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Sci-Fi / Fantasy Die Zwerge von Amboss - Die Zerrissenen Reiche 1

Luzifer

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„Die Zwerge von Amboss „ mit dem Untertitel „Die Zerrissenen Reiche 1“ sind im Münchner Piper Verlag erschienen. Bisher glänzte der Autor hauptsächlich mit Drehbüchern zu z.B. Hörbüchern und auch schon mit Romanen bzw. Kurzgeschichten für Rollenspielwelten. Der Fantasy-Roman ist das Erstlingswerk des Autors Thomas Plischke in einer eigen erschaffenen Welt. Bei genauerer Betrachtung des Untertitels wird aber schnell klar, dass das nicht so bleiben wird.

Der Zwergenbund ist ein ganzer Kontinent, der sich um den Pol ausbreitet. Die Zivilisation der Zwerge hat sich diesen Untertan gemacht und kann auf eine lange Geschichte mit vielen Rückschlägen, aber auch Heldenepen zurück blicken. Die Zeit in der die Zwerge aber mit Helm, Schild und Axt in Kriege zogen, ist aber längst vorbei. Die Technologie hat Einzug gehalten und niemand versteht sich so gut darauf z.B. Waffen her zu stellen, wie die Wappner dieses Volkes.
Der Bund wurde zur Zeitenwende in weißglühender Esse geschmiedet, als das Seevolk und das Bergvolk nach langer Trennung wieder zusammenfanden. Und auch das Volk der Halblinge, die über ganz eigene Gaben verfügen spielen eine wichtige Rolle in der Verbrüderung. So entstanden auf dem Kontinent neben Siedlungen die wichtigsten Städte Zwerg, Hammer und Amboss.
In dieser Stadt arbeitet Gareb Schmied als Ermittler, im zwergischen Sprachgebrauch auch Sucher genannt. Mürrisch, hart, logisch und mit messerscharfem Verstand pflegt er seine Arbeit anzugehen. Im Zwergischen würde man sagen, dass „seine Arbeit Bestand hat“. Hoch dekoriert und mit vielen Belobigungen und Verdiensten für die Stadt ausgezeichnet, ermittelt er zu Beginn an einem Mordfall. Unterstützt wird er von seinem Adjutanten Bugeg. Schnell wird klar, dass Bugeg nach höherem drängt und schon bald seinen Mentor überholen will, denn so genial Gareb Schmied auch sein mag, ihn hat die Sucht nach Kräutern in seinen Fängen und das soll ihm noch zum Verhängnis werden.
Der Mordfall selbst ist für Bugeg schnell erklärt. Der Diener des Getöteten war ein Mensch, der jetzt verschwunden ist. Aufgrund des weitverbreiteten Hasses auf die Menschen und einer allzu deutlichen Nachricht mit dem Blut des Opfers geschrieben, will auch die Obrigkeit die Angelegenheit schnell erledigt wissen. Gareb, der trotz Rauschkrautsucht seinen Instinkt noch nicht verloren hat, sieht aber mehr hinter dem Offensichtlichen und zieht Passstücke zu Tage, von denen aber keiner etwas wissen will.
Die Menschen, die eigentlich in einem südlicheren Kontinent – den sogenannten Zerrissenen Reichen – leben, strömen in dieser Zeit nämlich zu Hauf in die Städte der Zwerge um dort Asyl und Arbeit zu finden. Kriegsunruhen, Gewalt und Religiöse Verfolgung haben sie den anstrengenden Weg in den Zwergenbund antreten lassen um dort Frieden und ihr Heil zu finden. Nicht nur einem Großteil der Bevölkerung, das um ihre eigenen Arbeitsplätze bangt, sondern auch einigen Politikern ist dieser Umstand ein Gräuel.
So passt es auch hervorragend ins Bild, dass kurz nach dem ersten Mord auch noch ein zweiter geschieht, der in aller Öffentlichkeit von einem Menschen begangen wurde. Nun werden die Unruhen immer lauter, dass die Menschen womöglich eine Rebellion anzetteln wollen. Auch bei diesem Mordfall wittert Gareb einige Unstimmigkeiten. Hiervon will aber niemand etwas hören und ihm werden die Ermittlungen von der Bundessicherheit entzogen. Gareb kann es nicht lassen und ermittelt weiter, was ihn in arge Bedrängnis geraten lässt. Bei seiner Suche stößt er auf eine Verschwörung und macht sich in den höchsten Kreisen Feinde, was ihn nicht nur seinen Ruf, seine Existenz, sondern sogar sein Leben kosten könnte.
Ein menschlicher Jäger von Monstern und Bestien aus den zerrissenen Reichen, eine geheimnisvolle menschliche Predigerin aus Amboss und ein zwergischer sogenannter Leiböffner (ein Chirurg) werden in Garebs weiteren Weg auf der Suche nach der Wahrheit noch eine wichtige Rolle spielen.

