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Shadowrun - Der Blick - Teil 1

Mein Name ist Reinaldo Sosa. Ich weiß nicht, ob meine Geschichte einzigartig ist, aber auf jeden Fall werde ich sie erzählen, da ich sie für bedeutsam halte.

Ich war elf – oder elfeinhalb, weiß ich nicht mehr so genau, damals war mir dieser Unterschied wichtig, heute hat es irgendwie fast keine Bedeutung mehr – Elfeinhalb also. Mit Elfeinhalb, mitten in den Sommerferien zwischen erster und zweiter Klasse Mittelschule – das sind fünfte und sechste Stufe für euch Wildgeflügel. Ja, ich meine Deutsche, ADLer halt, >Adler<, kapiert? Ich schreibe hier extra für euch Hochdeutsch. – Also nochmal. Im Sommer zwischen erster und zweiter Klasse beginnt die Welt um mich herum plötzlich anders auszusehen, nicht immer, nur wenn ich vor mich hinstarre, beim Nachdenken und so. Plötzlich sieht dann alles anders aus und ich sehe noch Dinge die vorher nicht da waren, andere Sachen verschwinden dafür. Naja, Verschwinden ist vielleicht nicht das richtige Wort, ich kann sie nur nicht mehr erkennen, so als würde ein grauer Film darüber liegen. So wie zwei von diesen Folien, die, wenn man sie aufeinanderlegt, entweder durchsichtig oder undurchsichtig sind oder ein buntes Muster zeigen, wenn man eine davon dreht. Polarisation, genau, so heißt das Zeug. Auf jeden Fall sieht die Welt dann plötzlich genau so aus, manches voll bunt, anderes Zeug grau oder gar nicht mehr erkennbar.

Hat mich total fertig gemacht, jedes Mal wenn das passiert ist. Hab Geschichten meiner Eltern gehört – meine Familie stammt aus Chile, aber sie mussten da weg, wären sonst getötet worden. Sind Mal hierhin mal dorthin geflüchtet, durften ja nirgendwo bleiben. Irgendwann sind sie dann in den Alpen hängen geblieben, Schneesturm und wasweißich, sind beinahe alle abgekratzt. In der Nacht als sie dachten sterben zu müssen, haben sich meine Eltern noch ihre Liebe gestanden und, naja, mich gemacht. Als sie aufgewacht sind, war der Sturm vorbei und Soldaten von der MET2000 haben sie aus den Schneemassen ausgegraben. Vor Dank haben sie sich beide gleich verpflichtet, haben ihnen mehr oder weniger ihr Leben verpfändet. – Die Geschichten auf jeden Fall, ja da ging es um Psychosen von Soldaten die den Verstand verloren haben, wegen dem ganzen psychischen Druck und so. Mit elfeinhalb war ich zwar noch kein Soldat, aber Schule ist jetzt auch kein Zuckerschlecken sag ich euch, erinnert euch doch Mal selbst daran. Ich hatte auf jeden Fall voll die Panik, dass bei mir ein Rad ab war also hab ich keinem was davon erzählt und versucht mir nichts anmerken zu lassen, wenn es wieder losging.

Das geschah dann auch immer häufiger, hat mir in der Schule ganz schön die Noten zusammen gehauen, wie soll man auch lernen oder arbeiten, wenn der Bildschirm plötzlich nur noch eine graue Scheibe ist. Zum Glück bin ich nicht blöd – ich weiß, mein Schreibstil ist keine Prosa, aber hat ja mit Intelligenz nichts zu tun, oder? – Aber so hab ich es durch die zweite Klasse geschafft, obwohl meine Leistungen deutlich abgetaucht sind. Hab auch ein paar neue Freundschaften eingebüßt, obwohl das weniger schlimm war, die meisten davon waren sowieso falsch, das hab ich irgendwie an den Farben gemerkt, also wenn ich wieder diese Sicht hatte. Im Endeffekt hatte ich meine vier Leute mit denen ich immer unterwegs war: Gregor Čtvrtník – hab ihn eben extra angerufen, damit er mir seinen scheiß Namen nochmal buchstabiert. – Dann noch Iva Geißler, Evelin Wolf und meinen zwei Jahre jüngeren Bruder Lino, der hat einfach immer zu mir gehalten. Und Mann, hatte der einen Stand auf Iva, furchtbar, jedesmal wenn wir unter uns waren, hat er von ihr gesprochen, und wenn wir zusammen waren ist er förmlich an ihr gehangen. Keine Ahnung, ob sie es gemerkt hat, Evelin hat es auf jeden Fall gepeilt und Gregor war’s eigentlich egal, der war eh auf Evelin aus.

Neben Lino hatte ich übrigens noch zwei weitere Geschwister, auch beide jünger als ich. Meine Eltern haben nach ein paar heftigen Einsätzen beschlossen, dass noch was geht, außerdem meinten sie, mit bald dreizehn kann ich ja wohl auf ein kleines Kind aufpassen wenn sie weg sind, ich hätte eine gute Menschenkenntnis haben sie gesagt – von meinem Blick wussten sie natürlich noch nichts, aber ich glaube Lino hatte damals schon eine Ahnung, dass mit mir was Spezielles los war. – Außerdem, so sagte meine Mutter, könne ja Lino das Kleine und mich Babysitten wenn ich wieder Mal von der Rolle war. Sie hat das als Scherz gesagt, hab mich aber furchtbar darüber aufgeregt. Das war der schlimmste Streit, den ich je mit meinen Eltern hatte, zum Glück war Lino da und hat die Wogen wieder geglättet. Lino hat mich immer rausgehauen, hat mich runtergebracht wenn ich mich aufgeregt habe, oder hat mich wieder in die Spur gebracht wenn ich mal nicht mehr wusste wohin. Ohne Lino wäre ich am Arsch gewesen.
 
Dungeons & Dragons 5 - Dunkle Feder - Teil 1 "3 Leichen"

Eine Tiefling-Frau liegt mit klaffender Kopfwunde am Boden, die verursachende Waffe, ein großer Stein, daneben. Einige Schritt entfernt, hinter einem Gebüsch, ein Menschenjunge mit einem Wurfspeer im Bauch. Direkt neben ihm ein Tiefling-Mann mit einer Schwertwunde in der Brust. Sie sind in dieser Reihenfolge gestorben.

Das Blut des männlichen Tieflings tropft noch heiß von der Waffe seines Mörders, einem menschlichen Mann, schwer atmend über ihm stehend. Die Ähnlichkeit mit dem Menschenjungen ist sichtbar, es war sein Sohn. Ein wenig hinter ihm steht seine Frau mit tiefer Trauer und Fassungslosigkeit im Gesicht.

„Er ... er ...“, stammelt sie. „Er hat es bereut.“

Der Mann wendet sich verwirrt zu ihr um. „Was?“

„Ich glaube ...“, sie schluckt. „Ich denke er wusste nicht, dass er ... er dachte nicht ... er dachte ... seine Frau ...“, sie blickt zu der toten Tiefling-Frau, zu dem blutigen Stein dann auf ihren toten Sohn. „Unser Sohn“, da bricht ihre Stimme und endlich kommen die Tränen. „Unser Sohn hat seine Frau getötet. Er wollte sie nur beschützen. Er dachte nicht, dass ein Junge ... UNSER Junge hinter dem Angriff steckt. Oh ihr Götter.“ Bei den letzten Worten geben ihre Beine unter ihr nach und sie lässt sich zu Boden sinken, birgt ihr Gesicht in den Händen.

Er sieht sich um, beginnt zu verstehen was seine Frau meint. „Er hat sich nicht gewehrt ... als ich ihm das Schwert ins Herz ... er hat es einfach hingenommen.“ Und dann entdeckt er die Bewegung. Halb unter der Tiefling-Frau begraben, rührt sich etwas. Der Mann geht hinüber und dreht die Leiche vorsichtig zur Seite. Darunter, ein Kind. Ein Tiefling-Mädchen, vielleicht sechs Wochen alt.

Er zeigt es seiner Frau, sie blickt zu ihm auf, und sie verstehen einander. „Der Krieg ist lange vorbei,“ sagt sie, immer noch schluchzend.

„... es wird Zeit, dass wir aufhören, zu hassen,“ setzt er fort.

„... und beginnen zu verstehen,“ schließt sie ab.
 
7te See - Die Como

Sie ist ein 2-Mast-Schooner, deren Stapellauf vor 41 Jahren in Kirkwall, in den Hochland Marschen Avalons, statt fand.

In Auftrag gegeben von meinem Großvater mütterlicherseits als Geschenk zum 23. Geburtstag für seine erste Tochter, übergab sie ihrerseits mir das Kommando zum 27. Geburtstag. Das Schiff war in meiner Kindheit und Jugend mein zweites Zuhause, und mittlerweile ist sie meine wahre Heimat geworden. Der Name stammt aus einer Geschichte, die seit Generationen in der Familie meiner Mutter erzählt wird.

Einst hauste in der Bucht, die heute als Banesidhe-Untiefen bekannt sind, eine alte Hexe die ein Seemonster als Haustier dort hielt. Das Wesen sollte die Meerjungfrauen bewachen, die der Hexe regelmäßig von ihrem Blut geben mussten um ihre Jugend zu erhalten, anderenfalls ließe sie das Monster auf die armen Wesen los. Ein Fischerdorf in der Nähe litt ebenso unter dieser Schreckensherrschaft, da sie der Hexe viel von ihrem Fang abgeben mussten, damit ihr Haustier ihre Boote nicht versenkte.

Eine Vorfahrin der Familie meiner Mutter fasste den mutigen Entschluss, dem Einhalt zu gebieten und schlich sich eines Nachts zu den Meerjungfrauen hinab um mit ihnen zu beraten. So konnte das Dorf mit diesen zusammen einen Plan ausarbeiten, und bald stahlen sie der Hexe die magische Kette, welche der Hexe die Macht verlieh, über das Seemonster gebieten zu können. Das Untier bemerkte dies natürlich sofort und lehnte sich gegen seine Peinigerin auf, ein furchtbarer Kampf entbrannte zwischen dem riesigen Wesen und der mächtigen Magiewirkerin. Das furchtbare Ringen der beiden peitschte die See auf, ließ den Meeresboden aufbrechen und brachte die Felsen der Küste zum Erzittern. Schließlich, mit einem letzten mächtigen Zauber, riss die Hexe das Monster in Stücke und sein zerfetzter Leichnam versank in den Fluten. Sie selbst aber lag, völlig erschöpft und im Sterben begriffen, im blutdurchtränkten Sand während ihr eigener Lebenssaft sich mit dem Meerwasser der wieder ruhiger werdenden See vermischte.

Die Meerjungfrauen kannten den Grund warum sie nicht altern hatte wollen – sie erfüllte ihren Schwur, ewig auf den Mann zu warten der sie einst mit dem Versprechen der Liebe hier zurück gelassen hatte. Jahrzehnte des Wartens und der enttäuschten Hoffnungen hatten sie mit Verbitterung erfüllt und verdorben, doch jetzt war sie frei und konnte endlich um ihren Verlust trauern. Noch heute ist sie zu hören, wenn die Ebbe die versteinerten Überreste des Seemonsters freigibt und der Wind ihr heulendes Klagelied zur Küste trägt.

Die Meerjungfrauen bedankten sich bei der meiner Ahnin, indem sie ihr die magische Kette überließen und ihr etwas von ihrer Magie beibrachten. Dieses Erbe wird bis heute weitergegeben und ein Stück der Kette findet sich am Bugspriet eines jedes Schiffes der Familie, um die Monster der Meere daran zu erinnern, dass wir einst eines der ihren befreit haben.

Eine dieser Meerjungfrauen hieß Como.
 
Shadowrun - Der Blick - Teil 2

Fabiana wurde im Winter geboren, kurz nach Neujahr. Sie war von Natur aus ruhig, aber vor allem wenn Lino bei ihr war. Irgendwie wusste er immer, wann sie etwas brauchte – er meinte, das hätte er meistens an mir gesehen. Ich hab voll nicht verstanden, was er damit meint und ihn anfangs dafür gehasst, dass er plötzlich so einen Mist redet, aber irgendwann hab ich dann kapiert, dass er immer dann eine seiner Ahnungen hatte, wenn ich Fabiana mit dem Blick gesehen habe. Ihre Farben verrieten mir stets etwas über sie, und Lino kannte mich wiederum so gut, dass er aus meiner Reaktion heraus erkannte was ihr gerade fehlte. Mutter hatte Recht gehabt, wir zwei waren perfekt geeignet, um uns um unsere kleine Schwester zu kümmern. Das war dann die Zeit, als ich begann, Lino von dem Blick zu erzählen. Ich werde nie den Ausdruck auf seinem Gesicht vergessen, mit dem er mir zugehört hat, als wäre ich sein ganz persönliches Wunder, sein größter Schatz, der Prophet seines Gottes. Und doch war er es, der mich dann weinend im Arm gehalten hatte. Unsere kleine dreijährige Schwester auf meinem Schoß, ich heulend an der Brust meines kleinen Bruders, und auch Fabiana hat sich an mich gelehnt und mich gestreichelt. Fast fünf Jahre hatte ich dieses Geheimnis mit mir herumgeschleppt, fünf Jahre in denen ich mich so allein gefühlt habe wie niemals davor oder danach, fünf Jahre Angst flossen aus mir heraus. Nach diesem Vorfall waren Lino und ich eine Einheit, und Fabiana unsere Mitverschwörerin. Irgendwie hatte sie es selbst mit ihrem bis dahin so kurzen Leben verstanden, dass diese Geschichte nicht aus unserem Kreis hinaus durfte.

