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Nicht gelistetes System Freihändler - Grundregeln

SoulReaper

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Der Name ist für Fans der Games Workshop Produkte bei weitem kein unbekannter. Erschien doch die erste Version des erfolgreichen Tabletops Warhammer 40000 mit dem Untertitel Rouge Trader. Und nun veröffentlicht GW Freihändler, das nagelneue Rollenspiel aus dem beliebten 40k- Universum und Nachfolger des erfolgeichen Schattenjäger.

Bei den meisten Rollenspielen beginnen die Charaktere der Spieler als unerfahrene Anfäger, die erst noch zu dem heranreifen wollen, was man mal einen Helden nennen kann. Bei Freihändler ist dies ein klein wenig anders. Hier übernimmt einer der Spieler direkt von Anfang an die Rolle des Sprosses einer der unglaublich reichen und einflussreichen Freihändlerdynastien. Diese Dynastien stellen so etwas wie den Adel im Imperium der Menschen und verfügen über unermessliche finanzielle Mittel und natürlich sehr viel Einfluss. Diese Macht basiert auf dem Kaperbrief eines Freihändlers, der seiner Dynastie vor langer Zeit einmal verliehen wurde und ihn dazu ermächtigt, in unerforschte Gebiete des Weltalls vorzustoßen. Dort begibt er sich dann auf die Suche nach alten Artefakten und lukrativen Handelsrouten, um den Reichtum und Einfluss der eigenen Familie noch vermehren. Außerdem schützt ihn dieser Fetzen Pergament vor dem langen Arm der Inquisition und anderen, nicht weniger menschenfeindlichen Institutionen des Imperiums.
Doch egal wieviel Macht ihm sein Freibrief verleiht, alleine kann ein Freihändler kein Raumschiff fliegen oder auf einem lebensfeindlichen Planeten überleben. Ohne die Hilfe besonderer Spezialisten wären also die meisten seiner Expeditionen wohl schnell vorbei. Daher übernehmen die anderen Spieler die Rolle der Offiziere und engsten Berater des Freihändlers. Diese haben Aufgaben wie die Navigation des Schiffes durch den Warp, die Bedienung und Wartung der Waffensysteme oder auch die vielen tausend Mann Besatzung, die jedesmal mit auf Reise gehen, zu befehligen.

Das Buch ist in fünfzehn Kapitel unterteilt. Die ersten fünf beschäftigen sich mit der Charaktererschaffung, den einzelnen Karrierepfaden, die ein Charakter einschlagen kann, den Fertigkeiten, Talenten und der Ausrüstung der Charaktere. Die Kapitel sechs bis neun behandeln ausführlich und mit zahlreichen guten Erklärungen die gesamten Regeln, die für das Spiel nötig sind. In jeweils einem Kapitel werden die Regeln für Psikräfte, Navigatorenkräfte und Raumschiffe erklärt. Zusätzlich gibt es noch ein eigenes Kapitel, das die Grundmechanismen des Spiels im Allgemeinen und die Kampfregeln im Speziellen erklärt. Die nächsten drei Kapitel beschreiben das Leben im Imperium, das Leben als Freihändler und die Koronus-Weiten. Kapitel vierzehn enthält eine Reihe von Gegnern, die man sehr gut für das fünfzehnte und letzte Kapitel gebrauchen kann, dass ein kleines Einstiegsabenteuer enthält.

Bei der Charaktererschaffung steht der Spieler erstmal vor einer Tabelle mit sechs Zeilen und sechs (bzw. einmal sogar acht) Spalten. Hier bastelt sich der Spieler den Herkunftspfad seines Charakters zusammen und beginnt dabei entweder in der ersten Zeile mit der Heimatwelt oder in der letzten mit der Karriere, die der Charakter bestreiten soll. So oder so arbeitet sich der Spieler nun Zeile für Zeile durch die Tabelle und wählt so die Motivation, den Grund warum er zu einem Freihändler ging, und so weiter, aus. Jeder Punkt, den der Spieler dabei wählt, definiert nicht nur den Hintergrund seines Charakters, sondern hat auch handfeste Vor- und Nachteile. Zum Schluss kann der Spieler noch 500 Erfahrungspunkte für die Steigerung von Werten oder Fertigkeiten ausgeben und erhält eine einfache Ausrüstung.
So einfach es ist, einen Charakter zu erstellen, umso verwirrender kann es später sein, die Erfahrungspunkte für Verbesserungen oder neue Fertigkeiten auszugeben. Denn je nachdem, wieviele EP der Charakter bereits gesammelt hat, hat er unterschiedliche Listen, aus denen er sich Steigerungen für Attribute, neue Fertigkeiten und zusätzliche Talente aussuchen kann, was einen stetig anwachsenden Berg an Optionen bedeutet, aus dem man die stimmigsten Sachen aussuchen muss. Am Anfang kann die Fülle der Optionen den Spieler etwas ratlos dastehen lassen. Dafür hat man aber auch in diesem System die Möglichkeit, jeden Charakter komplett individuell zu definieren und auszurüsten.
Zum Schluss wird noch der Profitfaktor der eigenen Freihändlerdynastie errechnet und ein Raumschiff für die gesamte Gruppe gekauft und ausgerüstet. Und schon ist man spielbereit.