Auf der ersten Seite gewährt eine einer Karte der Kontinente einen geographischen Überblick. Fortan begibt man sich an der Seite von dem Sucher Gareb Schmied auf eine Lehrreise über das Gesellschaftsmodell der Zwerge. Ganz beiläufig werden neben der Suche am Tatort viele Einzelheiten über die sozialistische Gesellschaft der Kurzbeinigen dargelegt. Die Erklärungen und Hintergründe sind sehr gut in den Handlungsverlauf eingebunden. Ein Überblick über die Zivilisation der Zwerge lässt sich aber erst nach ein paar Kapiteln zu einem Gesamtbild verdichten. Am Anfang erscheint es noch eine wirre Anhäufung von Kleinigkeiten zu sein, die sich aber schnell zu einem komplexen und wohl durchdachten System entwickelt.
Sehr förderlich für die passende Stimmung einer Zwergenwelt ist der Sprachgebrauch. Die Namen der Zwerge entsprechen ihren Wurzeln, also meist Berufen ihrer Vorfahren. Worte des Handwerks, der Baukunst, der Schmiedekunst und einiger typischen Assoziationen zu Zwergen, wurden vom Autor fest in den Wortschatz der Bewohner des Bundes integriert. Wenn man also von Manufakturen, „Kieseln“ = jungen Zwergen, dem „Obersten Vorarbeiter“ = der Kanzler, oder den Ausspruch „meine Esse ist noch nicht erloschen“ liest, dann hat man das Gefühl, dass diese Welt von Plischke nicht einfach nur mit Zwergen bevölkert und aufgesetzt wurde, sondern nachhaltig entstanden ist. Man entwickelt über diese Ebene ein Gefühl für die Lebenseinstellung, die Philosophie und auch die Denkweise der Zwerge.
Mit Klischees wird zwar auch hier gespielt, aber auf so einbindende Art und Weise, dass sie nie billig erscheinen. Bildreich kann man sich die Generationen vorstellen, die zu dem im Roman beschriebenen Stand geführt hat.
Die „Langschädel“, also Menschen, kamen um einiges schlechter weg. Religion ist ein roter Faden des Romans, und die Kritik des Autors daran. Nicht nur einmal hat man den Eindruck, dass der unterwürfige, disziplinierte Glaube der Menschen an „die Herren“ auch den Leser zum Nachdenken anregen soll. Die unterschiedliche Auslegung des Glaubens an die Götter der Menschen hat so auch zu den Unruhen und Kriegen in den Zerrissenen Reichen geführt. Sektenartig haben sich die verschiedenen Regionen voneinander abgeschottet um nur die eigene Auslegung zu leben. Was anders ist wurde bekämpft. Besonders an dieser Kritik an der dogmatischen Verfolgung von Religion hört man den leisen Seitenhieb und fühlt sich z.B. an die katholische Kirche im Mittelalter erinnert, ebenso kann man damit moderne Fehlleitungen verbinden.
Hat man zunächst den Eindruck der Autor verurteilt jegliche Art von Religion, wird das durch die menschliche Predigerin Arisascha von Wolfenfurt im späteren Verlauf gemindert. Durch sie kommen neue Aspekte der Religionsauslegung hinzu, die den geneigten Leser fragen lassen, ob der Autor nun etwas gegen Religion hat, oder nur die Art und Weise, wie sie angewendet wird.

Ein weiteres sehr deutliches Motiv, das in dem augenscheinlichen Kriminalroman hervortritt, ist die Technologisierung und die Folgen für die Wirtschaft. Im Zwergenbund ist man an einem Punkt, der an die Industrialisierung Anfang des 20. Jahrhunderts denken lässt, Maschinen nehmen Arbeitsplätze. Passend wird hier noch ein ebenso bedeutendes Motiv dazu geschoben: Der Fremdenhass. Der Hass auf die Menschen, weil sie billiger arbeiten und Asyl im Bund suchen, der vor den Menschen doch so solide stand und nun am wanken ist. Der Hass auf die Menschen, die anders sind, als die Zwerge.
Anfangs subtil und dann doch geradezu aufdringlich hebt Thomas Plischke den Eulenspiegel und übt Kritik an wesentlichen Problemen, die vor 100 Jahren und auch heute noch in unserer Gesellschaft aktuell sind. Herausragend versteht er diese Motive in den Kriminalfall um Gareb Schmied einzuweben.

Die Protagonisten, allen voran der Sucher Schmied, sind sehr deutlich gezeichnet. Jeder Charakter hat seine eigene Geschichte, sie haben helle und dunkle Seiten, das macht sie tiefgängig. Alles erscheint sehr plausibel, allerdings liegt hier aber auch ein Manko. Die Taten der Protagonisten sind meist so gut durch den Hintergrund erklärt, dass sie zum Teil etwas zu geradlinig wirken. Man kann sich durch den Verlust der Frau die Rauschsucht von Gareb erklären, etc. Sie überraschen also nicht, oder nicht sehr. Die Zusammenführung der Hauptcharaktere erfolgt schon sehr früh im Plot und ungewohnt problemlos. Das zumindest überrascht.
Das Buch ist in sich nicht wirklich abgeschlossen. Der Kriminalfall ist zwar gelöst, aber es werden einige neue Türen aufgestoßen und man hat zum Ende den Eindruck, dass die ursprüngliche, oder besser gesagt, die vorgeschobene Spannung (Wer ist der Mörder?) ausgetauscht wurde gegen eine andere.
Es macht Spaß „Die Zwerge von Amboss“ zu lesen und in die Welt der Zwerge einzutauchen um ihre Gesellschaft zu ergründen. Es macht Spaß die Fäden des Suchers, des Bestienjägers, des Leiböffners und der Predigerin fortschreiten zu sehen, bis sie sich mit einander verknoten. Allerdings ist am Ende alles wieder offen und man muss die Spannung ertragen, bis der zweite Teil mit dem Titel „Die Ordenskrieger vom Goldberg – Die Zerrissenen Reiche 2“ (März 2009, Piper Verlag) erscheint.
Den Roman kann man getrost empfehlen. Spannend, auf seine eigene Art zeitlos, und voll von witzigen, phantastischen Ideen, welche die Welt der Zwerge ergründenswert machen. Ich gebe diesem Buch 9 von 10 Punkten.

Thomas Plischke, deine Arbeit wird Bestand haben!


Diese Rezension entstand in Zusammenarbeit mit DSA-Fantasy.de. Vielen Dank auch an den Piper Verlag.


Euer

Luzifer


 
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