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Spielhilfe Rolemaster Erweiterung Leitmagie

sonic_hedgehog

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Fast eineinhalb Jahre ist es her dass ich die deutsche Bearbeitung des Rolemaster-Grundregelwerks rezensieren durfte – seit dem ist viel geschehen. Mit dem Kampfhandbuch, dem Charakterhandbuch und dem Zauberbuch, das alle drei englischsprachigen Zauberbücher (Of Challeling, Of Essence & Of Mentalism) vereint, hat der 13Mann Verlag alle Bücher des Regelkerns für den deutschen Leser verfügbar gemacht. Nach dem zum Standard gehörenden Spielleiterschirm erscheint nun mit der „Erweiterung Leitmagie“ die (nach dem im Charakterhandbuch verarbeiteten „School of Hard Knocks“) erste spezialisierte Erweiterung für das universell einsetzbare Fantasy-System.

Die Qualität ist gewohnt hoch: Vollfarbig und hochwertig gedruckt auf dem im Vergleich zum Grundregelwerk stärkeren Papier, überzeugt das Hardcover in Fadenbindung optisch sofort. Doch ist das gute Aussehen im Regal und in der Hand nur eine Sekundärtugend.

Wie der Titel schon sagt liefert die Erweiterung Leitmagie für Spieler und Spielleiter, die der Leitmagie, der Magie aus göttlichen oder anderen übernatürlichen Quellen also, in ihrer Runde mehr Gewicht verleihen wollen, das nötige Handwerkszeug:

Nach einer Einleitung, in der kurz mögliche Erklärungen für die Ursprünge der Leitmagie umrissen werden, wendet sich das Buch den verschiedenen möglichen Quellen der leitmagischen Macht für Charaktere zu: Neben göttlicher & dämonischer Kraft und natürlichen Quellen finden sich kurze Beschreibungen der potentiellen Bedeutung von Einflusssphären und Anhängern. Auch die andere Seite der Medaille findet ihren Platz – die Bedeutung von Einflusssphären und Gläubigen sind auch für Götter nicht zu unterschätzen. Nach einer Abhandlung über Religionen, deren Hierarchien und der grundsätzlichen Bedeutung der Religion für Charaktere gelangt der Leser auf Seite 17 in den Regelteil des Buchs.

Beginnend mit einer Einordnung des Buches in das Gesamtwerk Rolemaster präsentieren die Autoren einige interessante Regelergänzungen: Über den Göttlichen Status lässt sich erfassen, wie sehr leitmagische Charaktere nach den Maßgaben ihrer Religion leben und welche Auswirkungen Verfehlungen, aber auch Taten im Sinn der Gottheit auf die Fähigkeiten des Charakters haben. Auch wenn die Regeln nur einen groben Rahmen bilden, lässt sich nach etwas Experimentieren leicht ein für Spieler und Spielleiter handhabbares Punktesystem entwickeln, das dem Ruch der Willkür, den SL-Entscheidungen haben können, entgegenwirkt.
Als Folge unter anderem dieses Status zeigt das 7. Kapitel eingängige Regeln, anhand derer Spielleiter entscheiden können, wie eine Gottheit auf den Wunsch eines Charakters nach direkter Einmischung reagiert. Aus Status, angebotenen Opfern und Umfang der erbetenen Einmischung ergibt sich ein Würfelmodifikator auf das Gebet. Wie üblich bei Rolemaster folgt man auch hier dem Prinzip eines W100 Wurfs, auf den der Gesamtmodifikator angewendet wird und man das Ergebnis dann einer Tabelle entnimmt. Diese konsequent einheitlichen Regeln sind ja letztlich eines der Merkmale des Systems.

Für Spieler interessant werden in den folgenden Kapiteln neue leitmagische Berufe (Beschwörer, Dervish, Hexer und Phantom-Paladin) und neue Ausbildungspakete (Bewahrer, Hexe, Inquisitor, Kanzler, Kultist, Medium, Missionar, Ordensheiler, Pilger, Sanitäter, Seelsorger und Templer) präsentiert sowie zwei mögliche Wege, individuelle auf in der Spielwelt relevante Religionen zugeschnittene Priester zu entwickeln. Je nach Schwerpunkten im Glauben kann man nun passende Basislisten und Berufsboni zuweisen und je nachdem, ob es sich bei dem Priester um einen handelsüblichen reinen Leitmagier, oder einen ungewöhnlichen Dualmagier oder gar einen Magieunkundigen handeln soll, finden andere Fertigkeitsschablonen Anwendung. Auch neue Talente und Makel für leitmagische Charaktere ergänzen die Vorschläge früherer Publikationen.

Regeln zur Geisterwelt mit Geistern und Totemvertrauten, Anmerkungen zu möglichen Grenzen der Leitmagie (Sollte wirklich jeder Charakter leitmagische Listen steigern können?) und Hinweise zu Ritualen, verschiedenen Stufen von Antagonisten (im Sinne der Regeln) und heiligen Gegenständen runden das Bild ab.

Nebenbei bietet das Buch im Regelteil auch eine Möglichkeit, eine immer wieder angeführte Schwäche des Systems abzufedern: Schicksalspunkte. Mit etwas Würfelpech ist es bei Rolemaster möglich, dass ein hochgerüsteter Paladin mit langjähriger Erfahrung durch einen glücklichen Streich von einem Bauern mit einem Messer erlegt wird. Kämpfe sind bei Rolemaster immer tödlich – und auch wenn diese Tatsache zum Realismus des Systems passt, führt es mitunter zu unerwünschten Härten. Mit dem Schicksalspunktsystem wird nun eine Möglichkeit präsentiert, den Charakteren in Abhängigkeit von der Spielweise der Gruppe eine Portion Glück zuzuteilen – ein System, das nebenbei bemerkt, auch für NSCs Anwendung finden kann.