Das Würfelssystem von Freihändler ist ein einfaches, aber umfassendes W100-System. Jeder Charakter wird durch sieben Attributswerte dargestellt, die jeweils einen Wert zwischen 1 und 100 haben. Jedem Attribut ist eine Reihe von Fertigkeiten zugeordnet. Muss nun ein Charakter einen Wurf auf eine bestimmte Fertigkeit ablegen, muss mit einem W100 kleiner oder gleich dem Wert des der Fertigkeit zugehörigen Attributs gewürfelt werden, um erfolgreich zu sein. Besitzt der Charakter die entsprechende Fertigkeit nicht, so darf er garnicht erst darauf würfeln. Eine Ausnahme bilden hier bestimmte Fertigkeiten, die auch ungelernt benutzt werden dürfen. Dabei wird aber vor dem Wurf der Attributswert halbiert. Natürlich kann der Spielleiter den Wurf noch weiter modifizieren und Boni oder Mali wegen bestimmter Umstände geben.
Bei einem Erfolg gelten jeweils zehn volle Punkte, die der Würfelwurf unter der Schwelle lag, als jeweils ein zusätzlicher Erfolg. Diese geben dann, je nach Situation, zusätzlichen Schaden oder lassen eine Aktion besonders erfolgreich oder schnell ablaufen. Dasselbe gilt natürlich auch für misslungene Würfe, nur das hier pro zehn Punkte über der Schwelle ein Misserfolgsgrad angerechnet wird.
Neben dem allgemeinen Würfelmechanismus liefert Freihändler noch eine ganze Reihe an Regeln für bestimmte Situationen. So werden Nachforschungen, Raumfahrt, Raumschlachten und natürlich die verschiedenen Arten von psionischen Manifestationen ausführlich in ihren Mechanismen beschrieben. Doch trotz der Fülle an Zusatzregeln wird das Spiel dadurch nicht unübersichtlich, denn alles fügt sich nahtlos und logisch in die Grundmechanismen ein.
Besonders interessant ist das System für Erkundungs- und Nachforschungsaufgaben. Hier legt der Spielleiter einfach einen bestimmten Wert fest, den die Charaktere erreichen müssen, um die Aufgabe zu lösen. Nun kann jeder Charakter auf jede zu der Aufgabe passende Fertigkeit einmal würfeln. Hat er Erfolg, so bekommt die Gruppe Punkte in Höhe der Erfolgsgrade, die der Charakter erwürfelt hat. Außerdem sinkt der Schwierigkeitgrad für zukünftige Würfe. Bei einem Misserfolg ist dies natürlich genau umgekehrt. Hat die Gruppe innerhalb einer bestimmten Zeit genügend Punkte zusammen, um den Wert für die Aufgabe zu erreichen, gilt die Aufgabe als gelöst und die Gruppe hat zum Beispiel die gesuchten Informationen herausgefunden. Dieses System kann man als interessanten Zusatz zum Ausspielen solcher Situationen nehmen. Wenn es die Gruppe so will, kann man natürlich auch komplett auf ausgespielte Szenen verzichten und nur die Würfelergebnisse nehmen.

Freihändler ist, sowohl was die Regeln als auch was den Hintergrund angeht, durchaus darauf ausgelegt, als Nachfolger von Schattenjäger benutzt zu werden. An einigen Stellen gibt es sogar Hilfen, wie man einen Charakter aus Schattenjäger für Freihändler konvertieren kann.