Ich hab ja vorhin erwähnt, dass ich die zweite Klasse noch recht gut geschafft hatte – tja, in der Dritten ist das nicht mehr gegangen, also Ehrenrunde. Die hab ich dann mit Ach und Krach so geschafft, worauf meine Eltern mich dann doch Mal zur Rede gestellt haben, was denn mit mir los sei. Ich hab ihnen was erzählt von wegen, dass meine Augen vom Bildschirm und der AR-Brille immer so weh täten – ich konnte Leute recht gut anlügen, die Farben verrieten mir immer wie sie das aufnahmen, was ich gerade erzählte, also lernte ich daraus. – Sie meinten dann, dass die Lösung ja einfach wäre, ich sollte doch ein VR-Trodennetz benutzen. Ja klar, als wenn ich mir freiwillig so ein Teil auf die Birne pappen würde, dann wäre ich endgültig der Depp der ganzen Schule. Was wolle ich denn, hatte mein Vater mich gefragt, mir eine Buchse implantieren lassen? Das brachte mich zum Nachdenken. Eigentlich wollte ich genau das. Volle VR, keine Augen benutzen, dem Blick ausweichen. Ich sagte, ja. Sie haben stundenlang mit mir diskutiert, aber ich ließ mich nicht abbringen. Eine Datenbuchse würde das Problem ein für alle Mal lösen, dachte ich mir, und sagte das auch meinen Eltern, allerdings nicht mit der ganzen Begründung. Ich ging sogar so weit, gleich die Installation von Cyberaugen vorzuschlagen, aber damit war ich definitiv zu weit gegangen.

Einige Tage und viele weitere Gespräche später machten mir meine Eltern schließlich einen Termin. Wir hatten die Kohle zwar nicht so dick, aber damit ihr ältester Sohn in der Schule wieder besser mitkam, nahmen sie dieses Opfer in Kauf. Ich bin ihnen noch nie so dankbar gewesen. Die OP verlief gut und die Heilung auch, es war ein seltsames Gefühl, plötzlich etwas neues in meinem Kopf zu haben, das vorher nicht Teil von mir war. Erst nach ein paar Tagen fiel mir auf, dass seit der OP der Blick nicht mehr aufgetaucht war. Ich wusste nicht, wie ich mich damit fühlen sollte, ich war verwirrt, irgendwie hatte ich mich schon so daran gewöhnt, dass es mir jetzt sogar Sorgen bereitete, dass vielleicht etwas an meinem Hirn kaputt gegangen wäre. Lino war es auch aufgefallen, obwohl er zu dem Zeitpunkt noch gar nichts von dem Blick wusste, das war noch vor unserem Gespräch. Immer wieder versuchte ich mich in den Gefühls- und Gedankenzustand zu versetzen, der normalerweise den Blick verursachte – aber es kam nichts.
 
Dungeons & Dragons 5 - Dunkle Feder - Teil 2 "6 Jahre"

„Weiter erzählen, Papa!“ Das kleine Tiefling-Mädchen sieht ihn bettelnd an.
Mittlerweile kann er erkennen wo sie genau hinsieht, trotz der Tatsache, dass ihre smaragdgrünen Augen weder Iris noch Pupille haben. Er seufzt. „Aber Linda, ich muss jetzt los, das weißt du.“
„Dann komme ich mit“, sagt sie mit der Schlichtheit einer offensichtlichen Feststellung.
Er blickt sie an, beugt sich hinunter, die Hände auf die Knie stützend. „Du weißt das das nicht geht,“ sagt er ernst zu ihr.
Unsicherheit zeichnet sich auf ihrem Gesicht ab, ihre Eltern haben ihr erzählt, dass sie kein Mensch ist und die Menschen aus dem Dorf vor ihr Angst haben - nicht alle, aber viele. Sie zögert, aber schließlich fragt sie „warum?“
„Weil etwas fehlt.“ Die Antwort ihres Vaters kommt schnell und sicher, kein Zögern.
Ihre Miene hellt sich auf. „Biiiiiiitte, darf ich mitkommen?“, fragt sie und trippelt dabei auf dem Stand, ihre blasslila, leicht gelockten Haare tanzen um ihre leicht geschwungenen, sandfarbenen Hörner und baumeln um ihr Gesicht. Die dunkelvioletten Lippen verziehen sich zu einem breiten Grinsen, dass durch die spitzen Zähne in starkem Kontrast zu ihrer Fröhlichkeit steht, aber daran hat er sich auch schon gewöhnt. Ihre dunkle, rotbraune Haut verstärkt diesen Effekt zusätzlich, weshalb viele Dorfbewohner eher zurückschrecken, wenn sie lächelnd winkt.
Eine Zeit lang, hatte sie sich einen Spaß daraus gemacht, die Leute im Dorf damit aufzuschrecken, aber dem hatte ihre Mutter schnell einen Riegel vorgeschoben und ihr erklärt, warum es nicht nett ist, anderen Angst einzujagen – speziell nicht von ihr. Das hatte sie sehr verunsichert, aber ihre Eltern haben ihr auch erklärt, dass es nicht an ihr liegt, sondern daran was vor langer Zeit passiert ist. Zu den Details von >was vor langer Zeit passiert ist<, haben sich die beiden bisher allerdings nicht geäußert.
„Na gut, kleiner Bock. Aber keine Zauber-Spielchen, ok?“ Ihr Vater lacht und zerstrubbelt ihr die Haare zwischen den Hörnern.

Den Spitznamen >kleiner Bock< hatte sie von Dorfkindern erhalten um sie zu Ärgern, und ihre Eltern dann gefragt: „Was ist ein kleiner Bock?“ Nachdem sie die Erklärung erhalten und einen Moment verwundert nachgedacht hatte, hatte sie gefragt: „Ein Bock ist also ein Ziegen-Mann?“ Unsicher und besorgt hatten ihre Eltern nach einem kurzen Moment genickt. „Also: Ich bin ein Mädchen, aber die Dorfkinder nennen mich >kleiner Bock<, was eigentlich ein Mann ist,“ und dann war etwas passiert, womit ihre Eltern nicht gerechnet hatten. „Das ist lustig,“ hatte Linda gesagt und gelacht.
Bei ihrem nächsten Besuch im Dorf, als wieder einige Dorfkinder >kleiner Bock< nach ihr riefen, hatte sie sie ganz tief Luft geholt und laut gerufen: „MÄÄÄÄÄÄHHHH!!!“ Dieser Ruf war so laut aus ihr hervor geschallt, dass es geklungen hatte, als wäre es das wütende Meckern eines 5 Zentner schweren Ziegenbocks gewesen. Alle Dorfbewohner in der Nähe waren vor Schock erstarrt, und auch Linda hatte sich erschreckt die Hände vor den Mund geschlagen und ängstlich den Blick ihres Vaters gesucht.
Dieser hatte so reagiert wie immer, wenn sie etwas neues und völlig unerwartetes getan hatte. Sobald er den ersten Schrecken überwunden hatte, hatte er gefragt: „Was war DAS denn?“
Diese vertraute Floskel hatte ihre Anspannung sofort gelöst, hinter ihre Hände ein Schmunzeln gezaubert und schließlich hatte sie losgeprustet, sich auf den Rücken fallen lassen und vor Lachen am Boden gewälzt. Nicht lange und er hatte mit eingestimmt, aber sich schnell wieder gefangen, sie auf die Beine gezogen und immer noch lächelnd gesagt: „Na los, kleiner Bock. Lass uns nach Hause gehen, bevor sie den Hirten rufen um dich zurück in den Stall zu bringen.“
In den folgenden Tagen hatten ihre Eltern mit Linda ihre neu entdeckte Gabe der Thaumaturgie mit Hilfe von Büchern aus der Stadt erforscht, die ihr Vater regelmäßig für das Dorf besucht hatte. Linda hatte versprochen, dieses Talent nicht unbedacht einzusetzen.

„Woher kennt Papa eigentlich so viele Geschichten, Mama?“ Ihre Mutter sitzt neben ihr auf der Ladefläche des kleinen Pferdekarrens. Da der Vater vom Dorf aus gleich in die Stadt weiter reisen muss und Linda für den Heimweg alleine noch ein wenig zu jung ist, fährt Mutter immer mit.
„Er liest viel.“ Ihr Blick ruht auf dem Rücken ihres Mannes auf dem Kutschbock. Er spürt den Blick und zwinkert ihr über die Schulter zu. Nach all den Jahren, wird sie dabei immer noch rot, also dreht sie sich verspielt weg und stupst Linda an. „Und er erkennt die Geschichten hinter den Liedern, die ich dir wieder und wieder vorsingen soll.“
„He,“ protestiert diese halbherzig. „Ich will auch ... na das was Papa macht.“
„Viel lesen?“
„Ja, viel lesen.“ Linda fühlt die für sie neuen Worte neugierig in ihrem Mund und stellt fest, dass sie ihr gefallen. „Genau das will ich. Viel lesen.“ Und nach ein wenig Zögern. „Wie macht man das?“
Das bellende Lachen ihres Vaters vermischt sich mit dem glockenhellen ihrer Mutter. Linda liebt diese Momente, wenn sie ihre Eltern zum Lachen bringt, ohne zu wissen, warum. Es sind Momente der Freude und des Wunderns, voller Neugier und Zufriedenheit. In dieser Zeit ihres Lebens, sind das die Momente für die sie wirklich lebt.

Im Dorf angekommen, verabschiedet sich der Vater von Linda und ihrer Mutter. „In drei Wochen bin ich wieder da, sofern das Wetter mitspielt.“ Direkt danach, folgt Linda ihrer Mutter zur Dorfschule und in die Schreibstube der Lehrerin, wo die beiden Frauen sich über Lindas Bildung unterhalten.
„Sie wollen was von mir?“ Die Lehrerin scheint belustigt.
„Lesebücher. Für Kinder. Linda möchte lesen lernen.“ Ihre Mutter bleibt ruhig und freundlich.
Der Blick, den die Lehrerin, an der Mutter vorbei, Linda zuwirft ist zweifelnd und ein wenig geringschätzend. „Und ich soll ihnen die Bücher dafür geben.“ Es ist weniger eine Frage, als die Feststellung, dass eine solche Frage definitiv mit >Nein< beantwortet würde.
Die Mutter zuckt mit den Schultern. „Nun, sie können sie natürlich auch in die Klasse nehmen, wenn sie die Bücher nicht entbehren wollen.“ Sie dreht sich zu Linda um. „Würde dir das gefallen, Linda?“
Linda weiß, dass diese Möglichkeit nicht ernsthaft besteht, sie versteht schon viel, mit ihren erst sechs Jahren. Vor allem versteht sie, dass es langfristig nicht gut liefe, ginge sie mit den anderen Dorfkindern in eine Klasse. Aber sie weiß, was sich gehört und was ihre Mutter im Sinn hat. Es ist ein eingeübtes Spiel. Also lächelt Linda ihr kleines Mädchen Lächeln – ohne Zähne, versteht sich – und blinzelt ihr kleines Mädchen Blinzeln. Die Lehrerin verbirgt ihre plötzlich aufsteigende Panik gut, aber Linda kennt die menschlichen Reaktionen auf ihre Anwesenheit – und die Aussicht auf längeren direkten Kontakt – nur zu gut.
Eine Stunde später sind Mutter und Tochter, bepackt mit den notwendigen Einkäufen und sechs Lesebüchern, wieder auf dem Weg nach Hause.
 
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Eigene Welt - Die Legende von Bitterklipp

Einst lebte eine Jungfrau in einer kleinen Küstenstadt und verliebte sich in einen stattlichen, jungen Seemann. Die beiden gestanden sich ihre Liebe auf einer Felsklippe über der Hafenbucht. Schon zu bald aber ereilte den Seemann der Ruf seines Kapitäns, das Schiff würde bald auslaufen zu fernen Ufern. Sie schworen einander ewige Treue, dass sie bis zum Ende aufeinander warten werden, und trennten sich immer noch unschuldig.

Tage und Wochen und Monate gingen ins Land und wurden zu Jahren. Als drei Jahre vergangen waren, befing die Jungfrau der Verdacht, dass sein Schiff den richtigen Hafen nicht finden könne solange sie nicht von See aus zu sehen war. Also erbat sie sich die Hilfe der Bürger ihr eine Hütte auf der Felsklippe zu erbauen, auf dass sie jederzeit klar zu sehen sei sobald sich ein Segel am Horizont zeige. Da der Seemann im Ort doch recht bekannt und angesehen war, taten die Leute ihr diesen Gefallen und machten sich sogleich ans Werk. Sieben Wochen später stand nicht einfach eine Hütte, sondern ein solides Haus aus Stein und Holz, versehen mit einem Turm um noch weiter sehen zu können.

