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Sonstiges Die Schreibwerkstatt - Schrift und Schreiben im Mittelalter

Albero

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Das vorliegende Buch stellt die Geschichte von Schriftentwicklung und Büchern im europäischen Mittelalter als Überblick dar.

Das Buch von Katja Rother und Jan H. Sachers gliedert sich dabei in zwei Hauptteile und einen Anhang. Im ersten Teil geben die beiden Autoren einen historischen Überblick über die Entwicklung der abendländischen Schrift von den Anfängen der Buchstabenschrift über ihre mittelalterlichen Formen bis hin zu Gutenbergs Druck. Sodann zeigen sie die geschichtliche Entwicklung verschiedener Formen des Schreibens auf, sei es das Schreiben der Mönche und Nonnen, für die es eine Art von Gottesdienst war, oder die Notwendigkeit der Kaufleute, ihre Geschäfte schriftlich zu fixieren. Aber auch den schöngeistigen Teil des Schreibens der Dichter und Denker beleuchten sie in ihrer Abhandlung. Den historischen Teil beschließen die Autoren mit einer Betrachtung der geschichtlichen Entwicklung von Beschreibstoffen, Schreibwerkzeugen und Tinten sowie den Formen von Schriftstücken wie Briefen, Urkunden, Verträgen und vor allem auch Büchern.

Im zweiten Teil des Buches, dem praktischen Teil der Schreibwerkstatt, erfährt der Leser so ziemlich alles über das mittelalterliche Schreiben, angefangen vom Papierschöpfen über Tintenrezepte, Wachstafeln und Schreibfedern bis hin zu Siegel und Buchbinden.

Der abschließende Anhang enthält die wichtigsten mittelalterlichen Alphabete, ein Glossar und ein Abkürzungsverzeichnis. Sehr hilfreich für weitergehende Recherchen sind das sehr umfangreiche Literaturverzeichnis, die Auswahl aus der Sicht der Autoren nützlicher Internet-Seiten sowie empfehlenswerter Museen und Bibliotheken. Dabei kann und soll die Auswahl keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben.

Als ich das Buch das erste Mal in den Händen hielt, dachte ich zuerst: “Noch ein Buch über Schreiben im Mittelalter...” - davon las ich schon eine größere Zahl. Wer sich mit der Literatur zu Kalligraphie und Schreiben im Mittelalter beschäftigt hat, wird wie ich sehr schnell festgestellt haben, dass die Vielfalt und Auswahl an Büchern schier überwältigend ist. Und doch findet der geneigte Leser nur schwerlich ein individuell geeignetes Buch. Enweder sind die Themen, die verschiedene Bücher im Einzelnen und auch in erschöpfender Tiefe behandeln, sehr speziell oder sie versuchen sich an dem Wagnis, alles erklären zu wollen, kratzen dabei aber doch nur an der Oberfläche - dann sind sie genau dieses: oberflächlich.

Wer eine Vielzahl an Schriftformen sucht, wird von diesem Buch enttäuscht sein, werden doch auf zwei Seiten im Anhang gerade acht Alphabete aus der Zeit vom vierten bis zum 16. Jahrhundert vorgestellt. Aber das ist auch gar nicht die Zielsetzung des vorliegenden Buches, räumt doch Jan H. Sachers selbst ein, dass die Autoren sich bei der Auswahl der behandelten Themen zum Beispiel auf den deutschsprachigen Bereich des oben genannten Zeitraums beschränken mussten, um ein nützliches Handbuch präsentieren zu können. Und genau dieses ist ihnen auch sehr gut gelungen!

Alle die über die historischen Aspekte des Schreibens im Mittelalter kurze und prägnante Informationen suchen, werden das vorliegende Buch nicht mehr in ihrem Bücherregal missen wollen. Die Detailtiefe ist hinreichend groß, um zum Beispiel als Darsteller eines mittelalterlichen Schreibers auf einem einschlägigen Mittelaltermarkt nicht nur sein Handwerk zu präsentieren, sondern auch die Geschichte dahinter dem interessierten Marktbesucher erläutern zu können. Aber auch seinen Freunden und Verwandten kann man endlich sein faszinierendes Hobby näher bringen, ohne sie mit der Detailfreudigkeit so mancher spezialisierter wissenschaftlicher Literatur zu langweilen. Was die Autoren im Vorwort des Buches als Absicht formulieren trifft wirklich zu, denn das vorliegende Buch ist vielleicht seit über hundert Jahren der erste gelungene Versuch, das Schriftwesen des Mittelalters in einem Buch auch für ein Laienpublikum darzustellen. Dabei ist es keineswegs unpräzise im wissenschaftlichen Sinne. Aber es ist verständlich geschrieben und notwendige und erforderliche Fachbegriffe werden im ausführlichen Glossar erläutert.
Dieses Buch soll für den interessierten Laien ein Übersichtswerk sein. Aber auch so mancher wissenschaftlich Interessierte oder Fortgeschrittene wird seine wahre Freude daran haben, denn die Vielzahl an zitierten Autoren und Quellen ist schlicht überwältigend.

Insgesamt beeindruckt das vorliegende Buch sehr, denn es ist verständlich geschrieben und gut recherchiert, man kann es mit Freude am Stück lesen und als Nachschlagewerk weiterbenutzen. Auch die handwerklichen Hinweise z.B. zum Herstellen von Schreibfedern und Tinten sind einfach und hilfreich. Einziger Wermutstropfen ist das Cover des Buches: Was hat die Darstellung von schwertschwingenden, gerüsteten Kämpfern mit Schreiben zu tun? Sicher wenig, außer dass beides im Mittelalter wesentlichen Veränderungen unterworfen wurde. Aber davon abgesehen ist das Buch sehr zu empfehlen, denn das Preis-Leistungsverhältnis und der Inhalt sind absolut überzeugend.

Vielen Dank an den G&S-Verlag, der diese Rezension ermöglichte.
 
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