Das Buch selber ist gebunden und hat einen stabilen Deckel aus dicker Pappe. Das Papier ist in Farbe und auf Hochglanz bedruckt. Insgesamt macht das Buch, wie mittlerweile standardmäßig zu erwarten, einen sehr hochwertigen und robusten Eindruck. Die Illustrationen sind eine Mischung aus Bildern, die man bereits aus früheren Veröffentlichungen von Games Workshop kennt und einigen neuen. Dadurch werden gleichzeitig mehrere Stile in diesem Buch abgedruckt, was aber nicht stört, da alle Bilder ansprechend und hochwertig gestaltet wurden.
Die Kapitel sind übersichtlicht und der Schreibstil gut, was das ganze Buch sehr leicht lesbar macht. Zusätzlich gibt es an zahlreichen Stellen Beispiele zu den gerade beschriebenen Passagen, um diese besser verständlich zu machen. Besonders positiv aufgefallen ist, das kaum Rechtschreibfehler in dem Buch zu finden sind. Da hat sich die lange Wartezeit auf die Übersetzung doch richtig gelohnt.

Das Spiel an sich ist sehr umfassend und gibt viele Optionen für den persönlich favorisierten Spielstil einer Gruppe. Dabei bleibt es intuitiv verständlich, da es immer auf denselben, einfachen Grundprinzipien basiert. Sehr schön ist die Vielfalt an verschiedenen Spielarten, die hier alle unter einem Dach zusammenkommen. Denn neben den Abenteuern auf der Oberfläche fremder Planeten oder in verlassenen Raumstationen werden gigantischen Schlachten zwischen Raumschiffen oder auch Erforschungsmissionen auf sehr spannende Art in das Spiel eingebunden. Die Charaktererschaffung ist dank der Herkunftspfadtabelle sehr flexibel und macht Spaß. Nur die Charakterentwicklung ist wegen der Vielzahl an Optionen anfangs etwas unübersichtlich, bleibt dafür aber auch sehr individuell.

Das Buch enthält sehr viel Material für Ausrüstungsgegenstände sowohl für die Charaktere als auch für deren Schiff. Doch trotzdem fehlen einige Dinge, die eigentlich für Warhammer 40k typisch sind. So werden Bodenfahrzeuge, und damit auch Rhino, Landraider und co, leider komplett nicht ausgelassen. Das Kapitel mit Gegnern ist leider auch etwas schmal ausgefallen. Neben einigen menschlichen Gegnertypen, einem Eldar, einem Kroot, einer Warpbestie und den Orks findet sich dort nicht besonders viel. So bleiben viele für 40k typische Gegner in diesem Buch erstmal außen vor.
An anderen Stellen, wie bei den Raumschiffen, werden bereits in diesem Buch Erweiterungen angekündigt, in denen dann hoffentlich die Lücken dieses Buches geschlossen werden. Aber nichts destotrotz bleibt Freihändler auch ohne diese Erweiterungen voll spielbar. Es fehlen nur einige typische Elemente, wo die Spieler erstmal selber kreativ werden müssen.
Dank der vielen guten Beschreibungen, der übersichtlichen Gestaltung und der vielen Hilfestellungen, die dieses Buch bietet, ist Freihändler trotz seiner Komplexität sehr gut für Einsteiger in dieses Hobby geeignet. Und gerade die sehr beliebte Welt von Warhammer 40k hat sehr viele Fans, die mit diesem Buch auf eine komplett neue Art und Weise in dieses Universum eintauchen können.
Die Kapitel zum Hintergrund geben genug Informationen, dass sich auch Leute zurechtfinden, die bisher noch keine Erfahrung mit Warhammer 40k gesammelt haben. Doch der Fokus liegt hier sowieso auf den Koronusweiten, einem Gebiet am Rande des menschlichen Imperiums, dass sonst eher wenig beschrieben wurde.

Ich war anfangs kritisch, als ich Freihändler in den Händen hielt, kannte ich doch einige andere Produkte von Games Workshop, die nicht immer ihren Preis wert waren. Doch wurde ich hier schnell eines Besseren belehrt. Freihändler ist ein sehr schönes Rollenspiel, dass es schafft, das für Warhammer 40k so typische Flair einzufangen, ohne einfach nur bereits bekannte Sachen zu kopieren. Auch die vielfältige Art, auf die man Abenteuer in Freihändler bestreiten kann, hat mich sehr positiv überrascht.
Leute, die bisher Warhammer nur als Tabletop kennen, aber bisher noch keinen Zugang zu Rollenspielen gefunden haben, kann ich dieses Buch nur wärmstens ans Herz legen. Und jene, die dreckige, mystische Abenteuer in einem dunklen Setting suchen, werden sich ebenfalls bei Freihändler sehr schnell heimisch fühlen.

[FONT=&quot]Diese Rezeinsion entstand mit freundlicher Hilfe des heidelberger Spieleverlages.[/FONT]
 
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