Ein weiteres Jahr verging, aber immer noch kein Zeichen von ihm war zu vernehmen. Der Seemann indes, hatte sich durch seine Taten ausgezeichnet und war befördert worden. In all der Zeit blieb er seiner Liebe treu, obschon sich die Weiber ihm an den Hals warfen und um seine Gunst buhlten wo immer er an Land kam. Er bekämpfte Piraten und Soldaten sowie auch das eine oder andere Seemonster mit außergewöhnlicher Tapferkeit, bis er schließlich das Kommando über sein eigenes Schiff erhielt. Natürlich wünschte er sich nichts anderes, als zu seiner geliebten Maid zurückzukehren, aber ein Krieg brach aus und er musste seine Pflicht erfüllen. Tugendhaft wie er war, beugte er sich dem Befehl und seinem Schicksal, denn genau dieses sollte ihn ereilen.

In einer furchtbaren Schlacht, in der er ein ums andere Mal seine Tapferkeit bewies, wurde sein Schiff von einer zahllosen Übermacht versenkt und er verschwand in den Fluten der See. Als seine Angebetete davon erfuhr, erfasste Bitterkeit ihr Herz, doch sie blieb standhaft und verwehrte sich gegen jegliche andere der zahlreichen Verehrer. Dies geschah im fünften Jahr. Sie gab die Hoffnung nicht auf er sei immer noch am Leben, denn seine Leiche war nie gefunden worden.

Der Seemann aber lebte einsam auf einer Insel, jeglicher Erinnerung beraubt wartete er darauf, dass er auf eine andere lebende Seele traf. An toten Seelen mangelte es dort nicht, denn er war an den Strand von Tuga gespült worden, der Insel der Rastlosen. Immer und immer wieder boten im die Toten einen schmerzlosen und einfachen Übergang ins andere Reich an, aber er lehnte stets ab. Er hatte es schließlich geschworen ... bis zum Ende ... was, wusste er allerdings nicht. Dies brachte ihm einen gewissen Respekt der Rastlosen ein, der sie dazu veranlasste, ihn mit allem zu versorgen was sie zu geben vermochten.

Im sechsten Jahr starb die Mutter der Jungfrau, die immer noch einsam und unverheiratet auf ihren Seemann wartete, umgeben von den Möwen, welche in den Spalten der Felsklippe hausten auf der ihre Hütte stand. Mit der Zeit hatte sie gelernt, die Sprache der Möwen zu verstehen und als ihre Mutter starb, bat sie die Vögel den Geist zu ihrem Geliebten zu tragen, auf dass ihre Mutter ihm ausrichten möge, dass sie noch da war und wartete. Die Möwen freuten sich über diese große Aufgabe und begaben sich auf die Suche nach dem Seemann. Es sollte ein weiteres Jahr dauern, bevor sie ihren Dienst beenden konnten.

Der Seemann saß einsam und hungrig, denn die Toten hatten nicht viel was sie geben konnten, am Strand als ihm eine große Ansammlung von erschöpften Möwen auffiel. Neugierig ob des ungewöhnlichen Anblicks, näherte er sich den Vögeln und erkannte alsbald eine durchscheinende Gestalt zwischen ihnen. Es war der Geist der Mutter seiner Geliebten, und sobald sie ihm die Nachricht ihrer Tochter ausgerichtet hatte, viel ihm plötzlich alles wieder ein. Mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mittel begann er damit sich ein Floß zu bauen und stach sogleich damit in See.

Am Ende des siebten Jahres, sieben Jahre nach der Begegnung der beiden Liebenden, erkannte er die Küste, deren Anblick er so lange ersehnt hatte. Im selben Augenblick sah auch die Jungfrau das zerfetzte Segel des Floßes ihres Geliebten und stürzte sofort hinaus um ihm zuzuwinken. Es schien als ob nun endlich das Glück der beiden sich erfüllen würde, doch eine Laune der Natur sollte es verhindern. Ein Sturm zog auf und warf das Floß auf die Riffe in der Bucht, die es seit jeher jedem Rudermann schwert machten, einen sicheren Weg zum Hafen zu finden. Die Jungfrau musste machtlos zusehen, wie das Gefährt ihres über Geliebten zerbarst und den tapferen, treuen, jungen Seemann abwarf. Die nächste Welle begrub den Armen unter sich und bohrte ihn in den Grund wo er elendiglich ertrank.

Darauf erhob sich das Wehklagen der so um ihre Liebe betrogenen Jungfrau und sie weinte gar bittere Tränen. So bitter, dass diese sich durch Erde und Fels gruben, bis hin zur salzigen See, und als sie diese erreichten, barst ein Teil der Felsklippe und riss die Jungfrau mit sich in die Tiefe. Der Fels zerbrach aber nicht, sondern fiel in einem Stück auf die Riffe, sodass sie einen langen und breiten Steg bildeten, auf dass niemals wieder ein Schiff durch die Untiefen segeln musste. Der Hafen und das Dorf sollten fortan "Bitterklipp" genannt werden ... und das Haus der Jungfrau steht immer noch, direkt an der Kante der Felsklippe wo sie in die Tiefe gestürzt war.
 
Shadowrun - Der Blick - Teil 3

Erst als die Schule wieder begann ging es von Neuem los, genau genommen nach meiner ersten Stunde mit VR. In dem Moment als ich mich ausloggte, drehte sich alles um mich herum, ein bunter Wirbel an Farben, aufgewühlt und wütend, prügelte auf mich ein, dass ich vom Stuhl rutschte. Als ich wieder klar sehen konnte, also ohne Farben, bis auf die normalen halt, stand die halbe Klasse über mich gebeugt da und starrte mich an. Der Lehrer schob sich durch die Gaffer und schickte mich zur Schulärztin, aber die konnte auch nichts weiter sagen, als dass ich bei den nächsten VR-Gängen meine Reaktionen beobachten und ihr berichten soll. Das hab ich dann auch gemacht und es gab eigentlich nichts Großartiges zu berichten, da so etwas wie beim ersten Mal nie wieder vorkam. Aber der Blick, der war wieder da. Davon erzählte ich natürlich nichts.

Als ich das Gespräch mit Lino hatte, war ich schon in der Einschulung für die MET2000. Gregor, Iva und Evelin waren schon letztes Jahr dorthin, sie waren schließlich nicht sitzen geblieben, und ich wollte wieder bei ihnen sein. Lino sagte, er würde das auch machen. Sei nicht blöd, hab ich gesagt, aber er schubste mich nur und meinte, irgendwer müsse ja dafür sorgen, dass ich wieder in die Spur komme, nicht auszudenken, was ich ohne ihn mit einer Waffe in der Hand alles anrichten könnte. Ich subste ihn zurück und daraus wurde die wohl wildeste und lustigste Prügelei, die wir je miteinander hatten. Zuerst wollte ich zur Matrix-Division, weil ich da die meiste Zeit in der VR verbringen und so dem Blick ausweichen könnte, aber aufgrund meiner „mangelhaften schulischen Leistungen“ und dem „einmaligen aber besorgniserregenden Vorfall“ beim Ausloggen damals, fiel ich aus der Wertung raus. Tja, Scheiße. Sie ließen mich also die üblichen Eignungstests und Trainingsstufen durchlaufen, die man im Einschulungsjahr neben dem ganzen Militärdrill so macht, und natürlich fiel da auf, dass ich Dinge wahrnahm, die andere übersahen.

Ich wurde der magischen Division zur Prüfung überstellt und die haben echt einigen schrägen Scheiß mit mir durchexerziert. Ich hatte danach monatelang Albträume. Glaubt mir, wenn ihr Magier schon einfach so unheimlich findet, dann wollt ihr nie auf deren Prüfungsstand landen. Die Hölle sag ich euch. Seit dem hab ich echtes Mitgefühl für Laborratten. Schlussendlich ließen sie mich wieder gehen und meinten, außer einem minderen Talent der Astralsicht hätte ich keinerlei nennenswerte magische Kapazitäten. Na schönen Dank auch, echt aufbauende Worte, die verstehen es echt, einem das Gefühl zu geben, ein wertvolles Mitglied der Truppe zu sein. Pisser. Aber wenigstens hatte ich jetzt einen Namen für meinen Plagegeist: Astralsicht.

Als ich Lino davon erzählen wollte, stellte ich fest, dass wir Besuch hatten. Gregor, Iva und Evelin waren vorbeigekommen und Gregor grinste mich von einem Ohr zum anderen an. Kurz darauf war mir klar, warum, denn er war das, was man einen Magieradepten nannte, also sowas wie Karl Combatmage, nur in echt und weit nicht so cool. Für die Meldung hat er mir einen Tritt verpasst, aber die anderen haben alle gelacht, also lachte er schließlich auch. Wir waren endlich wieder alle zusammen. Im nächsten Jahr trat auch Lino in die MET2000 ein, und noch ein Jahr später wurde mein jüngster Bruder Carlito geboren.

Die Jahre gingen ins Land, die Offiziere bemerkten den starken Zusammenhalt zwischen uns fünf und steckten uns in die gleiche Einheit, deren Kommandantin ließ uns sogar gelegentlich Übungseinsätze als kleines Team absolvieren. Wir alle, außer Gregor, bekamen einen Smartlink als Einstiegsgeschenk in die aktive Truppe. Wieder war der Blick – ich nennen die Astralsicht immer noch so, auch wenn Gregor mich dafür immer aufzieht – er war wieder weg, und kam mit den gleichen Begleiterscheinungen wieder zurück. Von meinem ersten Sold ließ ich mir Cyberaugen mit Restlicht und Thermalsicht verpassen, natürlich mit Firmen-Diskont. Lino war dagegen, Gregor auch, Iva und Evelin meinten, es sei verdammt nochmal meine Entscheidung. Mittlerweile wussten sie alle, was der Blick in mir hervorrief, ich konnte mich daran einfach nicht gewöhnen, es machte mir immer noch eine scheiß Angst. Nach dieser OP war der Blick lange weg und Gregor war sauer, er meinte, ich hätte einen Teil meiner selbst weggeworfen, ich sagte ihm, er könne mich am Arsch lecken. Lino war zwar auch nicht glücklich mit meiner Entscheidung, aber er stand trotzdem zu mir, und schließlich fand sich auch Gregor damit ab. Sechs Monate später, bei einem Schultreffen von Ehemaligen, kam der Blick wieder – und er war stinkwütend. Danach betrachtete mich Gregor mit Mitgefühl und neuem Respekt, denn er war direkt neben mir gestanden und erzählte mir, dass er richtiggehend gespürt hätte, wie sich etwas auf mich gestürzt hatte.
 
Dungeons & Dragons 5 - Dunkle Feder - Teil 3.1 "9 Märchen"

Linda lernt schnell. Sobald sie die Buchstaben beherrscht, arbeitet sie sich ein ums andere Mal durch die Lesebücher, bis sie sie auswendig kennt. Ab diesem Moment ist kein geschriebenes Wort mehr vor ihr sicher und bald schon beginnt sie zu erkennen, dass die Schrift der Gemeinsprache nicht die einzige ist die es gibt. Manche Bilder in den Lesebüchern zeigen seltsame Zeichen auf Gegenständen, Wänden und Türen, manchmal sogar auf Rüstungen fremdartiger Wesen, die in den Büchern Elfen und Zwerge genannt werden. Nachdem es sich bei all diesen Geschichten mit den betreffenden Bildern um Märchen handelt, fragt sie ihre Eltern gezielt danach.
„Aber Kind, ich habe dir doch immer wieder Märchen vorgesungen“, sagt ihre Mutter darauf.
„Ja, ich weiß. Aber ich habe keine Bilder dazu.“
Das macht die Mutter stutzig. „Bilder? Wieso Bilder?“
Darauf hin zeigt Linda ihr, wonach sie sucht. „Hier. Das sind doch Buchstaben, oder?“
„Ähm“, macht ihre Mutter ratlos. „Das ... das weiß ich eigentlich nicht. Ich meine, ja, ich nehme es an, aber ... das sind Zwergenrunen. Keine Ahnung, ob das Buchstaben oder Worte oder ganze Sätze sind.“
Diese Ideen sind neu für Linda, und was ihr Kopf damit anstellt, bringt sie ein wenig aus dem Konzept. „Ganze Sätze?“
„Tja, da habe ich wohl wieder eine Tür aufgestoßen.“ Ihre Mutter kenn diesen Gesichtsausdruck, wenn ein Gedanke den nächsten jagt. „Ich werde deinen Vater fragen, ob er dir dazu was zum Lesen besorgen kann. Er fährt ja bald wieder in die Stadt.“

