelwurf erreichen muss, nicht mit der Anzahl der Erfolge. Ich hätte den Begriff der Schwierigkeit bevorzugt.
Wie gesagt, eine persönliche Anmerkung!
 
Zuletzt bearbeitet:

twilight

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AW: Shadowrun Grundregelwerk 4.Ed.

*g* und wie mir ein netter (und überaus stolzer ^^) Pagasus-Mitarbeiter auf einer kleinen Promotion-Aktion darlegte, ist das Papier von weit höherer Qualität, als das der alten Edition und das Buch viel schwerer (was tatsächlich stimmt. aber ob hohes Gewicht ein PRO ist, wenn man mit 10 kg Regelwerken zu seiner Rollenspielrunde tingelt, muss jeder für sich selbst entscheiden ;) )

Was mir persönlich gut gefällt am neuen System ist eine recht ausgewogene Chraktererschaffung. Auf den zweiten Blick glaubt man zwar ein paar Lücken zu finden, diese stellen sich allerdings als unterdurchschnittlich ausgeprägt heraus, wenn man es mal wirklich durchrechnet. Weit homogener als DSA beispielsweise ^^

Übrigens find ich den Begriff threshold durchaus angemessen. Es trifft den Punkt und ist imho ausreichend neutral, damit nicht sofort eine falsche Assoziation geweckt wird. Wobei das daran liegen kann, dass ich die Version 3.01 auf Deutsch hatte und die 4.01 auf Englisch ^^

Oh, ein letztes ...
Ich finde es seltsam, wie Pegasus die Abstimmung von Basisregeln und Erweiterungen handhabt. Sowohl bei Equipment (z.B. Handfeuerwaffen), als auch bei Magie (z.B. Adeptenkräfte) gibt es Dinge, die stehen nur in der Basis beschrieben, oder nur in der Erweiterung, oder aber in beiden. Ist ne Inkonsistenz, die ich nicht verstehen muss ^^

lg
twilight
 
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