Den Abschluss des Buches bilden die für eine Rolemasterpublikation unverzichtbaren Listen und Tabellen – neue Basistabellen für die im Buch vorgestellten Charaktere und Tabellen für kritische Treffer mit heiligen Waffen und Sprüchen. Darunter finden sich interessante neue Aspekte wie Teleportale, Meisterschaft des Schicksals, Voodoomagie und viele weitere, aber auch Vorschläge, welche Listen für Priester in Abhängigkeit von den Einflusssphären ihrer Gottheit verwendet werden können.

Wie schon angeführt reiht sich die Erweiterung Leitmagie nahtlos in die allgemein hochwertigen Rolemasterprodukte ein, teilt aber neben den bekannten Stärken auch die bekannten Schwächen:

Da Rolemaster eine Übersetzung ist und mit Rolemaster Fantasy Roleplaying bereits die vierte Edition der Regeln vorliegt, ist den Herausgebern regeltechnisch mehr bekannt als dem deutschen Leser, insbesondere dem deutschen Leser ohne Produkte früherer Editionen. Daher verweist auch dieses Buch auf Werke, die noch nicht alle verfügbar sind – beispielsweise auf die Erweiterungen zur Arkanen Magie, Schätzen oder Burgen und Ruinen. Zwar kann man diese Verweise leicht ignorieren, im ersten Moment verwirrt es aber doch.

Das Buch beinhaltet einige schöne Stimmungstexte
Beruf: Beschwörer schrieb:
Shodan gab ein leises „Ups“ von sich, und die ganze Gruppe begann unverzüglich, sich auf das schlimmste vorzubereiten. Shodan hatte ein Talent dafür, nur die größten Kreaturen zu beschwören, solche, deren Kontrolle seine Kräfte noch überstieg.
und kleine Witze (mentale Angriffsprüche wirken z.B. nur auf Kreaturen mit Geist, nicht also auf Untote, Pflanzen oder Politiker), bleibt aber über weite Strecken eine etwas trockene Lektüre. Regeln allein sind eben kaum wirklich spannend zu präsentieren, was dies wohl unvermeidbar macht, aber die Qualität der Regeln nicht negativ beeinflusst.

Bedauerlicher ist, dass gerade die Kapitel zu Ursprüngen und Quellen leitmagischer Macht etwas knapp ausfallen. Im Gegensatz zu den eigentlichen Regeln sind es eher Gedankenanstöße für Spieler und Spielleiter, Details müssen den jeweiligen Hintergrundwelten entnommen werden. Das begründet auch den geringen Umfang dieses ersten Teils.

Die Umsetzung des Ganzen kann aber fast 100%ig überzeugen, die etwas schlechte Wahl der
Größe der Überschriften in Kapitel 13 und einzelne Verweise in die falsche Richtung (unten stehende Tabelle auf der Vorseite) fallen nur für Pedanten ins Gewicht. In weiten Teilen jedoch ist der Satz gelungen und gut zu lesen, die Illustrationen sind gut umgesetzt und stimmungsvoll und auch die allgemeine Druckqualität ist hoch.

Wie bei Rolemaster üblich sind all diese Regeln rein optional und können in fast beliebigen Kombinationen von Spielrunden ausgewählt oder ignoriert werden. Wo die Kernregelwerke noch im Laufe der Zeit unverzichtbar werdende Elemente des Systems beinhalten, trifft dies auf eine nicht zum Kern gehörende Erweiterung umso mehr zu.

Das bedeutet, dass viele Spieler mit den 4 Kernprodukten genug Material haben werden, um lange Zeit ein intensives Spielerlebnis zu haben. Erst wenn tatsächlich über dieses Material hinausgehende Spezialregeln zu Leitmagiern ersehnt werden, dürfte diese Erweiterung auf dem Wunschzettel landen. Spielrunden, die keinen besonderen Schwerpunkt auf die verschiedenen Götterdiener legen, können aber zugegeben auch weiterhin ohne sie klarkommen, Regeln zu Schicksalspunkten lassen sich beispielsweise auch mit Hausregeln improvisieren und wären in meinen Augen auch besser in der noch geplanten Veröffentlichung „Handbuch für den Spieleiter“ aufgehoben gewesen.

Eine schöne Erweiterung mit ausgefeilten Regeln, die das Spiel reizvoll ergänzen kann – aber nicht für alle Gruppen sinnvoll ist (was auch in die Punktewertung eingehen muss). Wem noch Teile des Regelkerns fehlen oder wer diesen noch nicht voll ausgeschöpft hat, wird die „Erweiterung Leitmagie“ nicht benötigen. Wer aber über diesen Regelkern hinausgehenden Tiefgang sucht und in wessen Welt Götterdiener bedeutende Rollen spielen (sollen), wird sicherlich in diesem Buch vieles von dem finden, was er vermisst hat. Es beinhaltet vieles um fast jeden Rolemaster Spieler neugierig zu machen. Ob er das Buch aber benötigt ist (auch angesichts des Preises von fast 35€) eine Entscheidung, die ich niemandem abnehmen kann. So ist das eben mit Erweiterungsbüchern. Gerade die neuen Konzepte für Priester ermöglichen aber unglaublich intensive Charaktere und die neuen Basislisten können für viele Überraschungen sorgen.

Mein Dank gilt abschließend dem 13Mann Verlag, der diese Rezension ermöglichte.
 
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