Und so beginnt Linda damit, Märchen zu studieren und nach Hinweisen auf andere geschriebene Sprachen zu durchforsten. Diese Nachforschungen verlaufen allerdings nicht immer zu ihrer Zufriedenheit, da sich die Schreiber derselben gerne um Fakten herumschleichen, ohne je auf diese einzugehen.
„Wie, bei den Göttern noch einmal, soll man eigentlich eine Sprache lernen können, wenn jeder nur darüber schreibt, wie sie klingt. Märchen sind blöd.“
Diese Beschwerde quittiert ihr Vater mit einem Schulterzucken. „Was soll ich dir sagen, kleiner Bock. Ich hab's versucht. Aber die Predigt, die mir der Bibliothekar gehalten hat, wer oder was ich nicht sein müsste, damit ich überhaupt das Recht hätte, nach zwergischen Übersetzungen zu fragen ...“, eine wegwerfende Handbewegung beendet den Satz.
„Jaaaa, ich weiß. Aber das ist soooo frustrierend.“
Er lacht kurz bellend auf. „Frustrierend? Ich bitte dich. Du hast aus einem halben Dutzend Märchen mehr Informationen zusammengetragen, als irgendein Schreiber den ich je kennen gelernt habe aus allen Büchern seines Lebens.“ Dann lehnt er sich vor und seine Miene wird sehr ernst und vibriert vor Bewunderung. „Linda ... du kannst zwergisch.“
Oberlehrerhaft hebt sie den Finger und reckt das Kinn ein wenig vor. „Ich kann ein PAAR Runen LESEN ...“
„Du. Kannst. Zwergisch“, unterbricht er sie. „Und das mit nicht einmal acht Jahren. Durch Kindermärchen.“
„Jaaa. Aber ich ...“
„Nichts >aber ich<. Nimm dir einfach mal die Zeit, und sei stolz auf dich selbst.“ Damit lehnt er sich vor und küsst sie auf die Stirn, direkt zwischen den Ansatz ihrer Hörner. „Und jetzt geh schlafen. Ich bringe dir das nächste Mal neue Schriften mit, dann kannst du dein Glück auf ein Neues versuchen.“
 
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Eigene Welt - Die billigen Mönche

Die billigen Mönche haben sich aus den Unruhen lokaler Aufstände gebildet, die gegen die Gründung und den Einfluss der RüHGe (Rassenübergreifende Handels-Gesellschaft) protestiert hatten. Als Zeichen des passiven Widerstandes gegen die totalitäre Reglementierung der Politik durch die Wirtschaft, gründete sich ein Mönchsorden, der anbot, jede Art von Dienstleistung um jeden Preis zu leisten. Allerdings legten diese Mönche auch ein Gelübde ab, ohne Bezahlung wirklich GAR NICHTS für andere zu tun, wodurch es nicht möglich ist die Fähigkeiten eines einzelnen Mönches zu erfahren, bevor man diesen angeworben hat. Die Fähigkeiten der billigen Mönche reichen von einfachen Dingen bis hin zu legendären Taten. Gerüchte behaupten, dass jeder Mönch sich entsprechend der Bezahlung und des Anwerbers entscheidet, was er kann und tut.

Eine Legende erzählt von einem billigen Mönch namens El’Vinn (obwohl die Mönche niemals Namen nennen, was den Wahrheitsgehalt der Geschichte in Frage stellt). El’Vinn befand sich auf dem Meer und trieb auf einem selbstgebauten Floß dahin, als zwei Schiffe in Sicht kamen. Der Kapitän des vordersten Schiffes entdeckte den Mönch und holte diesen an Bord. „Ehrwürdiger Mönch“, sprach er, „wir befinden uns auf dem Weg, eine Bande grausamer Piraten aufzuhalten, die unser Dorf bedrohen, unsere Frauen entführen und unsere Kinder versklaven. Wir sind nur wenige kampffähige Matrosen und werden dieses Vorhaben nicht überstehen, aber wir sind verzweifelt, und lieber opfern wir uns, um die Piraten zu töten, als wie Schafe darauf zu warten geschoren oder geschlachtet zu werden. Wir haben alles Schwarzpulver und Seefeuer geladen, dessen wir habhaft werden konnten, und werden die ganze Ladung zünden, sobald die Piraten uns Entern, damit wir möglichst all ihre Schiffe mit in die Tiefe reißen mögen.“

El’Vinn hörte schweigend und ungerührt zu, denn noch hatte er keinerlei Bezahlung erhalten. Der Kapitän fuhr fort: „Für dieses Vorhaben benötigen wir allerdings nur ein Schiff. Ich biete Euch das andere Schiff und alle seine Vorräte und Ladung bis auf das Schwarzpulver und das Seefeuer als Bezahlung an, wenn ihr dafür sorgt, dass unseren Leuten im Dorf kein Leid droht, falls wir versagen sollten. Wir stellen Euch auch die Mindestbesatzung für die Rückreise zum Dorf zur Verfügung, sie werden sogar ihr eigenes Essen mitbringen … denn wir benötigen nicht mehr viel Nahrung, dort wo wir hinsegeln.“ Das Geschäft wurde mit einem Handschlag und einem Nicken besiegelt, die Ladungen wurden entsprechend verteilt und die Schiffe trennten sich – das Schiff El’Vinns in Richtung des Dorfes und das Brandschiff (denn nichts anderes war es nun) in Richtung seines letzten Gefechts.

Die Krieger des Dorfes kämpften tapfer und es gelang ihnen, die Hälfte der Piratenflotte in Brand zu setzen, allerdings sanken nur zwei davon – kein einziger der Dorfkrieger überlebte. Die Piraten aber, wütend darüber, dass sie von den Dorfleuten angegriffen und ihnen mit diesem hinterhältigen Anschlag zwei Schiffe und über hundert Männer genommen wurden, sannen auf Rache. So nahmen sie sich nur genug Zeit, die schlimmsten Brandschäden an ihren Schiffen zu beseitigen, und brachen sodann auf, das Dorf in Schutt und Asche zu legen. Am Morgen des siebten Tages nach der Verzweiflungsschlacht, kamen die Piraten in Sichtweite des Dorfes – nur dass kein Dorf mehr da war.

Dort, wo sich das Dorf hätte befinden sollen, stand stattdessen der größte Kriegertempel der göttlichen Richterin, den die Welt je gesehen hatte. Die Piraten waren verwirrt und wollten ihren Augen nicht trauen, so dachten sie zu spät daran, ihren Kurs zu ändern. Die Feuerluken des Tempels öffneten sich und spieen der Piratenflotte eine Ladung aus Tod und Verderben entgegen. Die Schiffe, die durch den vernichtenden Beschuss nicht sofort pulverisiert wurden oder sanken, wendeten sofort und traten die Flucht an. Jedoch gab es nichts, wohin sie fliehen hätten können, denn hinter ihnen befand sich eine Flotte aus Tempelschiffen und erledigte den Rest der Piratenflotte.

Nur einzelne Piraten, nämlich jene, die erst seit Kurzem bei der Flotte waren und noch keinem der Überfälle auf das Dorf beigewohnt hatten, überlebten und wurden von den Wellen an verschiedene Stränden gespült. So verbreitete sich die Geschichte und viele Leute brachen auf, den sagenhaften Kriegerempel auzusuchen – aber er sollte nie gefunden werden. Nur das Dorf fand man, wo man weder von einem Angriff der Piraten noch von einem Kriegertempel wusste. El’Vinn aber befand sich im Dorf und erledigte gelegentlich Aufgaben für die Dorfbewohner, wofür sie ihm jederzeit Unterkunft und Nahrung gaben. Viele sagen, dass sich die Piratenflotte wahrscheinlich nur verfahren hatte und die Berichte der Überlebenden maßlos übertreiben, aber manche behaupten, dass El’Vinn einen mächtigen Zauber über das Dorf gelegt hat, der es im Falle einer Bedrohung in diesen mächtigen Tempel verwandelt – allerdings hat das bisher noch niemand ausprobiert. Der billige Mönch blieb bis zu seinem Tode in dem Dorf – zumindest sagt man das, niemand hat seinem Tod beigewohnt oder je seine Leiche gesehen.
 
Shadowrun - Der Blick - Teil 4

An dem Tag als meine Eltern starben, waren wir alle im gleichen Einsatz, als Teil eines Spähtrupps der die feindlichen Stellungen auskundschaften sollte. Was wir nicht wussten war, dass der Feind eine doppelte Stellungslinie errichtet hatte, eine getarnte mit strategisch platzierten MG- und Mörser-Nestern, und eine noch besser getarnte, die hufeisenförmig um die erste herumlief. Damit hatten sie alle unsere Spähtrupps und die Vorhut der Hauptstreitmacht schon eingekesselt, bevor wir überhaupt wussten, dass sie da waren. Meine Eltern und ihre Einheit befanden sich im Zentrum des Rückzugsgefechts, weniger als die Hälfte der Vorhut schaffte es hinaus, von den Spähtrupps nur knapp mehr als ein Viertel. Wir hatten noch Glück, aber zu einem dennoch hohen Preis. Eine der ersten Salven erwischte drei von uns, einer war sofort tot, richtiggehend zerfetzt vom Kugelhagel, ein weiterer wurde schwer verwundet und Lino erlitt einen Kopftreffer und ging zu Boden. Er fiel um wie ein Sack. Ich rastete total aus, aber irgend jemand hielt mich zurück und warf mich zu Boden. Iva brüllte mir etwas ins Ohr, erst beim zweiten Mal begriff ich ihre Worte. „Sag uns wo die Schweine sind, Reinaldo“, verlangte sie, „benutze den Blick, verdammt.“

Und zum ersten Mal tat ich es bewusst. Ich gab die paar Positionen bekannt, die ich entdecken konnte und sie delegierte das Feuer unserer handvoll Leute. Während dessen war Evelin zu Lino und dem anderen Verwundeten gerobbt und zu zweit zogen sie meinen bewusstlosen und blutenden Bruder in Deckung. Gregor beherrschte auch einen Heilzauber und kümmerte sich sofort darum, Linos Leben zu retten ... wie vom Feind erwartet. Der Schuss des Scharfschützen riss ihm den rechten Arm fast vollständig ab, reines Glück, dass er nicht in die Brust getroffen worden war. Mit unserem Magier schwer verwundet, rückte der Feind vor, aber wir hatten uns bereits vor Beginn des Gefechts auf dem Rückweg befunden. Es dauerte gefühlt eine Ewigkeit, aber wir schafften es aus der Umklammerung raus, jedoch nicht ohne weitere drei Leute zu verlieren und einen weiteren schweren Verwundeten. Von unserem 12-Mann-Trupp kamen also vier nicht wieder zurück und jeder musste ins Lazarett, Gregor für mehrere Wochen, Lino für ganze 9 Monate. Unsere Eltern kamen auch nicht wieder. Ihre Leichen wurden der MET2000 zusammen mit den anderen Gefallenen nach einem Jahr überstellt.

Carlito war erst acht. Fabiana dreizehn. Für sie war der Verlust unserer Eltern schlimm, aber Carlito – er hat uns nie verziehen. Wir hätten die Stellungen entdecken müssen, wir sind Schuld am Tod unserer Eltern. Lino konnte sich zum Teil wieder mit ihm versöhnen, schließlich war auch er fast gestorben, er sitzt jetzt im Rollstuhl und ist Kriegsrentner, aber ich blieb gebrandmarkt. Lino lächelt nur noch mit den Augen, aber ich laufe noch auf meinen zwei Beinen und kann sprechen und im Stehen pinkeln. Dennoch bringt er es fertig, mehr zu sagen, als ich je könnte. Lino ist unglaublich stark, der Stärkste von uns allen.

Gregor bekam einen neuen Arm. Keinen aus Chrom, das hätte seine Magie zu sehr gestört, und seine Magie war mächtig, schließlich hatte er trotz der schweren Wunde weitergemacht und die Feinde auf Abstand gehalten. Er sagte, er hätte Geister benutzt, und ich glaube ich habe sie sogar gesehen. Furchterregende Dinger aus Farbe und Wut, die sich auf die gegnerischen Soldaten gestürzt haben. Dagegen war das, was dem Kameraden neben Lino passiert war noch gnädig gewesen. Alle die vorne dabei waren haben an diesem Tag Narben davon getragen, nicht nur am Körper. Aber ich hatte noch zusätzliche Narben, denn ich habe etwas gesehen, was ich eigentlich nicht hätte sehen können sollen. Magier, Adepten mit Astralsicht und Leute wie Gregor wurden auf sowas vorbereitet, die bekamen Training für solche Fälle. Aber einem wie mir hatte niemand was beigebracht das mich auf all diese Anblicke vorbereitet hätte. Ich war ihnen schutzlos ausgeliefert gewesen. Ebenso all dem, was ich beim Begräbnis gesehen habe. Ich wollte das nicht mehr sehen. Ich war fertig mit der astralen Welt. Fertig mit dem Blick.
 
Dungeons & Dragons 5 - Dunkle Feder - Teil 3.2 "9 Märchen"

Ein paar Tage vor Lindas neuntem Geburtstag wacht der Vater unerwartet in der Nacht auf. Er weiß nicht was ihn geweckt hat aber er spürt sofort, dass jemand im Raum ist. Nach der kurzen Verwirrung des Halbschlafes direkt nach dem Erwachen, erkennt er einen Schatten am Fußende des Ehebettes. Ein Schatten aus Alpträumen und den finstersten Ängsten, gekommen um ihn heimzusuchen und ihm alles Böse, dass er in seinem Leben verbrochen hat, in Rechnung zu stellen. Die kalte Hand der Furcht erfasst sein Herz und droht zuzudrücken und ihm die Seele aus dem Leib zu pressen. Dann erscheinen Lichter, genauer gesagt überzieht ein bunt leuchtendes Schimmern alles im Raum und enttarnt damit auch den Eindringling.
Linda.
Man sollte meinen, die Erkenntnis, dass es sich um seine Tochter handelt beruhigt ihn, doch etwas an ihrem Blick lässt die Panik des Nichtwissens sich verwandeln in jene des Wissens. Sie weiß es. Sie weiß was sie ist. Oder zumindest ein Teil von ihr.
„Was bin ich?“ Ihre Stimme ist ein Flüstern, aber dabei so durchdringend, dass ihm die ganze Wärme des Körpers aus den Gliedern zu fahren droht. „Was habt ihr getan? Was habt ihr bekommen? Was war der Preis?“
„Linda ...“
„Ist das mein Name?“
„Ich ... wir ... das ... das ist der Name, den wir dir gaben, als wir dich aufnahmen.“
Neben ihrem Vater rührt sich die Mutter, schlägt die Augen auf und schrickt hoch. „Was ... ihr Götter ... Samuel, was geschieht hier?“ Dann fällt auch ihr Blick auf Linda. „Mein Kind.“
„Bin ich das?“
„Nicht unser leibliches, nein.“ Samuel hat sich ein wenig fassen können, obwohl immer noch Angst aus seinen Augen spricht. Aber nicht mehr allein die Angst vor Dunklem, sondern eine andere, vom Herzen kommende Angst. Die Angst vor Verlust.
„Erzähle mir eine Geschichte. Vater.“ Die Pause vor der unvertrauten Anrede ist ein präziser Stich. „Erzähle mir MEINE Geschichte.“
Resignation nimmt von seiner Haltung Besitz und er seufzt, atmet tief ein, seufzt erneut. „Ja. Du hast recht. Es ist schon überfällig. Bitte verzeih mir, mein Kind.“ Dann erzählt er. Von der Reise, von dem Sohn, von dessen und seiner eigenen Tat, von Lindas Eltern und von dem gemeinsamen Beschluss mit seiner Frau.
„Ich bin ein Ersatz?“ Eine furchtbare Mischung aus Enttäuschung, Schmerz und Wut schwingen in ihrer Stimme.
„NEIN.“ Die Mutter schreit fast. „Nein. Aber nein. Kein Ersatz. Niemals.“
Linda Blickt zwischen ihren Eltern hin und her. Abwartend, forschend.
„Du bist ...“, Samuel sucht nach Worten.
„Du bist du.“ Ihre Mutter sieht sie offen an. „Du bist Linda Bóthildr. Und diesen Namen gaben wir dir, in der Hoffnung, dass wir damit ein Zeichen setzen können.“
„Ein Zeichen?“
„Dass wir stärker sein können als unsere Ängste. Dass wir andere nicht aufgrund unserer eigenen Vergangenheit verurteilen, und niemanden aufgrund der Taten ihrer Ahnen verdammen.“

Linda bleibt stumm und studiert die Gesichter der Menschen, die sie ihre Eltern nennt. Das unnatürliche Leuchten verblasst langsam und der Raum sinkt zurück ins Dunkel. Allerdings nicht ganz, denn draußen bricht bereits der Tag an.
„Linda?“ Der Ton ihrer Mutter ist vorsichtig. Erst als ihre Tochter sie ansieht, traut sie sich, weiter zu sprechen. „Sag, wie hast du es erfahren?“
Als Linda nicht reagiert, fürchten beide, dass sie sie für immer verloren haben. Doch dann lässt sie ihren Blick auf ihre Hände sinken, und erst da entdecken die Eltern, dass Linda etwas fest umklammert hält. Genauer gesagt, sind es zwei Schriftrollen, und eine davon wirft sie aus das Bett. Der Vater blickt unsicher darauf, beugt sich dann vor, nimmt sie und rollt sie auf. Da das Licht nicht ausreicht, um etwas zu erkennen, entzündet die Mutter schnell eine Kerze. Und jetzt erkennt er, was er da in Händen hält.
„Das ist doch nicht etwa ...“
„Mein zwergisches Wörterbuch, zumindest der Anfang.“
Auch die Mutter betrachtet blinzelnd die Aufzeichnungen ihrer Tochter. „Wann ... wie ... woher?“
Daraufhin verlässt Linda ihre Position am Fußende und nähert sich langsam der Seite ihrer Mutter. Zögernd reicht sie ihr eine weitere Rolle Pergament. „In diesem Märchen wird von einer großen Schlacht erzählt“, beginnt sie leise. „Einer Schlacht zwischen den Menschen und den Zwergen auf der einen Seite ...“
„Und den Teufeln der Unterwelten auf der anderen“, beendet Samuel den Satz.
Linda nickt. „Auf der Rückseite steht die Version der Zwerge in ihrer eigenen Schrift. Verblasst, fast nicht erkennbar ...“
Ihre Mutter blickt sie fassungslos an. „Aber du hast alles entziffert?“
Schuldbewusst weicht sie den Blicken ihrer Eltern aus. Aber sie erkennt auch Bewunderung in deren Gesichtern, also beisst sie sich auf die Oberlippe und nickt schließlich „Irgendwie ... konnte ich plötzlich alles lesen.“ Die Mutter stupst ihren Mann mit dem Ellenbogen an, und gemeinsam rücken sie ein wenig zur Seite. Linda zögert kurz, klettert aber schließlich zu den beiden ins Bett und kuschelt sich auf Mutters Schoß.
Eine Zeit lang spricht niemand ein Wort. Die Eltern halten Linda nur und streichen ihr über Haare und Schultern. „Nie wieder lügen“, murmelt Linda schließlich.
„Versprochen“, flüstert ihre Mutter.
„Versprochen“, wiederholt Samuel.
Kurz darauf schläft sie ein.
 
Dungeons & Dragons 5 - Der Kobold der Geschichte schrieb - Teil 1

Fajik Rovuku ist ein Hundezüchter in der Nähe von Tiefwasser und hat in seinen 65 Jahren schon einiges gesehen, aber nichts kam an diese eine Sache heran, die ihm vor 31 Jahren passiert war. Das war der Tag, als er Nurdass traf ... ein Wesen, dass ihn mehr als einmal überraschen würde.

Damals hatte noch sein Vater die Leitung des Ladens inne, aber er durfte schon viele Aufgaben eigenständig erledigen. So auch Training und Pflege der neuen Welpen und die Betreuung der Fähe, die diese geworfen hatte. Er sah es als seine Aufgabe an, die Tiere vor allem zu beschützen, was ihnen gefährlich sein könnte, also auch vor Ungeziefer und gefährlichen Räubern. Man kann sich seine Reaktion vorstellen, als er eines Tages, zwischen einem halben Dutzend frisch geworfener Welpen, auch eine winzige Echse an den Zitzen einer der Fähen hängen sah. Durch die braunen Schuppen war es ihm nicht sofort aufgefallen, aber dann machte er sich sofort daran, dieses Wesen schnellstmöglich zu entfernen. Aber die Fähe fletschte ihre Zähne und knurrte ihn an, bevor er dem Tierchen auch nur nahe kommen konnte. Die Tiere kannten und vertrauten ihm, normaler Weise gab es nie eine so heftige Reaktion, wenn er sich einem frischen Wurf näherte – dumpfes Knurren als unterschwellige Warnung ja, aber so etwas noch nie. Es schien, als wüsste sie genau, was er vorhatte und wollte dies um jeden Preis verhindern. Sein Blick ging nochmal zu der Echse, diese schien den Tieren kein Leid zuzufügen und auch sonst kein Problem zu bereiten. Vorerst zumindest nicht. Fajik beschloss also, die Situation erst einmal nur zu beobachten.

Tage vergingen, nichts außergewöhnliches fiel vor, zumindest, wenn man davon absah, dass ein kaltblütiges Reptil sich mit lauter Doggenwelpen an den Milchdrüsen der gleichen Fähe gütlich tat. Mittlerweile wusste auch Fajiks Vater Bescheid und hatte die Entscheidung seines Sohnes zwar missbilligt aber akzeptiert. Außerdem wussten sie zu der Zeit auch schon, dass es sich bei dem Wesen um einen Kobold handelte, kein ausgewachsener Kobold, er musste ungefähr ebenso alt sein, wie die Welpen des Wurfes. Als auch nach mehreren Wochen kein Schaden entsdanten war – im Gegenteil, der kleine schien sich prächtigst in die Rudelstruktur der Hunde einzufügen – bestand bald keine besondere Sorge mehr in dieser Causa. Irgendwann beschränkten sich die Wortwechsel zwischen Fajiks Vater und ihm in Bezug auf den Kobold nur noch auf „Irgend etwas besonderes vorgefallen?“ „Nein, Vater", und nach kurzem Zögern und einem Blick auf besagten Zwinger, "nur das.“ Und so erhielt das ungewöhnliche Mitglied der Rovuku Hundezucht schließlich einen Namen: Nurdass.

Die Kunde verbreitete sich. Immer mehr Leute erfuhren von der „zahmen Pest“ und wollten einen Blick darauf werfen. Zwar waren Kobolde in einer Stadt dieser Größe nichts unbekanntes, die Kanalisation wurde zum Teil von ihnen erhalten und erweitert, aber so unbeschwert über Tage im Kreise einer „Familie“ hatte man noch nie einen zu Gesicht bekommen. Es gab sogar Versuche, ihn käuflich zu erwerben, aber dagegen verwehrte sich sogar der alte Rovuku – schließlich sei man eine Hundezucht und keine Reptilienhandlung. Aber natürlich kamen auch Fragen auf. Wie war der Kleine Kerl hierher gekommen? Wo war seine eigentliche Familie? Warum sollte man so eine Kreatur im öffentlichen Leben dulden? Anders ausgedrückt, es gab auch einige unangenehme Besuche seitens Leuten aus der Nachbarschaft und der Behörden, bis schließlich ein hoher Beamter im Auftrag eines Adeligen auftauchte und mit einer Verfügung vor der Nase des alten Rovuku wedelte. Nurdass sollte zu „Verhör und Risikoeinschätzung“ unter Arrest gestellt werden, sehr zum Misfallen aller Mitarbeiter, da den mittlerweile dreijährigen Kobold alle schon sehr lieb gewonnen hatten.
 
Shadowrun - Der Blick - Teil 5

Der ganze Trupp erhielt eine Auszeichnung für Tapferkeit vor dem Feind, ebenso unsere gefallenen Kameraden posthum. Gregor wurde in ein spezielles Trainingsprogramm aufgenommen und Iva erhielt die Beförderung zur Truppkommandantin. Ich verpflichtete mich für weitere sechs Jahre und handelte mir im Gegenzug eine umfangreiche kybernetische Modifikation heraus. Natürlich nicht alles auf einmal, aber es wurde ein eigenes Konto dafür eingerichtet, aus dem ich auch auf Vorschuss schöpfen konnte. Das erste, was ich machen ließ, war eine Reflexverkabelung. Ich wollte in Zukunft schneller sein als der Gegner. Schneller als die Kugel, die Lino fast den Schädel vom Rumpf gerissen, und schneller als die, die Gregor den Arm zerfetzt hatte. Und ich wollte den Blick los werden. Es schien, als sollte mein Wunsch in Erfüllung gehen. Der Blick kam nicht wieder. Gregor verstand es diesmal anstandslos, Iva und Evelin äußerten sich nicht weiter dazu, Lino war traurig aber verständnisvoll. Fabiana blickte mich nur gelegentlich eigentümlich an, und Carlito war es herzlichst egal, ich interessierte ihn nicht mehr.

Weitere Einsätze folgten, ebenso weitere Verluste, Verletzungen und Operationen. Mein linker Fuß ging als erster verloren, Monofilamentdraht, an den kybernetischen Ersatz musste ich mich 3 Monate lang gewöhnen. Ein Bauchschuss bescherte mir erstmals echte Todesqualen, ich wünsche niemandem eine solche Verletzung, ernsthaft. Daraufhin ließ ich mir Dermalpanzerung installieren, seit dem fühlt sich alles an, als hätte ich einen Ganzkörper-Gummihandschuh an und anfangs hatte ich das ständige Bedürfnis, mich zu duschen und abzuschrubben. Als nächstes war Iva dran, weil eine Granate ihr das linke Bein zerfetzt hatte. Sie ließ sich auf Empfehlung der Ärzte gleich beide machen, um das Gleichgewicht zu bewahren und bei der Gelegenheit ein wenig mehr Laufgeschwindigkeit einbauen zu lassen. Ich schlug ihr Sprunghydraulik vor, worauf sie ehrlich darüber nachdachte und Evelin mir tadelnd eine überzog. Die Hydraulik ließ sie sich dann später tatsächlich machen, gleich mit der rechten Hand inklusive ausfahrbarer Nagelmesser, nachdem die originale Hand einer Schrotladung zum Opfer gefallen war. Jetzt bin ich eine halbe Wildkatze, scherzte sie, Evelin lachte, Gregor und ich sahen uns eindeutig zweideutig an, Evelin schlug uns wieder.

Die nächsten Schläge teilte sie mit der Linken aus, da die nach einer Begegnung mit einer Machete nämlich auch aus Chrom war. Ich hatte mich zwischendurch auch wieder unters Messer gelegt, um meine Reflexe weiter verbessern zu lassen und ein wenig Kunstmuskeln für Kraft und Beweglichkeit dazuzulegen. Allerdings befähigte mich das nicht dazu zu verhindern, dass Gregor auch seinen nachgezüchteten Arm wieder verlor, und diesmal war der Schaden derart, dass auch eine genetische Kopie den Magieverlust nicht würde verhindern können. Das war aber kein Problem für ihn. „Erstens“, so meinte er in seinem Oberlehrerton, „bin ich sowieso Linkshänder, und zweitens werde ich zum Leutnant befördert.“ Dazu gratulierten wir ihm natürlich herzlichst. Begleitend zur Beförderung wurde er aber zur mobilen Truppe versetzt, da er seine Fertigkeiten und Fähikeiten ab diesem Tag von einem Thunderbird aus einsetzen würde. Evelin büßte kurze Zeit später noch ihren rechten Fuß ein, ein Alligator hatte sie einfach zum Fressen gern, wir ihn danach auch. Alligator schmeckt gar nicht schlecht, probiert das Mal.

Ich sollte einige Monate Zeit haben, mich an diese Mahlzeit zu erinnern, denn während dieser schlug eine Kugel in meinen Schädel ein. Ohne die Reflexbooster und die Dermalpanzerung hätte auch mein Helm nicht ausgereicht, um mir das Leben zu retten, dennoch war der Schaden massiv und ich ließ mir einen neuen Schädel anpassen. Diese OP zehrte beinahe mein gesamtes Vorauspolster auf, sollte ich eine weitere Installation benötigen, würde ich mich weiter verpflichten müssen. Ein neuerlicher Bauchschuss bei meinem ersten Einsatz nach der Reha sagte mir, dass das vielleicht nicht die beste Idee ist. Diesmal war es zwar nicht so schlimm, aber es bleibt die wohl unangenehmste Verletzungsart, die ich kenne. Den Ausschlag für die Entscheidung gegen einen weiteren Dienst bei der MET2000 gab aber etwas ganz anderes.
 
Dungeons & Dragons 5 - Dunkle Feder - Teil 4.1 "12 Kerzen"

Als Linda die Augen öffnet, strahlen Entschlossenheit und frohe Erwartung daraus hervor. Dann lehnt sie sich zurück, atmet tief ein und bläst mit aller Kraft die Kerzen auf ihrer Geburtstagstorte aus – jede einzelne.
„Bravo, kleiner Bock“, gratuliert Samuel, und auch die anderen Anwesenden nicken anerkennend und applaudieren.
Vor knapp eineinhalb Jahren hatte die Familie überraschend Besuch von Lindas Tante, deren Mann und ihrem gemeinsamen Kind bekommen. Diese hatte bisher nichts von der Existenz ihrer Nichte gewusst und selbstverständlich ist es im ersten Moment ein Schock gewesen, als plötzlich ein halbwüchsiger Tiefling vor ihr gestanden ist. Es hatte ein langes und ausführliches Gespräch zur Klärung dieser Sache gebraucht, und natürlich auch einige Monate, bis sich die Verwandten daran gewöhnt hatten, dass ihrer Familie auch ein exotischeres Mitglied angehört. Aber zum Glück ist der Mann, also Lindas Onkel, ein fahrender Sänger und kennt deshalb viele Geschichten, in denen auch von guten Taten von Tieflingen berichtet werden.
Linda wollte diese Geschichten natürlich alle hören, und am Besten gleich alle anderen dazu, also leben die Verwandten jetzt auch im Haus, zumindest so lange, wie es ein fahrender Sänger an einem Ort aushalten kann. Außerdem nutzt Linda diese Gelegenheit auch gleich, um sich von ihrem Onkel unterrichten zu lassen, weshalb eines ihrer Geschenke zum 12. Geburtstag eine Laute ist – keine neue und noch auch zu groß für sie, aber immerhin jetzt ihre eigene.

„Was hast du dir eigentlich gewünscht, Linda?“ In den Augen ihres Onkels leuchtet die Neugier, das Zeichen eines guten Geschichtenerzählers und Abenteurers – schließlich müssen die Geschichten irgendwoher kommen.
„Wird mein Wunsch erfüllt, werde ich es euch wissen lassen.“ Linda lächelt in die Runde und zwinkert ihrem Cousin zu. Dieser ist erst fünf und hatte anfangs große Angst vor Linda gehabt, sie mittlerweile aber am meisten ins Herz geschlossen. Das liegt zum größten Teil daran, dass sie seit einiger Zeit die Fähigkeit entwickelt hat, lautlose Gestalten herbeizurufen mit denen der kleine liebend gerne spielt und in wahre Begeisterungsstürme verfällt, wenn er beim Fangenspiel durch sie hindurch läuft.
Natürlich war es irgendwann auch dazu gekommen, dass Linda nach den Gefahren der Abenteuer ihres Onkels gefragt hatte und seit dessen Antworten wiederholt ängstlich fasziniert sein Schwert betrachtet. Auch an diesem Tag, fällt ihr Blick wieder einmal auf die Scheide an seinem Gurt, was er natürlich bemerkt.
„Als Mensch würde man dich jetzt als junge Frau bezeichnen,“ bemerkt er. Lindas Gesicht wird dunkel als ihr bewusst wird, was damit alles einher geht. Ihr Onkel grinst breit und lacht auf als ihn der heftige Rippenstoß seiner Frau fast vom Stuhl wirft. „Ja, ist ja gut, jetzt beruhigt euch mal wieder.“ Er reibt sich die Seite. „Was ich damit eigentlich sagen wollte ist, dass die Tochter meiner lieben Schwagerin Gloriana langsam lernen sollte, wie man sich wehrt.“

Linda, immer noch beschämt, erwidert trotzig: „Ich kann mich wehren. Gib mir einen Stock und ich prügel dich windelweich.“
„Linda!“ Gloriana blickt sie mahnend an.
Der Onkel hebt beschwichtigend die Hand. „Ich glaube dir gerne, dass du Prügel austeilen kannst. Aber damit macht man seine Gegner meist nur wütend.“ Er deutet auf seine Waffe. „Hiermit allerdings, überzeugt man sie davon, dass es eine wirklich dumme Idee war, sich mit dir anzulegen. Und das manchmal sogar, ohne sie zu verletzen.“
Lindas Blick verweilt auf dem Heft der Klinge – ihr Interesse ist geweckt.
Samuel reibt sich nachdenklich über das Kinn. „Bist du sicher, dass sie dafür geeignet ist?“
„HA!“ Der Onkel lehnt sich selbstsicher zurück. „Wenn ihre Hand auch nur halb so flink ist wie ihre Zunge, sehe ich darin kein Problem.“
„Nun gut“, meldet sich jetzt auch Linda zu Wort, „dann fangen wir morgen früh an.“
Ihr Onkel klatscht mit der Hand auf den Tisch. „Genau das wollte ich hören.“
Da hebt Linda plötzlich einen Finger. „Und wenn wir fertig trainiert haben, verlange ich Satisfaktion für die vorherige Beleidigung.“ Einen Moment lang herrscht absolute Stille im Raum, alle blicken Linda fassungslos an. „Und zwar mit der Feder.“
Das verwirrt alle noch mehr, bis ein völlig verstörtes „Häh?“ ihres Cousins alle aus der Erstarrung löst und in ein beherztes Gelächter ausbrechen lässt.
„Ein Duell“, bringt ihr Onkel mühsam japsend hervor. „Mit der Feder. Oh ihr Götter. Ich fürchte, da muss ich gleich das Pergament werfen.“ Diese Äußerung sorgt für weitere Erheiterung, und der restliche Tag ist nur noch erfüllt von Wortwitzen und fröhlichem Gelächter.
 
Dungeons & Dragons - Der Kobold der Geschichte schrieb - Teil 2

Alles Protestieren half nichts, die Verfügung war amtlich abgesegnet, aber man könne ja „beim Amt Einspruch erheben oder eine Beschwerde vorlegen“, falls man dies wünschte. Es war klar, dass die Bürokratie hier mehr als nur Steine in den Weg legen würde – sowohl aufgrund ihrer Natur, als auch aufgrund gewisser Finanzmittel, die ziemlich sicher geflossen sind. So verschwand Nurdass vorerst wieder aus dem Alltag der Hundezucht Rovuku und wurde eine gute Zeit lang nicht mehr gesehen. 2 Jahre, um genau zu sein. Anfangs unternahmen Fajik und sein Vater alles mögliche, um einen Weg zu finden, den kleinen wieder zurück holen zu dürfen, aber mit den Monaten schwand auch ihre Hoffnung. Sein Vater gab nach einem Jahr auf, „Es hat keinen Sinn, Fajik. Gegen den Adel kommen wir nicht an, und langsam geht uns das Geld aus“, sagte er zu seinem Sohn. Aber Fajik machte auf eigene Faust weiter und suchte andere Wege. Er fragte herum, ging in Bibliotheken, sprach immer wieder mit Reisenden ... schließlich, als er die Hoffnung selbst schon fast aufgegeben hatte, traf er einen erfahrenen gnomischen Waldläufer, der ihm ziemlich viel über Kobolde sagen konnte, allerdings nichts Gutes.

Gnome und Kobolde standen auf keinem guten Fuß miteinander, nur war selbst dieser an der außergewöhnlichen Geschichte Nurdass’ interessiert. „Und er hat nie etwas zerstört oder gestohlen?“, wollte er immer wieder wissen, und nach wiederholten Zusicherungen seitens Fajik kam er ins Grübeln. „Das ist allerdings sehr ungewöhnlich.“ „Was ist sehr ungewöhnlich?“, meldete sich eine neue Stimme zu Wort, „aus deinem Munde muss es etwas wahrlich Besonderes sein, alter Freund.“ Ein Halbelf in blitzender Rüstung und leuchtendem Umhang hatte sich zu ihnen gesellt. Es stellte sich heraus, dass die beiden miteinander schon viele Abenteuer erlebt hatten, und so erzählte Fajik auch dem Paladin die Geschichte. Je mehr er zuhörte, desto mehr verfinsterte sich der Blick des Halbelfen. „Falls das wahr ist“, sprach er als Fajik geendet hatte, „dann ist das Recht auf eurer Seite, mein Freund.“ Nach diesen Worten stand er auf, bedeutete den beiden, ihm zu folgen, und machte sich auf den Weg zu besagtem Adelshaus. Vor dem Tor wandte er sich ihnen wieder zu: „Ihr wartet hier, falls es euch zu lange dauert, geht nach Hause, ich werde euch dann dort aufsuchen.“ Dann, an den Gnom gewandt: „Ich weiß, wie zuwider dir das sein wird, um was ich dich jetzt bitte, aber ich habe noch etwas gut bei dir ... und es ist rechtens, das weißt du.“ Der Gnom blickte finster, spuckte zur Seite aus, nickte kurz und ging schließlich mit dem Paladin zu dem Anwesen. Die Wachen machten den beiden nach einem kurzen Wortwechsel den Weg frei.

Die Minuten flossen dahin, Fajik wartete. Eine Stunde war vergangen, Fajik wartete. Nach zwei Stunden hielt er es nicht mehr aus und sein Vater würde sich auch schon Sorgen machen, also ging er nach Hause. Dort erzählte er was vorgefallen war, und er erkannte die Rückkehr des Hoffnungsschimmers in aller Augen, also warteten sie gemeinsam. Spät am Abend, die Mitarbeiter waren alle bereits gegangen und die Familie wollte schon zu Bett, klopfte es an der Tür. Davor stand der Paladin und sein Begleiter, aber kein Kobold. Die Enttäuschung war groß und fast wollte man in Verzweiflung zusammenbrechen, aber der Halbelf hob eine Hand und sprach: „Kein Grund zur Sorge. Er lebt und ist, den Umständen entsprechend, wohlauf. Ich konnte eine Neusichtung der Verfügung in die Wege leiten und bin zuversichtlich, dass diese noch vor Ende des Tages zurückgezogen wird. Dann könnt ihr euren schuppigen Freund wieder in eurem Kreis willkommen heißen.“ Der Freudensturm war entsprechend laut und die Dankesbekundungen von Wein und gutem Essen begleitet.

Am nächsten Tag gab es weniger zu feiern. Zwar wurde Nurdass wie angekündigt wieder gebracht, aber er hatte sichtlich gelitten. Erst seine Hundefamilie konnte ihn wieder einigermaßen beruhigen, sodass er aufhörte nach allem und jedem zu schnappen, was ihm nahekam. Es dauerte Wochen, bis er der Familie nicht mehr misstraute und Monate, bis er sich auch vor anderen nicht mehr ständig versteckte. Insegsamt brauchte er drei Jahre, um sein altes Selbst wieder zu finden, aber in seinen Augen konnte man immer noch die Spuren sehen, die die Zeit der Gefangenschaft in ihm hinterlassen hatten. Er sprach nie darüber.
 
Shadowrun - der Blick - Letzter Teil

Während eines Gefechtes in einem Stadtgebiet agierten wir wieder als Späher, diesmal im Kleintrupp, nur Iva, Evelin und ich. Wir waren Gregors Einheit zugeteilt und sollten seinen Truppen die feindlichen Stellungen und deren Kampfkraft übermitteln, damit diese mit einem schnellen Sturmangriff mit Panzern und Thunderbirds überrascht werden konnten. Außerdem sollten wir während des Angriffes nach Möglichkeit als Heckensützen agieren, um feindliche Befehlshaber gezielt auszuschalten. Die Infiltration verlief reibungslos, ebenso konnten wir die angeforderten Informationen schnell sammeln und hatten sogar eine gute Position für uns gefunden. Der Angriff wurde gestartet und schon bald waren die feindlichen Truppen heillos durcheinander, ein Einsatz wie aus dem Lehrbuch, allerdings spielte der Gegner nach anderen Regeln. Unsere direkte Opposition war als Bauernopfer platziert worden.

Sobald unsere Fahrzeuge in den Straßenschluchten in Kämpfe verwickelt waren, setzte das Artilleriefeuer ein. Schwere Kaliber schlugen in Gebäude und Straßen ein und pulverisierten alles was sie direkt trafen. Mehrere unserer Panzer und sogar der eine oder andere Thunderbolt verschwanden in Explosionen oder wurden unter einstürzenden Bauwerken begraben, es war das reinste Inferno. Ein naher Treffer erschütterte das Fundament unseres Gebäudes, in dem wir die Stellung angelegt hatten, und ein Teil der Außenwand gab nach. Evelin und ich sahen Iva mit aufgerissenen Augen und einem Schrei in die Tiefe verschwinden. Reiner Drill hielt uns an Ort und Stelle, während wir darauf warteten, dass das Gebäude wieder stillhielt, erst dann schoben wir uns so schnell wie möglich an den Rand des eingebrochenen Bodens und sahen nach unten. Nur Schutt und Staub. „Scheiße“, flüsterte Evelin, „Scheiße Scheiße Scheiße“, mit jedem Mal wurde das Wort lauter, zum Schluss schrie sie es, „Scheiße! Verdammt, Reinaldo, wir müssen hier weg!“ Ich pflichtete ihr bei. „Aber nicht ohne Iva“, sagte ich noch. „Was?“ Sie war verwirrt. „Nicht ohne Iva“, widerholte ich und machte mich auf den Weg zu dem, was vom Treppenhaus noch übrig war. „Iva ist tot“, sagte sie und versuchte mich festzuhalten. „Nein“, beharrte ich, „ist sie nicht.“ „Niemand überlebt sowas, Reinaldo, sie ist tot.“ „Nein, Evelin, sie lebt, ich hab sie gesehen.“ Es dauerte ein paar Sekunden, bis sie begriff. „Du hast sie gesehen?“ „Ja“, nickte ich, „klar und deutlich.“ Dann passierte etwas, mit dem ich nie in meinem ganzen Leben gerechnet hatte. Evelin stürzte auf mich zu und küsste mich. Kurz, schmerzhaft, heftig, unglaublich süß. „Dann geh, ich rufe unser Taxi.“ Sie drehte sich zum Funk um bevor ich noch irgend etwas erwiedern konnte.

Iva hat jetzt auch Dermalpanzerung, und einen kybernetischen linken Arm, sie ist mittlerweile Zugskommandantin. Gregor wurde für die waghalsige Rettungsaktion unseres Teams mit einem außerordentlichen Verdienstorden ausgezeichnet und ist aufgrund seiner souveränen Führung in diesem Einsatz zum Hauptmann befördert worden. Meine Verpflichtung ist acht Monate danach ausgelaufen und ich habe nicht verlängert. Die Reflexbooster wurden mir wieder auf das Grundsystem runtergestuft und die verbesserten Augen durch Standardmodelle ersetzt, aber sonst durfte ich gnädiger Weise alles behalten. Evelin hatte keinen aufwendigen Augmentationen, also musste sie nichts zurückgeben, dafür hat sie mir was gegeben. Das Ja-Wort. Wir arbeiten immer noch gelegentlich für die MET2000, aber zu unseren Bedingungen, den gleichen übrigens, die auch anderen zahlenden Kunden offen stehen.

Den Blick habe ich übrigens immer noch. Wir kommen sehr gut miteinander aus. Fabiana und Lino hatten nur ein wissendes Lächeln übrig, als ich es ihnen erzählte. Diese zwei kennen mich einfach besser als ich mich selbst.
 
Dungeons & Dragons 5 - Dunkle Feder - Teil 4.2 "12 Kerzen"

Viele Wochen ziehen ins Land und Linda trainiert fast jeden Tag mit ihrem Onkel. Dazwischen übt sie auch immer wieder mit ihrer Laute und setzt, wenn sie nicht zu müde ist, ihre Nachforschungen über die zwergische Sprache und die Geschichten in den Geschichten fort. Irgendwann kommt ein Bote des Dorfes zu dem Haus, es gibt ein Problem.
„Das Rathaus ist baufällig und im Dorf gibt es nicht genug Werkzeug und Material“, berichtet Samuel anschließend. „Zwar kann das Dorf alles selbst herstellen, aber der nächste Sturm könnte das Haus bereits zum Einsturz bringen. Zu allem Übel sind auch noch der Fuhrmann und sein Bursche krank. Ohne sein Gespann kann ich das Material nicht aus der Stadt besorgen.“
„Da kann ich helfen“, meint der Onkel. „Mit Pferden komme ich immer gut zurecht. Und wenn wir Linda mitnehmen, haben wir auch die fehlenden zwei helfende Hände.“
Samuel öffnet den Mund um zu widersprechen, sagt aber nichts. Grübelnd legt er die Stirn in Falten, blickt erst Linda an, dann wieder seinen Schwager. Linda wartet gebannt mit angehaltenem Atem ... ihr Geburtstagswunsch ist dabei, sich zu erfüllen. Wahrscheinlich ist es dieser Gesichtsausdruck – und die selbstverständliche Zuversicht eines erfahrenen Abenteurers – was Samuel dazu bringt, zuzustimmen. „Tja ... dann brechen wir morgen also auf.“
Linda grinst, strahlt über das ganze Gesicht und vergisst dabei ganz auf die Wirkung eben dieser Mimik. „Alle Götter“, meint ihre Tante erschrocken, „na wenn ihr da nicht sogar vor Räubern sicher seid.“

Die Fahrt in die Stadt ist nicht sehr ereignisreich, aber für Linda das aufregendste Abenteuer ihres bisherigen Lebens. Allerdings nicht immer freudig, da ihre Anwesenheit regelmäßig für misstrauische Blicke und manchmal sogar offene Anfeindungen sorgt. Das bekümmert und verletzt Linda, allerdings beginnen auch ihre Gedanken darm zu kreisen, wie tief verwurzelt Hass und Vorurteile in zivilisierten Lebewesen sein können, die nie selbst mit der Ursache derselben zu tun hatten. In der Stadt ist es ein wenig besser, da man dort eher daran gewöhnt ist, Mitgliedern aller möglichen Rassen zu begegnen, dennoch trübt sich ihre Stimmung zunehmend und sie kann die Reise nicht mehr so recht genießen. Als sie wieder zum Rückweg aufbrechen, die beiden Fuhrwerke schwer beladen, ist Linda in sich gekehrt und grüblerisch, was nicht an Samuel und ihrem Onkel vorübergeht. Die beiden werfen sich besorgte Blicke zu und versuchen, mit Linda zu reden, allerdings wehrt sie immer wieder ab und meint, es sei alles in Ordnung.

Am Morgen des zweiten Tages der Rückreise, noch vor Tagesanbruch, wird Linda von einer rauhen Stimme geweckt. Sie schläft auf dem Wagen ihres Vaters, unter der Plane und eingehüllt in ihre Decke. Sie versteht nicht, was die Stimme sagt, aber irgend etwas daran kommt ihr vertraut vor. Vorsichtig spät sie unter der Plane hervor und erkennt ein paar Gestalten, die ihren Onkel und Samuel umringen. Die Person, welche spricht, ist ein Zwerg, und er scheint ihren Onkel zu kennen. Außerdem befinden sich noch zwei menschliche Männer in Rüstung bei ihm und eine Halbork-Frau in Leder und Fellen. Die Haltung der vier ist bedrohlich und der Zwerg scheint offensichtlich wütend zu sein.
Linda ruft sich ins Gedächtnis, was sie immer tut, wenn sie die zwergischen Runen lesen möchte und wendet diese Gabe jetzt an. Einen Moment später, werden die gesprochenen Worte verständlich.
„...du diesmal für einen armen Dummen erwischt? Interessiert mich eigentlich gar nicht, wichtig ist nur, dass wir dich endlich erwischt haben. Seit Jahren lasse ich meine Informanten die Gegend durchkämmen, und jetzt endlich hast du den Fehler gemacht, dich in einer Stadt blicken zu lassen.“
„Bitte, ich ...“, beginnt ihr Onkel, aber der Zwerg schneidet ihm mit einer Geste das Wort ab.
„Schweig, du silberzüngiger Teufel! Ich bin nicht daran interessiert. Wir hatten alles vorbereitet. Die Ausrüstung, die Pferde, sogar einen verdammten Magier habe ich aufgetrieben, damit wir uns bei Hofe einschmuggeln können.“ Der Zwerg wandert aufgebracht hin und her. „Und dann, am Treffpunkt, zur vereinbarten Zeit? Dann fehlt plötzlich genau die eine Person, die alle etwaigen Lücken unserer Tarnung wegreden hätte können.“
„Ich weiß, ich habe dich enttäuscht, Hrodger. Aber das ...“ Ein Wink des Hrodgers, und ein Tritt eines der gerüsteten Männer bringt ihren Onkel aufkeuchend zum Schweigen.
„Du ermüdest mich mit deinen Versuchen, deine Haut zu retten. Steh wenigstens zu deinen Taten und nimm es wie ein Mann.“ Dann gibt er der Halbork-Frau ein Zeichen und diese hebt eine kleine, einhändige Armbrust. Sie zielt damit genau auf die Brust von Lindas Onkel.
 
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Dungeons & Dragons - Der Kobold der Geschichte schrieb - Teil 3

Um ihm dabei zu helfen, seinen Platz in der Welt zu finden, versuchte Fajik Zugang zu den Koboldstämmen der Stadtkanalisation zu finden, war dabei allerdings nicht sehr erfolgreich. Erst nach sieben Jahren ergab es sich zufällig, dass ein Beauftragter der Stadt bei ihm einen Hund erwerben wollte und im Gespräch erwähnte, dass er ein Kanalisationsprojekt leite. Fajik sprach ihn auf den Koboldstamm an und tatsächlich hatte der Herr Kontakt zum hiesigen Koboldältesten. Er versprach, gegen einen kleinen Rabatt, diesem die Geschichte von Nurdass zu erzählen und die Reaktionen an Fajik weiter zu leiten. Ein paar Wochen später war der Herr tatsächlich wieder da und erzählte davon, dass der älteste etwas von „der Ausgeborene“ gesagt habe und, dass er mit den Zauberern beraten müsse. Weiters überbrachte er ihnen die Mitteilung, dass einer der Stammeszauberer Nurdass bald besuchen wolle und um einen abgeschiedenen Treffpunkt bitte. Nur der Kobold dürfe anwesend sein, worum es ginge, wusste der Herr aber nicht. Fajik sprach mit Nurdass darüber und nach einigen Überlegungen, willigte dieser ein, sich mit dem Zauberer unter den gegebenen Bedingungen zu treffen. Als Treffpunkt sollte einer der abgelegenen Zwinger dienen, die einen eigenen Abfluss hatten, um dem Zauberer so den Zugang zu erleichtern, wo aber die Hunde, die Nurdass als einen der ihren ansahen auch ausreichend Schutz boten.

Niemand belauschte das Treffen, sie alle respektierten den Wunsch der Kobolde und auch den von Nurdass nach Privatsphäre. Neugierig und gespannt waren sie aber alle, weshalb die Stimmung ziemlich drückend war, als Nurdass schließlich alleine in das Wohnhaus zurückkehrte. Alle sahen ihn erwartungsvoll an, er wirkte größer und selbstsicherer als jemals zuvor, als wäre etwas unglaublich starkes in ihm erwacht. Er blickte von einem Gesicht seiner Patenfamilie zum anderen, und schließlich sprach er: „If bin ein Auferwählter meinef Volkef. Datfu beftimmt, auferhalb der Ftämme grofef tfu tun. If werde einem Gott folgen, der nift der meinef Volkef ift und dennof meinem Volk dienen. If werde tfu einem ftrahlenden Beifpiel für die Fwafen und Unterdrückten werden und fie gegen jeden anführen, der ef wagt, ihr Leben gewaltfam beftimmen tfu wollen.“ Die Leute der Hundezucht Rovuku kannten seine Art zu sprechen und hatten sich längst daran gewöhnt, aber mit so einer Aussprache und so einem Äußeren müsste eine solche Ansprache dennoch höchst lächerlich wirken ... tat sie aber nicht. Unbegreiflich für sie selbst, glaubten sie ihm jedes Wort. Nach mehreren Augenblicken völliger Stille und stumm ausgetauschter Blicke, schlug der alte Rovoko mit der flachen Hand auf den Tisch und rief: „Und darauf trinken wir!“ Was sie dann auch ausgiebig taten.

In den folgenden Jahren trainierte Nurdass hart und erlernte den Umgang mit allen möglichen Waffen. Lehrer zu finden war schwer, da niemand einen Kobold trainieren wollte, aber es fanden sich Mittel und Wege. Um das Training zu finanzieren, arbeitete er so viel in der Hundezucht mit, wie er konnte und schlief nur, wenn sein erschöpfter Körper zusammenbrach. Außerdem besuchte er den hiesigen Tempel und informierte sich über die Götter und deren Wirken in der Welt. Anfangs wollte man ihn nicht rein lassen, aber seine Beharrlichkeit trug schlussendlich doch Früchte und mit wachsender Verwunderung fütterten ihn die Akolythen und Priester mit immer mehr Material, dass er regelrecht zu verschlingen schien. Eines Tages brachte er alle im Tempel zum erschrockenen Zusammenzucken, als er laut in die Hände klatschte und „HAH!“ rief. Er schrieb sich ein paar Schriftrollen ab, bedankte sich, verließ den Tempel und kam für eine lange Zeit nicht wieder.
 
Dungeons & Dragons 5 - Dunkle Feder - Teil 4.3 "12 Kerzen"

„NEIN!“ Linda weiß nicht, ob sie das Wort nur gedacht oder tatsächlich laut geschrien hat, aber auf jeden Fall hat sie auch etwas anderes getan. Aus dem Nichts erscheint eine geisterhafte Hand, schießt vor und fährt vor die Armbrust, genau in dem Moment, als der Bolzen von der Sehne schnellt.
Ein Schmerzensschrei, Schwerter werden gezogen, Linda wirft Decke und Plane zurück und richtet sich zu ihrer vollen Größe auf – und noch darüber hinaus. „Was bei allen Höllen ...“ einer der gerüsteten Männer blickt mit aufkeimender Panik zu Linda auf, die viereinhalb Meter groß über allen aufragt und grün züngelnde Flammen an den Hörnern der Schwanzspitze und ihrer rechten Hand hat.
„Wie kommt ihr dazu, einem Mann das Recht zu verwehren für sich selbst zu sprechen“, Lindas Stimme donnert, in unbeholfenem Zwergisch, tief und dröhnend durch die frühmorgendliche Dunkelheit, „und erst recht, wenn es um sein Leben geht! Welches Recht habt ihr, aufgrund eurer eigenen beschränkten Vorstellungen zu urteilen! Genau dieses Denken hat euch Zwerge schon einmal an den Rand des Untergangs gebracht! Kurzsichtiger Eigensinn und unnötig hochgezüchteter Groll! Eine Rasse, die so viel auf ihre Geschichte gibt, sollte wenigstens ein Mindestmaß an Interesse für die Geschichten anderer aufbringen!“
Der Söldner, der zuerst gesprochen hatte, senkt zitternd sein Schwert. „Was auch immer du mit diesem Dämon zu schaffen hast, den dein Volk ausgegraben hat, dafür werde ich nicht bezahlt“, sagt er kopfschüttelnd zu Hrodger, dreht sich um und verschwindet im aufkommenden Morgennebel. Der andere blickt ihm unschlüssig hinterher, weicht zwar ein wenig zurück, bleibt aber mit gezogener Waffe stehen. Die Halbork-Frau hat derweil blitzschnell einen neuen Bolzen eingelegt, zielt auf Linda, schießt aber noch nicht. Hrodger kniet fluchend auf dem Boden und hält sich seinen Arm. Samuel und ihr Onkel starren fassungslos zu Linda empor.
Einen Moment lang hört man nur die leiser werdenden Schritte des Flüchtenden, dann bricht der Zwerg das Schweigen. „Dein Zwergisch ist so schrecklich wie der Ruf deiner Art, Tiefling“, knurrt er. „Aber dummer Weise hast du recht. Nur tu mir den Gefallen und sprich erst wieder meine Sprache, wenn deine Zunge weiß was sie tut.“

Mehr braucht Linda nicht. Die Flammen, welche nur Lichter waren, erlöschen, ihre Gestalt schrumpft zurück auf ihre ursprüngliche Größe und sie eilt zu ihren Verwandten. „Papa! Onkel! Geht es euch gut?“, spricht sie jetzt wieder in der Gemeinsprache. Die Handarmbrust der Halbork-Frau folgt Linda unbeirrt, auch wenn die plötzliche Verwandlung sie unvorbereitet erwischt hatte.
„Wie bitte?“ Hrodger wirkt nun selbst fassungslos. „Papa? Onkel? Was bei den Ahnen habt ihr euch da eingefangen?“
„Ja, mein Kind ... uns geht es gut.“ Samuel wirkt immer noch erschüttert, fängt sich aber langsam. „Aber sag ... was war DAS denn?“
Wieder ist es jene vertraute Phrase, die Lindas Anspannung zu einem guten Teil löst und sie fällt Samuel um den Hals.
„Ja“, ergänzt ihr Onkel, „das würde ich auch gerne wissen. Aber auf jeden Fall danke.“
Mittlerweile hat sich auch Hrodger wieder im Griff. „Ist ja gut, ist ja gut. Familie, Freude, Eierkuchen. Aber kann sich mal jemand um den Bolzen in meinem Arm kümmern? Blutend redet es sich schlecht, und das wolltest du doch schließlich, Mädchen, oder?“
Linda dreht sich herum. Tatsächlich steckt der Bolzen, den Linda mit ihrem ersten Zauber abgelenkt hatte, tief im Oberarm des Zwerges. „Oh Götter. Das tut mir leid. Ich wollte niemanden ...“
Sie geht auf den Zwerg zu, aber dieser hebt abwehrend die Hand und die Armbrust seiner Begleiterin ruckt drohend weiter hoch. „Bleib mir vom Leib. Du hast schon genug angerichtet. Wegen dir muss ich meinen sorgsam gehegten Groll hinunterschlucken.“
Linda stoppt unsicher. „Aber ... ihr seid verwundet ... und ich bin schuld ...“ ihre Stimme verliert sich in einem Murmeln. Und plötzlich umgibt ein sanftes Glühen den Bereich um die Wunde des Zwerges, der Bolzen wird langsam von innen hinausgeschoben, fällt schließlich zu Boden und unter dem Glühen schließt sich die Wunde vollends.
Hrodger blickt auf den Bolzen zu seinen Füßen, dann wieder auf Linda, betastet seinen Arm und blickt schließlich zu der Halbork-Frau. Diese schüttelt kaum merklich ihren Kopf, also wendet er seine Aufmerksamkeit wieder Linda zu. „Also so ein Tiefling wie du ist mir bisher noch nie untergekommen. An DEINER Geschichte bin ich definitiv interessiert.“

So kommt es, dass sie nun auf dem Heimweg zwei Begleiter haben. Den verbliebenen Söldner schickt Hrodger in die Stadt um seinem Kollegen mitzuteilen, dass er gefeuert ist und sich dann nach Ersatz umzusehen. Ein paar Tage später sitzen alle im Haus zusammen und Lindas Onkel erzählt von seiner Frau und seinem damals neugeborenen Sohn, den Gründen warum er nicht am Treffpunkt erschienen war.
 
Dungeons & Dragons - Der Kobold der Geschichte schrieb - Letzter Teil

Fünf Jahre nach seiner Ankündigung, wurde Tiefwasser von einem großen Räuberclan bedroht. Die Stadtwache war allein nicht schlagkräftig genug um gegen diese etwas zu unternehmen und alle anderen kampffähigen Bürger war vor Kurzem wegen eines Krieges abgezogen worden. Sie verlangten die Herausgabe der Hälfte aller Vorräte, oder sie würden plündernd und brandschatzend durch die Straßen ziehen. Man erbat sich Bedenkzeit, ein Tag wurde ihnen gewährt, der geheim ausgesandte Bote, der die nächste große Stadt benachrichtigen sollte, wurde morgens aufgespießt vor dem Stadttor wieder gefunden. Die Standverwaltung beschloss zu kapitulieren und den Bedingungen nachzugeben, allerdings waren diese „aufgrund des Vertrauensbruchs“ angestiegen. Sie verlangten nun drei Viertel aller Vorräte, und das kurz vor dem Winter, aber was blieb ihnen übrig. So wurden die Lager geräumt und die Wägen beladen, aber als diese auf das Tor zufuhren, stand ihnen eine kleine Gestalt in zusammengenähten Leder- und Metallstücken im Weg, auf dem Rücken ein aus Brettern gezimmerter Schild und an der Hüfte ein langes spitzes Stück Metall, das eher nach einer übergroßen Nadel als nach einer Waffe aussah. „FTOPP!“ rief die Gestalt aus und gab sich somit endgültig und unzweifelhaft als Nurdass zu erkennen.

Alle betrachteten ihn mit ratlosen Blicken, niemand wusste damit etwas anzufangen, und gerade, als eine der Stadtwachen etwas sagen wollte, begann Nurdass vor dem geschlossenen Tor hin und her zu marschieren und sprach in voller Lautstärke seines kleinen Brustkorbes: „If bin Nurdaff, ein Kobold, und alf folfer kenne if mif damit auf, von Ftärkeren herumgefubft tfu werden. Aber alf Kobold weif if auch, wie man einen noch fo ftarken Gegner mit Lift und Tücke und einer Übertfahl an Fwäflingen tfu Fall bringen kann. If weigere mif, mif von folchen Grobianen herumfubfen tfu laffen, die ef nur auf unf abgefehen haben, weil wir im Moment fwach wirken. Wir haben nur die Ftadtwafe tfur Verteidigung, ftimmt, aber wir haben viel mehr ... ein Tunnelnetfwerk. Die Ftrafen diefer Ftadt find unfere Tunnel, wir kennen fie in und aufwendig, wiffen wo die Pflafterfteine locker find, in welchen Winkeln man fich verkriechen kann, von wo auf man andere belauern kann. Und daf gefährlife Ende einef fpitfen oder dicken Ftockef erkennt auch jeder von unf. Ich werde denen auf keinen Fall irgend etwaf kampflof geben. Follen fie ef fif dof holen kommen.

Die versammelte Menge war still. Blicke wurden ausgetauscht, Schultern wurden gezuckt. Schließlich schnalzte der vorderste Kutscher mit den Zügeln und fuhr wieder los. „Aus dem Weg, du Knilch, sonst überfahre ich dich.“ Doch der Wagen hielt sofort wieder an. Der alte Rovuku war vorgetreten und dem Gespann in die Zügel gefallen. „Dann solltest du mehr Schwung nehmen, mich musst du nämlich auch überfahren“, sagte dieser und trat neben Nurdass vor das Tor, sogleich gefolgt von Fajik und dem Rest der Familie. Wieder herrschte Sprachlosigkeit, doch diesmal war es der Kommandant der Stadtwache, der die Stille brach: „Sergeant, schafft diese Irren beiseite und sperrt sie ein, bis wir diese Sache hinter uns haben. Soll ja wohl ein Scherz sein.“ Doch schon die ersten Schritte der Sdadtwachen wurden von einem Scharren von Stein auf Stein gestoppt, als ein Kanaldeckel in der Straße zur Seite geschoben wurde und kleine, schuppige Hände zum Vorschein kamen. Ein Kobold kletterte aus dem Gully, langte nach unten um einen Speer hochzuziehen, und stellte sich zu der wehrhaften Gruppe vor dem Tor. Dann kam ein weiterer, und noch einer und wieder einer und so ging es weiter, bis sage und schreibe der ganze Stamm der Kanalkobolde vor dem Tor stand, entschlossen und bewaffnet. Nurdass blickte sich kurz um und dann dem Kommandanten grinsend entgegen. „If korrigiere ... wir haben tfwei Tunnelnetfwerke.

Wieder breitete sich Schweigen aus. „Ach verdammt, das kann doch wohl nicht wahr sein!“, brüllte dann jemand, „kann doch nicht sein, dass ein Haufen zerlumpter Kanalechsen mehr Mumm in den Knochen hat als wir! Ich geh jetzt meine Heugabel holen!“, und darauf hin wandten sich immer mehr Leute ab und suchten nach Dingen, mit denen sie Räuber verkloppen konnten. Zum Schluss standen sich nur noch die Rovukus und die Kobolde auf der einen Seite und die Stadtwache und die Fuhrwerke auf der anderen Seite gegenüber. Der Kommandant atmete tief ein und stemmte die Fäuste in die Hüften, dann schüttelte er den Kopf. „Der Teufel soll mich holen. Wie sieht dein Plan aus, Kobold?

Es gab viele Tote zu beklagen, aber die Räuber kamen nie wieder und Nurdass wurde als Held gefeiert. Fortan sah man immer wieder auch die Kanalkobolde in den Gassen, und das sogar tagsüber.
 
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